Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 471/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4445/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung von überzahltem Verletzungsgeld in Höhe von 7.125,39 EUR streitig.
Der am 6. September 1985 geborene Kläger, der als selbstständiger LKW-Fahrer bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert war, fuhr am 8. Juli 2008 um 11.45 Uhr aus nicht geklärter Ursache über die Böschung gegen einen Brückenpfeiler. Er wurde von der Feuerwehr geborgen, dann mit dem Hubschrauber in das Klinikum L. transportiert, wo neben einer Commotio cerebri eine stabile Brustwirbelkörperfraktur (BWK 10) ohne Hinterkantenbeteiligung und wesentliche Höhenminderung sowie eine Luxation des Humerus nach hinten mit Verletzung der Rotatorenmanschettensehne, die zunächst als Prellung behandelt wurde, diagnostiziert wurde.
Mit Bescheid ("Verletztengeld-Endabrechnung") vom 23. April 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen des Versicherungsfalls vom 8. Juli 2008 für die Zeit der festgestellten Arbeitsunfähigkeit vom 8. Juli bis 21. Dezember 2008 Verletztengeld in Höhe von insgesamt 7.332,60 EUR (Bl. 83 V-Akte). Mit Schreiben vom 26. April 2010, dem ebenfalls eine Widerspruchsbelehrung beigefügt war, rechnete die Beklagte gegen den Zahlungsanspruch auf Verletztengeld von 7.332,60 EUR wegen des Versicherungsfalls vom 8. Juli 2008 mit einer Beitragsforderung in Höhe von 207,21 EUR auf, sodass der Auszahlungsbetrag bei 7.125,39 EUR liege (Bl. 89 V-Akte). Mit weiterem Bescheid vom 28. April 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Vorschuss in Höhe von 2.000,00 EUR auf Verletztenrente, der auf die endgültig zustehende Leistung angerechnet werde, sodass der übersteigende Betrag gegebenenfalls zu erstatten sei. Die Vorschusszahlung erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung, falls sich herausstellen solle, dass die Zahlungspflicht nicht oder nur in geringerer Höhe bestehe (Bl. 87 V-Akte). Mit zweitem Schreiben vom 29. April 2010, ebenfalls mit Widerspruchsbelehrung, rechnete die Beklagte gegen einen "Anspruch auf Verletztengeld" wegen des Versicherungsfalls vom 8. Juli 2008 in Höhe von 9.332,60 EUR mit einer (fälligen) Beitragsforderung von 297,31 EUR auf, sodass der Auszahlungsbetrag 9.035,29 EUR betrage (Bl. 92 V-Akte).
Am 27. April 2010 wurden dem Kläger zunächst 7.125,39 EUR und dann am 30. April 2010 7.035,29 EUR sowie der Rentenvorschuss von 2.000,00 EUR, also insgesamt 9.035,29 EUR, ausgezahlt (Auskunft Unfallkonto, Bl. 247 V-Akte, Bl. 36 f. Senatsakte).
Nach Begutachtung durch Prof. Dr. S. vom 5. Oktober 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 7. November 2011 für die Zeit vom 22. Dezember 2008 bis 16. August 2010 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v. H.) in Form einer Einmalzahlung in Höhe von 4.481,00 EUR (v.H., Bl. 127 V-Akte).
Im Oktober 2013 erkrankte der inzwischen beschäftigte Kläger erneut, wobei ihm vom 14. Januar 2014 bis 30. April 2014 Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Unfallfolgen bescheinigt wurde. Im Rahmen der Überprüfung eines möglichen Anspruchs auf Verletztengeld stellte der Sachbearbeiter der Beklagten am 30. Oktober 2014 fest, dass dem Kläger zu Unrecht 7.332,60 EUR überwiesen worden wären. Er habe eine Auszahlung von 16.665,20 EUR abzüglich Beitragsaufrechnung in Höhe von 504,52 EUR erhalten, wobei offensichtlich die Einjahresfrist nicht eingehalten worden sei (Vermerk vom 31. Oktober 2014, Bl. 250 V-Akte).
Mit Schreiben vom 24. November 2014 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 7.332,60 EUR an. Es sei beabsichtigt, mit einem eventuellen Verletztengeldanspruch aufzurechnen. Der Kläger legte hiergegen ohne weitere Begründung "Widerspruch" ein, er werde die Angaben prüfen lassen.
Mit Rückforderungsbescheid vom 27. Februar 2015 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen Betrag von 7.332,60 EUR zu erstatten, die er zu Unrecht erhalten habe. Das ihm aufgrund unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit zustehende Verletztengeld sei ihm doppelt ausgezahlt worden, was ihm hätte auffallen müssen. Bei der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass das Interesse der Solidargemeinschaft, von Leistungen, auf welche kein Anspruch bestehe, verschont zu bleiben, höher einzuschätzen sei als sein Interesse, einen Geldbetrag, auf den kein Anspruch bestehe, behalten zu dürfen.
Zur Begründung seines dagegen eingelegten, am 7. April 2015 eingegangenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass eine Rücknahme eines begünstigenden Bescheides nur innerhalb einer Jahresfrist möglich sei, die vorliegend nicht eingehalten worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2016 gab die Beklagte dem Widerspruch teilweise statt und setzte den Rückforderungsbetrag auf 7.125,39 EUR herab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die doppelte Anweisung der 7.332,60 EUR sei erst am 30. Oktober 2014 verwaltungsintern im Zuge der Überprüfung eines etwaigen weiteren Verletztengeldanspruchs bemerkt und dann nach vorangegangener Anhörung zurückgefordert worden. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände müsse von Bösgläubigkeit beim Kläger ausgegangen werden, sodass ein schutzwürdiges Vertrauen auf ein Behaltendürfen der Doppelzahlung nicht bestehe. Die Jahresfrist laufe erst nach der Anhörung, da erst dann die für die Rückforderungsentscheidung notwendigen Tatsachen vorlägen. In ermessensrechtlicher Hinsicht lägen keine Gründe vor, von der Rückforderung abzusehen. Die Rückzahlung stelle zwar eine finanzielle Belastung dar, diese werde aber wegen der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Leistungsbezugs und der ungerechtfertigten Belastung der Beitragszahler für zumutbar erachtet.
Hiergegen hat der Kläger am 12. Februar 2016 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, die Berechnungen und die Auszahlungsvorgänge seien der Beklagten seit April 2010 bekannt und aktenkundig. Bis 2015 hätten die Parteien in regelmäßiger Korrespondenz gestanden. Die ihm gewährten Leistungen seien in diesem Zeitraum abgerufen und kontrolliert worden. Es könne zwar unterstellt werden, dass ihm der Ende April 2010 überwiesene Betrag von 7.332,60 EUR, von der Beklagten in der Rückforderung zwischenzeitlich auf 7.125,39 EUR reduziert, eigentlich nicht zugestanden habe. Die Beklagte habe davon aber bereits im April 2010 davon Kenntnis gehabt. Im Übrigen sei ihm der Umstand einer möglichen Überzahlung erst aufgefallen, nachdem Ende 2013 bzw. Anfang 2015 Rückforderungsansprüche geltend gemacht worden seien.
Nach mündlicher Verhandlung vom 27. Oktober 2016, zu der von der Beklagten niemand erschienen ist, hat das SG mit Urteil vom 27. Oktober 2016 den Bescheid vom 27. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2016 mit der Begründung aufgehoben, die Erstattung richte sich nach § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), da die Beklagte im April 2010 Verletztengeld ohne Verwaltungsakt ausgezahlt habe. Ob die Überzahlung zurückgefordert werde, stehe im Ermessen der Behörde, insofern sei die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid von einem "intendierten Ermessen" ausgegangen, d.h. sie habe ihr Ermessen zu eng eingeschätzt, wobei ein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null nicht vorliege. Zu Unrecht sei die Beklagte daher davon ausgegangen, dass sie den überzahlten Betrag zurückfordern "solle", sodass ein Fall der Ermessensunterschreitung vorliege, der die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung begründe.
Gegen das am 4. November 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. November 2016 Berufung mit der Begründung eingelegt, das SG habe zu Unrecht allein auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgestellt, obwohl nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch der Rückforderungsbescheid heranzuziehen sei, der sich als Einheit zur gerichtlichen Überprüfung darstelle. Aus der Formulierung "in ermessensrechtlicher Hinsicht" ergebe sich, dass die Pflicht zur Ausübung des Ermessens erkennbar bewusst gewesen und dementsprechend auch Ermessen ausgeübt worden sei. Der Kläger sei bei dem Empfang der Doppelzahlung bösgläubig gewesen. Der nochmaligen Auszahlung des Verletztengeldes liege auch kein leistungsbewilligender Verwaltungsakt zugrunde, sondern es sei lediglich eine Doppelzahlung des Verletztengeldes erfolgt, sodass sich der Rückforderungsanspruch nach § 50 Abs. 2 SGB X richte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der in dem Erörterungstermin vom 10. Mai 2017 geschlossene widerrufliche Vergleich mit Ermäßigung der Rückforderungssumme auf 3.562,70 EUR, also die Hälfte der Rückerstattungsforderung, ist von dem Kläger widerrufen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143 SGG), nachdem die Rückforderungssumme höher als die in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannten EUR 750,00 liegt. Sie ist aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 27. Oktober 2016, mit dem der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, mit welcher der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 4. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2015 begehrt hat, stattgegeben worden ist.
Unstreitig kommt der ursprünglichen Verfügung vom 23. April 2010, mit dem die Beklagte aufgrund des Versicherungsfalls vom 8. Juli 2008 Verletztengeld bewilligt hat, Verwaltungsaktqualität zu, weil die Beklagte unter Subsumtion unter die insofern maßgebenden Vorschriften das Verletztengeld mit Außenwirkung im konkreten Einzelfall geregelt hat und außerdem das Schreiben mit einer auf einen Verwaltungsakt hindeutenden Rechtsbehelfsbelehrung, einer Widerspruchsbelehrung, versah. Denn nach der Legaldefinition des § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Gleiches gilt für die Schreiben der Beklagten vom 26. und 29. April 2010, auch wenn sie einerseits nur einen Verwaltungsakt am 23. April 2010 erlassen haben will (Schreiben vom 27. März 2017), andererseits aber darlegt, dass nie bestritten worden sei, dass es sich ebenfalls um Verwaltungsakte handele, die an den Kläger ergangen seien (Schreiben vom 31. März 2017), der Reglungscharakter sich aber auf durchzuführende Aufrechnungen beschränke, er also nicht um leistungsbewilligende Feststellungen gehe. In den diesbezüglichen Schreiben der Beklagten vom 26. und 29. April 2010 kann zur Überzeugung des Senats eine Aufrechnung durch Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X gesehen werden. Die Beklagte kann grundsätzlich mit Beitragsansprüchen gegen Verletztengeldansprüche durch Willenserklärung oder Verwaltungsakt aufrechnen (ständige Rspr., vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 31. Mai 2016 - B 1 KR 38/15 R -, SozR 4-7912 § 96 Nr. 1), insofern kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont an. Soweit sie mit mehreren Schreiben die Höhe des zu zahlenden Verletztengeldes mitteilte, diente dies nicht lediglich dazu, insbesondere die Höhe der von ihr aufgerechneten Beträge zu begründen. Sie hat vielmehr zum Ausdruck gebracht, durch Verwaltungsakt entscheiden zu wollen. "Darf" die Aufrechnung durch Verwaltungsakt erklärt werden und will der Leistungsträger bewusst von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss er dies besonders zum Ausdruck bringen. Allein die Schriftlichkeit der Erklärung genügt nicht. Vielmehr muss die Behörde unmissverständlich zeigen, dass sie nicht nur eine Willenserklärung abgeben, sondern eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen will, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Sie hat zwar die beiden Schreiben, mit dem sie die Aufrechnung erklärte, nicht als "Bescheid" bezeichnet, was sie aber in der Verwaltungsentscheidung vom 23. April 2010 auch nicht getan hat, sie aber an den Kläger gerichtet und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt darin, dass die in den Schreiben vom 26. und 29. April 2010 enthaltene Aufrechnungserklärung eine unmittelbare Wirkung auf seinen Auszahlungsanspruch hat, indem sie diesen, soweit die Aufrechnungserklärung reicht, erlöschen lässt. Diese Rechtsfolge tritt unmittelbar ohne weiteren Umsetzungsakt ein. Dies zeigt sich darin, dass der Betroffene – vorliegend der Kläger – einen Auszahlungsanspruch aus dem Bewilligungsbescheid vom 23. April 2010 per Leistungsklage nur noch unter Beseitigung der Aufrechnungserklärungen durchsetzen könnte. Die verminderte Auszahlung stellt als Realakt lediglich den Vollzug des Verwaltungsaktes dar. Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" ist erfüllt, weil § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht.
Die Annahme einer Verwaltungsaktqualität der Schreiben vom 26. und 29. April 2010 hat zur Folge, dass sich die Rückforderung der Leistung nicht, wie die Beklagte und ihr folgend das SG angenommen haben, nach § 50 Abs. 2 SGB X, sondern nach Abs. 1 der Vorschrift richtet. Danach erfordert die geltend gemachte Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen zuvor die Aufhebung der bewilligenden Verwaltungsakte. Diese ist nach § 45 SGB X vorzunehmen, weil nur ein Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit vorliegen kann. Das setzt aber die ausdrückliche Aufhebung des ursprünglichen, weiteren Bewilligungsbescheids voraus, der, solange er Bestand hat, einen Rechtsgrund für die erbrachte Zahlung, also einen "Behaltensgrund" für den Kläger, darstellt.
Der angegriffene Bescheid vom 27. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2016 erfüllt zwar alle konstitutiven Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X. Er stellt jedoch keine Aufhebungsentscheidung dar (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 20. Juni 2013 - L 6 VK 3112/10 -, juris, Rz. 27). Ein Bescheid, mit dem eine bewilligte Leistung aufgehoben wird, muss daher den Adressaten, den Zeitraum der Aufhebung und den konkreten Umfang der Aufhebung erkennen lassen (Engelmann, in v. Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Auf. 2014, § 33 SGB X Rz. 8). Nach dem klaren Wortlaut dieses Bescheides ist als Regelung (Verfügung) keine Aufhebung eines Leistungsbescheides im Sinne des § 31 SGB X erfolgt, sondern es wurde allein die Rückforderung geregelt, ohne dass die Formulierung "Aufhebung" verwendet wird. Zwar ist nicht erforderlich, dass der Verfügungssatz in einer Entscheidungsformel der Begründung vorangestellt wird, es muss aber jedenfalls eine klare Regelung getroffen werden (vgl. hierzu Krasney, in: Kasseler Kommentar, § 35 SGB X, Rz. 11). Maßgebend ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung mit dem aus dem Begründungsinhalt ersichtlichen Erklärungswillen, wie er für den Adressaten des Verwaltungsaktes erkennbar geworden ist (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1978 - 7 RAr 48/86 - SozR 4100 § 117 Nr. 21), also der Empfängerhorizont. Zwar muss der Aufhebungsbescheid das Datum des aufgehobenen Bescheides nicht nennen, für seine hinreichende Bestimmtheit ist dann aber erforderlich, dass dem Verfügungssatz ohne weiteres zu entnehmen ist, dass und in welcher Höhe die Bewilligungsentscheidung aufgehoben wird (Engelmann, a.a.O., § 33 SGB X Rz. 8a). Ausgehend hiervon hat sich der Rückforderungsbescheid überhaupt nicht mit den Bescheiden vom 26. und 29. April 2010 auseinandergesetzt oder diese sinngemäß aufheben wollen, sondern ist lediglich von der Prämisse ausgegangen, dass dem Kläger Verletztengeld in Höhe von 7.332,60 EUR bewilligt worden sei, das dieser Betrag doppelt ausgezahlt worden sei – was bereits tatsächlich nicht zutrifft, gezahlt wurden einmal 7.125,39 EUR und dann 9.035,29 EUR. Bereits aus diesem Grund ist der Rückforderungsbescheid mangels Bestimmtheit nach § 33 Abs. 1 SGB X rechtswidrig.
Die Rechtswidrigkeit folgt weiter daraus, dass dem Kläger Vertrauensschutz zugutekommt, so dass das Ergebnis auch dann gleich bliebe, wenn man den Schreiben vom 26. und 29. April 2010 die Verwaltungsaktqualität nicht zukommen ließe, weil dann die Vorschrift analog anzuwenden ist (vgl. Schütze, in von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 50 Rz. 25). Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Kläger die erhaltene Doppelzahlung verbraucht hat (§ 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X). Dieser Vertrauensschutz ist im Falle des Klägers auch nicht ausgeschlossen. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X unter anderem nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers, auch wenn er im Ergebnis statt dem ihm mit Bescheid vom 23. April 2010 bewilligten Verletztengeld in Höhe von insgesamt 7.332,60 EUR einen Betrag von 16.160,68 EUR erhielt, nicht vor. Denn ihm kann noch nicht einmal der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden. Zwei Jahre nach dem schweren Verkehrsunfall hat die Beklagte dem Kläger erstmals mit zwei Bescheiden Leistungen bewilligt, nämlich das Verletztengeld mit 7.332,60 EUR und vorschussweise Verletztenrente mit 2.000 EUR, danach gegen eine Beitragsforderung von 207,21 EUR für das Jahr 2008 aufgerechnet, so dass ein Auszahlungsbetrag von 7.125,39 EUR verblieb (Bescheid vom 26. April 2010), schließlich mit Bescheid vom 29. April 2010 den Verletztengeldanspruch mit 9.332,60 EUR beziffert und gegen eine Beitragsforderung von 297,31 EUR für die Jahre 2008 und 2009 aufgerechnet, wobei der Beitragsbescheid vom 1. März 2010, also noch vor dem ersten Aufrechnungsbescheid datieren soll. Somit wurde im Ergebnis der bewilligte Betrag von 7.332,60 EUR zu keinem Zeitpunkt ausgezahlt, sondern betragsmäßig nur die mit Bescheid vom 26. April 2010 festgestellte Auszahlungssumme von 7.125,39 EUR. Der Kläger durfte also davon ausgehen, dass ihm dieser Betrag zustand. Das gilt auch für die restliche Auszahlung von 9.035,29 EUR. Denn der Bescheid vom 29. April 2010 hat einen Verletztengeldanspruch mit 9.332,60 EUR beziffert und von diesem dann eine neue Beitragsforderung auch für 2009, die schon zum Bescheidzeitpunkt vom 26. April 2010 bekannt war, im Wege der Aufrechnung abgezogen, so dass der Auszahlungsbetrag 9.035,29 EUR war, also genau die Summe, die dann schlussendlich zur Auszahlung gelangte. Warum sich dem Kläger anlässlich der zweiten Anweisung hätte aufdrängen müssen, dass er eine Doppelleistung erhielt, erschließt sich dem Senat nicht. Denn von einem Verletztengeldanspruch in dieser Höhe war vorher nicht die Rede. Der Kläger musste daher keinen Bezug zu dem ersten Bewilligungsabschnitt mit Bescheid 23. April 2010 herstellen, der noch eine genaue Berechnungsgrundlage enthielt. Er konnte aufgrund der dortigen präzisen Darlegungen nur davon ausgehen, dass sein Verletztengeldanspruch für die Zeit vom 8. Juli 2008 bis 21. Dezember 2008 lediglich 7.125,39 EUR betrug, aber nicht mehr. Für den Verletztengeldanspruch in Höhe von 9.332,60 EUR, der in dem Bescheid vom 29. April 2010 so beziffert wird, fehlt es hingegen an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass sich einem Laien die Rechtswidrigkeit dieser Bewilligung aufdrängen musste. Es wird nicht deutlich, dass es sich nicht um eine originäre Leistungsbewilligung handelt, dass es um den gleichen Bewilligungszeitraum wie in dem Bescheid vom 23. April 2010 geht sowie dass in dem bezifferten Betrag auch die vorschussweise bewilligte Verletztenrente enthalten war. Allein der Bezug zu dem Versicherungsfall vom 8. Juli 2008 wurde hergestellt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der damals nicht anwaltlich beratene Kläger noch weitergehende Verletztengeldansprüche gegen die Beklagte hatte. Die ärztliche Behandlung wurde erst am 14. Januar 2009 beendet, was der Senat dem ersten Rentengutachten vom 5. Oktober 2010 entnimmt; der Kläger wurde am 17. August 2010 begutachtet und konnte damals nur eingeschränkt arbeiten.
Insofern kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte aus Sicht des Senats ihr Ermessen zutreffend ausgeübt, sich insbesondere ihres Ermessensspielraums bewusst war, was bereits daraus folgt, dass sie die Rückforderung reduziert hat. Ihre Ausführungen, ein Verzicht auf eine Rückforderung sei hier nicht möglich, weil dies zu Lasten der Versichertengemeinschaft ginge, sind unter den gegebenen Umständen auch nicht ermessensfehlerhaft, zumal der Kläger im Anhörungsverfahren keine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse vorgetragen hatte, die der Bescheidsaufhebung entgegenstanden hätten. Auch die Einhaltung der Jahresfrist wurde beachtet, denn diese läuft erst ab der Anhörung an (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 - B 13 R 23/07 R-, juris, Rz. 24), hier liegen auch kein Anzeichen für eine verzögerte Bearbeitung vor (so aber die Konstellation beim Schleswig-Holsteinischen LSG, Urteil vom 19. November 2013 - L 7 R 3/11-, juris, Rz. 37).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung von überzahltem Verletzungsgeld in Höhe von 7.125,39 EUR streitig.
Der am 6. September 1985 geborene Kläger, der als selbstständiger LKW-Fahrer bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert war, fuhr am 8. Juli 2008 um 11.45 Uhr aus nicht geklärter Ursache über die Böschung gegen einen Brückenpfeiler. Er wurde von der Feuerwehr geborgen, dann mit dem Hubschrauber in das Klinikum L. transportiert, wo neben einer Commotio cerebri eine stabile Brustwirbelkörperfraktur (BWK 10) ohne Hinterkantenbeteiligung und wesentliche Höhenminderung sowie eine Luxation des Humerus nach hinten mit Verletzung der Rotatorenmanschettensehne, die zunächst als Prellung behandelt wurde, diagnostiziert wurde.
Mit Bescheid ("Verletztengeld-Endabrechnung") vom 23. April 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen des Versicherungsfalls vom 8. Juli 2008 für die Zeit der festgestellten Arbeitsunfähigkeit vom 8. Juli bis 21. Dezember 2008 Verletztengeld in Höhe von insgesamt 7.332,60 EUR (Bl. 83 V-Akte). Mit Schreiben vom 26. April 2010, dem ebenfalls eine Widerspruchsbelehrung beigefügt war, rechnete die Beklagte gegen den Zahlungsanspruch auf Verletztengeld von 7.332,60 EUR wegen des Versicherungsfalls vom 8. Juli 2008 mit einer Beitragsforderung in Höhe von 207,21 EUR auf, sodass der Auszahlungsbetrag bei 7.125,39 EUR liege (Bl. 89 V-Akte). Mit weiterem Bescheid vom 28. April 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Vorschuss in Höhe von 2.000,00 EUR auf Verletztenrente, der auf die endgültig zustehende Leistung angerechnet werde, sodass der übersteigende Betrag gegebenenfalls zu erstatten sei. Die Vorschusszahlung erfolge unter dem Vorbehalt der Rückforderung, falls sich herausstellen solle, dass die Zahlungspflicht nicht oder nur in geringerer Höhe bestehe (Bl. 87 V-Akte). Mit zweitem Schreiben vom 29. April 2010, ebenfalls mit Widerspruchsbelehrung, rechnete die Beklagte gegen einen "Anspruch auf Verletztengeld" wegen des Versicherungsfalls vom 8. Juli 2008 in Höhe von 9.332,60 EUR mit einer (fälligen) Beitragsforderung von 297,31 EUR auf, sodass der Auszahlungsbetrag 9.035,29 EUR betrage (Bl. 92 V-Akte).
Am 27. April 2010 wurden dem Kläger zunächst 7.125,39 EUR und dann am 30. April 2010 7.035,29 EUR sowie der Rentenvorschuss von 2.000,00 EUR, also insgesamt 9.035,29 EUR, ausgezahlt (Auskunft Unfallkonto, Bl. 247 V-Akte, Bl. 36 f. Senatsakte).
Nach Begutachtung durch Prof. Dr. S. vom 5. Oktober 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 7. November 2011 für die Zeit vom 22. Dezember 2008 bis 16. August 2010 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v. H.) in Form einer Einmalzahlung in Höhe von 4.481,00 EUR (v.H., Bl. 127 V-Akte).
Im Oktober 2013 erkrankte der inzwischen beschäftigte Kläger erneut, wobei ihm vom 14. Januar 2014 bis 30. April 2014 Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Unfallfolgen bescheinigt wurde. Im Rahmen der Überprüfung eines möglichen Anspruchs auf Verletztengeld stellte der Sachbearbeiter der Beklagten am 30. Oktober 2014 fest, dass dem Kläger zu Unrecht 7.332,60 EUR überwiesen worden wären. Er habe eine Auszahlung von 16.665,20 EUR abzüglich Beitragsaufrechnung in Höhe von 504,52 EUR erhalten, wobei offensichtlich die Einjahresfrist nicht eingehalten worden sei (Vermerk vom 31. Oktober 2014, Bl. 250 V-Akte).
Mit Schreiben vom 24. November 2014 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 7.332,60 EUR an. Es sei beabsichtigt, mit einem eventuellen Verletztengeldanspruch aufzurechnen. Der Kläger legte hiergegen ohne weitere Begründung "Widerspruch" ein, er werde die Angaben prüfen lassen.
Mit Rückforderungsbescheid vom 27. Februar 2015 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen Betrag von 7.332,60 EUR zu erstatten, die er zu Unrecht erhalten habe. Das ihm aufgrund unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit zustehende Verletztengeld sei ihm doppelt ausgezahlt worden, was ihm hätte auffallen müssen. Bei der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass das Interesse der Solidargemeinschaft, von Leistungen, auf welche kein Anspruch bestehe, verschont zu bleiben, höher einzuschätzen sei als sein Interesse, einen Geldbetrag, auf den kein Anspruch bestehe, behalten zu dürfen.
Zur Begründung seines dagegen eingelegten, am 7. April 2015 eingegangenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass eine Rücknahme eines begünstigenden Bescheides nur innerhalb einer Jahresfrist möglich sei, die vorliegend nicht eingehalten worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2016 gab die Beklagte dem Widerspruch teilweise statt und setzte den Rückforderungsbetrag auf 7.125,39 EUR herab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die doppelte Anweisung der 7.332,60 EUR sei erst am 30. Oktober 2014 verwaltungsintern im Zuge der Überprüfung eines etwaigen weiteren Verletztengeldanspruchs bemerkt und dann nach vorangegangener Anhörung zurückgefordert worden. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände müsse von Bösgläubigkeit beim Kläger ausgegangen werden, sodass ein schutzwürdiges Vertrauen auf ein Behaltendürfen der Doppelzahlung nicht bestehe. Die Jahresfrist laufe erst nach der Anhörung, da erst dann die für die Rückforderungsentscheidung notwendigen Tatsachen vorlägen. In ermessensrechtlicher Hinsicht lägen keine Gründe vor, von der Rückforderung abzusehen. Die Rückzahlung stelle zwar eine finanzielle Belastung dar, diese werde aber wegen der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Leistungsbezugs und der ungerechtfertigten Belastung der Beitragszahler für zumutbar erachtet.
Hiergegen hat der Kläger am 12. Februar 2016 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, die Berechnungen und die Auszahlungsvorgänge seien der Beklagten seit April 2010 bekannt und aktenkundig. Bis 2015 hätten die Parteien in regelmäßiger Korrespondenz gestanden. Die ihm gewährten Leistungen seien in diesem Zeitraum abgerufen und kontrolliert worden. Es könne zwar unterstellt werden, dass ihm der Ende April 2010 überwiesene Betrag von 7.332,60 EUR, von der Beklagten in der Rückforderung zwischenzeitlich auf 7.125,39 EUR reduziert, eigentlich nicht zugestanden habe. Die Beklagte habe davon aber bereits im April 2010 davon Kenntnis gehabt. Im Übrigen sei ihm der Umstand einer möglichen Überzahlung erst aufgefallen, nachdem Ende 2013 bzw. Anfang 2015 Rückforderungsansprüche geltend gemacht worden seien.
Nach mündlicher Verhandlung vom 27. Oktober 2016, zu der von der Beklagten niemand erschienen ist, hat das SG mit Urteil vom 27. Oktober 2016 den Bescheid vom 27. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2016 mit der Begründung aufgehoben, die Erstattung richte sich nach § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), da die Beklagte im April 2010 Verletztengeld ohne Verwaltungsakt ausgezahlt habe. Ob die Überzahlung zurückgefordert werde, stehe im Ermessen der Behörde, insofern sei die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid von einem "intendierten Ermessen" ausgegangen, d.h. sie habe ihr Ermessen zu eng eingeschätzt, wobei ein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null nicht vorliege. Zu Unrecht sei die Beklagte daher davon ausgegangen, dass sie den überzahlten Betrag zurückfordern "solle", sodass ein Fall der Ermessensunterschreitung vorliege, der die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung begründe.
Gegen das am 4. November 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. November 2016 Berufung mit der Begründung eingelegt, das SG habe zu Unrecht allein auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgestellt, obwohl nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch der Rückforderungsbescheid heranzuziehen sei, der sich als Einheit zur gerichtlichen Überprüfung darstelle. Aus der Formulierung "in ermessensrechtlicher Hinsicht" ergebe sich, dass die Pflicht zur Ausübung des Ermessens erkennbar bewusst gewesen und dementsprechend auch Ermessen ausgeübt worden sei. Der Kläger sei bei dem Empfang der Doppelzahlung bösgläubig gewesen. Der nochmaligen Auszahlung des Verletztengeldes liege auch kein leistungsbewilligender Verwaltungsakt zugrunde, sondern es sei lediglich eine Doppelzahlung des Verletztengeldes erfolgt, sodass sich der Rückforderungsanspruch nach § 50 Abs. 2 SGB X richte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der in dem Erörterungstermin vom 10. Mai 2017 geschlossene widerrufliche Vergleich mit Ermäßigung der Rückforderungssumme auf 3.562,70 EUR, also die Hälfte der Rückerstattungsforderung, ist von dem Kläger widerrufen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143 SGG), nachdem die Rückforderungssumme höher als die in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannten EUR 750,00 liegt. Sie ist aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 27. Oktober 2016, mit dem der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, mit welcher der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 4. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2015 begehrt hat, stattgegeben worden ist.
Unstreitig kommt der ursprünglichen Verfügung vom 23. April 2010, mit dem die Beklagte aufgrund des Versicherungsfalls vom 8. Juli 2008 Verletztengeld bewilligt hat, Verwaltungsaktqualität zu, weil die Beklagte unter Subsumtion unter die insofern maßgebenden Vorschriften das Verletztengeld mit Außenwirkung im konkreten Einzelfall geregelt hat und außerdem das Schreiben mit einer auf einen Verwaltungsakt hindeutenden Rechtsbehelfsbelehrung, einer Widerspruchsbelehrung, versah. Denn nach der Legaldefinition des § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Gleiches gilt für die Schreiben der Beklagten vom 26. und 29. April 2010, auch wenn sie einerseits nur einen Verwaltungsakt am 23. April 2010 erlassen haben will (Schreiben vom 27. März 2017), andererseits aber darlegt, dass nie bestritten worden sei, dass es sich ebenfalls um Verwaltungsakte handele, die an den Kläger ergangen seien (Schreiben vom 31. März 2017), der Reglungscharakter sich aber auf durchzuführende Aufrechnungen beschränke, er also nicht um leistungsbewilligende Feststellungen gehe. In den diesbezüglichen Schreiben der Beklagten vom 26. und 29. April 2010 kann zur Überzeugung des Senats eine Aufrechnung durch Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X gesehen werden. Die Beklagte kann grundsätzlich mit Beitragsansprüchen gegen Verletztengeldansprüche durch Willenserklärung oder Verwaltungsakt aufrechnen (ständige Rspr., vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 31. Mai 2016 - B 1 KR 38/15 R -, SozR 4-7912 § 96 Nr. 1), insofern kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont an. Soweit sie mit mehreren Schreiben die Höhe des zu zahlenden Verletztengeldes mitteilte, diente dies nicht lediglich dazu, insbesondere die Höhe der von ihr aufgerechneten Beträge zu begründen. Sie hat vielmehr zum Ausdruck gebracht, durch Verwaltungsakt entscheiden zu wollen. "Darf" die Aufrechnung durch Verwaltungsakt erklärt werden und will der Leistungsträger bewusst von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss er dies besonders zum Ausdruck bringen. Allein die Schriftlichkeit der Erklärung genügt nicht. Vielmehr muss die Behörde unmissverständlich zeigen, dass sie nicht nur eine Willenserklärung abgeben, sondern eine Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen will, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Sie hat zwar die beiden Schreiben, mit dem sie die Aufrechnung erklärte, nicht als "Bescheid" bezeichnet, was sie aber in der Verwaltungsentscheidung vom 23. April 2010 auch nicht getan hat, sie aber an den Kläger gerichtet und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt darin, dass die in den Schreiben vom 26. und 29. April 2010 enthaltene Aufrechnungserklärung eine unmittelbare Wirkung auf seinen Auszahlungsanspruch hat, indem sie diesen, soweit die Aufrechnungserklärung reicht, erlöschen lässt. Diese Rechtsfolge tritt unmittelbar ohne weiteren Umsetzungsakt ein. Dies zeigt sich darin, dass der Betroffene – vorliegend der Kläger – einen Auszahlungsanspruch aus dem Bewilligungsbescheid vom 23. April 2010 per Leistungsklage nur noch unter Beseitigung der Aufrechnungserklärungen durchsetzen könnte. Die verminderte Auszahlung stellt als Realakt lediglich den Vollzug des Verwaltungsaktes dar. Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" ist erfüllt, weil § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht.
Die Annahme einer Verwaltungsaktqualität der Schreiben vom 26. und 29. April 2010 hat zur Folge, dass sich die Rückforderung der Leistung nicht, wie die Beklagte und ihr folgend das SG angenommen haben, nach § 50 Abs. 2 SGB X, sondern nach Abs. 1 der Vorschrift richtet. Danach erfordert die geltend gemachte Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen zuvor die Aufhebung der bewilligenden Verwaltungsakte. Diese ist nach § 45 SGB X vorzunehmen, weil nur ein Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit vorliegen kann. Das setzt aber die ausdrückliche Aufhebung des ursprünglichen, weiteren Bewilligungsbescheids voraus, der, solange er Bestand hat, einen Rechtsgrund für die erbrachte Zahlung, also einen "Behaltensgrund" für den Kläger, darstellt.
Der angegriffene Bescheid vom 27. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2016 erfüllt zwar alle konstitutiven Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X. Er stellt jedoch keine Aufhebungsentscheidung dar (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 20. Juni 2013 - L 6 VK 3112/10 -, juris, Rz. 27). Ein Bescheid, mit dem eine bewilligte Leistung aufgehoben wird, muss daher den Adressaten, den Zeitraum der Aufhebung und den konkreten Umfang der Aufhebung erkennen lassen (Engelmann, in v. Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Auf. 2014, § 33 SGB X Rz. 8). Nach dem klaren Wortlaut dieses Bescheides ist als Regelung (Verfügung) keine Aufhebung eines Leistungsbescheides im Sinne des § 31 SGB X erfolgt, sondern es wurde allein die Rückforderung geregelt, ohne dass die Formulierung "Aufhebung" verwendet wird. Zwar ist nicht erforderlich, dass der Verfügungssatz in einer Entscheidungsformel der Begründung vorangestellt wird, es muss aber jedenfalls eine klare Regelung getroffen werden (vgl. hierzu Krasney, in: Kasseler Kommentar, § 35 SGB X, Rz. 11). Maßgebend ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung mit dem aus dem Begründungsinhalt ersichtlichen Erklärungswillen, wie er für den Adressaten des Verwaltungsaktes erkennbar geworden ist (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1978 - 7 RAr 48/86 - SozR 4100 § 117 Nr. 21), also der Empfängerhorizont. Zwar muss der Aufhebungsbescheid das Datum des aufgehobenen Bescheides nicht nennen, für seine hinreichende Bestimmtheit ist dann aber erforderlich, dass dem Verfügungssatz ohne weiteres zu entnehmen ist, dass und in welcher Höhe die Bewilligungsentscheidung aufgehoben wird (Engelmann, a.a.O., § 33 SGB X Rz. 8a). Ausgehend hiervon hat sich der Rückforderungsbescheid überhaupt nicht mit den Bescheiden vom 26. und 29. April 2010 auseinandergesetzt oder diese sinngemäß aufheben wollen, sondern ist lediglich von der Prämisse ausgegangen, dass dem Kläger Verletztengeld in Höhe von 7.332,60 EUR bewilligt worden sei, das dieser Betrag doppelt ausgezahlt worden sei – was bereits tatsächlich nicht zutrifft, gezahlt wurden einmal 7.125,39 EUR und dann 9.035,29 EUR. Bereits aus diesem Grund ist der Rückforderungsbescheid mangels Bestimmtheit nach § 33 Abs. 1 SGB X rechtswidrig.
Die Rechtswidrigkeit folgt weiter daraus, dass dem Kläger Vertrauensschutz zugutekommt, so dass das Ergebnis auch dann gleich bliebe, wenn man den Schreiben vom 26. und 29. April 2010 die Verwaltungsaktqualität nicht zukommen ließe, weil dann die Vorschrift analog anzuwenden ist (vgl. Schütze, in von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 50 Rz. 25). Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Kläger die erhaltene Doppelzahlung verbraucht hat (§ 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X). Dieser Vertrauensschutz ist im Falle des Klägers auch nicht ausgeschlossen. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X unter anderem nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers, auch wenn er im Ergebnis statt dem ihm mit Bescheid vom 23. April 2010 bewilligten Verletztengeld in Höhe von insgesamt 7.332,60 EUR einen Betrag von 16.160,68 EUR erhielt, nicht vor. Denn ihm kann noch nicht einmal der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden. Zwei Jahre nach dem schweren Verkehrsunfall hat die Beklagte dem Kläger erstmals mit zwei Bescheiden Leistungen bewilligt, nämlich das Verletztengeld mit 7.332,60 EUR und vorschussweise Verletztenrente mit 2.000 EUR, danach gegen eine Beitragsforderung von 207,21 EUR für das Jahr 2008 aufgerechnet, so dass ein Auszahlungsbetrag von 7.125,39 EUR verblieb (Bescheid vom 26. April 2010), schließlich mit Bescheid vom 29. April 2010 den Verletztengeldanspruch mit 9.332,60 EUR beziffert und gegen eine Beitragsforderung von 297,31 EUR für die Jahre 2008 und 2009 aufgerechnet, wobei der Beitragsbescheid vom 1. März 2010, also noch vor dem ersten Aufrechnungsbescheid datieren soll. Somit wurde im Ergebnis der bewilligte Betrag von 7.332,60 EUR zu keinem Zeitpunkt ausgezahlt, sondern betragsmäßig nur die mit Bescheid vom 26. April 2010 festgestellte Auszahlungssumme von 7.125,39 EUR. Der Kläger durfte also davon ausgehen, dass ihm dieser Betrag zustand. Das gilt auch für die restliche Auszahlung von 9.035,29 EUR. Denn der Bescheid vom 29. April 2010 hat einen Verletztengeldanspruch mit 9.332,60 EUR beziffert und von diesem dann eine neue Beitragsforderung auch für 2009, die schon zum Bescheidzeitpunkt vom 26. April 2010 bekannt war, im Wege der Aufrechnung abgezogen, so dass der Auszahlungsbetrag 9.035,29 EUR war, also genau die Summe, die dann schlussendlich zur Auszahlung gelangte. Warum sich dem Kläger anlässlich der zweiten Anweisung hätte aufdrängen müssen, dass er eine Doppelleistung erhielt, erschließt sich dem Senat nicht. Denn von einem Verletztengeldanspruch in dieser Höhe war vorher nicht die Rede. Der Kläger musste daher keinen Bezug zu dem ersten Bewilligungsabschnitt mit Bescheid 23. April 2010 herstellen, der noch eine genaue Berechnungsgrundlage enthielt. Er konnte aufgrund der dortigen präzisen Darlegungen nur davon ausgehen, dass sein Verletztengeldanspruch für die Zeit vom 8. Juli 2008 bis 21. Dezember 2008 lediglich 7.125,39 EUR betrug, aber nicht mehr. Für den Verletztengeldanspruch in Höhe von 9.332,60 EUR, der in dem Bescheid vom 29. April 2010 so beziffert wird, fehlt es hingegen an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass sich einem Laien die Rechtswidrigkeit dieser Bewilligung aufdrängen musste. Es wird nicht deutlich, dass es sich nicht um eine originäre Leistungsbewilligung handelt, dass es um den gleichen Bewilligungszeitraum wie in dem Bescheid vom 23. April 2010 geht sowie dass in dem bezifferten Betrag auch die vorschussweise bewilligte Verletztenrente enthalten war. Allein der Bezug zu dem Versicherungsfall vom 8. Juli 2008 wurde hergestellt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der damals nicht anwaltlich beratene Kläger noch weitergehende Verletztengeldansprüche gegen die Beklagte hatte. Die ärztliche Behandlung wurde erst am 14. Januar 2009 beendet, was der Senat dem ersten Rentengutachten vom 5. Oktober 2010 entnimmt; der Kläger wurde am 17. August 2010 begutachtet und konnte damals nur eingeschränkt arbeiten.
Insofern kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte aus Sicht des Senats ihr Ermessen zutreffend ausgeübt, sich insbesondere ihres Ermessensspielraums bewusst war, was bereits daraus folgt, dass sie die Rückforderung reduziert hat. Ihre Ausführungen, ein Verzicht auf eine Rückforderung sei hier nicht möglich, weil dies zu Lasten der Versichertengemeinschaft ginge, sind unter den gegebenen Umständen auch nicht ermessensfehlerhaft, zumal der Kläger im Anhörungsverfahren keine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse vorgetragen hatte, die der Bescheidsaufhebung entgegenstanden hätten. Auch die Einhaltung der Jahresfrist wurde beachtet, denn diese läuft erst ab der Anhörung an (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 - B 13 R 23/07 R-, juris, Rz. 24), hier liegen auch kein Anzeichen für eine verzögerte Bearbeitung vor (so aber die Konstellation beim Schleswig-Holsteinischen LSG, Urteil vom 19. November 2013 - L 7 R 3/11-, juris, Rz. 37).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved