L 8 U 1987/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 3010/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1987/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.04.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Kläger trägt die Kosten der im Berufungsverfahren auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 18.08.2017 zu dessen Gutachten vom 18.02.2016 sowie seine insoweit entstandenen baren Auslagen endgültig selbst.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Unfallrente (MdE mindestens 50 statt 20 bzw. 25) nach dem Arbeitsunfall vom 26.10.2012 hat.

Der 1961 geborene Kläger, ukrainischer Staatsangehöriger, war als selbständiger Transportunternehmer freiwilliges Mitglied der Beklagten. Am 26.01.2012 wurde er bei der Auslieferung von Waren gegen 23:45 Uhr vom Empfänger der gelieferten Pakete tätlich angegriffen (wohl weil dieser sich über die verkehrsbedingt verspätete Ankunft des Klägers geärgert hatte; zur Unfallanzeige vom 17.02.2012 vgl. Blatt 5, 11/17, 138 der Beklagtenakte; zu den Akten der Staatsanwaltschaft M. vgl. Blatt 157/180 der Beklagtenakte). Er suchte am 27.01.2012 den Durchgangsarzt Dr. J. auf, der eine distale Radiusfraktur rechts, eine Nagelkranzfraktur des linken Zeigefingers, eine Schädelprellung und eine Prellung des rechten Knies diagnostizierte (D-Arztbericht vom 27.01.2012, Blatt 1 der Beklagtenakte). Die Radiusfraktur wurde konservativ behandelt, bei fortbestehenden Schmerzen erfolgte unter den Diagnosen Morbus Sudeck rechte Hand, Zustand nach distaler Radiusfraktur rechts und unzureichender knöcherner Konsolidierung sowie Scaphoidfraktur im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 29.02. bis 09.03.2012 im V.-Krankenhaus K. eine Schmerztherapie und weitere Diagnostik (vgl. Bericht vom 07.03.2012, Blatt 25 der Beklagtenakte). In der Folge fanden mehrere stationäre Heilverfahren in der BG-Klinik L. statt (vgl. Berichte vom 12.07.2012, 12.10.2012 und 30.11.2012, Blatt 82/84, 128/130, 151/154 der Beklagtenakte).

In seinem ersten Rentengutachten vom 21.03.2013 gab Prof. Dr. G. (vgl. Blatt 211 der Beklagtenakte) als verbliebene Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung beim Auswärtsdrehen des rechten Armes, eine Bewegungseinschränkungen der Bewegung im Handgelenk nach handrückenwärts, hohlhandwärts und ellenwärts sowie radiologische Veränderungen (posttraumatische Arthrose des Handgelenks) an. Die MdE schätzte er auf 20 v.H.

Nachdem der Beratungsarzt Dr. W. (vgl. Stellungnahme vom 12.06.2013, Blatt 214 der Beklagtenakte) ausgeführt hatte, die von Prof. Dr. G.r beschriebenen funktionellen Veränderungen entsprächen einer MdE von unter 20 v. H. und sich für eine Gesamtvergütung über 6 Monate ausgesprochen hatte, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2013 (Blatt 215/218 der Beklagtenakte) dem Kläger Rente nach einer MdE um 20 v.H. für den Zeitraum 28.11.2012 bis 31.05.2013 (anerkannte Unfallfolgen: Eingeschränkte Auswärtsdrehung rechter Arm, endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk).

Am 17.07.2013 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch (Blatt 225 der Beklagtenakte) und begehrte eine Rente nach einer MdE um mindestens 50 v.H., auch über den 31.05.2013 hinaus (Blatt 230/232 der Beklagtenakte). Er leide nach wie vor unter erheblichen Schmerzen. Die Hand sei immer noch geschwollen, besonders morgens. Er könne seinen rechten Arm und seine rechte Hand nicht oder nur zum Teil benutzen.

Nach Auswahl durch den Kläger und im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. M. ein weiteres Gutachten. In seinem Gutachten vom 18.02.2014 (Blatt 242/249 der Beklagtenakte) gab er als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung beim Auswärtsdrehen des rechten Armes, eine Bewegungseinschränkung im Handgelenk bei Dorsalextension, Palmarflexion und Ulnarabduktion, belastungsabhängige Schmerzen, insbesondere bei Zug- und Druckbelastung, ein Kraftdefizit rechts im Vergleich zu links und radiologische Veränderungen an. Die MdE schätzte er weiterhin auf 20 v.H.

Mit Bescheid über teilweise Abhilfe und Rente als vorläufige Entscheidung vom 25.04.2014 (Blatt 257/259 der Beklagtenakte) gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. auch über den 31.05.2013 hinaus.

Nach Auswahl durch den Kläger und im Auftrag der Beklagten erstattete nunmehr Dr. K. ein Gutachten. In seinem Gutachten vom 05.08.2014 (Blatt 288/293 der Beklagtenakte) gab dieser als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung beim Auswärtsdrehen des rechten Armes, eine Bewegungseinschränkung im Handgelenk bei Dorsalextension, Palmarflexion und Ulnarabduktion, belastungsabhängige Schmerzen, insbesondere bei Zug- und Druckbelastung, ein deutliches Kraftdefizit rechts im Vergleich zu links und radiologische Veränderungen des Skeletts des rechten Handgelenks an. Die MdE schätzte er weiterhin auf 20 v.H.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2014 (Blatt 294/298 der Beklagtenakte) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers daraufhin zurück.

Der Kläger hat hiergegen am 09.09.2014 beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben. Seine Schmerzen seien nicht ausreichend berücksichtigt. Unter Bezug auf Vorgaben der Versorgungsmedizin-Verordnung (VG) sei ihm Rente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. zu gewähren. Er könne zwar einen Kugelschreiber halten und unterschreiben, einen Text abschreiben könne er nicht. Im Haushalt könne er so gut wie gar nichts machen. Seinen Beruf habe er wegen der Verletzung nicht mehr ausüben können, es "wurde sein damaliger Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber deswegen gekündigt". Der Kläger hat ärztliche Unterlagen vorgelegt (vgl. Blatt 63/65 der SG-Akte).

Mit Bescheid vom 26.09.2014 (Blatt 46/49 der SG-Akte) hat die Beklagte die Rente als Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 25 v.H. ab 01.08.2014 festgestellt (zur beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10.09.2014 von Dr. Wendl vgl. Blatt 45 der SG-Akte).

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der vom Kläger als behandelnd bezeichneten Ärzte als sachverständige Zeugen.

Der Facharzt für Innere Medizin K. hat dem SG am 13.04.2015 geschrieben (Blatt 84 der SG-Akte), er habe den Kläger nicht wegen der Unfallfolgen behandelt.

Prof. Dr. G. hat in seiner Aussage vom 16.04.2015 (Blatt 85/89 der SG-Akte) als wesentliche Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung beim Auswärtsdrehen des rechten Armes, eine Bewegungseinschränkung im Handgelenk nach handrückenwärts, hohlhandwärts und ellenwärts und radiologische Veränderungen (posttraumatische Arthrose des Handgelenks) angeführt und die MdE auf 20 v.H. geschätzt.

Der Kläger hat hiergegen Einwendungen erhoben (Schreiben vom 22.05.2015, Blatt 91/92 der SG-Akte) und darauf hingewiesen, dass sich ein Sudeck-Syndrom entwickelt habe. Dazu hat er das Gutachten vom 19.09.2014, das Dr. M. für das LG Karlsruhe im Verfahren 6 O 96/13 erstellt hatte, vorgelegt (Blatt 93/99 102/108 der SG-Akte).

Das SG hat nunmehr Dr. J. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mit Schreiben vom 25.06.2015 (Blatt 111/123 der SG-Akte) angegeben, die letzte Behandlung des Klägers habe am 09.07.2012 stattgefunden.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Leiter der Sektion Hand- und Mikrochirurgie der DGOOC Prof. Dr. M ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 17.08.2015 (Blatt 129/143 der SG-Akte; Untersuchung des Klägers am 17.07.2015) im Bereich des rechten Handgelenks und der rechten Hand eine auf den Unfall vom 26.01.2012 zurückzuführende posttraumatische Arthrose des rechten Handgelenks bei einem Zustand nach in Fehlstellung verheilter distaler Radiusfraktur rechts mit Verkürzung der Speiche gegenüber der Elle von ca. 7 mm und dadurch bedingte Bewegungseinschränkung des Handgelenkes in allen Richtungen sowie die Unfähigkeit, den rechten Unterarm nach außen zu drehen, eine Streckhemmung der Fingergelenke 3 bis 5 rechts in Folge der Sudeck schen Dystrophie sowie eine Herabsetzung der groben Kraft der rechten Hand beschrieben. Die MdE hat er mit 20 v. H. seit dem 28.11.2012 mitgeteilt.

Der Kläger hat dieses Gutachten nicht mit den Vorgaben der VG für vereinbar gehalten (Schreiben vom 30.09.2015, Blatt 147/148 der SG-Akte) und ein Gutachten nach § 109 SGG beantragt.

Das SG hat nach § 109 SGG ein Gutachten beim Institut für unabhängige medizinische Gutachten, Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, Handchirurgie Dr. S., eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 18.02.2016 (Blatt 171/189 der SG-Akte) ausgeführt, er halte die Vorgutachten für medizinisch korrekt und plausibel, die MdE-Bewertung um 20 v.H. halte er für korrekt.

Mit Schreiben vom 06.04.2016 (Blatt 213/218 der SG-Akte) hat der Kläger unter Hinweis auf Ausführungen im unfallmedizinischen Schrifttum erneut darauf verwiesen, dass seiner Auffassung nach die bei ihm bestehenden Schmerzen eine höhere MdE rechtfertigen würden.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Klägers hat das SG mit Urteil vom 21.04.2016 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 05.07.2013 in der Gestalt des Bescheides vom 25.04.2014 sowie des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014 sowie der Bescheid vom 26.09.2014, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sei, seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht habe es die Beklagte abgelehnt, dem Kläger höhere Verletztenrente zu gewähren. Die beiden Sachverständigen des Gerichtsverfahrens hätten die verbliebene MdE unabhängig voneinander mit 20 v. H. bewertet. Nachdem diese Einschätzung sowohl in Übereinstimmung mit den Einschätzungen der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachter Prof. Dr. G., Prof. Dr. M. und Dr. K. als auch mit den Vorgaben im unfallmedizinischen Schrifttum stehe, sehe die Kammer keinen Anlass, hiervon abzuweichen.

Gegen das seiner Bevollmächtigten am 29.04.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, 30.05.2016, beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Am rechten Handgelenk sei als Folge des Unfalles und der Komplikationen ein Morbus Sudeck aufgetreten. Die Verletzung habe zur Folge, dass er, Rechtshänder, seine rechte Hand kaum nutzen könne. Selbst bei einfachster Tätigkeit, wie Arbeit mit einem Joystick, schwelle die Hand an und schmerze unerträglich, so dass er schmerzlindernde Medikamente zu sich nehmen und die Hand mit Eis abkühlen müsse. Bisher sei die Erkrankung Morbus Sudeck nicht berücksichtigt. Obwohl beide Gutachten des SG zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten aufwiesen, seien die aufgeworfenen Fragen, bzw. Einwände nicht weiter beantwortet bzw. berücksichtigt worden. Es sei nicht mal eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen eingeholt worden. Die Bewertungen des Prof. Dr. M. seien mit den Vorgaben der Versorgungsmedizin-Verordnung nicht zu vereinbaren. Der Sachverständige stelle eine Bewegungseinschränkung des Handgelenks in alle Richtungen fest, so dass es sich um eine Bewegungseinschränkung starken Grades handele, für die nach der Versorgungsmedizin-Verordnung ein GdB von 20 bis 30 anzunehmen sei. Dann sei zusätzlich eine vollständige Bewegungseinschränkung des rechten Unterarms nach außen festgestellt worden, wofür die Versorgungsmedizin-Verordnung bei einer isolierten Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit einen GdB von 10 bzw. 20 bzw. 30 vorsehen. Ferner handele es sich bei Morbus Sudeck um eine schmerzhafte Nervenkrankheit. Das Schmerzsyndrom sei gesondert zu werten. Auch sei im Gutachten dem Umstand keine Rechnung getragen, dass es sich um seine rechte Hand handele und er Rechtshänder sei. Das Gutachten des Dr. S. sei ebenfalls zu beanstanden. Soweit das SG ausführe, die beiden Sachverständigen hätten die verbleibende MdE unabhängig voneinander bewertet, sei das unzutreffend, denn Dr. S. nehme mehrmals Bezug auf das Gutachten des Prof. Dr. M. und scheine sich die Meinung des Prof. Dr. M. zu Eigen gemacht haben. Aus der 12-minütigen körperlichen Untersuchung, ohne dass z.B. Röntgenbilder etc. angefertigt worden seien, enthalte das Gutachten nichts weiter, als die Zusammenfassung der bis dato angefertigten Gutachten und vor allem die Wiedergabe der Einschätzungen des Prof. Dr. M ... Ohne jegliche Wertung würden diese als korrekt befunden, so dass erhebliche Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens bestünden. Zutreffend sei, dass der Morbus Sudeck in allen Gutachten nicht als kausal angesehen würde. Erst im Gutachten vom 19.09.2014 sei die Kausalität bejaht und von Prof. Dr. M. bestätigt worden. Nun stelle sich die Frage, aus welchem Grund die als kausal befundene Erkrankung sich nicht erhöhend auf den Grad der MdE auswirke, worauf auch der Gutachter nicht eingehe. Die vom Sachverständigen vertretene Auffassung stehe ausdrücklich im Widerspruch zu der ständigen in der medizinischen Fachliteratur vertretenen Auffassung, wonach seine Erkrankung sogar eine MdE von 100 begründen könne. Demzufolge sei eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S. einzuholen. Auch handele es sich bei der Erkrankung Morbus Sudeck/CRPS um eine neurologische Erkrankung, sodass den beiden Sachverständigen offensichtlich Kompetenz fehle, die Auswirkungen der Erkrankung zutreffend zu bewerten, ansonsten könne man die grundlosen Feststellungen in den Gutachten, Morbus Sudeck wirke sich nicht MdE-erhöhend aus, nicht erklären.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.04.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 05.07.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014 und des Bescheids vom 26.09.2014 zu verurteilen, ihm ab dem 28.11.2012 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sowohl die objektiv erhobenen Befunde als auch die vom Kläger vorgetragenen subjektiv empfundenen Beschwerden und Beeinträchtigungen seien durch die bisherigen Gutachter ausreichend berücksichtigt, wobei die Rentenbegutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung im Kern eine Funktionsbegutachtung sei.

Nach Rückfrage durch den Berichterstatter (Blatt 23/24 der Senatsakte) hat der Kläger mit Schreiben vom 01.08.2016 (Blatt 29/30 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, GdS/MdE und GdB sollten vorliegend nach gleichen Grundsätzen bemessen werden. Grds. unterschieden sich beide Begriffe lediglich dadurch, dass der GdS/MdE nur auf die Schädigungsfolgen (also kausal) und der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen sei. Beide Begriffe hätten die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt. Es bestehe vorliegend eine Funktionsbeeinträchtigung in allen Lebensbereichen und die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben sei hiermit identisch bzw. allein auf die Unfallfolgen zurückzuführen. Man sei davon ausgegangen, dass das SG eine ergänzende Stellungnahme der Gutachter einhole und habe dann aus prozessökonomischen Gründen bzw. Kostengründen beabsichtigt, anschließend noch in 1. Instanz ein neurologisches Sachverständigengutachten einzuholen, sollte der Sachverständige bei seiner Meinung bleiben. Dazu sei es leider nicht gekommen, da das SG sämtliche aufgeworfenen Fragen offen gelassen und überraschend die Klage zurückgewiesen habe.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers Dr. S. nach § 109 SGG die Ausführungen des Klägers übersandt und ihn ergänzend zu seinem Gutachten befragt. Dr. S. hat in seiner Stellungnahme vom 18.08.2016 (Blatt 37/43 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten unfallmedizinischen Bewertungsgrundsätze werde die MdE-Bewertung mit 20 % seit dem 28.11.2012 medizinisch korrekt und plausibel bewertet. Diese Einschätzung entspreche den Einschätzungsempfehlungen und den bekannten Referenztabellen. Die Händigkeit des Klägers (Rechts- oder Linkshänder) sei für die MdE-Bewertung unerheblich. Das CRPS habe sich im Anschluss an eine erhebliche Verletzung (distale Radiusfraktur, Scaphoidfraktur) entwickelt. Der Arbeitsunfall stelle in diesem Falle die wesentliche Teilursache dar. Ohne die Radiusfraktur und die Scaphoidfraktur und deren Therapie sei die Morbus Sudeck-Erkrankung (CRPS) nicht erklärbar. Die Sudeck Erkrankung stelle sich in der eingeschränkten Funktion und den beschriebenen Schmerzen dar und sei mit einer MdE von 20 v.H. medizinisch korrekt bewertet. Die Einschätzung der MdE sei von ihm unabhängig von den anderen Gutachten vorgenommen worden. Die Akten hätten ihm zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits vor gelegen, die Bewertung sei nach den bekannten und bereits mehrmals zitierten Referenztabellen erfolgt. Selbstverständlich seien die Bewegungsgrade von allen Gutachtern entsprechend den orthopädisch-handchirurgischen Richtlinien mit der Neutral-Null-Methode gemessen worden und seien damit vergleichbar.

Während die Beklagte sich durch die ergänzende Stellungnahme des Dr. S. bestätigt sieht (Schreiben vom 30.08.2016, Blatt 45 der Senatsakte), hat der Kläger mit Schreiben vom 13.09.2016 (Blatt 48/49 der Senatsakte) Einwendungen hiergegen erhoben. Zunächst sei festzuhalten, dass die Stellungnahme zum überwiegenden Teil eine wörtliche Kopie des ursprünglichen Gutachtens darstelle. Auch im Übrigen habe sich der Gutachter mit den aufgeworfenen Fragen tatsächlich nicht auseinandergesetzt. Er beziehe sich erneut lediglich auf seinen "handchirurgischen Untersuchungsbefund", eine neurologische Einschätzung fehle. Auf die vorgelegte abweichende medizinische Meinung beziehe er sich nicht einmal. Es bleibe sein Geheimnis, aus welchem Grund seine Einschätzung von der Einschätzung von zahlreichen Neurologen so gravierend abweiche. Er behaupte lediglich, das Vorhandensein von Schmerzen fließe in die MdE ein, ohne Fundstellen medizinischer Literatur zu nennen. Der Sachverständige erwähne lediglich die sog. "übliche Schmerzen". Die Frage, ob vorliegend von außergewöhnlichen Schmerzen auszugehen sei, sei jedoch zu keiner Zeit beantwortet. Eine erforderliche eigenständige gutachterliche Bewertung lasse sich auch nicht dem Gutachten entnehmen. Denn eine entsprechende Bewertung falle offensichtlich nicht in den Fachbereich des Sachverständigen. Der Sachverständige traue sich nicht einmal, die Schmerzen der Schmerzskala zuzuordnen. Die Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens sei nach wie geboten.

Der Senat hat die Akten des LG Baden-Baden zum Verfahren des Klägers 3 O 131/15 sowie des OLG Karlsruhe zum Verfahren des Klägers 12 U 138/15 – jeweils gegen die private Unfallversicherung – beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 51 = 52, 53 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2014, mit dem die Beklagte dem Kläger ab 01.08.2014 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 25 v.H. gewährt hatte, obwohl alle Gutachter – bis auf den Beratungsarzt Dr. W. lediglich eine MdE von 20 für ausreichend erachtet haben. Dieser Bescheid ersetzt den zuvor ergangenen Bescheid vom 05.07.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014, mit denen die Beklagte dem Kläger ab 28.11.2012 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. gewährt hatte. Der Bescheid vom 26.09.2014 ist damit gemäß § 96 SGG unmittelbar Gegenstand des Klageverfahrens geworden (insoweit ist die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids unzutreffend) und als Streitgegenstand neben den die Rentengewährung vom 28.11.2012 bis zum 31.07.2014 weiterhin regelnden Bescheid vom 05.07.2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 25.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides getreten, die damit insoweit weiterhin Gegenstand des Verfahrens bleiben.

Der Senat konnte jedoch nicht feststellen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung einer höheren Unfallrente als von der Beklagten bisher festgestellt, zusteht. Der Senat hält die Gutachten von Prof. Dr. M. und Dr. S. für schlüssig und überzeugend. Die vom Kläger mit seiner Berufung angeführten Widersprüche und Ungereimtheiten konnte der Senat nicht nachvollziehen, weil der Kläger unter Hinweis auf die VG von falschen Bewertungsansätzen ausgeht. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung der Beweiswürdigung des SG an und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils des SG als unbegründet zurück, weshalb er von einer weiteren Darstellung der Gründe absieht (§ 153 Abs. 2 SGG). Lediglich im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung weist der Senat auf folgendes hin:

Soweit der Kläger zur Begründung seines Begehrens auf die Versorgungsmedizin-Verordnung, die in Ausführung der Regelungen der §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX i.V.m. § 30 Abs. 1 und Abs. 16 Bundesversorgungsgesetz (BVG) als Rechtsverordnung gilt, ("Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG") irrt er, wenn er annimmt, diese sei vorliegend anzuwenden, weil es sich um dieselben Maßstäbe wie bei der Bewertung der MdE nach dem SGB VII handele. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers handelt es sich bei den den Rechtsbegriffen der MdE und des GdB/GdS unterfallenden Regelungsbereichen um unterschiedliche Rechtsfolgewirkungen (einhellige Meinung, vgl. zuletzt BSG 20.12.2016 - B 2 U 11/15 - juris, = SozR 4-2700 § 56 Nr. 4). Denn schon aus § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 30 Abs. 1 BVG ist ersichtlich, dass Bezugspunkt der pauschalisierenden Beurteilung des Grades der Behinderung bzw. des Grades der Schädigungsfolgen (GdB/GdS) i.S.d genannten Vorschriften die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft allgemein ist (zum Begriff der Gesellschaft vgl. Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 2 SGB IX, RdNr. 89) bzw. in allen Lebensbereichen (§ 30 Abs. 1 BVG). Insoweit handelt es sich um einen die ganze Breite des Lebens in der Gesellschaft umfassenden Bewertungsmaßstab. Dagegen handelt es sich bei der Beurteilung der MdE nach den Regelungen des SGB VII um einen wesentlich engeren Bezugsrahmen. Denn die MdE bemisst sich nicht nach der ganzen Breite des Lebens in der Gesellschaft im Allgemeinen sondern richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden (Ver-)Minderung der Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens i.S.d. allgemeinen Arbeitsmarktes (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Dabei können das Gebiet des Erwerbslebens i.S.d. § 56 Abs. 2 SGB VII und das Leben in der Gemeinschaft/Gesellschaft i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht gleichgesetzt werden. So weist A Nr. 2 Buchst a) VG zutreffend darauf hin, dass GdS und GdB die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben – das daher begriffsnotwendig schon einen engeren Bereich erfasst als "alle Lebensbereiche" zum Inhalt haben. Auch führt A Nr. 2 Buchst. b) VG aus, dass GdB und GdS grds. unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen sind. Für die MdE-Bewertung nach § 56 SGB VII kommt es aber auch nicht auf den zuletzt oder zum Unfallzeitpunkt ausgeübten Beruf bzw. darauf an, dass mit den Unfallfolgen eine bestimmte Tätigkeit nicht oder nur eingeschränkt ausgeübt werden kann. Vielmehr ist – wie § 56 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich ausführt – Bezugsrahmen der MdE-Bemessung die Frage, inwieweit durch die Unfallfolgen die Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens i.S.d. des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht oder nur eingeschränkt ausgeführt werden können. Damit ist – anders als es der Kläger vorträgt – zur Bewertung der unfallbedingten MdE nicht auf die Bewertungsmaßstäbe der VG abzustellen und es ist auch, worauf Dr. S. zutreffend hingewiesen hat, grds. unbeachtlich, ob der Kläger Rechtshänder ist und ob er Haushaltstätigkeiten nicht mehr verrichtet. Auch dass er seine Tätigkeit aufgegeben hat, ist nicht von entscheidender Bedeutung. Vielmehr kommt es darauf an, inwieweit durch die vom SG zutreffend festgestellten Unfallfolgen einschließlich des CRPS an der rechten Hand des Klägers die Breite der Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingeschränkt ist. Insoweit konnte der Senat feststellen, dass eine Einschränkung lediglich im Umfang von 20 v.H. besteht; soweit die Beklagte ab 01.08.2014 eine MdE von 25 v.H. angenommen hat, konnte der Senat feststellen, dass diese Bewertung jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig zu gering ist oder den Kläger in seinen Rechten verletzen würde.

Die Bemessung der MdE ist die Feststellung von Tatsachen, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; zuletzt BSG 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Bei den im unfallmedizinischen Schrifttum verbreiteten MdE-Bewertungsansätzen (vgl. z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seiten 530, 544 = 9. Aufl., Seiten 568, 581) zum Unterarm und zum Handgelenk wird grds. auf eine vollständige Aufhebung der Beweglichkeit bzw. eine Versteifung abgestellt. Das ist beim Kläger aber gerade nicht der Fall. Bei ihm liegt vielmehr eine posttraumatische Arthrose des rechten Handgelenks bei einem Zustand nach in Fehlstellung verheilter distaler Radiusfraktur rechts mit Verkürzung der Speiche gegenüber der Elle von ca. 7 mm und eine dadurch bedingte Bewegungseinschränkung des Handgelenkes in allen Richtungen sowie eine Unfähigkeit, den rechten Unterarm nach außen zu drehen, eine Streckhemmung der Fingergelenke 3 bis 5 rechts in Folge der Sudeck schen Dystrophie sowie eine Herabsetzung der groben Kraft der rechten Hand vor. Diese ist, selbst wenn der Arm nicht mehr nach außen gedreht werden kann, nicht einer Versteifung bzw. vollständigen Aufhebung der Unterarmdrehung gleichzusetzen. Denn der Kläger kann den Arm noch nach innen drehen und im Übrigen auch bewegen. Im Verhältnis zu einer Handgelenksversteifung in Neutralstellung der Kläger ist in der Lage, die Neutralstellung der Hand und des Unterarmes einzunehmen , die mit einer MdE von 25 bewertet ist (vgl. Schönberger et al., 9. Aufl., Seite 581) und der Versteifung der Unterarmdrehung der Kläger ist noch in der Lage den Unterarm nach innen zu drehen und die mit 30 bewertet ist (Schönerger et al. a.a.O.), kann die Bewegungseinschränkung des Klägers nur dann mit einer MdE von 20 bzw. 25 bewertet werden, wenn die aus der schmerzhaften CRPS folgenden Funktionsbeeinträchtigungen mitberücksichtigt werden, unabhängig davon, ob es sich jetzt um "normale" oder "außergewöhnliche" Schmerzen für letzteres sprechen die Ausführungen von Schönberger et al., 9. Aufl., Seite 244 handelt. Denn auch bei einer eigenständigen Berücksichtigung des CRPS (so Schönberger et al. a.a.O.) ist die – wenn auch unter Belastung teilweise schmerzhafte Hand des Klägers in weitaus größerem Umfang zur Erwerbstätigkeit einsetzbar als bei einer vollständigen Versteifung des Handgelenks und des Unterarmes bezüglich Drehung. Das haben aber auch schon alle Gutachter, auch Prof. Dr. M. und Dr. S., so ausgeführt und bestätigt. Insoweit konnte der Senat sowohl dem Gutachten von Dr. S., als auch dessen ergänzender Stellungnahme entnehmen, dass dieser die Schmerzen des Klägers wegen des CRPS mitbedacht und in seine Bewertung eingestellt hatte. Anhaltspunkte dafür, die MdE höher zu bewerten ergeben sich auch nicht aus den beigezogenen Akten des LG und OLG und auch nicht aus dem nur in Teilen vom Kläger vorgelegten Gutachten von Dr. M. vom 19.09.2014. Da der Kläger, was sich aus seinen Angaben in den Gutachten ergibt, zwar einmal einen Ruheschmerz (so seine erstmaligen Angaben bei Dr. S.) und – ansonsten – Schmerzen bei Belastung (so seine Angaben in den anderen Gutachten) verspürt, aber kein regelmäßiger Analgetikabedarf festgestellt werden konnte, ist die Einzel-MdE nach Gruppe P1 (MdE um 10-20 v.H.) einzuschätzen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 402). Lässt sich aber ein regelmäßiger unfallbedingter Analgetikagebrauch nicht nachweisen, kommt eine MdE allenfalls am unteren Rand des Bewertungs-/Erfahrungsrahmens in Betracht, mithin eine MdE von 10 v.H, sodass unter Mitberücksichtigung der weiteren Unfallfolgen auf handchirurgischem Fachgebiet keine höhere Gesamt-MdE als 20 bis 25 v.H. gerechtfertigt ist. Widersprüche und Ungereimtheiten in den Gutachten von Prof. Dr. M. und Dr. S., auf die der Kläger in seiner Berufung allgemein abstellt, konnte der Senat den Gutachten nicht entnehmen. Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen hat Dr. S., soweit sie sich auf die Bewertung der MdE im vorliegenden Fall beziehen, ausreichend beantwortet; auf Fragen des Klägers, die sich aus der irrigen Anwendung der VG ergeben, musste Dr. S. nicht eingehen.

Die handchirurgischen Gutachter Prof. Dr. M. und Dr. S., den der Kläger selbst ausgewählt hatte, waren auch zur Begutachtung des CRPS kompetent. Denn eine CRPS-Erkrankung tritt häufiger bei Verletzungen der Extremitäten, damit vor allem auch der Arme und Hände, auf (vgl. z.B. Schönberger et al. 9. Aufl., Seite 231, 398), sodass diese auch zum Behandlungsbereich der Handchirurgie gehört. Ein weitergehendes neurologisches oder schmerzmedizinisches Gutachten von Amts wegen war daher nicht erforderlich.

Auch das Gutachten von Dr. S. ist verwertbar. Er hat sich – anders als der Kläger meint – auch nicht nur auf die Wiedergabe des Gutachtens von Prof. Dr. M. beschränkt. Der Senat konnte auch nicht feststellen, dass der Kläger dort nur wenige Minuten untersucht worden wäre. Denn aus den von Dr. S. mitgeteilten Angaben des Klägers ergibt sich, dass dieser ein längeres anamnestisches Gespräch mit Dr. S. geführt und jener eine umfangreiche handchirurgische Untersuchung durchgeführt hat, denn ansonsten sind gerade die im Gutachten mitgeteilten Angaben des Klägers und die von Dr. S. erhobenen Befunde (vgl. Blatt 179 ff = Seite 9 ff. des Gutachtens) nicht erklärbar. Soweit der Kläger angibt, es seien keine radiologischen Aufnahmen gemacht worden, mindert dies die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr. S. nicht, denn Dr. S. verfügte über zuverlässige frühere Aufnahmen, so z.B. vom 17.07.2015, also kaum ein halbes Jahr vor seiner Untersuchung. Dass der Kläger mit der Bewertung des Gutachters seines Vertrauens nicht einverstanden ist, macht das Gutachten nicht unverwertbar, es zeigt vielmehr, dass der Kläger ein zu umfassendes Begehren verfolgt. Soweit der Kläger sich zu diesem Zweck gegen das Gutachten von Dr. M. wendet, folgt ihm der Senat nicht. Vielmehr hält der Senat auch dieses Gutachten für schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten von Prof. Dr. G., Prof. Dr. M., Prof. Dr. M. und Dr. S. dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung zur Bewertung der MdE notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Ein weiteres Gutachten, jetzt auf neurologischen Fachgebiet, war aus den oben dargestellten Gründen nicht von Amts wegen einzuholen. Auch aus den beigezogenen Akten des LG und OLG und dem nur in Teilen vom Kläger vorgelegten Gutachten von Dr. M. vom 19.09.2014 lassen sich keine Anhaltspunkt entnehmen, die eine weitere Beweisaufnahme von Amts wegen erfordern würden. Einen konkreten Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt und mit seiner uneingeschränkten Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ohne weitere Beweiserhebung nach § 109 SGG in eine Sachentscheidung eingewilligt. Damit wäre – sofern sich aus dem Berufungsvorbringen ein solcher ergeben würde ein Antrag auf neurologische Begutachtung nach § 109 SGG erledigt.

Darüber hinaus weist der Senat zur Anwendung des § 109 SGG auf Folgendes hin: Grds. besteht zumindest für dasselbe Fachgebiet das Recht auf Anhörung eines bestimmten Sachverständigen nach § 109 SGG nur einmal in beiden Instanzen. (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. stellvertretend Urteil vom 24.06.2016 - L 8 SB 2733/15 - unveröffentlicht; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 109 RdNr. 10b, 11b). Einem wiederholenden Antrag nach § 109 SGG muss nur unter besonderen Umständen gefolgt werden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. RdNr. 10b). Dies kann dann der Fall sein, wenn sich nach Fertigstellung des Gutachtens gemäß § 109 SGG neue Tatsachen und Gesichtspunkte ergeben, die in dem auf Antrag des Berechtigten eingeholten Gutachten nicht gewürdigt werden konnten (BSG, Urteil vom 24.03.1961 - 10 RV 1139/59, juris) oder sich aus dem Gutachten nach § 109 SGG Umstände ergeben, die bisher noch nicht erkennbar waren und die an sich eine weitere Sachaufklärung durch das Gericht von Amts wegen erfordern. Voraussetzung ist dabei, dass es sich um eine entscheidungserhebliche neue Tatsache handelt (BSG, Urteil vom 14.03.1956 - 9 RV 226/54, juris), wobei sich die Frage der Entscheidungserheblichkeit nach der materiellen Rechtsauffassung der Tatsacheninstanz bemisst (BSG, Urteil vom 20.04.2010 - B 1/3 KR 22/08 R, juris). Das Antragsrecht nach § 109 SGG ist damit für ein weiteres Gutachten im gleichen Fachbereich oder in einer verwandten Fachrichtung verbraucht. Hält ein Kläger aber von vornherein Gutachten nach § 109 SGG auf mehreren Fachgebieten für erforderlich, so ist er im Rahmen der Prozessförderungspflicht verpflichtet, entsprechende Anträge nicht nur frühzeitig zu stellen, sondern schon von vornherein alle in Betracht kommenden Fachgebiete und die ausgewählten Gutachter zu benennen. Tut er das nicht, sondern stellt erst nach Vorliegen eines ihm negativen Gutachtens nach § 109 SGG – wie vorliegend vom Kläger unter Hinweis auf eine angebliche Prozessökonomie vorgetragen – den Antrag nun auf einem weiteren Fachgebiet ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen und liegen dabei – wie vorliegend – die oben genannten Fallgestaltungen eines wiederholenden Antrags nach § 109 SGG nicht vor, so handelt es sich um einen reinen Ausforschungsbeweisantrag auf Ermittlungen ins Blaue hinein, zu denen das Gericht schon von Amts wegen nicht verpflichtet ist, und der das Verfahren erheblich verzögert. Das Gericht darf einen solchen Antrag daher nach § 109 Abs. 2 SGG zurückweisen, weil er wie sich daraus ergibt, dass es sich um einen Ausforschungsbeweis ins Blaue hinein handelt – auch in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht wurde. Ein solcher Fall liegt hier vor, denn der Kläger hat ausgeführt, er habe erst das Gutachten von Dr. S. und dessen ergänzende Stellungnahme abwarten wollen, um dann aus Gründen der Prozessökonomie einen weiteren Antrag nach § 109 SGG stellen zu wollen. Gerade dieses Verhalten ist aber darauf gerichtet, ohne konkreten weiteren Ermittlungsansatz so lange Gutachten nach § 109 SGG einholen zu wollen, bis ein Gutachter das gewünschte Ergebnis bestätigt. Dieses Vorgehen dokumentiert aber gerade die Verzögerungsabsicht, stellt zumindest ein grob nachlässiges und auf Verzögerung gerichtetes Verhalten dar, das zur Ablehnung des Antrages nach § 109 SGG berechtigt.

Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, das SG habe überraschend entschieden, weshalb er keine Möglichkeit zu einem weiteren Antrag nach § 109 SGG gehabt habe, so kann er daraus keine Rechte herleiten. Denn der Kläger war mit seiner Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung beim SG anwesend und hat dort ausweislich der Niederschrift keine Beweisanträge gestellt, auch nicht solche nach § 109 SGG. Will der Prozessbeteiligte Anträge stellen, gibt diese aber dem Gericht gegenüber nicht bekannt, so liegt zumindest ein grob nachlässiges Verhalten vor und der Verfahrensbeteiligte kann sich dann nicht darauf berufen, dass eine Entscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seiner Anwesenheit überraschend wäre.

Die Berufung des Klägers war in vollem Umfang unbegründet und zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach Ermessen von der Androhung von Missbrauchsgebühren nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG abgesehen, auch wenn ein Fall der Missbräuchlichkeit vorliegen dürfte. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist die Rechtsverfolgung jedenfalls dann missbräuchlich, wenn die eigenen Gutachter des Vertrauens das Klage- und Berufungsbegehren ausdrücklich nicht stützen: Denn in solch einem Fall ist jedem vernünftigen Prozessbeteiligten klar, dass sein Begehren vor Gericht keinen Erfolg haben wird. Das ist aber mit dem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme von Dr. S. der Fall, weshalb die Auferlegung von Kosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG an sich geboten gewesen wäre. Dennoch hat der Senat solche Kosten unter Ausübung seines Ermessens vorliegend ausnahmsweise nicht angedroht, weshalb diese auch nicht verhängt werden können.

Die Kosten der gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 18.08.2017 zu dessen vor dem SG eingeholten Gutachten vom 18.02.2016 sowie die dem Kläger insoweit entstandenen baren Auslagen, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch mit der Kostenentscheidung im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B - juris; Urteil des Senats 23.11.2012 - L 8 U 3868/11 -, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sach-verhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten der nach § 109 SGG eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 18.08.2017 zu dessen Gutachten vom 18.02.2016 auf die Staatskasse zu übernehmen. Diese ergänzende gutachterliche Stellungnahme hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert, Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts gegeben und auch nicht zu seiner Erledigung beigetragen. Vielmehr hat sie die MdE mit 20 bestätigt – wobei die Beklagte dem Kläger bereits eine Rente nach einer MdE von 25 v.H. zuerkannt hatte , und damit das Begehren des Klägers nicht geS.t. Im Übrigen hält der Kläger das Gutachten von Dr. S. und dessen ergänzende Stellungnahme für nicht verwertbar, sodass sich – diesen Ansatzpunkt als zutreffend unterstellt – auch deswegen schon kein Anlass ergeben würde, die Kosten auf die Staatskasse zu übernehmen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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