Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 2637/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2199/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. April 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010.
Die am 1966 geborene Klägerin absolvierte von September 1983 bis Juli 1985 erfolgreich eine Ausbildung zur Arzthelferin. In diesem Beruf war sie ab September 1985 mit kurzzeitigen Unterbrechungen wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit beschäftigt bis Dezember 2005. Anschließend bezog sie zunächst Krankengeld, ab 1. April 2006 Arbeitslosengeld – wiederum mit Unterbrechungen durch den Bezug von Krankengeld – bis zum 11. März 2007. Vom 12. März bis 5. Juli 2007, 2. bis 7. April 2008 und 20. April bis 20. Juli 2009 war sie in verschiedenen Praxen als Arzthelferin versicherungspflichtig beschäftigt, unterbrochen jeweils von Zeiten der Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Vom 21. Juli 2009 bis 5. Januar 2011 bezog sie Krankengeld, anschließend vom 6. Januar 2011 bis 4. Januar 2012 Arbeitslosengeld I. Die Zeit seit dem 6. Januar 2012 ist im Versicherungsverlauf als krank/Gesundheitsmaßnahme ohne Beitragszahlung gespeichert.
Am 14. Dezember 2009 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, zu deren Begründung sie unter anderem auf eine depressive Episode, Angst und depressive Störung gemischt, eine Angststörung mit Panikattacken im Stadium der Chronifizierung, ein allergisches Asthma, ein chronisches Halswirbelsäulen (HWS)- und Brustwirbelsäulen (BWS)-Syndrom, eine Steilstellung der Wirbelsäule und Gesundheitsstörungen am linken Knie verwies.
Die Beklagte zog zunächst Unterlagen der behandelnden Ärzte bei, so unter anderem einen Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 12. Oktober 2009 (Angststörung mit Panikattacken bei selbstunsicherer Persönlichkeit im Stadium der Chronifizierung; keine Tätigkeiten mit hoher Stressbelastung, Konzentrationsvermögen und Teamarbeit sowie Publikumsverkehr mehr möglich; die Anfahrtswege sollten aufgrund der Symptomatik gering zu halten sein). In ihrer vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 8. März 2010 diagnostizierte diese eine Anpassungsstörung mit Panikattacken, eine soziale Phobie sowie eine selbst unsichere Persönlichkeit mit instabilen Zügen (Restleistungsvermögen von unter drei Stunden täglich).
Die Beklagte ließ die Klägerin zunächst durch Internistin und Sozialmedizinerin Dr. H.-Z. begutachten. Diese diagnostizierte aufgrund einer Untersuchung am 28. Januar 2010 in ihrem Gutachten vom 2. Februar 2010 eine operativ behandelte laterale Tibiakopffraktur links 2007, eine arthroskopische Meniskusteilresektion 2005, einen retropatellaren Knorpelschaden, eine paravertebrale Muskelverspannung ohne Funktionsminderung sowie ein medikamentös kompensiertes allergisches Asthma bronchiale. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Knien, häufiges Klettern oder Steigen sowie ohne verstärkte Staubexposition könnten ebenso vollschichtig verrichtet werden wie eine Tätigkeit als Arzthelferin.
Aufgrund einer Untersuchung am 29. Januar 2010 erstellte Dr. Sc., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, unter dem 1. Februar 2010 ein nervenärztliches Gutachten, in dem er auf seinem Fachgebiet eine Angstsymptomatik mit sozialer Phobie und Panikattacken sowie eine Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen diagnostizierte. Die Klägerin könne eine Tätigkeit als Arzthelferin (ohne Publikumsverkehr, z.B. Labor- oder Verwaltungstätigkeiten) sowie leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Publikumsverkehr und überdurchschnittliche Stressbelastungen noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 als unbegründet zurück.
Am 23. Juli 2010 erhob die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG), zu deren Begründung sie ausführte, sie sei aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage, einer Arbeit nachzugehen oder auch nur dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Die Angstsymptomatik und die damit verbundenen Panikattacken sowie die soziale Phobie seien so schwerwiegend, dass sie – die Klägerin – praktisch nicht mehr in der Lage sei, ihre Wohnung zu verlassen oder Menschen um sich zu ertragen. Den Gutachten von Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. d. L. sowie Arzt für Psychosomatik, Psychotherapie, Neurologie, Psychiatrie und Psychoanalyse Prof. Dr. B. (dazu unten) könne nicht gefolgt werden. Erstere habe keinerlei körperliche Untersuchung durchgeführt, insbesondere seien die angegebenen neurologischen Befundprüfungen nicht erfolgt. Sie – die Klägerin – habe nicht gesagt, keine Menschenmengen zu vertragen, sondern generell keine Menschen um sich ertragen zu können. Sie habe nicht gesagt, ihr Verhalten als übertrieben zu empfinden. Außerdem dauerten die Panikattacken nicht nur über Minuten, sondern hielten so lange an, wie die gesamte Situation bestehe. Prof. Dr. B. habe neuere orthopädische Befundberichte nicht berücksichtigt. Der durchgeführten Testung komme auch nach deren Ablauf keine maßgebliche Aussagekraft für die berufliche Leistungsfähigkeit zu. Der Sachverständige habe ihr Verhalten nicht zutreffend bewertet. Des Weiteren widerspreche er sich in seinem Gutachten hinsichtlich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit selbst, wenn er einerseits eine solche von maximal sechs Stunden mit Pausen annehme, andererseits eine solche von mindestens sechs Stunden postuliere. Des Weiteren legte die Klägerin u.a. einen Arztbrief von Dr. S. vom 19. Mai 2010 (Diagnose: Angststörung mit sozialen Ängsten, depressive Einbrüche bekannt) vor, deren Bescheinigung vom 10. Dezember 2014, einen Bericht des Orthopäden Ra. vom 19. Juli 2011 (HWS-BWS-Syndrom, posttraumatische Gonarthrose links, Bewegungseinschränkung im Handgelenk rechts nach Ganglion-Operation, obere Sprunggelenk (OSG)-Beschwerden links), Arztbriefe des Facharztes für Orthopädie K. vom 5. August 2014 und 7. Januar 2015 und ein Attest desselben Arztes vom 1. Dezember 2014 (erheblich reduzierte Gehfähigkeit).
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage sozialmedizinischer Stellungnahmen von Dr. E.-D., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 18. Januar 2012 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Bu. vom 24. Januar 2014 entgegen; danach könne dem Gutachten von Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie, Prof. Dr. Br. (dazu unten) nicht gefolgt werden, da er sich in seiner Bewertung sehr auf die subjektive Beschwerdeschilderung der Klägerin stütze, ohne diese jedoch zu objektivieren. Johanniskraut und Cipralex (Antidepressivum, in niedriger Dosierung) stellten keine adäquate Therapie einer Angsterkrankung dar. Das Gutachten von Prof. Dr. Eb., Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Klinikums L., (dazu unten) mache deutlich, dass sich die Klägerin der erforderlichen therapeutischen Auseinandersetzung mit ihren psychischen Störungsbildern nicht gestellt habe, und spreche insoweit explizit von einem Vermeidungsverhalten. Die Gewährung einer Rente würde die Klägerin in ihrer neurotischen Fehlhaltung unterstützen.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Internistin Dr. En. legte das medizinische Gutachten des Dr. Sa., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg, vom 24. September 2009 (keine Gefährdung/Minderung der Erwerbsfähigkeit) vor. Dr. S. beschrieb unter dem 21. September 2010 eine chronifizierte Angststörung mit Panikattacken und sozialer Ängstlichkeit. Die Klägerin neige zu erheblichem sozialen Rückzug und könne wegen ihrer Ängste keine weiten Autofahrten unternehmen und keine S-Bahn benutzen. Die depressive Symptomatik habe sich verbessert. Nach dem bisherigen Verlauf der Behandlung mit begonnener medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung mit verhaltenstherapeutischem Schwerpunkt sei es bisher nicht gelungen, die psychische Stabilität der Klägerin zu verbessern. Auch leichte Tätigkeiten könne die Klägerin derzeit allenfalls unter drei Stunden ohne lange Anfahrtswege verrichten. Dr. St., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, berichtete unter dem 5. Januar 2011 über nur zweimalige Vorstellungen im Dezember 2009 und Januar 2010. Aus orthopädischer Sicht schloss er sich der Leistungseinschränkung von Dr. H.-Z. und Dr. Sc. an. Orthopädisch sei eine angegebene Gehstrecke von 100m nicht nachzuvollziehen.
Anschließend bestellte das SG Dr. R. d. L. zur gerichtlichen Sachverständigen. In ihrem aufgrund einer Untersuchung am 16. März 2011 am 17. März 2011 erstatteten Gutachten diagnostizierte diese eine Angst und depressive Störung gemischt sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung. Die Klägerin könne ohne Gefährdung ihrer Gesundheit ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Arzthelferin sowie leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Eine Überforderung durch extremen Zeitdruck infolge einer Akkord- oder Schichtarbeit sowie einer Nachttätigkeit sollte nicht zugemutet werden, um eine Exacerbation zu verhindern. Auch eine Tätigkeiten in einem Großraumbüro oder in einem großen Team sei nicht mehr zumutbar. Eine Tätigkeit als Arzthelferin oder ähnlichen Berufsbildern im medizinischen und administrativen Bereich komme durchaus noch in Frage. Aufgrund der jetzt anhaltenden Arbeitsunfähigkeit und der dadurch fehlenden Übung bezüglich der Angsterkrankung sei dringend das Einleiten eines medizinischen psychosomatischen Heilverfahrens zu empfehlen. Im Anschluss daran sollte unbedingt eine leitlinienorientierte Verhaltenstherapie durchgeführt werden. Einschränkungen, übliche Wege zu Arbeitsstelle zurückzulegen, lägen nicht vor. In ergänzenden Stellungnahmen vom 25. Mai 2011 und 15. Mai 2012 hielt die Sachverständige – auch in Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Prof. Dr. Br. – an ihrer Leistungseinschätzung fest.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Prof. Dr. Br. mit der Erstellung eines Gutachtens, das dieser am 30. Oktober 2011 erstattete. Neben weiteren fachfremden Diagnosen beschrieb dieser eine generalisierte Angststörung mit sozialphobischen Zügen, eine Panikstörung bei Agoraphobie sowie eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung. Die Klägerin sei nicht mehr dazu in der Lage, irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, auch nicht unterhalbschichtig und auch nicht im Rahmen körperlich leichter oder geistig einfacher Tätigkeiten. Sie selbst verfüge keineswegs über die zumutbare Willensanstrengung, um die bei ihr bestehenden Symptome aus eigener Kraft zu überwinden. Mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit als dauerhaft anzusehen sei. Dafür spreche die bei der Klägerin zu beschreibende lange Krankheitsanamnese, die bisherigen frustranen Therapieversuche und der Umstand, dass die bei ihr vorhandenen Symptome psychischer Art als fixiert anzusehen seien. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit bestehe nicht. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Januar 2015 hielt Prof. Dr. Br. – auch in Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Prof. Dr. Eb. und Prof. Dr. B. – an seiner Leistungseinschätzung fest.
Im Auftrag des SG erstattete Prof. Dr. Eb. am 17. Dezember 2013 ein weiteres psychiatrisches Gutachten und stellte die Diagnosen einer Agoraphobie mit Panikstörung sowie einer sozialen Phobie; in Zuspitzungen der Lebenssituationen scheine es zu depressiven Episoden zu kommen. Die Klägerin könne nach Behandlung der im Prinzip vorübergehenden Angststörung mindestens sechs Stunden täglich in ihrem erlernten Beruf als Arzthelferin arbeiten sowie eine leichte körperliche Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Eine Minderung der Leistungsfähigkeit liege nicht vor. Da die Klägerin seit vier Jahren keiner geregelten Arbeit mehr nachgegangen sei, erscheine der Beginn durch eine Wiedereingliederungsmaßnahme sinnvoll. Empfehlenswert sei vor Beginn die Initiierung einer adäquaten psychiatrischen Therapie mit beispielsweise medikamentöser Unterstützung und verhaltenstherapeutischen Interventionen. Geeignet erscheine ein Arbeitsplatz ohne Heben schwerer Lasten, Steigen auf Gegenstände und permanenten Kontakt mit anderen Menschen. In den Ergebnissen schließe er sich den Beurteilungen von Dr. R. d. L. sowie den Gutachten von Dr. Sc. und Dr. H.-Z. an.
Der auf weiteren Antrag der Klägerin nach § 109 SGG zum Sachverständigen bestellte Prof. Dr. B. diagnostizierte in seinem aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 25. Juni 2014 am 23. Oktober 2014 erstatteten Gutachten eine soziale Phobie und eine Agoraphobie mit Panikstörungen sowie eine mittelgradige depressive Episode. Die Klägerin könne – jeweils nach intensiver Behandlung ihrer psychischen Störung – mindestens sechs Stunden täglich in ihrem bisherigen Beruf arbeiten und leichte Tätigkeiten ohne Hebe- und Trageleistungen schwerer Lasten verrichten. Sie sollte nicht mit einer zu großen Menge von Menschen permanent konfrontiert sein. Büroarbeiten und Sachbearbeitung könne sie übernehmen.
Mit Urteil vom 21. April 2015 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Den Einschätzungen von Dr. R. d. L., Prof. Dr. Eb. und Prof. Dr. B. auch aufgrund des eigenen Eindrucks von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und des dort geschilderten Tagesablaufs folgend sei die Leistungsfähigkeit nicht in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Die abweichende Einschätzung von Prof. Dr. Br. und Dr. S. könne nicht überzeugen. Obwohl bislang eine intensive leitliniengerechte Behandlung der psychischen Erkrankung nicht erfolgt sei, habe eine relevante Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht festgestellt werden können.
Gegen dieses ihr am 30. April 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. Mai 2015 beim SG Berufung eingelegt und nach der Klarstellung im Erörterungstermin vom 2. August 2016 die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010 begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei nicht der Lage, sich aus ihren Ängsten so zu lösen, so dass sie ein durchschnittliches Leben führen könne. Sie könne nur unter Begleitung nach längerer Vorbereitung die Wohnung verlassen, wobei sie dann an Panikattacken leide. Daher sei sie nicht wegefähig. Entgegen der Ansicht von Prof. Dr. Eb. liege keine vorübergehende Angststörung, sondern ein chronifiziertes Vermeidungsverhalten vor. Ihre Wohnung und der Umgang mit ihrem ebenfalls schwerkranken Ehemann sei der einzige Ort, an dem sie sich einigermaßen sicher fühle. Als ehemalige medizinische Fachangestellte bei einem Nervenarzt habe sie Patienten unter Medikamenteneinfluss beobachten können und nunmehr große Angst vor Medikamenten. Das ihr verordnete Cipralex habe zu einer Verschlechterung ihres Zustandes geführt, auch durch das Zusammenwirken mit dem ihr verordneten Betablocker. Die Risiken und Nebenwirkungen von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, wie dem genannten Medikament, seien gravierend. Als einzigen Ausweg habe sie Johanniskraut angesehen. Trotz dessen Einnahme sei sie auf ihre Wohnung eingeschränkt. Das Gutachten von Dr. He., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie, (dazu unten) enthalte Fehler, Mängel und Widersprüche. Die Untersuchungszeit von zwei Stunden sei durch zwei Telefonate des Sachverständigen und das Lesen der von ihr mitgebrachten Schreiben unterbrochen worden. Neben der neurologischen und körperlichen Untersuchung sei für das eigentliche psychiatrische Gespräch kaum genügend Zeit geblieben. Der Sachverständige habe sie mit Fragen bombardiert und kaum Raum gelassen für ihre eigene Schilderung, auch zu der sie belastenden Krankheit ihres Ehemannes. Sie sei vor Aufregung total fertig gewesen. Ihre Angaben seien teils nicht korrekt bzw. verzerrt wiedergegeben. Ihre orthopädischen Vorerkrankungen und Beschwerden habe sie ausführlicher dargestellt, als im Gutachten wiedergegeben. Der Sachverständige habe eine Gangprüfung nicht durchgeführt und habe ihr Gangbild auch nicht beobachten können. Ihren Ehemann habe sie nicht als Zeugen mit ins Untersuchungszimmer nehmen dürfen. Die Einschätzung von Dr. He., es bestünden keine besonderen Einschränkungen bezüglich des Arbeitsweges, stehe im Widerspruch zu den von ihm diagnostizierten psychischen Störungen und ihrer wiederholten Angabe, alleine das Haus nicht verlassen und öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen zu können. Eine eineinhalbjährige medikamentöse Therapie habe hier gerade keine Besserung gebracht. Die angegebene vollschichtige Leistungsfähigkeit sei nicht nachvollziehbar; in der Realität sei es leider so, dass man mit einer psychischen Erkrankung beruflich nirgends mehr auf dem Arbeitsmarkt unterkomme. Trotz Überlassung einer schriftlichen Zusammenfassung der Schilderung ihrer Beschwerden und ihres Werdeganges, einer Auflistung der Diagnosen aus vorliegenden Arztberichten und ihres Lebenslaufs habe Dr. He. ihre Belastungen und Prägungen aufgrund ihres bisherigen Werdeganges/Lebenslaufes sowie von fortdauernden schwierigen Belastungssituationen weder erfasst noch gewürdigt oder anerkannt. Ergänzend hat sie vorgelegt ein Attest von Arzt K. vom 30. November 2015 (erheblich reduzierte Gehstrecke wegen starker Schmerzen an beiden Kniegelenken, Füßen und Achillessehnen), Atteste von Dr. S. vom 25. August 2016 (zweiter Behandlungsversuch mit Citraplex im Mai 2013, wegen Nebenwirkungen abgebrochen) und vom 26. Januar 2017 (psychische Belastung wegen – operierter – Hautkrebserkrankung), eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. Br. vom 14. Januar 2017, einen Arztbrief von Dres. Er. und Go., Fachärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie vom 22. März 2017 (Reizfibrom, kein Hinweis auf malignen Tumor) sowie einen Internetartikel über Johanniskraut.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. April 2015 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig. Ergänzend hat sie unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Bu. vom 13. März 2017 ausgeführt, die Argumentation von Dr. He. erscheine überzeugend. Die zwölfseitige differenzierte Stellungnahme der Klägerin selbst zu dessen Gutachten lasse Konsistenz zur Sichtweise mit Dr. He. – nicht auf vorhandene kognitive Einschränkungen der Klägerin schließen. Die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. Br. vom 14. Januar 2017 erscheine hingegen insbesondere aufgrund der Vielzahl vorliegender gutachterlicher Einschätzungen über den gesamten Verlauf hinweg, die alle von keiner quantitativen Leistungsminderung ausgingen, nicht überzeugend.
Der vom Senat als sachverständiger Zeuge schriftlich befragte Arzt K. hat unter dem 27. Januar 2016 folgende Diagnosen genannt: Chronisch rezidivierende Angststörung und Panikattacken, Thorako-Lumbalskoliose, Hohlrundrücken; chronisch rezidivierendes Cervico-Cephalgie-Syndrom, Cervicobrachialsyndrom und Cervikalsyndrom bei Fehlhaltung HWS; rezidivierende Periarthritis humeroscapularis rechts mit Impingement- und Supraspinatussyndrom; chronisch rezidivierende Epicondylitis humeri radialis rechts mit Tendomyositis rechter Unterarm, Überlastungssyndrom; medial betonte Gon- und Retropatellararthrose beidseits; chronisch rezidivierende Achillodynie beidseits; dekompensierter Knick-Senk-Spreizfuß, Metatarsalgie beidseits, OSG-Arthrose beidseits; chronisch rezidivierender vertebragener Drehschwindel; rezidivierende Depression, chronisches Schmerzsyndrom Stadium II bis III mit Konversionsneurose mit Denkverarbeitungsstörung. Nicht leidensgerecht seien Arbeiten mit ständig ausgestrecktem Arm nach vorn oder zur Seite, über Kopf und dauernd am Schreibtisch, ständiges Schreiben mit Stift oder stundenlang mit Schreibmaschine, häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern oder Gerüsten sowie langes Gehen und Stehen. Das Gehen auf unebenen Böden sei ebenfalls schmerzhaft. Leichte Tätigkeiten seien aus rein orthopädischer Sicht mindestens sechs Stunden täglich möglich.
Der Senat hat Dr. He. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. In seinem aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 26. September 2016 unter dem 28. September 2016 erstatteten Gutachten hat er eine Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst), eine soziale Phobie sowie eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Akkord- und Nachtarbeit, besonderer Zeitdruck sowie Arbeiten mit besonders hohen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration, mit besonders hohe Verantwortung oder besonders hoher geistiger Beanspruchung seien nicht mehr zumutbar. Die danach noch zumutbaren Arbeiten könnten ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit täglich mindestens sechs Stunden verrichtet werden. Bezüglich des Arbeitsweges bestünden keine besonderen Einschränkungen, weder in zeitlicher Hinsicht noch hinsichtlich der Wegstrecke oder der Unzumutbarkeit bestimmter Verkehrsmittel. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 9. November 2016 hat Dr. He. in Auseinandersetzung mit den Einwänden der Klägerin an seiner Leistungseinschätzung festgehalten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch sonst zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, da die Klägerin laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010. Hierauf hat die Klägerin ihr Begehren ausweislich der Klarstellung im Erörterungstermin vom 2. August 2016 ausdrücklich beschränkt. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 24. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vollumfänglich abgelehnt hat.
3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010.
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, dass die Klägerin auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen bei ihr gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern ihre berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber dauerhaft auch in quantitativer Hinsicht.
(1) Bei der Klägerin bestanden auf orthopädischem Fachgebiet zunächst eine operativ behandelte laterale Tibiakopffraktur links 2007, eine arthroskopische Meniskusteilresektion 2005, ein retropatellarer Knorpelschaden und eine paravertebrale Muskelverspannung ohne Funktionsminderung. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. H.-Z. vom 2. Februar 2010, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Bestätigt wird dies von Dr. St. in seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2011. Danach zeigte eine Kernspintomographie des linken Kniegelenkes bis auf eine Unregelmäßigkeit der Knorpelverhältnissen der Kniescheibe keine besonderen Knieschäden; die Kernspintomographie der linken Hüfte war unauffällig. Auch die klinische Untersuchung zeigte sich weitgehend unauffällig. Inzwischen ist von folgenden Gesundheitsstörungen auszugehen: Thorako-Lumbalskoliose, Hohlrundrücken; chronisch rezidivierendes Cervico-Cephalgie-Syndrom, Cervicobrachialsyndrom und Cervikalsyndrom bei Fehlhaltung HWS; rezidivierende Periarthritis humeroscapularis rechts mit Impingement- und Supraspinatussyndrom; chronisch rezidivierende Epicondylitis humeri radialis rechts mit Tendomyositis rechter Unterarm, Überlastungssyndrom; medial betonte Gon- und Retropatellararthrose beidseits; chronisch rezidivierende Achillodynie beidseits; dekompensierter Knick-Senk-Spreizfuß, Metatarsalgie beidseits, OSG-Arthrose beidseits. Dies entnimmt der Senat der Auskunft von Arztes K. vom 27. Januar 2016, bei dem sich die Klägerin seit dem 30. Juni 2014 in Behandlung befindet. Der Senat legt diese Gesundheitsstörungen zugunsten der Klägerin zugrunde, obwohl der Zeuge zu den von ihm diagnostizierten Störungen an der Wirbelsäule keine Befunde mitgeteilt hat. Bestätigt wird ein HWS-BWS-Syndrom jedoch auch im Arztbrief des Orthopäden Ra. vom 19. Juli 2011.
Internistisch besteht ein medikamentös kompensiertes allergisches Asthma bronchiale, wie dem Gutachten von Dr. H.-Z. zu entnehmen ist.
Psychiatrisch bestehen eine ausgeprägte Angstsymptomatik und eine Störung aus dem depressiven Formenkreis. Dies ergibt sich aus der insoweit übereinstimmenden Darstellung aller mit der Klägerin im Verfahren befassten Fachärzte. Dr. Sc. beschrieb insoweit eine Angstsymptomatik mit sozialer Phobie und Panikattacken und eine Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen, Dr. S. eine Angststörung mit Panikattacken bei selbstunsicherer Persönlichkeit und soziale Phobie. Dr. R. d. L. diagnostizierte Angst und depressive Störung gemischt sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung, Prof. Dr. Br. eine generalisierte Angststörung mit sozialphobischen Zügen, eine Panikstörung bei Agoraphobie sowie eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung. Prof. Dr. Eb. stellte die Diagnosen einer Agoraphobie mit Panikstörung sowie einer sozialen Phobie; in Zuspitzungen der Lebenssituationen scheine es zu depressiven Episoden zu kommen. Prof. Dr. B. bezeichnete eine soziale Phobie und eine Agoraphobie mit Panikstörungen sowie eine mittelgradige depressive Episode, Dr. He. eine Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst), eine soziale Phobie sowie eine leichte depressive Episode.
(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin in qualitativer Hinsicht ein. Nicht leidensgerecht sind aufgrund Gesundheitsstörungen an der HWS und der rechten Arbeiten mit ständig ausgestrecktem Arm nach vorn oder zur Seite, über Kopf und dauernd am Schreibtisch, wegen der am rechten Ellenbogen ständiges Schreiben mit Stift oder stundenlang mit Schreibmaschine. Die Gesundheitsstörungen an den Füßen, den Achillessehnen und den Kniegelenken schließen häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern oder Gerüsten, langes Gehen und Stehen sowie längeres Gehen auf unebenen Böden aus. Dies entnimmt der Senat der insoweit überzeugenden Einschätzung von Arzt K. in seiner Stellungnahme als sachverständiger Zeuge vom 27. Januar 2016. Dies ist auch im Hinblick auf die Ergebnisse der neurologischen Untersuchungen der nervenärztlichen Gutachter, insbesondere Dr. Sc., Prof. Dr. Br. und Dr. He., nachvollvollziehbar, die keine signifikanten pathologischen Befunde erhoben hatten. Sensible oder motorische Defizite konnten nicht festgestellt werden; es fanden sich weder Paresen noch Minderungen der groben Kraft. Für den Senat nicht nachvollziehbar ist die von Arzt K. in seinem Attest vom 30. November 2015 noch angegebene erheblich reduzierte Gehstrecke von 200 bis 300 m. Woher diese Streckenangabe stammt oder worauf sie gründet, ist dem nicht zu entnehmen. Untersuchungen, die dies objektiviert hätten, wurden nicht beschrieben. Subjektive Angaben der Klägerin allein sind nicht geeignet, eine tatsächliche Einschränkung in diesem Maße festzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Dr. St. schon in seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2011 darauf hingewiesen hatte, dass die dort von der Klägerin angegebene Gehstrecke vom 100 m orthopädisch nicht nachvollziehbar sei. In seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 27. Januar 2016 hat Arzt K. eine solche Gehstreckeinschränkung nicht mehr angegeben. Vielmehr hat er lediglich den Ausschluss langen Gehens formuliert.
Dem – medikamentös kompensierten – allergischen Asthma bronchiale wird durch den bereits von Dr. H.-Z. geforderten Ausschluss verstärkter Staubexposition ausreichend Rechnung getragen.
Die psychiatrischen Gesundheitsstörungen schließen zur Vermeidung einer Überforderung extremen Zeitdruck infolge einer Akkord- oder Schichtarbeit sowie eine Nachttätigkeit aus. Tätigkeiten in einem Großraumbüro oder in einem großen Team sind nicht mehr zumutbar. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden und überzeugenden Einschätzungen von Dr. R. d. L., Prof. Dr. Eb., Prof. Dr. B. und Dr. He ... Insoweit stimmt dem auch Dr. S. zu. Dr. He. folgend hält der Senat auch Arbeiten mit besonders hohen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration, mit besonders hohe Verantwortung oder besonders hoher geistiger Beanspruchung für nicht mehr zumutbar.
(3) Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens für leichte Tätigkeiten auf nicht absehbare Zeit, also für mindestens sechs Monate (BSG, Urteil vom 23. März 1977 – 4 RJ 49/76 – juris, Rn. 15), auf ein unter sechsstündiges Maß führen.
(a) Die orthopädischen und internistischen Gesundheitsstörungen bedingen eine solche Einschränkung nicht. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. H.-Z ... Diese Einschätzung wird für das orthopädische Fachgebiet auch von Arzt K. ausdrücklich bestätigt (Stellungnahme vom 27. Januar 2016).
(b) Bei der Bewertung der Erwerbsminderung aufgrund der psychiatrischen Störungen ist zu beachten, dass es nicht allein auf den (aktuellen) Ausprägungsgrad ankommt. Vielmehr sind psychische Erkrankungen erst dann von rentenrechtlicher Relevanz, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann – weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe. Solange Behandlungsoptionen auf psychiatrischen Fachgebiet, sei es ärztlicher, therapeutischer oder auch medikamentöser Art, bestehen, scheidet die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung aus (BSG, Urteil vom 12. September 1990 – 5 RJ 88/89 – juris, Rn. 17 und Urteil vom 29. März 2006 – B 13 RJ 31/05 R – juris, Rn.21 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Mai 2016 – L 5 R 4194/13 – juris, Rn. 60; Bayerisches LSG, Urteil vom 21. März 2012 – L 19 R 35/08 – juris, Rn. 58 m.w.N.).
(aa) Prof. Dr. Br. hat in seinem Gutachten vom 30. Oktober 2011 hierzu ausgeführt, die Klägerin sei nicht mehr dazu in der Lage, irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die Klägerin selbst verfüge nicht über die zumutbare Willensanstrengung, um die bei ihr bestehenden Symptome aus eigener Kraft zu überwinden. Mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit als dauerhaft anzusehen sei. Dafür spreche die bei der Klägerin zu beschreibende lange Krankheitsanamnese, die bisherigen frustranen Therapieversuche und der Umstand, dass die bei ihr vorhandenen Symptome psychischer Art als fixiert anzusehen seien. Das Krankheitsbild sei therapeutischen Maßnahmen nur sehr bedingt zugänglich. Es sei daher auch in der Zukunft wohl nicht möglich, der Klägerin entscheidend dabei zu helfen, sich insbesondere in psychischer Hinsicht besser und freier zu fühlen. Die Symptome sowie die Psychodynamik hätten sich gewissermaßen fixiert. Sie bedingten die Ängste der Klägerin und deren psychisch-emotionale Unbeweglichkeit, wobei daraus wiederum eine erhebliche Einschränkung ihrer Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit abzuleiten sei.
(bb) Diese Schlussfolgerung vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Bereits Dr. E.-D. hatte in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 18. Januar 2012 nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. Br. seitenweise die subjektive Schilderung der Klägerin wiedergebe, ohne diese zu objektivieren. Zum Zeitpunkt der dortigen Untersuchung wurde die Klägerin medikamentös mit Neuroplant (Johanniskraut) und dem Antidepressivum Cipralex (20mg., 5 Tropfen) behandelt. Dabei handelt es sich nach überzeugender Darstellung von Dr. Bu. in dessen sozialmedizinischer Stellungnahme vom 24. Januar 2014 um eine niedrig dosierte antidepressive Therapie, nicht aber um eine adäquate Therapie einer Angsterkrankung. Auch Dr. R. d. L. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Mai 2012 darauf hingewiesen, dass keine signifikante medikamentöse Behandlung durchgeführt und auch noch keine weitere spezifische Behandlung eingeleitet wurde. Weitergehende Behandlungen als mit Johanniskraut und Cipralex erfolgten nicht, auch nicht in der Folgezeit. In ihrem Gutachten vom 17. März 2011 empfahl die Sachverständige die Durchführung eines psychosomatischen Heilverfahrens, an das sich eine leitlinienorientierte Verhaltenstherapie anschließend sollte. Solche Maßnahmen wurden von der Klägerin nicht eingeleitet.
Die von der Klägerin an diesem Gutachten geübte Kritik ist nicht geeignet, die vorgenannte Bewertung in Frage zu stellen. Die Klägerin bemängelte, die Sachverständige habe keinerlei körperliche Untersuchung durchgeführt, insbesondere seien die angegebenen neurologischen Befundprüfungen nicht erfolgt. Sie – die Klägerin – habe nicht gesagt, keine Menschenmengen zu vertragen, sondern generell keine Menschen um sich ertragen zu können. Sie habe nicht gesagt, ihr Verhalten als übertrieben zu empfinden. Außerdem dauerten die Panikattacken nicht nur über Minuten, sondern hielten so lange an, wie die gesamte Situation bestehe. Diese Einwände betreffen weder die hier maßgebliche Bewertung, dass eine adäquaten Therapie bislang nicht durchgeführt wurde, noch deren fachliche Grundlage.
(cc) Prof. Dr. Eb. bestätigt ebenfalls, dass die Klägerin bisher nur ambulant und mit geringer medikamentöser Unterstützung (maximale Dosis Johanniskraut 900 mg, Cipralex 9 Tropfen) und damit psychiatrisch nicht adäquat behandelt wurde. Bei adäquater Therapie, wahrscheinlich stationärer Art, könne die Klägerin die Angststörung überwinden und wieder am Arbeitsalltag teilnehmen. Ausdrücklich verwies er auf die Möglichkeit medikamentöser Unterstützung und verhaltenstherapeutischer Interventionen. Die an diesem Gutachten von Prof. Dr. Br. geübte Kritik ist nicht nachvollziehbar. Dieser vermutet ohne weitere Hinweise, dass Prof. Dr. Eb. die Untersuchungen im Wesentlichen durch den Assistenzarzt hat durchführen lassen. Dem Gutachten oder anderen Umständen ist dies gerade nicht zu entnehmen. Der weitere Einwand, der dort wiedergegebene psychiatrische Befund sei kurz gefasst und werde dem üblichen Anspruch auf eine psychiatrische Expertise nicht gerecht, ist nicht nachvollziehbar. Zumal der von Prof. Dr. Br. in seinem eigenen Gutachten beschriebene Befund sich in der Sache auch nicht umfangreicher darstellt.
(dd) Prof. Dr. B. zeigt in seinem Gutachten ebenfalls eine fehlende adäquate Therapie auf. Er empfiehlt eine stationäre oder teilstationäre Behandlung, nach deren Beendigung eine intensive ambulante psychotherapeutische Betreuung von mindestens einer Stunde wöchentlich, eine medikamentöse antidepressive und eine medikamentöse und physio- und schmerztherapeutische Behandlung. Nötig sei auch die Verabreichung von angstlösender Medikation (Anxiolytika). Die Einwände der Klägerin sind nicht geeignet, diese Einschätzung des Sachverständigen zu entwerten. Die Nichtberücksichtigung neuerer orthopädischer Befundberichte und die Bezeichnung von Dr. St. als Gutachter sind nicht relevant für die gutachterliche Bewertung auf nervenärztlichem Fachgebiet, insbesondere nicht für die hier maßgebliche Fragestellung des Fehlens einer adäquaten psychiatrischen Therapie. Dass sie die Bewertung ihres Verhaltens durch Prof. Dr. B. nicht zu akzeptieren vermag, stellt dessen sachverständige Beurteilung nicht in Frage. Auch besteht keine widersprüchliche Leistungseinschätzung, wie von der Klägerin angenommen. In Beantwortung der Beweisfrage 5 gab Prof. Dr. B. an, die Klägerin könne maximal sechs Stunden täglich mit Pausen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wenn sie professionell behandelt werde bzw. sie sich einer Behandlung stelle. Aus seiner Sicht handle es sich nicht um eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit von Dauercharakter. Es könne davon ausgegangen werden, dass der derzeit bestehende Zustand verbessert werden könne. Unter der Bedingung der – oben genannten – Behandlungen könne davon ausgegangen werden, dass auch die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Daraus wird deutlich, dass diese Ausführungen sich auf den – einer Verbesserung zugänglichen – Zustand bei der Begutachtung beziehen. Die zu Beweisfrage 2 formulierte Leistungseinschätzung (mindestens sechs Stunden täglich) zielt dagegen auf die dauerhafte Leistungsfähigkeit. Der Vorwurf von Prof. Dr. Br. in seiner Stellungnahme vom 11. Januar 2015 Prof. Dr. B. stelle Symptome dar, die auf eine schwerewiegende psychiatrische Erkrankung hinwiesen, die er aber dann nicht diagnostiziere, geht fehl. Die in Bezug genommene, angebliche Symptomdarstellung ist nur die Wiedergabe der Beschwerdeangaben der Klägerin, keine eigene Feststellung des Sachverständigen.
(ee) Schließlich verweist auch Dr. He. darauf, dass die Krankheiten einer Behandlung zugänglich seien; eine Besserung sei insbesondere auch durch eine medikamentöse Therapie zu erzielen. Derzeit würden keine Psychopharmaka verabreicht. Der Kritik der Klägerin an diesem Gutachten und insbesondere dieser Bewertung ist nicht zu folgen. Soweit sie ausführt, wegen Unterbrechungen der Begutachtung und neben der neurologischen und körperlichen Untersuchung sei für das eigentliche psychiatrische Gespräch kaum genügend Zeit geblieben, ist Dr. He. dem überzeugend entgegengetreten. Danach habe die Untersuchung um 8:57 Uhr begonnen, sei durch zwei kurze und eine längere Pause von 25 Minuten unterbrochen worden und habe um 10:52 Uhr geendet. Der Klägerin sei genügend Raum für die eigene Schilderung eingeräumt worden. Anhand der Wiedergabe deren Angaben im Gutachten ist dies nachvollziehbar. Dass der Sachverständige sie mit Fragen "bombardiert" habe, ist nicht zu beanstanden. Schlüssig führt Dr. He. dazu an, dass die Fragen durchaus so gestellt würden, dass Rückschlüsse auf Konzentration, Auffassung und Durchhaltevermögen erfolgen könnten. Im Rahmen der Untersuchung sei nicht der Eindruck entstanden, dass die Klägerin vor lauter Aufregung "total fertig" gewesen sei. Die Krankengeschichte des Ehemannes, deren unzureichende Berücksichtigung die Klägerin moniert, sei zur Kenntnis genommen worden. Allerdings sei es im Rahmen der Untersuchung nicht als erforderlich erschienen, sämtliche Details zu erfassen. Dies liegt im Rahmen der Bewertungskompetenz des Sachverständigen. Zum Vorwurf, ihre Angaben seien teils nicht korrekt bzw. verzerrt wiedergegeben, hat Dr. He. darauf hingewiesen, dass er ein handschriftliches Protokoll über die Angaben der Klägerin gemacht und dieses später abdiktiert habe, ohne Veränderungen vorzunehmen. Dies gelte auch für die Schilderung des Tagesablaufs, den Kontakt zu den Geschwistern, die Angabe zu Vorerkrankungen und zur Alkoholproblematik des Vaters. Die Behauptung der Klägerin, ihre Angabe über die psychische Erkrankung ihres Onkels mütterlicherseits mit Suizid sei nicht erwähnt, trifft nicht zu; sie findet sich auf Seite 16 des Gutachtens (Bl. 87 der Senatsakten). Der von der Klägerin genannte Widerspruch zwischen der Einschätzung von Dr. He., es bestünden keine besonderen Einschränkungen bezüglich des Arbeitsweges, und den von ihm diagnostizierten psychischen Störungen und ihrer wiederholten Angabe, alleine das Haus nicht verlassen und öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen zu können, liegt nicht vor. Die Frage der Einschränkung ist Ergebnis der sachverständigen Würdigung der Ausprägung der diagnostizierten Gesundheitsstörung und ihrer Überwindbarkeit. Die Klägerin setzt hier lediglich ihre eigene Bewertung anstelle der des Sachverständigen. Zu deren Vorwurf, Dr. He. habe ihre Belastungen und Prägungen aufgrund ihres bisherigen Werdeganges/Lebenslaufes sowie von fortdauernden schwierigen Belastungssituationen weder erfasst noch gewürdigt oder anerkannt, ist darauf hinzuweisen, dass maßgeblich für die Leistungsbeurteilung die aktuell bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nach objektiver Würdigung sind. Es ist auch nicht Aufgabe des medizinischen Sachverständigen die jeweilige Lage auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Daher trägt der Einwand nicht, die angegebene vollschichtige Leistungsfähigkeit sei nicht nachvollziehbar, da man in der Realität mit einer psychischen Erkrankung auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr unterkomme. Der Senat sieht die hier maßgebliche Bewertung von Dr. He. auch nicht durch die Stellungnahme von Prof. Dr. Br. vom 14. Januar 2017 in Frage gestellt. Dieser räumt zunächst ein, wie Dr. He. habe auch er keine spezifisch neurologische Erkrankung bei der Klägerin feststellen können. Dr. He. habe jedoch die sonstigen körperlichen Erkrankungen schlichtweg "unterschlagen" und daher deren Einflüsse auf die Psyche der Klägerin nicht bewertet. Solche Einflüsse müssten sich aber im aktuellen psychischen Befund und der Alltagsbewältigung niederschlagen. Wie sich diese Einflüsse aus den von Dr. He. insoweit getroffenen Feststellungen ergeben sollten, legt Prof. Dr. Br. nicht dar. Vielmehr führt er aus, es sei nicht nachvollziehbar, dass bei den auch von Dr. He. gestellten Diagnosen nur die Symptome einer leichten Gedrücktheit vorgelegen haben sollten. Damit schließt er letztlich von der Diagnose einer Gesundheitsstörung auf einen bestimmten Schweregrad einer anderen. Für den Senat ist es nicht nachvollziehbar, dass dies eine ausreichende Grundlage dafür darstellen könnte, den von Dr. He. erhobenen und wiedergegebenen Befund als ungültig oder unzutreffend anzusehen. Dass keine depressive Störung vorliege, hat auch Dr. He. nicht angenommen. Vielmehr ist es nicht schlüssig, wenn Prof. Dr. Br. in seiner Stellungnahme zum Gutachten von Dr. He. seinerseits trotz des dort wiedergegebenen psychiatrischen Befundes eine schwerwiegende depressive Erkrankung der Klägerin angibt, obwohl er eine solche Diagnose in seinem eigenen Gutachten nicht gestellt hat. Dies erklärt sich auch nicht mit der angeblich vorausgesetzten Korrelation mit den tatsächlich diagnostizierten Störungen.
(ff) Schließlich vermag auch der Einwand der Klägerin, eine erweiterte medikamentöse Behandlung komme wegen ihrer Angst vor deren Nebenwirkungen nicht in Betracht, zu überzeugen. Weder ist ersichtlich, dass sie hiergegen nachhaltig um ärztliche Unterstützung nachgesucht hat, noch wurde eine speziell verhaltenstherapeutische Intervention versucht. Gleiches gilt für eine stationäre Behandlung. Die Unverträglichkeit des eingesetzten Antidepressivums rechtfertigt auch nicht die fehlende angstlösende Behandlung. Aus dem zuletzt vorgelegten Attest von Dr. S. vom 26. Januar 2017 ist eine wesentliche Änderung des psychischen Zustandes nicht zu entnehmen. Diese verweist zwar auf eine psychische Belastung wegen – operierter – Hautkrebserkrankung. Befunde werden aber nicht mitgeteilt. Eine Intensivierung der psychiatrischen Behandlung ist ebenfalls nicht erkennbar; es findet wie bisher lediglich einmal monatlich ein Gespräch statt. Darüber hinaus ist dem Arztbrief der Dres. Er. und Go. vom 22. März 2017 zu entnehmen, dass kein Hinweis auf einen malignen Tumor vorliegt.
(4) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dass dies vorliegend nicht der Fall ist, kann der Senat – wie ausgeführt – gerade nicht feststellen.
(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben.
(6) Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin kann nicht festgestellt werden. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist körperlich in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Wie oben ausführlich dargelegt, begründen die orthopädischen Gesundheitsstörungen insoweit keine Einschränkung. Eine auf nicht absehbare Zeit bestehende, die Wegefähigkeit ausschließende psychiatrische Erkrankung kann, wie dargelegt, nicht festgestellt werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010.
Die am 1966 geborene Klägerin absolvierte von September 1983 bis Juli 1985 erfolgreich eine Ausbildung zur Arzthelferin. In diesem Beruf war sie ab September 1985 mit kurzzeitigen Unterbrechungen wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit beschäftigt bis Dezember 2005. Anschließend bezog sie zunächst Krankengeld, ab 1. April 2006 Arbeitslosengeld – wiederum mit Unterbrechungen durch den Bezug von Krankengeld – bis zum 11. März 2007. Vom 12. März bis 5. Juli 2007, 2. bis 7. April 2008 und 20. April bis 20. Juli 2009 war sie in verschiedenen Praxen als Arzthelferin versicherungspflichtig beschäftigt, unterbrochen jeweils von Zeiten der Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Vom 21. Juli 2009 bis 5. Januar 2011 bezog sie Krankengeld, anschließend vom 6. Januar 2011 bis 4. Januar 2012 Arbeitslosengeld I. Die Zeit seit dem 6. Januar 2012 ist im Versicherungsverlauf als krank/Gesundheitsmaßnahme ohne Beitragszahlung gespeichert.
Am 14. Dezember 2009 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, zu deren Begründung sie unter anderem auf eine depressive Episode, Angst und depressive Störung gemischt, eine Angststörung mit Panikattacken im Stadium der Chronifizierung, ein allergisches Asthma, ein chronisches Halswirbelsäulen (HWS)- und Brustwirbelsäulen (BWS)-Syndrom, eine Steilstellung der Wirbelsäule und Gesundheitsstörungen am linken Knie verwies.
Die Beklagte zog zunächst Unterlagen der behandelnden Ärzte bei, so unter anderem einen Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 12. Oktober 2009 (Angststörung mit Panikattacken bei selbstunsicherer Persönlichkeit im Stadium der Chronifizierung; keine Tätigkeiten mit hoher Stressbelastung, Konzentrationsvermögen und Teamarbeit sowie Publikumsverkehr mehr möglich; die Anfahrtswege sollten aufgrund der Symptomatik gering zu halten sein). In ihrer vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 8. März 2010 diagnostizierte diese eine Anpassungsstörung mit Panikattacken, eine soziale Phobie sowie eine selbst unsichere Persönlichkeit mit instabilen Zügen (Restleistungsvermögen von unter drei Stunden täglich).
Die Beklagte ließ die Klägerin zunächst durch Internistin und Sozialmedizinerin Dr. H.-Z. begutachten. Diese diagnostizierte aufgrund einer Untersuchung am 28. Januar 2010 in ihrem Gutachten vom 2. Februar 2010 eine operativ behandelte laterale Tibiakopffraktur links 2007, eine arthroskopische Meniskusteilresektion 2005, einen retropatellaren Knorpelschaden, eine paravertebrale Muskelverspannung ohne Funktionsminderung sowie ein medikamentös kompensiertes allergisches Asthma bronchiale. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Knien, häufiges Klettern oder Steigen sowie ohne verstärkte Staubexposition könnten ebenso vollschichtig verrichtet werden wie eine Tätigkeit als Arzthelferin.
Aufgrund einer Untersuchung am 29. Januar 2010 erstellte Dr. Sc., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, unter dem 1. Februar 2010 ein nervenärztliches Gutachten, in dem er auf seinem Fachgebiet eine Angstsymptomatik mit sozialer Phobie und Panikattacken sowie eine Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen diagnostizierte. Die Klägerin könne eine Tätigkeit als Arzthelferin (ohne Publikumsverkehr, z.B. Labor- oder Verwaltungstätigkeiten) sowie leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Publikumsverkehr und überdurchschnittliche Stressbelastungen noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 als unbegründet zurück.
Am 23. Juli 2010 erhob die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG), zu deren Begründung sie ausführte, sie sei aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage, einer Arbeit nachzugehen oder auch nur dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Die Angstsymptomatik und die damit verbundenen Panikattacken sowie die soziale Phobie seien so schwerwiegend, dass sie – die Klägerin – praktisch nicht mehr in der Lage sei, ihre Wohnung zu verlassen oder Menschen um sich zu ertragen. Den Gutachten von Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. d. L. sowie Arzt für Psychosomatik, Psychotherapie, Neurologie, Psychiatrie und Psychoanalyse Prof. Dr. B. (dazu unten) könne nicht gefolgt werden. Erstere habe keinerlei körperliche Untersuchung durchgeführt, insbesondere seien die angegebenen neurologischen Befundprüfungen nicht erfolgt. Sie – die Klägerin – habe nicht gesagt, keine Menschenmengen zu vertragen, sondern generell keine Menschen um sich ertragen zu können. Sie habe nicht gesagt, ihr Verhalten als übertrieben zu empfinden. Außerdem dauerten die Panikattacken nicht nur über Minuten, sondern hielten so lange an, wie die gesamte Situation bestehe. Prof. Dr. B. habe neuere orthopädische Befundberichte nicht berücksichtigt. Der durchgeführten Testung komme auch nach deren Ablauf keine maßgebliche Aussagekraft für die berufliche Leistungsfähigkeit zu. Der Sachverständige habe ihr Verhalten nicht zutreffend bewertet. Des Weiteren widerspreche er sich in seinem Gutachten hinsichtlich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit selbst, wenn er einerseits eine solche von maximal sechs Stunden mit Pausen annehme, andererseits eine solche von mindestens sechs Stunden postuliere. Des Weiteren legte die Klägerin u.a. einen Arztbrief von Dr. S. vom 19. Mai 2010 (Diagnose: Angststörung mit sozialen Ängsten, depressive Einbrüche bekannt) vor, deren Bescheinigung vom 10. Dezember 2014, einen Bericht des Orthopäden Ra. vom 19. Juli 2011 (HWS-BWS-Syndrom, posttraumatische Gonarthrose links, Bewegungseinschränkung im Handgelenk rechts nach Ganglion-Operation, obere Sprunggelenk (OSG)-Beschwerden links), Arztbriefe des Facharztes für Orthopädie K. vom 5. August 2014 und 7. Januar 2015 und ein Attest desselben Arztes vom 1. Dezember 2014 (erheblich reduzierte Gehfähigkeit).
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage sozialmedizinischer Stellungnahmen von Dr. E.-D., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 18. Januar 2012 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Bu. vom 24. Januar 2014 entgegen; danach könne dem Gutachten von Arzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie, Prof. Dr. Br. (dazu unten) nicht gefolgt werden, da er sich in seiner Bewertung sehr auf die subjektive Beschwerdeschilderung der Klägerin stütze, ohne diese jedoch zu objektivieren. Johanniskraut und Cipralex (Antidepressivum, in niedriger Dosierung) stellten keine adäquate Therapie einer Angsterkrankung dar. Das Gutachten von Prof. Dr. Eb., Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Klinikums L., (dazu unten) mache deutlich, dass sich die Klägerin der erforderlichen therapeutischen Auseinandersetzung mit ihren psychischen Störungsbildern nicht gestellt habe, und spreche insoweit explizit von einem Vermeidungsverhalten. Die Gewährung einer Rente würde die Klägerin in ihrer neurotischen Fehlhaltung unterstützen.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Internistin Dr. En. legte das medizinische Gutachten des Dr. Sa., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg, vom 24. September 2009 (keine Gefährdung/Minderung der Erwerbsfähigkeit) vor. Dr. S. beschrieb unter dem 21. September 2010 eine chronifizierte Angststörung mit Panikattacken und sozialer Ängstlichkeit. Die Klägerin neige zu erheblichem sozialen Rückzug und könne wegen ihrer Ängste keine weiten Autofahrten unternehmen und keine S-Bahn benutzen. Die depressive Symptomatik habe sich verbessert. Nach dem bisherigen Verlauf der Behandlung mit begonnener medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung mit verhaltenstherapeutischem Schwerpunkt sei es bisher nicht gelungen, die psychische Stabilität der Klägerin zu verbessern. Auch leichte Tätigkeiten könne die Klägerin derzeit allenfalls unter drei Stunden ohne lange Anfahrtswege verrichten. Dr. St., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, berichtete unter dem 5. Januar 2011 über nur zweimalige Vorstellungen im Dezember 2009 und Januar 2010. Aus orthopädischer Sicht schloss er sich der Leistungseinschränkung von Dr. H.-Z. und Dr. Sc. an. Orthopädisch sei eine angegebene Gehstrecke von 100m nicht nachzuvollziehen.
Anschließend bestellte das SG Dr. R. d. L. zur gerichtlichen Sachverständigen. In ihrem aufgrund einer Untersuchung am 16. März 2011 am 17. März 2011 erstatteten Gutachten diagnostizierte diese eine Angst und depressive Störung gemischt sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung. Die Klägerin könne ohne Gefährdung ihrer Gesundheit ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Arzthelferin sowie leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Eine Überforderung durch extremen Zeitdruck infolge einer Akkord- oder Schichtarbeit sowie einer Nachttätigkeit sollte nicht zugemutet werden, um eine Exacerbation zu verhindern. Auch eine Tätigkeiten in einem Großraumbüro oder in einem großen Team sei nicht mehr zumutbar. Eine Tätigkeit als Arzthelferin oder ähnlichen Berufsbildern im medizinischen und administrativen Bereich komme durchaus noch in Frage. Aufgrund der jetzt anhaltenden Arbeitsunfähigkeit und der dadurch fehlenden Übung bezüglich der Angsterkrankung sei dringend das Einleiten eines medizinischen psychosomatischen Heilverfahrens zu empfehlen. Im Anschluss daran sollte unbedingt eine leitlinienorientierte Verhaltenstherapie durchgeführt werden. Einschränkungen, übliche Wege zu Arbeitsstelle zurückzulegen, lägen nicht vor. In ergänzenden Stellungnahmen vom 25. Mai 2011 und 15. Mai 2012 hielt die Sachverständige – auch in Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Prof. Dr. Br. – an ihrer Leistungseinschätzung fest.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Prof. Dr. Br. mit der Erstellung eines Gutachtens, das dieser am 30. Oktober 2011 erstattete. Neben weiteren fachfremden Diagnosen beschrieb dieser eine generalisierte Angststörung mit sozialphobischen Zügen, eine Panikstörung bei Agoraphobie sowie eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung. Die Klägerin sei nicht mehr dazu in der Lage, irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, auch nicht unterhalbschichtig und auch nicht im Rahmen körperlich leichter oder geistig einfacher Tätigkeiten. Sie selbst verfüge keineswegs über die zumutbare Willensanstrengung, um die bei ihr bestehenden Symptome aus eigener Kraft zu überwinden. Mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit als dauerhaft anzusehen sei. Dafür spreche die bei der Klägerin zu beschreibende lange Krankheitsanamnese, die bisherigen frustranen Therapieversuche und der Umstand, dass die bei ihr vorhandenen Symptome psychischer Art als fixiert anzusehen seien. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit bestehe nicht. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Januar 2015 hielt Prof. Dr. Br. – auch in Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Prof. Dr. Eb. und Prof. Dr. B. – an seiner Leistungseinschätzung fest.
Im Auftrag des SG erstattete Prof. Dr. Eb. am 17. Dezember 2013 ein weiteres psychiatrisches Gutachten und stellte die Diagnosen einer Agoraphobie mit Panikstörung sowie einer sozialen Phobie; in Zuspitzungen der Lebenssituationen scheine es zu depressiven Episoden zu kommen. Die Klägerin könne nach Behandlung der im Prinzip vorübergehenden Angststörung mindestens sechs Stunden täglich in ihrem erlernten Beruf als Arzthelferin arbeiten sowie eine leichte körperliche Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Eine Minderung der Leistungsfähigkeit liege nicht vor. Da die Klägerin seit vier Jahren keiner geregelten Arbeit mehr nachgegangen sei, erscheine der Beginn durch eine Wiedereingliederungsmaßnahme sinnvoll. Empfehlenswert sei vor Beginn die Initiierung einer adäquaten psychiatrischen Therapie mit beispielsweise medikamentöser Unterstützung und verhaltenstherapeutischen Interventionen. Geeignet erscheine ein Arbeitsplatz ohne Heben schwerer Lasten, Steigen auf Gegenstände und permanenten Kontakt mit anderen Menschen. In den Ergebnissen schließe er sich den Beurteilungen von Dr. R. d. L. sowie den Gutachten von Dr. Sc. und Dr. H.-Z. an.
Der auf weiteren Antrag der Klägerin nach § 109 SGG zum Sachverständigen bestellte Prof. Dr. B. diagnostizierte in seinem aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 25. Juni 2014 am 23. Oktober 2014 erstatteten Gutachten eine soziale Phobie und eine Agoraphobie mit Panikstörungen sowie eine mittelgradige depressive Episode. Die Klägerin könne – jeweils nach intensiver Behandlung ihrer psychischen Störung – mindestens sechs Stunden täglich in ihrem bisherigen Beruf arbeiten und leichte Tätigkeiten ohne Hebe- und Trageleistungen schwerer Lasten verrichten. Sie sollte nicht mit einer zu großen Menge von Menschen permanent konfrontiert sein. Büroarbeiten und Sachbearbeitung könne sie übernehmen.
Mit Urteil vom 21. April 2015 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Den Einschätzungen von Dr. R. d. L., Prof. Dr. Eb. und Prof. Dr. B. auch aufgrund des eigenen Eindrucks von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und des dort geschilderten Tagesablaufs folgend sei die Leistungsfähigkeit nicht in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Die abweichende Einschätzung von Prof. Dr. Br. und Dr. S. könne nicht überzeugen. Obwohl bislang eine intensive leitliniengerechte Behandlung der psychischen Erkrankung nicht erfolgt sei, habe eine relevante Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht festgestellt werden können.
Gegen dieses ihr am 30. April 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. Mai 2015 beim SG Berufung eingelegt und nach der Klarstellung im Erörterungstermin vom 2. August 2016 die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010 begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei nicht der Lage, sich aus ihren Ängsten so zu lösen, so dass sie ein durchschnittliches Leben führen könne. Sie könne nur unter Begleitung nach längerer Vorbereitung die Wohnung verlassen, wobei sie dann an Panikattacken leide. Daher sei sie nicht wegefähig. Entgegen der Ansicht von Prof. Dr. Eb. liege keine vorübergehende Angststörung, sondern ein chronifiziertes Vermeidungsverhalten vor. Ihre Wohnung und der Umgang mit ihrem ebenfalls schwerkranken Ehemann sei der einzige Ort, an dem sie sich einigermaßen sicher fühle. Als ehemalige medizinische Fachangestellte bei einem Nervenarzt habe sie Patienten unter Medikamenteneinfluss beobachten können und nunmehr große Angst vor Medikamenten. Das ihr verordnete Cipralex habe zu einer Verschlechterung ihres Zustandes geführt, auch durch das Zusammenwirken mit dem ihr verordneten Betablocker. Die Risiken und Nebenwirkungen von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, wie dem genannten Medikament, seien gravierend. Als einzigen Ausweg habe sie Johanniskraut angesehen. Trotz dessen Einnahme sei sie auf ihre Wohnung eingeschränkt. Das Gutachten von Dr. He., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie, (dazu unten) enthalte Fehler, Mängel und Widersprüche. Die Untersuchungszeit von zwei Stunden sei durch zwei Telefonate des Sachverständigen und das Lesen der von ihr mitgebrachten Schreiben unterbrochen worden. Neben der neurologischen und körperlichen Untersuchung sei für das eigentliche psychiatrische Gespräch kaum genügend Zeit geblieben. Der Sachverständige habe sie mit Fragen bombardiert und kaum Raum gelassen für ihre eigene Schilderung, auch zu der sie belastenden Krankheit ihres Ehemannes. Sie sei vor Aufregung total fertig gewesen. Ihre Angaben seien teils nicht korrekt bzw. verzerrt wiedergegeben. Ihre orthopädischen Vorerkrankungen und Beschwerden habe sie ausführlicher dargestellt, als im Gutachten wiedergegeben. Der Sachverständige habe eine Gangprüfung nicht durchgeführt und habe ihr Gangbild auch nicht beobachten können. Ihren Ehemann habe sie nicht als Zeugen mit ins Untersuchungszimmer nehmen dürfen. Die Einschätzung von Dr. He., es bestünden keine besonderen Einschränkungen bezüglich des Arbeitsweges, stehe im Widerspruch zu den von ihm diagnostizierten psychischen Störungen und ihrer wiederholten Angabe, alleine das Haus nicht verlassen und öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen zu können. Eine eineinhalbjährige medikamentöse Therapie habe hier gerade keine Besserung gebracht. Die angegebene vollschichtige Leistungsfähigkeit sei nicht nachvollziehbar; in der Realität sei es leider so, dass man mit einer psychischen Erkrankung beruflich nirgends mehr auf dem Arbeitsmarkt unterkomme. Trotz Überlassung einer schriftlichen Zusammenfassung der Schilderung ihrer Beschwerden und ihres Werdeganges, einer Auflistung der Diagnosen aus vorliegenden Arztberichten und ihres Lebenslaufs habe Dr. He. ihre Belastungen und Prägungen aufgrund ihres bisherigen Werdeganges/Lebenslaufes sowie von fortdauernden schwierigen Belastungssituationen weder erfasst noch gewürdigt oder anerkannt. Ergänzend hat sie vorgelegt ein Attest von Arzt K. vom 30. November 2015 (erheblich reduzierte Gehstrecke wegen starker Schmerzen an beiden Kniegelenken, Füßen und Achillessehnen), Atteste von Dr. S. vom 25. August 2016 (zweiter Behandlungsversuch mit Citraplex im Mai 2013, wegen Nebenwirkungen abgebrochen) und vom 26. Januar 2017 (psychische Belastung wegen – operierter – Hautkrebserkrankung), eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. Br. vom 14. Januar 2017, einen Arztbrief von Dres. Er. und Go., Fachärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie vom 22. März 2017 (Reizfibrom, kein Hinweis auf malignen Tumor) sowie einen Internetartikel über Johanniskraut.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. April 2015 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig. Ergänzend hat sie unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Bu. vom 13. März 2017 ausgeführt, die Argumentation von Dr. He. erscheine überzeugend. Die zwölfseitige differenzierte Stellungnahme der Klägerin selbst zu dessen Gutachten lasse Konsistenz zur Sichtweise mit Dr. He. – nicht auf vorhandene kognitive Einschränkungen der Klägerin schließen. Die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. Br. vom 14. Januar 2017 erscheine hingegen insbesondere aufgrund der Vielzahl vorliegender gutachterlicher Einschätzungen über den gesamten Verlauf hinweg, die alle von keiner quantitativen Leistungsminderung ausgingen, nicht überzeugend.
Der vom Senat als sachverständiger Zeuge schriftlich befragte Arzt K. hat unter dem 27. Januar 2016 folgende Diagnosen genannt: Chronisch rezidivierende Angststörung und Panikattacken, Thorako-Lumbalskoliose, Hohlrundrücken; chronisch rezidivierendes Cervico-Cephalgie-Syndrom, Cervicobrachialsyndrom und Cervikalsyndrom bei Fehlhaltung HWS; rezidivierende Periarthritis humeroscapularis rechts mit Impingement- und Supraspinatussyndrom; chronisch rezidivierende Epicondylitis humeri radialis rechts mit Tendomyositis rechter Unterarm, Überlastungssyndrom; medial betonte Gon- und Retropatellararthrose beidseits; chronisch rezidivierende Achillodynie beidseits; dekompensierter Knick-Senk-Spreizfuß, Metatarsalgie beidseits, OSG-Arthrose beidseits; chronisch rezidivierender vertebragener Drehschwindel; rezidivierende Depression, chronisches Schmerzsyndrom Stadium II bis III mit Konversionsneurose mit Denkverarbeitungsstörung. Nicht leidensgerecht seien Arbeiten mit ständig ausgestrecktem Arm nach vorn oder zur Seite, über Kopf und dauernd am Schreibtisch, ständiges Schreiben mit Stift oder stundenlang mit Schreibmaschine, häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern oder Gerüsten sowie langes Gehen und Stehen. Das Gehen auf unebenen Böden sei ebenfalls schmerzhaft. Leichte Tätigkeiten seien aus rein orthopädischer Sicht mindestens sechs Stunden täglich möglich.
Der Senat hat Dr. He. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. In seinem aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 26. September 2016 unter dem 28. September 2016 erstatteten Gutachten hat er eine Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst), eine soziale Phobie sowie eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Akkord- und Nachtarbeit, besonderer Zeitdruck sowie Arbeiten mit besonders hohen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration, mit besonders hohe Verantwortung oder besonders hoher geistiger Beanspruchung seien nicht mehr zumutbar. Die danach noch zumutbaren Arbeiten könnten ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit täglich mindestens sechs Stunden verrichtet werden. Bezüglich des Arbeitsweges bestünden keine besonderen Einschränkungen, weder in zeitlicher Hinsicht noch hinsichtlich der Wegstrecke oder der Unzumutbarkeit bestimmter Verkehrsmittel. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 9. November 2016 hat Dr. He. in Auseinandersetzung mit den Einwänden der Klägerin an seiner Leistungseinschätzung festgehalten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch sonst zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, da die Klägerin laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010. Hierauf hat die Klägerin ihr Begehren ausweislich der Klarstellung im Erörterungstermin vom 2. August 2016 ausdrücklich beschränkt. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 24. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vollumfänglich abgelehnt hat.
3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010.
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, dass die Klägerin auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen bei ihr gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern ihre berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber dauerhaft auch in quantitativer Hinsicht.
(1) Bei der Klägerin bestanden auf orthopädischem Fachgebiet zunächst eine operativ behandelte laterale Tibiakopffraktur links 2007, eine arthroskopische Meniskusteilresektion 2005, ein retropatellarer Knorpelschaden und eine paravertebrale Muskelverspannung ohne Funktionsminderung. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. H.-Z. vom 2. Februar 2010, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Bestätigt wird dies von Dr. St. in seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2011. Danach zeigte eine Kernspintomographie des linken Kniegelenkes bis auf eine Unregelmäßigkeit der Knorpelverhältnissen der Kniescheibe keine besonderen Knieschäden; die Kernspintomographie der linken Hüfte war unauffällig. Auch die klinische Untersuchung zeigte sich weitgehend unauffällig. Inzwischen ist von folgenden Gesundheitsstörungen auszugehen: Thorako-Lumbalskoliose, Hohlrundrücken; chronisch rezidivierendes Cervico-Cephalgie-Syndrom, Cervicobrachialsyndrom und Cervikalsyndrom bei Fehlhaltung HWS; rezidivierende Periarthritis humeroscapularis rechts mit Impingement- und Supraspinatussyndrom; chronisch rezidivierende Epicondylitis humeri radialis rechts mit Tendomyositis rechter Unterarm, Überlastungssyndrom; medial betonte Gon- und Retropatellararthrose beidseits; chronisch rezidivierende Achillodynie beidseits; dekompensierter Knick-Senk-Spreizfuß, Metatarsalgie beidseits, OSG-Arthrose beidseits. Dies entnimmt der Senat der Auskunft von Arztes K. vom 27. Januar 2016, bei dem sich die Klägerin seit dem 30. Juni 2014 in Behandlung befindet. Der Senat legt diese Gesundheitsstörungen zugunsten der Klägerin zugrunde, obwohl der Zeuge zu den von ihm diagnostizierten Störungen an der Wirbelsäule keine Befunde mitgeteilt hat. Bestätigt wird ein HWS-BWS-Syndrom jedoch auch im Arztbrief des Orthopäden Ra. vom 19. Juli 2011.
Internistisch besteht ein medikamentös kompensiertes allergisches Asthma bronchiale, wie dem Gutachten von Dr. H.-Z. zu entnehmen ist.
Psychiatrisch bestehen eine ausgeprägte Angstsymptomatik und eine Störung aus dem depressiven Formenkreis. Dies ergibt sich aus der insoweit übereinstimmenden Darstellung aller mit der Klägerin im Verfahren befassten Fachärzte. Dr. Sc. beschrieb insoweit eine Angstsymptomatik mit sozialer Phobie und Panikattacken und eine Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen, Dr. S. eine Angststörung mit Panikattacken bei selbstunsicherer Persönlichkeit und soziale Phobie. Dr. R. d. L. diagnostizierte Angst und depressive Störung gemischt sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung, Prof. Dr. Br. eine generalisierte Angststörung mit sozialphobischen Zügen, eine Panikstörung bei Agoraphobie sowie eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung. Prof. Dr. Eb. stellte die Diagnosen einer Agoraphobie mit Panikstörung sowie einer sozialen Phobie; in Zuspitzungen der Lebenssituationen scheine es zu depressiven Episoden zu kommen. Prof. Dr. B. bezeichnete eine soziale Phobie und eine Agoraphobie mit Panikstörungen sowie eine mittelgradige depressive Episode, Dr. He. eine Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst), eine soziale Phobie sowie eine leichte depressive Episode.
(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin in qualitativer Hinsicht ein. Nicht leidensgerecht sind aufgrund Gesundheitsstörungen an der HWS und der rechten Arbeiten mit ständig ausgestrecktem Arm nach vorn oder zur Seite, über Kopf und dauernd am Schreibtisch, wegen der am rechten Ellenbogen ständiges Schreiben mit Stift oder stundenlang mit Schreibmaschine. Die Gesundheitsstörungen an den Füßen, den Achillessehnen und den Kniegelenken schließen häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern oder Gerüsten, langes Gehen und Stehen sowie längeres Gehen auf unebenen Böden aus. Dies entnimmt der Senat der insoweit überzeugenden Einschätzung von Arzt K. in seiner Stellungnahme als sachverständiger Zeuge vom 27. Januar 2016. Dies ist auch im Hinblick auf die Ergebnisse der neurologischen Untersuchungen der nervenärztlichen Gutachter, insbesondere Dr. Sc., Prof. Dr. Br. und Dr. He., nachvollvollziehbar, die keine signifikanten pathologischen Befunde erhoben hatten. Sensible oder motorische Defizite konnten nicht festgestellt werden; es fanden sich weder Paresen noch Minderungen der groben Kraft. Für den Senat nicht nachvollziehbar ist die von Arzt K. in seinem Attest vom 30. November 2015 noch angegebene erheblich reduzierte Gehstrecke von 200 bis 300 m. Woher diese Streckenangabe stammt oder worauf sie gründet, ist dem nicht zu entnehmen. Untersuchungen, die dies objektiviert hätten, wurden nicht beschrieben. Subjektive Angaben der Klägerin allein sind nicht geeignet, eine tatsächliche Einschränkung in diesem Maße festzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Dr. St. schon in seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2011 darauf hingewiesen hatte, dass die dort von der Klägerin angegebene Gehstrecke vom 100 m orthopädisch nicht nachvollziehbar sei. In seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 27. Januar 2016 hat Arzt K. eine solche Gehstreckeinschränkung nicht mehr angegeben. Vielmehr hat er lediglich den Ausschluss langen Gehens formuliert.
Dem – medikamentös kompensierten – allergischen Asthma bronchiale wird durch den bereits von Dr. H.-Z. geforderten Ausschluss verstärkter Staubexposition ausreichend Rechnung getragen.
Die psychiatrischen Gesundheitsstörungen schließen zur Vermeidung einer Überforderung extremen Zeitdruck infolge einer Akkord- oder Schichtarbeit sowie eine Nachttätigkeit aus. Tätigkeiten in einem Großraumbüro oder in einem großen Team sind nicht mehr zumutbar. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden und überzeugenden Einschätzungen von Dr. R. d. L., Prof. Dr. Eb., Prof. Dr. B. und Dr. He ... Insoweit stimmt dem auch Dr. S. zu. Dr. He. folgend hält der Senat auch Arbeiten mit besonders hohen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration, mit besonders hohe Verantwortung oder besonders hoher geistiger Beanspruchung für nicht mehr zumutbar.
(3) Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens für leichte Tätigkeiten auf nicht absehbare Zeit, also für mindestens sechs Monate (BSG, Urteil vom 23. März 1977 – 4 RJ 49/76 – juris, Rn. 15), auf ein unter sechsstündiges Maß führen.
(a) Die orthopädischen und internistischen Gesundheitsstörungen bedingen eine solche Einschränkung nicht. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. H.-Z ... Diese Einschätzung wird für das orthopädische Fachgebiet auch von Arzt K. ausdrücklich bestätigt (Stellungnahme vom 27. Januar 2016).
(b) Bei der Bewertung der Erwerbsminderung aufgrund der psychiatrischen Störungen ist zu beachten, dass es nicht allein auf den (aktuellen) Ausprägungsgrad ankommt. Vielmehr sind psychische Erkrankungen erst dann von rentenrechtlicher Relevanz, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann – weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe. Solange Behandlungsoptionen auf psychiatrischen Fachgebiet, sei es ärztlicher, therapeutischer oder auch medikamentöser Art, bestehen, scheidet die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung aus (BSG, Urteil vom 12. September 1990 – 5 RJ 88/89 – juris, Rn. 17 und Urteil vom 29. März 2006 – B 13 RJ 31/05 R – juris, Rn.21 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Mai 2016 – L 5 R 4194/13 – juris, Rn. 60; Bayerisches LSG, Urteil vom 21. März 2012 – L 19 R 35/08 – juris, Rn. 58 m.w.N.).
(aa) Prof. Dr. Br. hat in seinem Gutachten vom 30. Oktober 2011 hierzu ausgeführt, die Klägerin sei nicht mehr dazu in der Lage, irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die Klägerin selbst verfüge nicht über die zumutbare Willensanstrengung, um die bei ihr bestehenden Symptome aus eigener Kraft zu überwinden. Mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit als dauerhaft anzusehen sei. Dafür spreche die bei der Klägerin zu beschreibende lange Krankheitsanamnese, die bisherigen frustranen Therapieversuche und der Umstand, dass die bei ihr vorhandenen Symptome psychischer Art als fixiert anzusehen seien. Das Krankheitsbild sei therapeutischen Maßnahmen nur sehr bedingt zugänglich. Es sei daher auch in der Zukunft wohl nicht möglich, der Klägerin entscheidend dabei zu helfen, sich insbesondere in psychischer Hinsicht besser und freier zu fühlen. Die Symptome sowie die Psychodynamik hätten sich gewissermaßen fixiert. Sie bedingten die Ängste der Klägerin und deren psychisch-emotionale Unbeweglichkeit, wobei daraus wiederum eine erhebliche Einschränkung ihrer Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit abzuleiten sei.
(bb) Diese Schlussfolgerung vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Bereits Dr. E.-D. hatte in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 18. Januar 2012 nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. Br. seitenweise die subjektive Schilderung der Klägerin wiedergebe, ohne diese zu objektivieren. Zum Zeitpunkt der dortigen Untersuchung wurde die Klägerin medikamentös mit Neuroplant (Johanniskraut) und dem Antidepressivum Cipralex (20mg., 5 Tropfen) behandelt. Dabei handelt es sich nach überzeugender Darstellung von Dr. Bu. in dessen sozialmedizinischer Stellungnahme vom 24. Januar 2014 um eine niedrig dosierte antidepressive Therapie, nicht aber um eine adäquate Therapie einer Angsterkrankung. Auch Dr. R. d. L. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Mai 2012 darauf hingewiesen, dass keine signifikante medikamentöse Behandlung durchgeführt und auch noch keine weitere spezifische Behandlung eingeleitet wurde. Weitergehende Behandlungen als mit Johanniskraut und Cipralex erfolgten nicht, auch nicht in der Folgezeit. In ihrem Gutachten vom 17. März 2011 empfahl die Sachverständige die Durchführung eines psychosomatischen Heilverfahrens, an das sich eine leitlinienorientierte Verhaltenstherapie anschließend sollte. Solche Maßnahmen wurden von der Klägerin nicht eingeleitet.
Die von der Klägerin an diesem Gutachten geübte Kritik ist nicht geeignet, die vorgenannte Bewertung in Frage zu stellen. Die Klägerin bemängelte, die Sachverständige habe keinerlei körperliche Untersuchung durchgeführt, insbesondere seien die angegebenen neurologischen Befundprüfungen nicht erfolgt. Sie – die Klägerin – habe nicht gesagt, keine Menschenmengen zu vertragen, sondern generell keine Menschen um sich ertragen zu können. Sie habe nicht gesagt, ihr Verhalten als übertrieben zu empfinden. Außerdem dauerten die Panikattacken nicht nur über Minuten, sondern hielten so lange an, wie die gesamte Situation bestehe. Diese Einwände betreffen weder die hier maßgebliche Bewertung, dass eine adäquaten Therapie bislang nicht durchgeführt wurde, noch deren fachliche Grundlage.
(cc) Prof. Dr. Eb. bestätigt ebenfalls, dass die Klägerin bisher nur ambulant und mit geringer medikamentöser Unterstützung (maximale Dosis Johanniskraut 900 mg, Cipralex 9 Tropfen) und damit psychiatrisch nicht adäquat behandelt wurde. Bei adäquater Therapie, wahrscheinlich stationärer Art, könne die Klägerin die Angststörung überwinden und wieder am Arbeitsalltag teilnehmen. Ausdrücklich verwies er auf die Möglichkeit medikamentöser Unterstützung und verhaltenstherapeutischer Interventionen. Die an diesem Gutachten von Prof. Dr. Br. geübte Kritik ist nicht nachvollziehbar. Dieser vermutet ohne weitere Hinweise, dass Prof. Dr. Eb. die Untersuchungen im Wesentlichen durch den Assistenzarzt hat durchführen lassen. Dem Gutachten oder anderen Umständen ist dies gerade nicht zu entnehmen. Der weitere Einwand, der dort wiedergegebene psychiatrische Befund sei kurz gefasst und werde dem üblichen Anspruch auf eine psychiatrische Expertise nicht gerecht, ist nicht nachvollziehbar. Zumal der von Prof. Dr. Br. in seinem eigenen Gutachten beschriebene Befund sich in der Sache auch nicht umfangreicher darstellt.
(dd) Prof. Dr. B. zeigt in seinem Gutachten ebenfalls eine fehlende adäquate Therapie auf. Er empfiehlt eine stationäre oder teilstationäre Behandlung, nach deren Beendigung eine intensive ambulante psychotherapeutische Betreuung von mindestens einer Stunde wöchentlich, eine medikamentöse antidepressive und eine medikamentöse und physio- und schmerztherapeutische Behandlung. Nötig sei auch die Verabreichung von angstlösender Medikation (Anxiolytika). Die Einwände der Klägerin sind nicht geeignet, diese Einschätzung des Sachverständigen zu entwerten. Die Nichtberücksichtigung neuerer orthopädischer Befundberichte und die Bezeichnung von Dr. St. als Gutachter sind nicht relevant für die gutachterliche Bewertung auf nervenärztlichem Fachgebiet, insbesondere nicht für die hier maßgebliche Fragestellung des Fehlens einer adäquaten psychiatrischen Therapie. Dass sie die Bewertung ihres Verhaltens durch Prof. Dr. B. nicht zu akzeptieren vermag, stellt dessen sachverständige Beurteilung nicht in Frage. Auch besteht keine widersprüchliche Leistungseinschätzung, wie von der Klägerin angenommen. In Beantwortung der Beweisfrage 5 gab Prof. Dr. B. an, die Klägerin könne maximal sechs Stunden täglich mit Pausen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wenn sie professionell behandelt werde bzw. sie sich einer Behandlung stelle. Aus seiner Sicht handle es sich nicht um eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit von Dauercharakter. Es könne davon ausgegangen werden, dass der derzeit bestehende Zustand verbessert werden könne. Unter der Bedingung der – oben genannten – Behandlungen könne davon ausgegangen werden, dass auch die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Daraus wird deutlich, dass diese Ausführungen sich auf den – einer Verbesserung zugänglichen – Zustand bei der Begutachtung beziehen. Die zu Beweisfrage 2 formulierte Leistungseinschätzung (mindestens sechs Stunden täglich) zielt dagegen auf die dauerhafte Leistungsfähigkeit. Der Vorwurf von Prof. Dr. Br. in seiner Stellungnahme vom 11. Januar 2015 Prof. Dr. B. stelle Symptome dar, die auf eine schwerewiegende psychiatrische Erkrankung hinwiesen, die er aber dann nicht diagnostiziere, geht fehl. Die in Bezug genommene, angebliche Symptomdarstellung ist nur die Wiedergabe der Beschwerdeangaben der Klägerin, keine eigene Feststellung des Sachverständigen.
(ee) Schließlich verweist auch Dr. He. darauf, dass die Krankheiten einer Behandlung zugänglich seien; eine Besserung sei insbesondere auch durch eine medikamentöse Therapie zu erzielen. Derzeit würden keine Psychopharmaka verabreicht. Der Kritik der Klägerin an diesem Gutachten und insbesondere dieser Bewertung ist nicht zu folgen. Soweit sie ausführt, wegen Unterbrechungen der Begutachtung und neben der neurologischen und körperlichen Untersuchung sei für das eigentliche psychiatrische Gespräch kaum genügend Zeit geblieben, ist Dr. He. dem überzeugend entgegengetreten. Danach habe die Untersuchung um 8:57 Uhr begonnen, sei durch zwei kurze und eine längere Pause von 25 Minuten unterbrochen worden und habe um 10:52 Uhr geendet. Der Klägerin sei genügend Raum für die eigene Schilderung eingeräumt worden. Anhand der Wiedergabe deren Angaben im Gutachten ist dies nachvollziehbar. Dass der Sachverständige sie mit Fragen "bombardiert" habe, ist nicht zu beanstanden. Schlüssig führt Dr. He. dazu an, dass die Fragen durchaus so gestellt würden, dass Rückschlüsse auf Konzentration, Auffassung und Durchhaltevermögen erfolgen könnten. Im Rahmen der Untersuchung sei nicht der Eindruck entstanden, dass die Klägerin vor lauter Aufregung "total fertig" gewesen sei. Die Krankengeschichte des Ehemannes, deren unzureichende Berücksichtigung die Klägerin moniert, sei zur Kenntnis genommen worden. Allerdings sei es im Rahmen der Untersuchung nicht als erforderlich erschienen, sämtliche Details zu erfassen. Dies liegt im Rahmen der Bewertungskompetenz des Sachverständigen. Zum Vorwurf, ihre Angaben seien teils nicht korrekt bzw. verzerrt wiedergegeben, hat Dr. He. darauf hingewiesen, dass er ein handschriftliches Protokoll über die Angaben der Klägerin gemacht und dieses später abdiktiert habe, ohne Veränderungen vorzunehmen. Dies gelte auch für die Schilderung des Tagesablaufs, den Kontakt zu den Geschwistern, die Angabe zu Vorerkrankungen und zur Alkoholproblematik des Vaters. Die Behauptung der Klägerin, ihre Angabe über die psychische Erkrankung ihres Onkels mütterlicherseits mit Suizid sei nicht erwähnt, trifft nicht zu; sie findet sich auf Seite 16 des Gutachtens (Bl. 87 der Senatsakten). Der von der Klägerin genannte Widerspruch zwischen der Einschätzung von Dr. He., es bestünden keine besonderen Einschränkungen bezüglich des Arbeitsweges, und den von ihm diagnostizierten psychischen Störungen und ihrer wiederholten Angabe, alleine das Haus nicht verlassen und öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen zu können, liegt nicht vor. Die Frage der Einschränkung ist Ergebnis der sachverständigen Würdigung der Ausprägung der diagnostizierten Gesundheitsstörung und ihrer Überwindbarkeit. Die Klägerin setzt hier lediglich ihre eigene Bewertung anstelle der des Sachverständigen. Zu deren Vorwurf, Dr. He. habe ihre Belastungen und Prägungen aufgrund ihres bisherigen Werdeganges/Lebenslaufes sowie von fortdauernden schwierigen Belastungssituationen weder erfasst noch gewürdigt oder anerkannt, ist darauf hinzuweisen, dass maßgeblich für die Leistungsbeurteilung die aktuell bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nach objektiver Würdigung sind. Es ist auch nicht Aufgabe des medizinischen Sachverständigen die jeweilige Lage auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Daher trägt der Einwand nicht, die angegebene vollschichtige Leistungsfähigkeit sei nicht nachvollziehbar, da man in der Realität mit einer psychischen Erkrankung auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr unterkomme. Der Senat sieht die hier maßgebliche Bewertung von Dr. He. auch nicht durch die Stellungnahme von Prof. Dr. Br. vom 14. Januar 2017 in Frage gestellt. Dieser räumt zunächst ein, wie Dr. He. habe auch er keine spezifisch neurologische Erkrankung bei der Klägerin feststellen können. Dr. He. habe jedoch die sonstigen körperlichen Erkrankungen schlichtweg "unterschlagen" und daher deren Einflüsse auf die Psyche der Klägerin nicht bewertet. Solche Einflüsse müssten sich aber im aktuellen psychischen Befund und der Alltagsbewältigung niederschlagen. Wie sich diese Einflüsse aus den von Dr. He. insoweit getroffenen Feststellungen ergeben sollten, legt Prof. Dr. Br. nicht dar. Vielmehr führt er aus, es sei nicht nachvollziehbar, dass bei den auch von Dr. He. gestellten Diagnosen nur die Symptome einer leichten Gedrücktheit vorgelegen haben sollten. Damit schließt er letztlich von der Diagnose einer Gesundheitsstörung auf einen bestimmten Schweregrad einer anderen. Für den Senat ist es nicht nachvollziehbar, dass dies eine ausreichende Grundlage dafür darstellen könnte, den von Dr. He. erhobenen und wiedergegebenen Befund als ungültig oder unzutreffend anzusehen. Dass keine depressive Störung vorliege, hat auch Dr. He. nicht angenommen. Vielmehr ist es nicht schlüssig, wenn Prof. Dr. Br. in seiner Stellungnahme zum Gutachten von Dr. He. seinerseits trotz des dort wiedergegebenen psychiatrischen Befundes eine schwerwiegende depressive Erkrankung der Klägerin angibt, obwohl er eine solche Diagnose in seinem eigenen Gutachten nicht gestellt hat. Dies erklärt sich auch nicht mit der angeblich vorausgesetzten Korrelation mit den tatsächlich diagnostizierten Störungen.
(ff) Schließlich vermag auch der Einwand der Klägerin, eine erweiterte medikamentöse Behandlung komme wegen ihrer Angst vor deren Nebenwirkungen nicht in Betracht, zu überzeugen. Weder ist ersichtlich, dass sie hiergegen nachhaltig um ärztliche Unterstützung nachgesucht hat, noch wurde eine speziell verhaltenstherapeutische Intervention versucht. Gleiches gilt für eine stationäre Behandlung. Die Unverträglichkeit des eingesetzten Antidepressivums rechtfertigt auch nicht die fehlende angstlösende Behandlung. Aus dem zuletzt vorgelegten Attest von Dr. S. vom 26. Januar 2017 ist eine wesentliche Änderung des psychischen Zustandes nicht zu entnehmen. Diese verweist zwar auf eine psychische Belastung wegen – operierter – Hautkrebserkrankung. Befunde werden aber nicht mitgeteilt. Eine Intensivierung der psychiatrischen Behandlung ist ebenfalls nicht erkennbar; es findet wie bisher lediglich einmal monatlich ein Gespräch statt. Darüber hinaus ist dem Arztbrief der Dres. Er. und Go. vom 22. März 2017 zu entnehmen, dass kein Hinweis auf einen malignen Tumor vorliegt.
(4) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dass dies vorliegend nicht der Fall ist, kann der Senat – wie ausgeführt – gerade nicht feststellen.
(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben.
(6) Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin kann nicht festgestellt werden. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist körperlich in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Wie oben ausführlich dargelegt, begründen die orthopädischen Gesundheitsstörungen insoweit keine Einschränkung. Eine auf nicht absehbare Zeit bestehende, die Wegefähigkeit ausschließende psychiatrische Erkrankung kann, wie dargelegt, nicht festgestellt werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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