L 6 U 3293/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 3544/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3293/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Dem Tatsachengericht ist es nicht verwehrt, Feststellungen allein auf die Angaben eines Beteiligen zu stützen.

2. Geringfügig Beschäftigte sind gesetzlich unfallversichert, selbst wenn es der Arbeitgeber unterlässt, die Tätigkeit oder das Arbeitsentgelt zu melden.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Juli 2016 und der Bescheid vom 2. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2015 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 16. August 2011 als Arbeitsunfall festzustellen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Instanzen von der Beklagten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob das Ereignis vom 16. August 2011 als Arbeitsunfall festzustellen ist.

Die 1960 geborene Klägerin arbeitete im August 2011 in Teilzeit als Verpflegungsassistentin für die S. Kliniken Landkreis B. GmbH im Krankenhaus in B. an der R., welches von dieser betrieben wurde. Daneben war sie, vorwiegend samstags, als Reinigungskraft bei der Bäckerei H., Inhaber R. H., E.-A.-Straße 7, B. W. (im Folgenden: Arbeitgeber) tätig, welcher Mitglied der Beklagen ist; das Arbeitsverhältnis endete im Februar 2014. Im Folgemonat nahm sie eine vergleichbare Nebentätigkeit bei der Bäckerei U. GmbH in B. Sch. auf.

Die BGN leitete dieser im Juni 2014 den Durchgangsarztbericht von Dr. U., Chefarzt und Leiter des Endoprothetikzentrums der Klinik für Chirurgie des Krankenhauses B. W., vom 27. Mai 2014 weiter, wonach die Klägerin an diesem Tag angerufen und um die nachträgliche berufsgenossenschaftliche Aufnahme eines Unfalls gebeten habe. Sie habe bisher nicht daran gedacht, dass sie am 16. August 2011, einem Dienstag, auf dem Weg von der Arbeit nach Hause gewesen sei. Von ihr sei angegeben worden, bei dessen Zurücklegen gegen 18 Uhr die Kontrolle über ihren Motorroller verloren zu haben und auf die rechte Fahrbahnseite gestürzt zu sein. Sie sei nach dem Unfall mit dem Notarzt in das Krankenhaus B. W. gebracht worden. Er habe damals eine subkapitale Humerusfraktur rechts (ICD-10 S42.3), eine Prellung des Handgelenkes rechts (ICD-10 S60.2) und einen Weichteilschaden vom Grad I bei geschlossener Humerusfraktur (ICD-10 T79.8) diagnostiziert. Starke Spontan- und Druckschmerzen hätten im Bereich der rechten Schulter und des rechten proximalen Oberarmes mit Bewegungseinschränkung und Hämatomverfärbung bestanden. Nach der röntgenologischen Untersuchung der rechten Schulter einschließlich des Oberarmes und des rechten Handgelenkes hätten sich eine subkapitale dislozierte Humerusfraktur und im Bereich der Hand keine frische knöcherne Verletzung gezeigt.

Nach dem von der Beklagten beigezogenen Entlassungsbericht von Dr. U. vom 22. September 2011 über den stationären Aufenthalt der Klägerin bis 24. August 2011 hatte er eine subkapitale Humerusfraktur (Collum chirurgicum) rechts nach einem Motorrollerunfall (ICD-10 S42.22), eine Prellung des Handgelenkes (ICD-10 S60.2), einen Weichteilschaden vom Grad I bei geschlossener Fraktur des Oberarmes (ICD-10 S41.84), eine Adipositas permagna (ICD-10 E66.02) sowie Übelkeit und Erbrechen postoperativ (ICD-10 R11) diagnostiziert. Es sei am 18. August 2011 eine offene Reposition und eine Targonnagelosteosynthese nach einer Computertomographie des Humerus erfolgt. Die Klägerin habe angegeben, am 16. August 2011 gegen 18 Uhr die Kontrolle über ihren Motorroller verloren und auf die rechte Fahrbahnseite von Richtung R. nach B. W. gestürzt zu sein. Sie sei mit dem Notarzt in die chirurgische Ambulanz gebracht worden. Es habe sich ein faustgroßes Hämatom am rechten Oberschenkel gefunden. Nach der röntgenologischen Untersuchung der rechten Schulter sei eine subkapitale, dislozierte Humerusfraktur festgestellt worden.

Der Arbeitgeber teilte im Juli 2014 auf Nachfrage mit, in der damaligen Zeit habe es seitens der Klägerin keine Arbeitsunfähigkeitszeiten und keine Krankmeldung gegeben. Sie sei nur ein paar Stunden als Aushilfe tätig gewesen, weshalb auch der Steuerberater hierüber keine Dokumente habe. Er wisse nur, dass sie vom Roller gefallen sei. Er habe keine Unterlagen erhalten. Auf Nachfrage der Beklagten, wann die Klägerin am 16. August 2011 die Arbeitsstätte verlassen und ihren Heimweg angetreten habe, ergänzte die Ehefrau des Arbeitgebers drei Monate später telefonisch, es könne nicht geäußert werden, wann dies der Fall gewesen sei. Die Klägerin habe geputzt und somit allein gearbeitet. Sie sei immer dann gegangen, wenn sie fertig gewesen sei.

Im Unfallfragebogen gab die Klägerin im Sommer 2014 an, der Unfall habe sich am 16. August 2011 ereignet. Sie habe um 13 Uhr mit der Arbeit begonnen. Zu welcher Uhrzeit sich das Geschehen genau ereignet und die Arbeitszeit geendet habe, ergebe sich aus den Polizei- oder Arztberichten. Er habe sich am Ende von R., einem Ortsteil von B. W., in Richtung des Hauptortes ereignet. Sie sei von der Arbeit gekommen. Die Arbeitsstätte habe sie verlassen gehabt, als sie fertig gewesen sei, was sie mit einem Fragezeichen versah. Der gewöhnliche Weg nach Hause umfasse 14 km, wofür sie üblicherweise zwischen fünfzehn und zwanzig Minuten benötige. Sie sei mit dem Roller an den Bordstein gekommen, dann habe es sie "gefetzt". Augenzeugen habe es nicht gegeben. Es seien drei Autos und sechs oder sieben Personen hinzugekommen. Sie sei in das Krankenhaus nach B. W. verbracht worden, wo Dr. U. einen Bruch des rechten Oberarmes und überall Schürfwunden festgestellt habe.

Nach dem Verkehrsunfallbericht von Polizeihauptmeister (PHM) Ch., Polizeidirektion R., vom 16. August 2011 habe die Klägerin an diesem Tag die E.-A.-Straße in ortsauswärtiger Richtung befahren und sei gegen 18:15 Uhr in Höhe der Hausnummer 42 aufgrund Unachtsamkeit an den rechten Bordstein gekommen. Hierdurch habe sie die Kontrolle über ihren Motorroller verloren und sei gestürzt. Die Verkehrstüchtigkeit sei gegeben gewesen. Die Klägerin sei mündlich verwarnt worden. Sie wurde von ihm als Betroffene am 19. August 2011 angehört, wobei sie angab, zur Unfallzeit aufgrund Unachtsamkeit von der Fahrbahn abgekommen, gegen einen Bordstein geprallt und gestürzt zu sein.

Der Beklagten lag zudem der Unfallfragebogen der AOK B.W., wo die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich versichert war, vor, in dem am 24. August 2011 eingetragen worden war: "lt. Fr. F. ist sie auf Roller unterwegs gewesen. Zu nah am Bordstein Sturz (privat)". In der Rubrik "Unterschrift" wurde "telefonische" eingetragen.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte Dr. K., Arzt für Allgemeinmedizin, von dem sich die Klägerin hausärztlich behandeln ließ, Mitte September 2014 mit, nach seinen Unterlagen sei weder ein Unfall noch eine unfallbedingte Behandlung wegen eines Arbeitsunfalls vom 16. August 2011 erfolgt. Im November 2014 ergänzte er, die erstmalige Behandlung durch ihn nach diesem Ereignis sei Anfang September 2011 vorgenommen worden. Er habe ein Rezept für die Krankengymnastik zur physikalischen Therapie wegen der operierten Fraktur ausgestellt. Die Klägerin habe berichtet, sich den Arm gebrochen zu haben. Ein Zusammenhang zu einem Arbeitsunfall sei nicht besprochen worden.

Bei dem Telefonat Mitte Oktober 2014 erwähnte die Klägerin gegenüber der Beklagten, zum Zeitpunkt ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus sei Dr. K. in Urlaub gewesen. Sie sei deshalb bei dessen Vertreter Dr. R. in Behandlung gewesen, welcher die Fäden gezogen habe. Sie habe bei der telefonischen Unterredung erwähnt, den Unfall erst jetzt gemeldet zu haben, weil ihre damalige Hauptarbeitgeberin nichts von dem Nebenjob, bei dem der Unfall passiert sei, gewusst habe. Inzwischen seien die Beschwerden aber so stark, dass sie ihn doch habe nachmelden müssen. Dr. R., Facharzt für Allgemeinmedizin, gab auf Nachfrage der Beklagten an, der Unfall sei am 18. August 2011 gewesen. Die Klägerin habe sich am 26. August 2011 zu ihm begeben, weil er Dr. K., der Urlaub gehabt habe, vertreten habe. Eine genaue Auskunft über den Unfall könne er nicht geben.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2014 lehnte die Beklagte die Feststellung des Ereignisses vom 16. August 2011 als Arbeitsunfall ab. Im Unfallfragebogen der Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung sei nach telefonischer Rückfrage Ende August 2011 angegeben worden, dass die Klägerin am 16. August 2011 im Rahmen einer privaten Verrichtung vom Roller gestützt sei. Der Hausarzt Dr. K. habe auf Nachfrage keine unfallbedingte Behandlung wegen eines Arbeitsunfalls bestätigen können. Dr. R., den die Klägerin als dessen Stellvertreter aufgesucht habe, habe zu dem Vorfall keine Angaben tätigen können. Telefonisch habe sie im Oktober 2014 mitgeteilt, sie habe starke Beschwerden wegen des Oberarmbruches. Ihrer Hauptarbeitgeberin habe sie damals den Nebenjob bei der Bäckerei H. verschwiegen, weshalb sie erst nachträglich einen Arbeitsunfall gemeldet habe. Nach der Gesamtbetrachtung aller Umstände könne aufgrund erheblicher Zweifel nicht mit der geforderten Gewissheit davon ausgegangen werden, dass sie sich am 16. August 2011 auf dem versicherten Weg von der Arbeit nach Hause befunden habe. Ein Arbeitsunfall habe demzufolge nicht vorgelegen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und trug zur Begründung vor, ihr Arbeitgeber habe Bescheid gewusst. Er habe ihr einige Zeit später bestätigt, dass er die Sirene des Krankenwagens gehört und am darauffolgenden Morgen den Unfallbericht in der Zeitung gelesen habe. Er habe nie eine Krankmeldung von ihr gewollt und habe sie nicht aufgeklärt, dass dies ein berufsgenossenschaftlicher Unfall sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilten die Eheleute H. im Januar 2015 telefonisch und im Folgemonat schriftlich mit, von einem Betriebsunfall wüssten sie nichts. Die Klägerin habe einen solchen nicht mitgeteilt. Sie könnten keinerlei Auskunft erteilen, zumal das Ganze auch schon drei Jahre zurückliege.

A. F., der Sohn der Klägerin, erklärte im April 2015 mit einer schriftlichen "eidesstattlichen Versicherung", die über deren Bevollmächtigten, welche von ihr im März 2015 mandatiert worden waren, der Beklagten vorgelegt wurde, er habe im Laufe des Nachmittages des 16. August 2011 von seinem Vater erfahren, dass die Klägerin mit dem Roller zur Arbeit gefahren sei. Zwischen 17 Uhr und 18 Uhr habe sie zu Hause angerufen und mitgeteilt, auf dem Heimweg gestürzt zu sein. Als er persönlich mit seinem Vater an der Unfallstelle eingetroffen sei, sei nur noch die Polizei vor Ort gewesen. Diese habe sie informiert, dass die Klägerin bereits mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus unterwegs sei. F. F., der Ehemann der Klägerin, äußerte ebenfalls in einer der Beklagten auf identische Weise zugeleiteten "eidesstattlichen Versicherung" schriftlich, er bestätige, dass es sich um einen Wegeunfall gehandelt habe. Der 16. August 2011 sei in seine Urlaubszeit gefallen. Er habe sich mit seinem älteren Sohn St. in der Werkstatt beschäftigt. Zwischen 13:30 Uhr und 14 Uhr habe die Klägerin den Roller aus der Werkstatt geholt, sich verabschiedet und gesagt, gegen 18 Uhr wieder zurück zu sein. Anschließend sei sie losgefahren. Sein jüngerer Sohn A. habe zwischen 17 Uhr und 18 Uhr am Hausapparat einen Anruf seiner Frau entgegengenommen. Sie sei auf dem Heimweg kurz nach R. gestürzt. Dann hätten sie den Autoanhänger mitgenommen, um eventuell den defekten Roller zu verladen. Als er mit seinem Sohn A. an der Unfallstelle eingetroffen sei, sei seine Frau bereits mit dem Krankenwagen abtransportiert gewesen. Die Polizei habe sie gebeten, die Ölspur zu entfernen.

Die Klägerin führte im Widerspruchsverfahren weiter an, sie habe gegenüber ihrem Arbeitgeber keine Stundennachweise führen müssen. Ihre reguläre Arbeitszeit sei mit einem Festlohn abgegolten worden. Für die zusätzlichen Arbeiten wie Fenster und Leitungen putzen habe sie 10 EUR je Stunde erhalten. Den zeitlichen Tätigkeitsumfang habe sie lediglich mündlich den Eheleuten H. mitgeteilt. Sie sei dann entsprechend vergütet worden. Weitere Aufzeichnungen habe sie insoweit nicht machen müssen.

Im August 2015 teilten die Eheleute H. auf erneute Nachfrage der Beklagten, auch zu den Stundennachweisen der Klägerin, schriftlich mit, wie sie nun bereits mehrfach kundgetan hätten, hätten sie keine Erinnerung an den geschilderten Sachverhalt. Mittlerweile liege die Angelegenheit schon vier Jahre zurück. Auch was die Sirene betreffe, habe er, R. H., schon öfter eine gehört. Ob diese zu diesem Unfall gehört habe, könne er nicht sagen. Er könne auch sonst zu dem geschilderten Vorfall keine Angaben machen.

Die Klägerin legte einen kopierten Auszug eines Kalenders vor, welcher den Zeitraum vom 27. Dezember 2010 bis 21. August 2011 umfasste, in dem am 16. August 2011 eingetragen wurde: "Rest 30.- EUR H., Mama Rollerunfall, R./W., 9 Tage Krankenhaus". Etwa am Mittwoch, 12. und 19. Januar 2011 wurde jeweils "H. Wäsche bügeln" sowie am Freitag, 28. Januar 2011 "H./Putzen + Bügeln" vermerkt. Am 29. Januar, 12. und 26. Februar, 26. März sowie 2. April 2011 und weiteren Samstagen wurden jeweils Eintragungen vorgenommen, welche nur oder zusätzlich "H." enthielten.

Der Widerspruch wurde schließlich mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2015 zurückgewiesen. Es bestünden weiterhin erhebliche Zweifel, dass sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auf einem versicherten Weg befunden habe.

Hiergegen hat diese am 16. November 2015 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, welches die Bäckereifachverkäuferin L. im April 2016 schriftlich als Zeugin vernommen hat. Sie erinnere sich nicht an Ereignisse im Zusammenhang mit einem Unfall der Klägerin am 16. August 2011. Sie habe keine Kenntnis darüber, ob diese an jenem Tag in der Bäckerei H. gearbeitet habe. Sie wisse nicht mehr, ob ihr gegenüber ein solches Geschehen erwähnt worden sei.

Nach der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2016, bei der die Klägerin nicht anwesend gewesen ist, hat das SG die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Es werde zwar von einem Verkehrsunfall am 16. August 2011 in Form eines Sturzes von ihrem Roller ausgegangen. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges im Moment des Unfalls und einer versicherten Tätigkeit sei aber nicht erwiesen. Es sei nicht belegt, dass die Klägerin an diesem Tag überhaupt in der Bäckerei gearbeitet habe. Weder der Arbeitgeber noch die Zeugin L. hätten eine Tätigkeit an diesem Tag bestätigen können. Entsprechende aussagekräftige Dokumente wie etwa Stundennachweise hätten nicht vorgelegen. Gegenüber den behandelnden Ärzten und ihrer Krankenkasse habe sie zunächst keine Angaben zu einem Arbeitsunfall gemacht. Erst drei Jahre später habe sie sich mit der Schilderung eines versicherten Unfallgeschehens an den sie behandelnden Durchgangsarzt gewandt. Der Arbeitgeber und die Zeugin L. hätten in der Folgezeit angegeben, jeweils keine Erinnerung an einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der beruflichen Tätigkeit der Klägerin zu haben. Die Aussagen des Ehemannes und einer ihrer Söhne hätten keinen relevanten Beweiswert. Beide hätten sie nicht beim Arbeiten beobachtet. Sie könnten daher nicht wissen, ob sie am fraglichen Tag wirklich in der Bäckerei geputzt habe. Der vorgelegte Auszug des Kalenders sei ersichtlich nachträglich geändert worden und habe daher keinerlei Beweiskraft. Die für den 16. August 2011 vorgenommene Eintragung müsse längere Zeit nach dem Unfall erfolgt sein. Ob diese von der Klägerin stamme, könne daher dahinstehen. Der Vollbeweis der Durchführung einer versicherten Tätigkeit am Tag des Unfalls könne jedenfalls nicht allein auf ihre drei Jahre nach dem fraglichen Ereignis erstmals gegenüber der Beklagten gemachten Angaben gestützt werden. Bereits deshalb habe sie keinen Anspruch auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Selbst wenn für erwiesen erachtet sein sollte, dass sie am 16. August 2011 beim Arbeitgeber einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei, lasse sich daraus noch kein innerer Zusammenhang zwischen dieser und dem Unfall herleiten. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt Angaben dazu gemacht, um welche Uhrzeit sie ihre Beschäftigung in der Bäckerei beendet habe. Es habe sich nicht belegen lassen, dass der zwischen 18 Uhr und 18:15 Uhr geschehene Verkehrsunfall direkt nach der vorliegend durchgeführten Tätigkeit oder zumindest im engen zeitlichen Zusammenhang dazu auf dem Heimweg geschehen sei. Eine Vernehmung von M. H., der Tochter des Arbeitgebers, sei nicht geboten gewesen, da diese nach der Einlassung der Klägerin nicht mehr anwesend gewesen sei, als sie ihre Arbeitstätigkeit am Unfalltag beendet habe. Damit habe diese keine weiteren relevanten Angaben machen können.

Gegen die ihren Bevollmächtigten am 2. August 2016 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 1. September 2016 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt.

Sie trägt im Wesentlichen vor, am 16. August 2011 einen Arbeitsunfall erlitten zu haben, welcher von der Beklagten anzuerkennen sei. An diesem Tag habe sie in Bezug auf ihre Haupttätigkeit Urlaub gehabt. Sie habe regelmäßig samstags gearbeitet. Außergewöhnliche Arbeiten wie Fenster putzen oder die Rohre der Backstube reinigen habe sie sich selbst einteilen, also auch unter der Woche vornehmen können. Sie habe an dem besagten Dienstag zwischen 14 Uhr und 14:30 Uhr mit der Arbeit begonnen und sei gegen 17:30 Uhr fertig gewesen. Anschließend habe sie die Putzmittel verstaut. Die Zeugin L. habe ihr noch Backwaren in einen Rucksack gepackt. An weitere Personen, welche in der Bäckerei anwesend gewesen seien, könne sie sich nicht mehr erinnern. Sie sei dann aus der Hofeinfahrt ihres Arbeitgebers gefahren und später an dem Kloster in R. vorbeigekommen. Was danach geschehen sei, wisse sie nicht mehr. Sie könne sich erst wieder daran erinnern, auf dem Gehweg gehockt oder gelegen zu sein. Schließlich seien mehrere Personen zu ihr gekommen. Ihr Arbeitgeber habe sie nicht darüber unterrichtet, dass ihr Unfall ein Versicherungsfall sein könne. Ein Arbeitskollege, der H. heiße und in der Bäckerei arbeite, in der sie derzeit tätig sei, habe sie darauf hingewiesen, dass es ein Versicherungsfall sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Juli 2016 und den Bescheid vom 2. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2015 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 16. August 2011 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht sei der Vollbeweis für ein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stattgehabtes Unfallereignis bei einer versicherten Tätigkeit geführt worden. Außer den erstmals drei Jahre später gemachten Angaben der Klägerin, assistiert von Familienangehörigen, hätten sich keine objektiven und belastbaren Tatsachen ermitteln lassen, welche als Realitätskriterien ihre Angaben stützten.

In der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG am 20. Dezember 2016 hat der Berichterstatter die Klägerin gehört und die Bäckereifachverkäuferin L. persönlich als Zeugin vernommen. Vom Arbeitgeber sind auf Anforderung die Lohn- und Gehaltslisten der Personen vorgelegt worden, welche im August 2011 bei ihm beschäftigt gewesen sind. In der mündlichen Verhandlung beim LSG ist die Klägerin vom Senat gehört und H. S. als Zeuge vernommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), und begründet.

Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 22. Juli 2016, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2015 die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Ereignisses vom 16. August 2011 als Arbeitsunfall begehrt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 32 und § 55 Rz. 21), welche vorliegend am 13. Juli 2017 stattfand.

Die Klage ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Versicherten haben in Bezug auf die Anerkennung eines Versicherungsfalls (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII) ein Wahlrecht zwischen der Feststellungs- und der von der Klägerin erhobenen Verpflichtungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 8/11 R -, BSGE 111, 37 (38 f.) m. w. N.; Urteil des Senats vom 9. März 2017 - L 6 U 2131/16 -, juris, Rz. 36).

Die Klage ist, entgegen der Auffassung des SG, welches die Klägerin nicht persönlich anhörte, begründet, da diese gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf behördliche Feststellung des Ereignisses vom 16. August 2011 als Arbeitsunfall hat. Der angefochtene Verwaltungsakt ist daher rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Versicherte können von der zuständigen Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1, Rz. 15 f.).

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den VersicherungsschU. nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Betroffenen durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben und deshalb "Versicherte" sind. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 2 U 5/15 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 35 Rz. 13 m. w. N.). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 30/07 R -, BSGE 103, 45 (47) und vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43 Rz. 17).

Die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz. gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein der Verletzten begründenden Verrichtungen von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung der Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung allgemein, sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens von Versicherten zu den Versicherungsträgerinnen erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder – vorliegend nicht von Bedeutung – den Tod sowohl objektiv als auch rechtlich wesentlich verursacht haben.

Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit)verursacht wurde. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolgs gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio-sine-qua-non"). In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne dieser "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolgs war, darüber hinaus zunächst in einer besonderen tatsächlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolgs gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R -, BSGE 112, 177 (183 f.)). Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und dadurch für den Gesundheitserstschaden – oder den Tod – war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (BSGE 177 (184)). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der (Wirk-)Ursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Wirkung, also vorliegend die Einwirkung, rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der Wesentlichkeit der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Verrichtung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Einwirkung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (BSG, a. a. O.).

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geht es nicht um die Zurechnung eines Erfolgs zu einer verursachenden Person, sondern um die Begründung einer versicherungsrechtlichen Einstandspflicht einer Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung für einen tatbestandlichen Schaden, den ein anderes Rechtssubjekt, die oder der Verletzte, unter eigener Mitwirkung erlitten hat. Diese Einstandspflicht setzt voraus, dass die Rechtsgutsverletzung in persönlicher und sachlicher Hinsicht in den jeweiligen Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Der persönliche Schutzbereich ist eröffnet, wenn, solange und soweit die Verletzten vor dem Unfall durch eine eigene Verrichtung den Tatbestand einer aufgrund der §§ 2, 3, 6 oder auch 8 Abs. 2 SGB VII versicherten Tätigkeit erfüllt und dadurch den Versicherungsschutz bei der für diesen Tatbestand zuständigen Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung begründet im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. In § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII kennzeichnet die Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges" den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der eigentlich versicherten Tätigkeit. Dieser besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Unterkunft zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 26/06 R -, BSGE 102, 111 (116) m.w.N.). Der sachliche Schutzbereich greift ein, wenn sich mit dem durch die versicherte Verrichtung mitverursachten tatbestandlichen Schaden eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Für Schäden, die außerhalb des Schutzzweckes der Norm liegen, muss die jeweils zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einstehen. In der Sache läuft diese Voraussetzung der Einstandspflicht darauf hinaus, dass entschieden werden muss, ob der begründete Versicherungsschutz den Sinn und Zweck hat, gegen Schäden der konkret eingetretenen Art zu schützen. Deshalb wirkt der Schutzzweck der Norm in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht haftungslimitierend, sondern pflichtbegründend (BSGE 177 (185)). Der Schutzweck der jeweils begründeten Versicherung ist nach den anerkannten juristischen Methoden unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber festgelegten Sinnes und Zweckes des Gesetzes zu bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 -, BVerfGE 128, 193 (206, 210 f.) m. w. N.). Dabei kann der historischen Auslegung besonderes Gewicht zukommen. Im Wege der Subsumtion eines konkreten Lebenssachverhaltes unter den durch Auslegung nach den juristisch anerkannten Methoden bestimmten Schutzbereich der jeweils begründeten Versicherung ist daher festzustellen, ob die versicherte Verrichtung ein Risiko verwirklicht hat, das unter diesen Schutzbereich fällt (vgl. BSGE 177 (185 f.)).

Die Einstandspflicht einer Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung wird nur begründet, wenn der durch die versicherte Verrichtung objektiv mitverursachte Unfall, vorliegend die Einwirkung auf die Klägerin, eine Gefahr mitverwirklicht hat, gegen welche die begründete Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung. Denn nur wenn der Schutzzweck der Norm den durch die versicherte Handlung mitbewirkten Schaden überhaupt umgreift, kommt es rechtlich darauf an, ob neben der versicherten (Wirk-)Ursache auch andere unversicherte Mitursachen bestehen. Diese können die Einstandspflicht nie begründen, aber gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten (Wirk-)Ursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte (Wirk-)Ursache verdrängen, so dass der Schaden im Wesentlichen rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt (vgl. BSGE 177 (186)). Bei dieser Subsumtion sind die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen und ihre Mitwirkungsanteile in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzweckes des Versicherungstatbestandes zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Auffassung des praktischen Lebens ist abzuwägen, ob der Schaden den versicherten oder den unversicherten (Wirk-)Ursachen zuzurechnen ist (vgl. BSG, a. a. O., m. w. N.).

Die unfallbedingte Einwirkung am 16. August 2011, die zu der Fraktur des rechten Oberarmknochens und dem Weichteilschaden vom Grad I bei geschlossenem Bruch sowie der Prellung des rechten Handgelenkes geführt haben, ist dem Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit als Beschäftigte zusammenhängenden unmittelbaren Weges von dem Ort der Tätigkeit zuzurechnen.

An diesem Tag erlitt die Klägerin gegen 18:15 Uhr einen Unfall, also ein zeitlich begrenztes, von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis, als sie mit ihrem Motorroller auf der E.-A.-Straße in B. W. fuhr und aufgrund Unachtsamkeit gegen den Bordstein prallte und in Höhe der Hausnummer 42 stürzte. Dahingehend hat sie sich bereits drei Tage später bei ihrer Anhörung durch PHM Ch. glaubhaft eingelassen und diesen Vortrag bis zuletzt aufrechterhalten. Dieser hatte den Unfall vor Ort aufgenommen, wobei sich ausweislich seines Verkehrsunfallberichtes die Unfallspuren damit in Einklang bringen lassen. Hierdurch kam es insbesondere zu einer subkapitalen Humerusfraktur rechts (ICD-10-GM-2017 S42.22), einem Weichteilschaden vom Grad I bei geschlossenem Bruch des Oberarmes (ICD-10-GM-2017 S41.84) und einer Prellung des Handgelenkes rechts (ICD-10-GM-2017 S60.2), wie Dr. U. diese Gesundheitserstschäden nach seinem Entlassungsbericht vom 22. September 2011 diagnostizierte.

Die Klägerin war auch als Beschäftigte kraft Gesetzes versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), wovon auch geringfügig Beschäftigte (§ 8 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) erfasst werden. Eine § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), § 7 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) oder § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entsprechende Regelung, der zufolge sich der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht auf solche beruflich Tätigen erstreckt, enthielt weder die Reichsversicherungsordnung (RVO) noch sind entsprechende Vorschriften in dem diesen Bereich abschließend regelnden SGB VII (§§ 2 bis 6) enthalten (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 46/02 R -, SozR 4-2700 § 47 Nr. 1, Rz. 14). Nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der Fassung von Art. 2 Ziff. 3 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I S. 4621), welche für den Unfalltag Anwendung findet, liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 EUR nicht übersteigt (Nr. 1), die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder fünfzig Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 EUR im Monat übersteigt (Nr. 2). Die Klägerin übte für den Arbeitgeber eine geringfügige Beschäftigung in Form der ersten Ziffer, also der Entgeltgeringfügigkeit, aus. Sie war, wie dieser im Verwaltungsverfahren bestätigte, als Aushilfskraft für ihn tätig, wobei sie regelmäßig samstags Reinigungsarbeiten durchführte sowie gelegentlich unter der Woche sämtliche Fenster und die Versorgungsleitungen in der Backstube putzte oder Wäsche bügelte, wie sie logisch konsistent im Verfahren bekundete (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. 2014, S. 81), zuletzt in der mündlichen Verhandlung beim LSG, und teilweise nachträglich in einem Kalender, welchen sie auszugsweise erstmals im Verwaltungsverfahren vorlegte, für sich vermerkt hatte. Entgegen der Annahme des SG hat sich für spätere Änderungen der chronikalischen Notizen kein Hinweis ergeben. Der Senat hält diese Angaben zum Tätigkeitsinhalt und der Arbeitszeit ob ihres auf den Kernbereich bezogenen Detailreichtums (vgl. Bender/Nack/Treuer, a. a. O., S. 91 ff. hierzu und zu den sonstigen Realitätskriterien) für glaubhaft. Weiter lag zwischen ihr und dem Arbeitgeber eine generelle Absprache zugrunde, wonach sie außergewöhnliche Arbeiten, also solche, welche sie unter der Woche vornahm, selbst einteilen konnte. Die Klägerin hat sich ausweislich der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung am 20. Dezember 2016 dahingehend glaubhaft gegenüber dem Berichterstatter eingelassen. Sie berichtete dieses Detail, deren wirklichen Sinnzusammenhang sie nach der Art ihrer Darbietung selbst nicht richtig einordnen konnte. Soweit sich der Arbeitgeber, welcher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren mehrmals befragt wurde, überhaupt zu diesem Arbeitsverhältnis äußerte und sich nicht nur auf Erinnerungslücken berief, stehen seine Angaben dazu nicht in Widerspruch. Samstags arbeitete die Klägerin regelmäßig ab 8 Uhr, wofür sie anfangs jeweils pauschal 50 EUR und später 60 EUR, wie sie in der mündlichen Verhandlung beim LSG präzisierte, erhielt. Ausgehend hiervon überschritt sie, unter Berücksichtigung gelegentlich einmal wöchentlicher Beschäftigungen von einer Stunde bügeln bis zu einer dreistündigen Tätigkeit wie der behaupteten am Tag des streitgegenständlichen Unfalls, welche mit einem vereinbarten Stundenlohn von 10 EUR vergütet worden waren, die Entgeltgeringfügigkeit von 400 EUR nicht. Für den Versichertenstatus der Klägerin ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber seiner Meldepflicht gemäß § 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c und f bis h SGB IV in der Fassung von Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 (BGBl I S. 2933) beziehungsweise § 24 der Satzung der Beklagten vom 25. Oktober 2007 nachkam. Denn eine solche Mitteilung hat nur Ordnungsfunktion, der Versicherungsschutz besteht auch ohne sie (vgl. Ricke, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2017, § 192 SGB VII, Rz. 2 zur Mitteilungs- und Auskunftspflicht von Unternehmern). Die so genannte "Schwarzarbeit", welche vorliegend jedenfalls darin zu sehen sein dürfte, dass der Arbeitgeber zumindest das der Klägerin für die Tätigkeiten unter der Woche gezahlte Arbeitsentgelt der "Minijob-Zentrale", einer Abteilung der DRV (§ 28i Satz 5 SGB IV), als Einzugsstelle nicht mitteilte, lässt den Versicherungsschutz nicht entfallen (vgl. Lilienfeld, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2017 § 2 SGB VII, Rz. 6b).

Die Einwirkung am 16. August 2011 gegen 18:15 Uhr auf den Körper der Klägerin ist des Weiteren objektiv und rechtlich wesentlich durch deren zuvor verrichtete versicherte Tätigkeit, das Zurücklegen des Heimweges mit dem Motorroller vom Ort ihrer geringfügigen Beschäftigung beim Arbeitgeber, verursacht worden.

Sie ging an diesem Tag ab etwa 14:30 Uhr bis ungefähr 17:30 Uhr einer sich aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitgeber ergebenden Hauptpflicht nach, in dem sie bei ihm die Heizungsrohre reinigte, welche an der Decke quer durch die Backstube verliefen. Hiervon ist der Senat aufgrund ihrer glaubhaften Angaben und des gewonnenen glaubwürdigen Eindruckes in der mündlichen Verhandlung beim LSG überzeugt. Der Senat hat zur Bewertung ihrer Aussage auch insoweit die anerkannten Glaubwürdigkeitskriterien zugrunde gelegt, wie sie in der Glaubhaftigkeits- und Beweislehre zur Tatsachenfeststellung angewandt werden (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, a. a. O.). Danach haben sich an Realitätskriterien Strukturgleichheit, ein Detailreichtum, Komplikationen, Interaktionen sowie eine Verflechtung und eine Originalität gezeigt (im Einzelnen siehe unten). Unter Beachtung der dem Senat obliegenden Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen (§ 103 SGG) und seines Rechts zur freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), war es ihm nicht verwehrt, die Feststellungen zu der Ausübung der Tätigkeit am Unfalltag allein auf die Angaben der Klägerin zu stützen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1981 - 1 RJ 4/80 -, SozR 2200 § 1266 Nr. 18, S. 72).

Die Klägerin führte detailreich und mit Komplikationen verbunden an, sich am 16. August 2011 nach dem Mittagessen kurzfristig entschlossen zu haben, diese Reinigungsarbeiten am Nachmittag durchzuführen, nachdem ihr Ehemann und ihr Sohn St. dabei waren, noch länger die Garage umzubauen und nicht absehbar war, dass noch eine gemeinsame Unternehmung an diesem Tag erfolgen sollte. Ihr bot sich die Möglichkeit, den Personenkraftwagen ihrer Tochter zu nehmen. Um flexibler zu sein, griff sie indes auf den Motorroller zurück, was sie im Nachhinein bereut hat, was sie in der mündlichen Verhandlung spontan äußerte und von einem gefühlsmäßigen Nachklang begleitet war. Bezogen auf ihre Tätigkeit als Verpflegungsassistentin hatte sie Urlaub, so dass sie durch jene Beschäftigung faktisch nicht daran gehindert war, ihrer Nebentätigkeit nachzugehen. Sie hat damit dem Senat eine Fülle an Details beschrieben, die zwar für die Annahme einer Beschäftigung größtenteils nicht relevant sind, aber gerade deswegen zeigen, dass sie diese Situation auch tatsächlich so erlebt hat.

Überdies bestätigte die Ehefrau des Arbeitgebers noch im Oktober 2014 bei einer telefonischen Unterredung mit der Beklagten, dass die Klägerin am Unfalltag geputzt und damit gearbeitet hatte, was der Senat dem darüber angefertigten Telefonvermerk entnimmt. Dass sich der Arbeitgeber später an gar nichts mehr erinnern konnte und bezogen auf die Lohn- und Gehaltslisten an der Aufklärung des Sachverhalts nur unter Hinweis auf einen Beweisaufnahmetermin mitgewirkt hat, steht dem nicht entgegen. Dieses spätere Verhalten war nicht einer spontanen Reaktion geschuldet, sondern findet ganz zwanglos seine Erklärung darin, dass er befürchten musste, sich einer ordnungswidrigen Schwarzarbeit (§ 1 Abs. 1 Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetz - SchwarbG) bezichtigen zu müssen. Daraus ergibt sich zugleich eine Verflechtung im Sinne der Aussage- und Vernehmungspsychologie. Die Ehefrau konnte lediglich nicht mehr sagen, wann die Klägerin fertig war, da sie alleine tätig war. Dies deckt sich mit deren Angaben, wonach sich ihr Arbeitgeber und seine Ehefrau nachmittags oft ausruhten und sich daher zurückzogen, weshalb sie diese bei Tätigkeitsende oft nicht antraf.

Damit in Einklang steht, was ihr Ehemann und ihr Sohn A. im Verwaltungsverfahren schriftlich erklärt haben. Mangels Ermächtigung der Beklagten durch Gesetz oder Rechtsverordnung zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X; vgl. § 63 Abs. 4 Satz 2 SGB VII), sind deren Äußerungen zwar nicht als strafbewehrte Versicherungen an Eides Statt (§ 156 Strafgesetzbuch - StGB) einzuordnen, sondern als bloße einfache Erklärungen (Siefert, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 23 Rz. 9a). Diese untermauern gleichwohl, dass sich die Klägerin auf den Weg zu ihrem Tätigkeitsort beim Arbeitgeber begab. Ihr Ehemann bestätigte, dass sie zwischen 13:30 Uhr und 14 Uhr den Motorroller aus der Garage holte, welche in der Familie als Werkstatt bezeichnet wurde, da sich einer ihrer Söhne, der Automechatroniker ist, dort handwerklich betätigte, sich verabschiedete und kundtat, gegen 18 Uhr wieder zurück zu sein. Der Sohn A. teilte damit in Einklang stehend und unter Beschreibung von Interaktionen mit, von seinem Vater erfahren zu haben, dass die Klägerin mit dem Roller zur Arbeit gefahren war.

Der spätere Kontakt mit der Zeugin L. nach Arbeitsende gegen 17:30 Uhr, welche ihr Brötchen in Form von zwei Kipf und Pizzalaugenstangen sowie süße Gebäckstücke in ihren 4You-Rucksack gepackt haben soll, also wieder eine sehr detailreiche Schilderung der Klägerin, hat sich zwar bei der Vernehmung in der nichtöffentlichen Sitzung am 20. Dezember 2016 durch den Berichterstatter mangels Erinnerung daran nicht bestätigen lassen, sie konnte dies jedoch auch nicht ausschließen. Sie war nicht einmal mehr in der Lage, sich ins Gedächtnis zu rufen, ob sie an diesem Tag überhaupt oder früh oder spät gearbeitet hatte. Dieser Umstand steht aber der Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben nicht entgegen, da die Herausgabe von Brötchen sowie Laugen- und süßem Gebäck zur regelmäßigen Beschäftigung der Zeugin L. als Bäckereifachverkäuferin gezählt hat, ihr daher ein Vorgang vor mehr als fünf Jahren, der für sie im Gegensatz zu der Klägerin persönlich keinerlei Bedeutung hatte, nachvollziehbar nicht erinnerlich war. Für diese handelte es sich demgegenüber um eine Sachzuwendung. Denn es wurde offenbar vom Arbeitgeber geduldet, dass sich die Klägerin Ware unentgeltlich mitnahm, weshalb es dieser nichts ausmachte, für die Tätigkeiten am Samstag pauschal vergütet worden zu sein, obwohl sie nach der tatsächlichen Arbeitszeit oftmals einen Stundenlohn von 10 EUR unterschritt. Sie sah dies als Ausgleich an, weshalb es einleuchtet, dass ihr dieser Umstand ob seiner Bedeutung eher erinnerlich ist.

Der vermeintliche Widerspruch der Einlassungen der Klägerin zu dem Tätigkeitsbeginn an der Arbeitsstätte am Unfalltag besteht im Ergebnis nicht. Nach den unterschriftlich bestätigten Angaben im Unfallfragebogen sollte dieser um 13 Uhr gewesen sein, was bei einer zugrunde gelegten Arbeitszeit von drei Stunden nahegelegt hätte, dass ihre Arbeit weit vor dem Unfallzeitpunkt hätte beendet gewesen sein müssen. Der Senat geht indessen davon aus, dass sie tatsächlich erst um etwa 14 Uhr losgefahren ist. Die unterschiedlichen Zeitangaben lassen sich daraus ableiten, dass für die Klägerin allein maßgeblich war, dass sie nach dem Mittagessen aufgebrochen ist, nicht wann dies genau war. Dieser spätere Zeitpunkt erklärt sich für den Senat schlüssig daraus, dass sie in der mündlichen Verhandlung beim LSG nach ihrem Vorbringen in der nichtöffentlichen Sitzung Ende 2016 wiederholt auf eine zuvor noch erfolgte familiäre Unterredung Bezug nahm, deren Inhalt die Gestaltung des Nachmittags war, worüber Uneinigkeit bestand. Vor diesem Hintergrund ist ein Zeitrahmen bis 14 Uhr nachvollziehbar. Zudem bestätigten der Ehemann der Klägerin und ihr Sohn St. diesen Beginn der Hinfahrt.

Ausgehend von ihrem Aufbruch um diese Uhrzeit benötigte die Klägerin für den gewöhnlichen Fahrweg, welcher etwa 14 km umfasste, zwischen fünfzehn und zwanzig Minuten, wie sie im Unfallfragebogen angab. Die kürzeste aller möglichen Routen zwischen ihrem Wohnort und ihrer Arbeitsstätte beim Arbeitgeber, also der unmittelbaren Weg zwischen diesen Lokalitäten, betrug 12,4 km (vgl. im Internet unter "www.falk.de/routenplaner", Ort A: O. 1, I. und Ort B: E.-A.-Straße 7, B. W.). Hieraus lässt sich zwanglos ableiten, dass sie, eingerechnet eine geringfügige zeitliche Verzögerung durch die Benutzung eines Motorrollers statt eines Kraftfahrzeuges (Kfz), um etwa 14:30 Uhr mit ihrer eigentlichen, bezahlten Tätigkeit, dem Reinigen der Heizungsrohre in der Backstube, anfing. Bei der von ihr in der mündlichen Verhandlung beim LSG plausibel beschriebenen Größe der Backstube sowie unter Berücksichtigung, dass diese Art der Tätigkeit über Kopf und auf einer Leiter vorgenommen wurde, deren Standort mehrmals verändert werden musste, sowie ferner der Boden von dem herabfallenden Staub mittels eines Bodenwischtuches zu reinigen war, ist es für den Senat nachvollziehbar gewesen, dass sie hierfür drei Stunden benötigte. Diese Dauer rechnete sie auch gegenüber ihrem Arbeitgeber ab, weshalb sie, ausgehend von einem Stundenlohn von 10 EUR, in ihrem Kalender am 16. August 2011 unter anderem "Rest 30 EUR H." vermerkte, was mit ihrer Darlegung zur Lohnvereinbarung in der mündlichen Verhandlung beim LSG in Einklang steht. Somit ist es auch plausibel, dass sie frühestens um 17:30 Uhr ihre eigentliche Arbeit beendet hatte, dann sich zur Heimfahrt fertig machte, anschließend noch die Backwaren bekam und schließlich aufbrach.

Diesem Geschehensablauf und der Glaubwürdigkeit der Klägerin steht auch nicht allein der Umstand entgegen, dass der Unfall von Mitte August 2011 der Beklagten erst fast drei Jahre später über die BGN zur Kenntnis gebracht wurde (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Juli 2004 - L 2 U 294/03 -, juris, Rz. 23). Dies erklärt sich daraus, dass sie, wie sie weiter glaubhaft kundtat, ihre geringfügige Beschäftigung der S. Kliniken Landkreis B. GmbH, für die sie als Verpflegungsassistentin tätig war, nicht angezeigt hatte. Wegen einer früheren Nebentätigkeit war sie von dieser in der Vergangenheit bereits einmal abgemahnt worden, als sie trotz einer mitgeteilten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ihre Nebentätigkeit ausgeübt hatte. Es ist daher aus ihrer Sicht nachvollziehbar und erklärt ihre Motivation, dass sie zunächst Leistungen der Heilbehandlung von der AOK B.-W. in Anspruch nahm und, abgesehen von dem für die Therapie notwendigen Unfallhergang, keine näheren Angaben zu den Umständen des Ereignisses etwa gegenüber den behandelnden Ärzten Dr. U., Dr. K. und Dr. R. machte. Hierdurch wollte sie ersichtlich verhindern, dass ihre Hauptarbeitgeberin von der weiteren beruflichen Tätigkeit Kenntnis erlangte, zumal sie während eines gewährten Urlaubes, welcher der Erholung diente (§ 1 Bundesurlaubsgesetz - BUrlG), ihrer Nebentätigkeit nachging. Der Hinweis auf einen privaten Sturz erfolgte nach der telefonischen Unterredung mit der AOK B.-W. im August 2011, also zu einer Zeit, als sie die Sachleistungen noch nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nahm, also bei unveränderter Motivlage. Ohnehin hielt eine Mitarbeiterin dieser Sozialleistungsträgerin den Vermerk hierüber fest; bis zuletzt ist nicht gewiss geworden, ob diese den Schluss einer privaten Verrichtung zog oder die Klägerin tatsächlich eine solche anführte. Erinnern konnte sich Letztere daran auf Nachfrage nicht mehr. Erst als die körperlichen Beschwerden, insbesondere die Schmerzen, welche sie auf den Unfall zurückführte, stärker wurden, welche möglicherweise einen Anspruch auf Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung begründeten, wandte sie sich an den sie nach dem Ereignis vom 16. August 2011 behandelnden Durchgangsarzt Dr. U., um zu veranlassen, nachträglich einen entsprechenden Bericht zu verfassen. Erst zu diesem späten Zeitpunkt hat es sich aus ihrer Laiensicht zudem verdichtet, dass der so genannte "Wegeunfall" berufsgenossenschafltich versichert sein könnte, was auch auf eine Unterredung mit dem Zeugen S. zurückzuführen sein mag.

Nach seiner Vernehmung hat sich dies zwar nicht bestätigt, da er glaubte das erste Gespräch mit ihr darüber habe ein halbes Jahr nach ihrer Aufnahme der Tätigkeit bei der Bäckerei U. GmbH stattgefunden. Damit wäre es frühestens im Spätsommer 2014 gewesen, wohingegen Dr. U. von der Klägerin bereits Ende Mai dieses Jahres kontaktiert worden war. Ob der verstrichenen Zeit von mehr als drei Jahren vermochte der Zeuge S. aber auch nicht ausschließen, dass es bereits vor Juni 2014 erfolgte. Soweit Dr. U. im Durchgangsarztbericht wiedergab, die Klägerin habe nicht daran gedacht, auf dem Weg von der Arbeit nach Hause gewesen zu sein, geht der Senat davon aus, dass der Gesprächsinhalt unzureichend erfasst wurde. Demgegenüber führte diese selbst immer wieder der Sache nach an, was strukturgleich ist, von der Arbeit nach Hause gefahren zu sein, lediglich anfangs auch laienhaft nicht gewusst zu haben, dass ein Wegeunfall versichert ist.

Ihre Hinweise im Unfallfragebogen in Bezug auf die Uhrzeit, zu der sich der Unfall ereignete, und das Ende der Arbeitszeit auf die Polizei- und Arztberichte spricht trotz der von ihr vorgenommenen Streichungen nicht gegen den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben, wie die Beklagte in der nichtöffentlichen Sitzung im Dezember 2016 anklingen ließ. Denn statt ihre eigenen Notizen stehen zu lassen, nahm sie auf Urkundenbeweismittel (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 SGB X) Bezug, deren sich die Beklagte ohnehin im weiteren Verwaltungsverfahren bediente. Soweit sie bei der Frage nach dem Ende der Arbeitszeit vermerkte, als sie fertig war, versah sie diese Eintragung mit einem Fragezeichen, woraus der Beklagten deutlich werden musste, dass sie diese nicht verstand. Hierzu hat sie in der nichtöffentlichen Sitzung im Dezember 2016 erklärt, dass sie sich hierunter nichts vorstellen konnte. Mit dem Amtsdeutsch komme sie nicht immer so klar, was vorliegend allenfalls auf eine unbedarfte Person hindeutet. Stundennachweise, welche weiteren Aufschluss hätten bringen können, mussten von der Klägerin nicht geführt werden.

Damit in Einklang steht, dass der Arbeitgeber auf Nachfrage der Beklagten hierzu keine vorlegte, vielmehr im August 2015 angab, keine Angaben zu dem ihm geschilderten Vorfall machen zu können. Auf den Meldebescheinigungen zur Sozialversicherung (§ 25 Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung - DEÜV), welche die Klägerin nach eigenem Bekunden mittlerweile bis auf diejenige für das Kalenderjahr 2013, welche sie in der mündlichen Verhandlung beim LSG vorlegte, vernichtete, wurde ausweislich der noch existenten offensichtlich nur das Bruttoarbeitsentgelt der gemeldeten und vergüteten Tätigkeiten an den Samstagen dokumentiert. Für das Kalenderjahr 2011 hätte sich daraus folglich keine Erkenntnis für die unter der Woche vorgenommenen Arbeiten ergeben. Die An- und Abmeldezettel für das Jahr 2011 wurden von ihr mittlerweile ebenfalls entsorgt. Sie enthielten nach der Darlegung der Klägerin ohnehin ausschließlich ihre Eintragungen, woraus sich vorliegend jedenfalls kein weiterer Erkenntniswert ergeben hätte.

Trotz des angegebenen Endes der Arbeitszeit um etwa 17:30 Uhr und des Unfalls um ungefähr 18:15 Uhr bestand zum Zeitpunkt des Unfalls Versicherungsschutz Die Klägerin befand sich zwar noch in der E.-A.-Straße in Höhe der Hausnummer 42 in B. W., hatte also erst ab der Bäckerei H. eine kurze Strecke ihres Heimweges zurückgelegt, welcher sie nach ihrer Handlungstendenz an der Pfannenbühlstraße vorbei und weiter auf der K. 7941 zu ihrem Wohnort führen sollte. Hierbei handelte es sich, wie bereits dargelegt, um die mit 12,4 km kürzeste aller möglichen Routen. Sie befand sich damit auf dem unmittelbaren Weg von dem Ort der Tätigkeit nach Hause. Bevor sie mit dem Motorroller losfuhr, räumte sie jedoch nach der getanen, bezahlten Arbeit noch die Putzmittel auf. Zudem unterhielt sie sich, bevor sie losfuhr, noch geraume Zeit mit der Zeugin L., welche ihr Brötchen sowie Laugen- und süßes Gebäck in den Rucksack packte. Für Wege vom Ort der Tätigkeit hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Interesse einer gleichmäßigen und rechtssicheren Handhabung ohnehin eine feste zeitliche Grenze von zwei Stunden festgelegt, bis zu der eine Unterbrechung für den Versicherungsschutz auf dem restlichen Weg unschädlich ist (vgl. BSG, Urteile vom 10. Oktober 2006 - B 2 U 20/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 19, Rz. 17 m. w. N. und vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 16/15 R -, juris, Rz. 17 ff. m. w. N.), welche vorliegend nicht überschritten wurde.

Das gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherte Zurücklegen des Weges mit dem Motorroller hat die zu der Fraktur des rechten Oberarmknochens und dem Weichteilschaden vom Grad I bei geschlossenem Bruch sowie der Prellung des rechten Handgelenkes führende Einwirkung auf den Körper der Klägerin objektiv mitverursacht. Dieses war offenkundig eine mitwirkende Grundbedingung für den Aufprall auf den Bordstein und den anschließenden Sturz auf die Fahrbahn, wodurch es zu den Gesundheitsschäden kam. Die versicherte Verrichtung war eine rechtlich wesentliche (Wirk-)Ursache. Hierdurch hat sich eine Gefahr realisiert, vor welcher der Versicherungstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII schützen soll. Das versicherte Zurücklegen des Weges nach und von dem Ort der jeweiligen versicherten Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, vgl. hierzu BSGE 112, 177 (187)) schützt gegen Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgängerinnen oder Fußgänger oder Benutzende eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremden Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen durch die Beschaffenheit des Verkehrsraumes, hervorgehen. Eine solche Verkehrsgefahr hat sich vorliegend verwirklicht, da die Klägerin aus Unachtsamkeit mit dem Rad des Motorrollers den Bordstein berührte, die Kontrolle über das Kfz verlor und deswegen stürzte. Ein den Unfall herbeiführendes unzureichendes Verhalten ist noch eine Realisierung der insoweit geschützten Gefahr. Demgegenüber eröffnet eine Verkehrsgefahr, die sich etwa erst und allein aus der unversicherten Tätigkeit des Alkohol- oder Drogengenusses ergibt, nicht den SchU. der Wegeunfallversicherung (vgl. BSGE 112, 177 (187 f.)). Der PHM Ch. hatte die Klägerin nach dem von ihm erstellten Verkehrsunfallbericht am Unfallort als verkehrstüchtig wahrgenommen, so dass hierfür indes kein Anhaltspunkt besteht.

Die Beklage ist passivlegitimiert, also richtige Anspruchsgegnerin, da sie für die Klägerin als Versicherte nach § 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 121 Abs. 1, § 133 Abs. 1, § 136 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Nr. 6 der Anlage 1 zu § 114 SGB VII i. V. m. § 3 Nr. 1 ihrer Satzung vom 6. Juni 2012 verbandszuständig ist; der Arbeitgeber ist Mitglied der beklagten Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung.

Nach alledem war der Berufung der Klägerin stattzugeben, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 16. August 2011 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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