L 6 U 4865/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1740/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4865/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. November 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt insbesondere die Feststellungen der Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie eines follikulären Lymphoms als Wie-Berufskrankheit.

Der 1957 geborene Kläger absolvierte von 1972 bis 1976 eine Ausbildung zum Mechaniker bei der K. & P. GmbH & Co. KG in B., wobei er zeitweise an einer Flach- oder Diskusschleifmaschine eingesetzt war. Im Anschluss daran war er vom 1. März 1976 bis 24. August 1978 bei der d. + t.-M. U. + V. Sch. GmbH in G. beschäftigt, einem Betrieb, in dem Werkstücke aus Aluminium durch Bohren, Drehen, Fräsen und Gewindeschneiden bearbeitet wurden. Das Unternehmen existiert mittlerweile nicht mehr. Danach war er bis August 1983 bei der G. A. GmbH in R. tätig, wo er an offenen konventionellen oder CNC-, also rechnergestützt numerisch gesteuerten, Fräsmaschinen Metallwerkstücke für die Automobil- und Rüstungsindustrie fräste. Von August 1983 bis Mai 1987 arbeitete er bei der Re. AG in B., einem Sanitärgroßhändler, und im Anschluss daran bis Dezember 1989 bei der Fr. Wa. GmbH, einem Betrieb, in dem Zahnräder aus Stahl gefertigt wurden. Von September 1990 bis August 1995 war er bei der Gü. KG in Al. an offenen konventionellen Deckelschleifmaschinen tätig. Von September 1995 bis Juli 1996 besuchte er die Meisterschule in Me ... Im Anschluss daran arbeitete er bis September 1996 bei der MA. GmbH Automation in R. als Fräser und danach bis Ende des Jahres bei der M. Hö. GmbH in R. als Warenein- und -ausgangskontrolleur. Von Januar bis April 1997 war er bei der PA. Maschinenfabrik GmbH & Co. KG, Werk Re. in Ro. beschäftigt, in dem er in einem Umfang von 40 bis 50 % seiner Arbeitszeit Metallwerkstücke bohrte und zu 20 % Fräsarbeiten durchführte. Von Mai 1997 bis Mai 1999 war er bei der We. Werkzeugbau GmbH & Co. KG in D. als Werkzeugmacher bei der mechanischen Bearbeitung von Bauteilen eingesetzt. Ab Juni 1999 arbeitete er bei der J. und Schm. GmbH & Co. KG in V. Dort war er in der Schleiferei des Betriebes an Außenrund- und Flachschleifmaschinen tätig. Ab August 2011 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2014 gewährte ihm die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg ab 1. Dezember 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Ob einer im Juli 2012 diagnostizierten Sarkoidose Grad II wurde im September 2013 eine Verlaufsuntersuchung mittels einer Computertomographie durchgeführt und hierbei ein niedrigmalignes Non-Hodgkin-Lymphom in Form eines follikulären Lymphoms Grad I bis II im Stadium IV AE (Pleura 5. Rippe rechts dorsal, axilläre, mesenteriale und retroperitoneale Lymphadenopathie), FLIPI 0-1 festgestellt. Am 20. November 2013 beantragte der Kläger daher bei der Beklagten wegen dieser Erkrankung die Feststellung der Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur BKV.

Der Präventionsdienst der Beklagten, welcher bereits im Januar 2012 Erhebungen zu einer der Berufskrankheit nach Nr. 4101 der Anlage 1 zur BKV zugrunde liegenden Silikose als Quarzstaublungen-Erkrankung durchgeführt hatte, erhob auch eine Arbeitsplatzexposition in Bezug auf die nun geltend gemachten Listen-Berufskrankheiten. Dr. H. suchte den Kläger hierfür am Vormittag des 17. Dezember 2013 zu Hause auf, welcher am Nachmittag dieses Tages, am Folgetag und am 20. Dezember 2013 nachträglich ergänzende Angaben zu seinen Tätigkeiten und weiteren Expositionen machte. Er habe bei der d. + t.-M. U. + V. Sch. GmbH zu etwa 60 % die mechanische Bearbeitung von Aluminium- und Leichtmetalllegierungen durch Bohren, Drehen, Fräsen und Gewindeschneiden vorgenommen. Weitere Tätigkeiten seien zu jeweils etwa 20 % an einer Presse für Stanzarbeiten und in der Lackiererei erfolgt. Beim Bohren, Drehen und Fräsen seien wassermischbare Kühlschmiermittel und beim Gewindeschneiden ein Schneidöl eingesetzt worden. Die Tätigkeit an der Presse sei eine rein mechanische Bearbeitung gewesen. Der Umgang oder Kontakt mit Chemikalien in Form von Lacken oder Lösungsmitteln habe an diesem Arbeitsplatz nicht bestanden. In der Lackiererei seien die Werkstücke nach der Herstellung mittels Sand bestrahlt und eloxiert worden. Diese Arbeiten seien außerhalb des Unternehmens vorgenommen worden. Es seien etwa 50 % der Teile nach der extern durchgeführten Oberflächenbehandlung zusätzlich lackiert worden. Die Lackierung sei bei seiner Arbeitgeberin erfolgt. Dazu seien die Teile nach der Anlieferung zunächst in einem Reinigungsbad gewaschen worden. Dieses habe in der Fertigungshalle in der Nähe des Eingangstores gestanden. Nach der Reinigung seien die Teile in die Lackiererei transportiert, dort auf Gitterrosten ausgelegt und mit der Becherspritzpistole lackiert worden. Die Trocknung sei in einem speziellen Ofen vorgenommen worden. Bei der Lackiererei habe es sich um einen etwa 4 x 6 bis 8 m großen und etwa 2,2 m hohen und von der Fertigung getrennten Raum gehandelt. Es seien dort insgesamt zwei Mitarbeiter tätig gewesen, die wechselweise, zu jeweils 50 % der anteiligen Arbeitszeit, die Tätigkeiten ausgeführt hätten. Ein Mitarbeiter habe die Arbeiten am Reinigungsbad erledigt und die Teile vor der Lackierung auf den Gitterrosten ausgelegt. Der andere habe die eigentlichen Lackierarbeiten vorgenommen und die Gitterroste anschließend in den Ofen geschoben. Die Tätigkeit am Reinigungsbad, welche 10 % der Gesamttätigkeit umfasst habe, habe beinhaltet, die Teile einzeln in Gitterkörbe zu legen, um mechanische Beschädigungen zu vermeiden. Die Teile seien dann in das Becken der Reinigungsanlage eingesetzt und die Anlage verschlossen worden. In dem Becken habe sich ein Lösungsmittel befunden. Nähere Angaben zu Bezeichnung und Hersteller habe der Kläger nicht machen können. Auf Nachfrage habe er angegeben, es sei mit einem Flammensymbol gekennzeichnet und im Becken auf etwa 40° Celsius aufgeheizt worden. Die Teile seien etwa zehn Minuten im Reinigungsbad verblieben. Nach der Entnahme der Gitterkörbe seien die tropfnassen Teile innerhalb von etwa fünf Minuten komplett trocken gewesen. Den Geruch des Lösungsmittels habe der Kläger nicht beschreiben können. Er sei aber nicht süßlich gewesen und es habe auch nicht wie Benzin oder Universalverdünnung gerochen. Nach dem direkten Kontakt sei die Haut ganz weiß gewesen. Bei diesen Tätigkeiten sei keine Schutzausrüstung in Form von Atemschutz oder Schutzhandschuhen verwendet worden. Am 20. Dezember 2013 habe der Kläger ergänzend telefonisch mitgeteilt, dass das Reinigungsbad mit "Tri" betrieben worden sei. Es habe intern die Bezeichnung "Tri-Bad" gehabt. Im Lackierraum habe ein Spritzstand aus einer Blechwand, gegen die gespritzt worden sei, existiert, welcher nicht abgesaugt worden sei. Auch sonst habe es in dem Raum keine Absaugung oder technische Lüftung gegeben. Gelüftet worden sei über die Tür. Das Fenster habe wegen der möglichen Verunreinigung der frisch lackierten Teile durch Stäube von außen nicht geöffnet werden dürfen. Die Lackierung der Teile sei mit einer Becherspritzpistole erfolgt. Der Lack sei im Becher der Spritzpistole aus zwei Komponenten im Verhältnis 2:1 zusammengemischt worden. Bei der zweiten Komponente habe es sich nicht um eine Verdünnung gehandelt, weil die Lacke nicht hätten verdünnt werden können. Es habe sich um Klarlacke gehandelt, zum Teil auch um pigmentierte Lacke. Nähere Angaben hierzu habe der Kläger nicht machen können. Die Teile seien auf einem Gitterrost, welcher 40 x 60 cm groß gewesen sei, zunächst von einer Seite lackiert und anschließend in einem Ofen etwa zehn Minuten getrocknet worden. In diesen seien gleichzeitig immer zwei Gitterroste geschoben worden. Je Stunde seien fünfmal zwei Gitterroste in den Ofen verbracht worden. Nach der Trocknung seien die Teile umgedreht, auf der Rückseite lackiert und anschließend noch einmal in den Ofen geschoben worden. Am Ende eines jeden Arbeitstages seien die Spritzpistole und die Gitterroste gereinigt worden. Hierfür seien eine Universalverdünnung in den Becher der Spritzpistole eingefüllt und mit einem Pinsel die Farbreste im Becher gelöst worden. Anschließend sei diese Mischung durchgespritzt und so die lackführenden Teile der Spritzpistole von innen gereinigt worden. Die Pistole sei dabei auf die leeren Gitterroste gerichtet und auf diese Weise gleichzeitig deren zumindest teilweise Reinigung erreicht worden. Bei den Säuberungsarbeiten sei nur eine Lederschürze wegen einer möglichen Verunreinigung der Kleidung getragen worden. Die Reinigungsarbeiten hätten täglich etwa zwanzig Minuten umfasst. Hautschutz- und -pflegepräparate hätten nicht zur Verfügung gestanden. Einzig eine Handwaschpaste, welche zur Säuberung der Hände bei Arbeitsende verwendet worden sei, sei bereitgestellt gewesen. Das Fräsen und Bohren bei der G. A. GmbH sei unter Verwendung von wassermischbarem Kühlschmierstoff erfolgt. Zum Bohren habe auch gehört, Gewinde zu schneiden, was unter Verwendung eines Schneidöls vorgenommen worden sei. Befragt zu möglichen Tätigkeiten mit Lösungsmitteln habe der Kläger angegeben, in der Fräserei seien aus dem Stangenmaterial mit Scheibenfräsern Rohlinge hergestellt worden. Vor der nachfolgenden Bearbeitung seien sie in einer Waschanlage gereinigt worden. Hierzu seien sie in Gitterkörben zu der Anlage transportiert und platziert sowie diese geschlossen und anschließend die Reinigung gestartet worden. Sie habe zwischen zehn Sekunden und dreißig Minuten gedauert. Danach seien die Gitterkörbe entnommen und zur weiteren Bearbeitung der Teile an die jeweilige Maschine transportiert worden. An das verwendete Reinigungsmittel habe sich der Kläger nicht erinnern können. Die Reinigungsanlage sei kalt betrieben worden. Telefonisch teilte er nachträglich mit, sie sei mit "Per" betrieben worden. Während seiner Beschäftigung bei der Re. AG sei es in den beiden Wintern 1984/85 und 1985/86 im Lager so kalt gewesen, dass das Heizöl in den Leitungen sulzig geworden sei. Daher habe es im Keller mit einer handbetriebenen Fasspumpe abgefüllt, ins Lager getragen und neben dem Ölofen bereitgestellt werden müssen. Atemschutz oder Schutzhandschuhe seien nicht verwendet worden. Bei der PA. Maschinenfabrik GmbH & Co. KG sei etwa 30 % der Arbeitszeit auf das Verschweißen von Rohren aus unlegiertem Stahl im Lichtbogen-Schweißverfahren mit Elektroden oder im Metallaktivgas-Schweißverfahren entfallen. Vor den Schweißarbeiten seien die Werkstücke im Bereich der späteren Schweißnaht mit Lappen und Universalverdünner gereinigt und danach die Schweißnähte verschliffen worden. Tätigkeiten mit möglichem Kontakt zu Lösungsmitteln, etwa im Zusammenhang mit Lackier- oder Reinigungsarbeiten, bei der Fr. Wa. GmbH, der Gü. KG, der M. Hö. GmbH, der We. Werkzeugbau GmbH & Co. KG sowie der J. und Schm. GmbH & Co. KG seien verneint worden. In Bezug auf den privaten Umgang mit Benzin, Diesel und Heizöl habe der Kläger angegeben, im Alter zwischen 15 und 18 Jahren ein Kleinkraftrad NSU "Quickly" gehabt zu haben. Dieses habe er durchschnittlich zwei- bis dreimal in der Woche mit einem Gemisch betankt. Der Tankvorgang habe jeweils etwa eine Minute gedauert. Darüber hinaus habe er dieses zum Reinigen der Teile nach dem Zerlegen des Motors, was insgesamt siebenmal erfolgt sei, verwendet. Die Reinigungsarbeiten hätten jeweils etwa eine halbe Stunde umfasst. Im Alter zwischen 20 und 30 Jahren habe er beim Befüllen einer Motorsäge wieder Umgang mit diesem Gemisch gehabt. Es sei für Arbeiten im Wald des elterlichen Landwirtschaftsbetriebes eingesetzt worden. Die Motorsäge sei zweimal im Monat damit befüllt worden, was jeweils etwa eine Minute gedauert habe. In der elterlichen Landwirtschaft habe er weiter die beiden vorhandenen Schlepper regelmäßig mit Diesel mittels einer handbetriebenen Fasspumpe betankt. Diese Tätigkeit habe er etwa einmal je Woche bereits ab dem vierten bis zum zwanzigsten Lebensjahr ausgeführt. Direkten Umgang mit Heizöl habe er bei seinen Tätigkeiten nicht gehabt. Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre habe er im privaten Bereich eine Hoffläche und eine Zufahrt über einen Zeitraum von etwa drei Monate geteert. Zudem habe er in den 1970er-Jahren verschiedene Garagen mit Teerpappe eingedeckt und diese verschweißt. Insgesamt hätten diese Tätigkeiten ein Jahr gedauert.

Der Präventionsdienst kam in Auswertung dieser Angaben zu dem Ergebnis, der Kläger sei einzig während seiner Tätigkeit für die d. + t.-M. U. + V. Sch. GmbH von März 1976 bis August 1978 bei Tätigkeiten in der Lackiererei in Form der Spritzaufträge einer beruflichen Exposition gegenüber Benzol in der Belastungsintensität "hoch" ausgesetzt gewesen. Diese Tätigkeit sei über einen Zeitraum von dreißig Monaten während 10 % der Arbeitszeit ausgeführt worden. Für die Belastungsintensität ergebe sich somit eine Expositionsdauer von 0,25 Jahren. Für alle anderen Tätigkeiten ergebe sich die Beurteilung "keine Belastung", "sehr geringe Belastung" oder "geringe Belastung". Die Beschäftigung am Reinigungsbad habe keine Belastung zur Folge gehabt. "Tri" stehe für Trichlorethen, also nicht für eine Benzolexposition. Bei der G. A. GmbH sei er an einer Reinigungsanlage tätig gewesen. "Per" stehe für Perchlorethylen, also Tetrachlorethen, woraus sich keine Benzolexposition ergebe. Bei der Re. AG habe er Heizöl in Ölkannen abgefüllt und ins Lager transportiert. Hierbei sei die Belastungsintensität sehr gering gewesen. Heizöl enthalte aufgrund des Siedebereiches zwischen 170 und 390° Celsius keine relevanten Mengen Benzol (( 0,01 %). Bei allen Tätigkeiten des Klägers nach 1981 seien Reinigungsarbeiten mit Nitro- oder Universalverdünnung und Lappen vorgenommen worden. Hierbei sei die Belastungsintensität sehr gering gewesen. Die Benzolgehalte in Beschichtungsstoffen und Mitteln zur Oberflächenbehandlung hätten von 1970 bis 1981 bis zu 0,1 % betragen und danach unterhalb dieses Wertes gelegen. Die ab Juni 1999 vorgenommenen Reinigungsarbeiten mit Waschbenzin seien mit einer geringen Belastungsintensität verbunden gewesen. Waschbenzin in Form von Siedegrenzbenzin 80/110 habe seit Mitte der 1980er-Jahre nur noch eine sehr geringe Menge Benzol enthalten (( 0,01 %).

Auf Nachfrage teilte Dr. S., Staatlicher Gewerbearzt beim Regierungspräsidium St., in seiner Stellungnahme vom 24. Januar 2014 mit, er schlage eine Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV nicht zur Anerkennung vor. Die haftungsbegründete Kausalität könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Februar 2014 die Feststellungen der Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur BKV sowie einer Lymphomerkrankung als Wie-Berufskrankheit ab. Der beruflich bedingte Benzolkontakt habe für die Dauer der beruflichen Tätigkeiten überwiegend in einem nur sehr geringen oder geringen Umfang bestanden. Der Kläger sei zwar grundsätzlich einer Benzoleinwirkung ausgesetzt gewesen, jedoch nicht in einer solchen Intensität, dass die berufliche Tätigkeit als wesentliche Ursache für die Lymphomerkrankung anzusehen sei. Damit seien weder die Voraussetzungen für die geltend gemachten Listen-Berufskrankheiten noch für eine Wie-Berufskrankheit gegeben. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2014 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 11. Juli 2014 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, welches Prof. Dr. D., Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I, Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Stammzelltransplantation des Universitätsklinikums F., mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt hat. Nach dessen Ausführungen vom 5. Januar 2015 sei zwar ein ätiologischer Zusammenhang zwischen mutagenen Verbindungen wie Benzol oder seinen Homologen und neoplastischen Erkrankungen des lymphatischen Systems, welche den Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur BKV zugrunde lägen, gesichert, allerdings nur bei hoher Exposition über einen langen Zeitraum. Nach der Arbeitsplatzexposition sei der Kläger im beruflichen Umfeld nur kumulativ drei Monate bei dreißig Monaten Arbeit in einem Betrieb mit Lackierarbeiten während 10 % der Arbeitszeit, also kurzzeitig, einer hohen Benzolbelastung ausgesetzt gewesen. Bei allen anderen beruflichen Tätigkeiten sei die Exposition allenfalls als gering einzustufen gewesen. Damit habe zwar grundsätzlich eine Benzoleinwirkung bestanden, jedoch nicht in einem solchen Umfang, dass diese Exposition als wesentliche Ursache der Lymphomerkrankung anzusehen sei. Außerdem sei anamnestisch eine von Dosis und Dauer vergleichbare Exposition zu Schadstoffen in Form von Benzin und Lösungsmitteln bei Tätigkeiten im privaten Umfeld beschrieben worden. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sei ferner ein ätiologischer Zusammenhang zwischen anderen potenziell toxischen Substanzen wie Tetrachlorethen und Trichlorethen, mit denen der Kläger im beruflichen Umfeld Kontakt gehabt habe, und einer Lymphomentstehung nicht gesichert. Es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vorbestehenden, als Berufskrankheit anerkannten Silikose und der unabhängig davon diagnostizierten Sarkoidose und der Lymphomerkrankung. Mitursächlich sei gegebenenfalls die Immunsuppression im Rahmen der Sarkoidosetherapie. Die berufliche Tätigkeit sei damit nicht als wesentliche Mitursache der Lymphomentstehung anzusehen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Prof. Dr. Schn., Kommissarischer Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums G., ebenfalls ein Gutachten nach Aktenlage erstattet. Nach seinen Ausführungen vom 4. September 2015 sei der Kläger während seiner Tätigkeit für die d. + t.-M. U. + V. Sch. GmbH in relevantem Umfang gegenüber Benzol exponiert gewesen, so dass die Einwirkungskausalität für eine Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV als gegeben anzusehen sei. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung dieser Listen-Berufskrankheit seien zumindest hinreichend wahrscheinlich zu machen. Bei einem halbstündigen Telefongespräch am 21. August 2015 habe der Kläger angegeben, im Rahmen der Tätigkeit von März 1976 bis August 1978 etwa 20 % in der Lackiererei gearbeitet zu haben. Die angelieferten Metalle seien zu Rostschutzzwecken gefettet gewesen und hätten vor der Bearbeitung zunächst in einem Reinigungsbad hiervon befreit werden müssen. Der Inhalt dieses Bades habe aus dem Universalverdünner Lösin 100 bestanden. Hierbei handele es sich um ein Gemisch aus verschiedenen Kohlenwasserstoffen wie Xylol, Toluol, n-Butylacetat, n-Alkanen, Iso-Alkanen, zyklischen Verbindungen, n-Hexan, Aceton, Ethylacetat und Butan-1-ol. Nach der Reinigung seien die Teile in die Lackiererei transportiert, auf Gitterrosten ausgelegt und mit der Becherspritzpistole lackiert worden. Für die Säuberung der Spritzpistole und der Gitterroste sei ein Gemisch aus Waschbenzin und Benzol verwendet worden. Er habe etwa 6 bis 10 l Benzol je Woche bei dieser Reinigungstätigkeit verbraucht. Bei der Re. AG sei er Heizöl ausgesetzt gewesen. Dieses sei in kalten Wintern teilweise so fest geworden, dass es von der Pumpe nicht mehr habe angesaugt werden können. In diesem Fall sei es im Keller mit einer Fasspumpe manuell in Ölkannen abgefüllt, in das Lager getragen und neben dem Ölofen bereitgestellt worden. Je Tag seien viermal zwei Ölkannen abgefüllt und deponiert worden. Schutzkleidung oder Atemschutz sei nicht verwendet worden. Nach der im Verwaltungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Präventionsdienstes sei der Kläger einer Expositionsdauer von 0,25 Jahren ausgesetzt gewesen. Hierbei sei allerdings nur die inhalative Belastung berücksichtigt worden, nicht aber diejenige durch Hautresorption bei dem anschließenden Ausblasen der Pistole und Abblasen der Roste mit Pressluft sowie dem Verspritzen von Benzol auf die Hände und die Kleidung. Der Kläger habe auf Nachfrage angegeben, es versäumt zu haben, diese weitere Kontamination in der Vergangenheit mitzuteilen. Die Reinigungsflüssigkeit sei hierbei auch auf die Hände, die Arme und die Kleidung gelangt. Die Haut sei nach dem Kontakt mit dem Lösemittel Benzol weißlich verfärbt gewesen. Beim Einatmen habe er Schwindelgefühle und ein Gefühl von "Betrunkensein" gehabt. Schutzmaßnahmen wie Atemschutz, Handschuhe oder sonstige Schutzkleidung hätten nicht zur Verfügung gestanden. Die Reinigungstätigkeit sei am Ende jedes Arbeitstages durchgeführt worden. Es habe täglich Kontakt zu Benzol bestanden und zwar nicht nur in der Form, dass das Benzol eingeatmet worden sei, sondern es habe auch ein Hautkontakt in nennenswertem Umfang bestanden, teilweise unter Okklusivbedingungen durch die Durchnässung der Kleidung. Während seiner Tätigkeit für die J. und Schmider GmbH & Co. KG ab Juni 1999 sei er täglich mit Waschbenzin in Kontakt gekommen.

Hiermit konfrontiert hat Dr. H. am 6. November 2015 ergänzend ausgeführt, die vom Kläger gegenüber Prof. Dr. Schn. getätigten Angaben stünden im krassen Widerspruch zu denjenigen, welche er ihm 2013 gemacht habe. Damals habe er angeführt, das Reinigungsbad bei der d. + t.-M. U. + V. Sch. GmbH sei mit "Tri" betrieben und intern als "Tri-Bad" bezeichnet worden. Nunmehr habe er angeführt, der Inhalt habe aus dem Universalverdünner Lösin 100 bestanden. Auf Nachfrage beim Hersteller habe die zuständige Produktmanagerin mitgeteilt, anhand alter Unterlagen und Rezepturkarten, welche noch archiviert seien, habe festgestellt werden können, dass das Produkt Lösin 100 erst 1980/81 auf den Markt gekommen sei. Ihm gegenüber habe der Kläger zudem kundgetan, dass die Reinigungstätigkeiten mit Universalverdünnung erfolgt seien. Diese Angabe sei schlüssig, weil er weiter mitgeteilt habe, es seien 2K-Lacke verarbeitet worden. Demgegenüber habe er nun kundgetan, die Reinigungsarbeiten mit einem Gemisch aus Waschbenzin und Benzol durchgeführt zu haben. Waschbenzin sei jedoch wegen der deutlich abweichenden Lösungseigenschaften als Lösungs- und Reinigungsmittel für 2K-PUR-Lacke eher ungeeignet. Zudem hätten nach der Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe (Arbeitsstoffverordnung - ArbStoffV) vom 17. September 1971 ab dem Folgejahr Arbeitsstoffe mit mehr als 1 % Benzol nur verwendet werden dürfen, wenn sie aus technischen Gründen nicht durch andere, weniger gefährliche Stoffe hätten ersetzt werden können. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie der Kläger im Zeitraum von März 1976 bis August 1978 in den Besitz von reinem Benzol habe gelangen können. Selbst bei Annahme des Einsatzes eine Lösungsmittelgemisches für die Reinigungstätigkeiten, das jenem entsprochen habe und welches auch in den verarbeitenden Lacken enthalten gewesen sei, sowie unter Beachtung einer vergleichbaren Belastung durch die Reinigungsarbeiten und die eigentlichen Spritzlackierarbeiten sei gleichwohl für die Belastungsintensität "hoch" nur eine Expositionsdauer von 0,5 Jahren zu ermitteln.

Prof. Dr. Schn. am 21. Januar 2016 hat hierzu ergänzend ausgeführt, die vom Präventionsdienst der Beklagten dargelegten Ausführungen zu Lösin 100 seien nicht zu korrigieren. Da hierin jedoch kein Benzol enthalten gewesen sei, seien sie für die Frage des Kausalzusammenhanges von untergeordneter Bedeutung. Von Dr. H. sei zwar eine inhalative Belastung berücksichtigt worden, hingegen auch weiterhin keine durch eine Hautresorption. Vom Kläger sei eine solche bei der Entfettung der Metalle mit Weißverfärbung der Haut und einer systematischen Benzolwirkung in Form eines Schwindelgefühls berichtet worden. Er habe keine Benzolexposition von 100 % zugrunde gelegt, sondern, wie vom Präventionsdienst der Beklagten dargelegt, ein Lösemittel mit einer maximalen Benzol-Massenkonzentration von 0,3 %. Es sei zutreffend, dass Arbeitsstoffe mit mehr als 1 % Benzol nur in begründeten Fällen hätten eingesetzt werden dürfen. Er sei allerdings nicht davon ausgegangen, dass diese Konzentration überschritten worden sei. In einem Vergleichsfall, bei dem eine Hautresorption aufgetreten sei, habe auch bei einer Benzol-Massenkonzentration von 0,3 % eine relevante dermale Exposition von 7,5 mg/m³ Benzol zugrunde gelegen. Werde von einer Massenkonzentration von 2 % Benzol bei einer Hautfläche von 1.000 cm³ und einer begrenzten Expositionsdauer von lediglich einer Stunde je Schicht ausgegangen, resultierten hieraus inhalativ immerhin noch 1 ml/m³ und dermal 10 ml/m³ Benzol. Eine diesbezügliche Bewertung mit dermaler Resorption werde in den Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten vermisst. Somit ergebe sich unter Berücksichtigung selbst einer Benzol-Massenkonzentration von unter 1 % im Falle des Klägers eine für die Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV relevante Benzolexposition. Dieser habe auch weder Hautschutz- noch -pflegepräparate verwendet, weil solche nicht zur Verfügung gestanden hätten. Daher sei von einer dermalen Resorption ob der Verwendung des Lösemittels Benzol auszugehen.

Auf Veranlassung des SG hat Dr. H. eine Berechnung der Benzol-ppm-Jahre auf Grundlage seiner Erhebungen einerseits und nach den zuletzt gemachten Angaben des Klägers andererseits vorgenommen. Für die erste Konstellation sind 1,5 ppm-Jahre errechnet worden, für die andere 8,9 ppm-Jahre.

Die Beklagte hat zudem von Dr. He., Fachärztin für Arbeitsmedizin, die beratungsärztliche Stellungnahme vom 25. April 2016 vorgelegt, wonach es der arbeitsmedizinischen Erfahrung entspreche, dass zwar bei Reinigungsarbeiten mit dem Pinsel von der Benetzung einer Hand auszugehen sei. Die vom Kläger vorgetragene Betroffenheit beider Arme und des Oberkörpers sei hingegen nicht plausibel. Prof. Dr. Schn. habe in seinem Gutachten die wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV zumindest missverständlich wiedergegeben. Eine Verursachungswahrscheinlichkeit über 50 % sei nur für die Erkrankungen der so genannten "Gruppe A" bei 8 bis 10 Benzol-ppm-Jahre gegeben. Für die Non-Hodgkin-Lymphome sei hingegen aus der wissenschaftlichen Literatur kein Dosismaß für eine Risikoverdoppelung abzuleiten. Es sei demgegenüber eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. In der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV werde gleichwohl ausgeführt, dass ungeachtet der unzureichenden epidemiologischen Erkenntnislage beispielhaft eine ausreichende Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel sechs und mehr Jahren bejaht werde. Die Expositionsszenarien seien so ausgewählt worden, dass die dort genannten Tätigkeiten über die entsprechenden Zeiträume jeweils einer Exposition von etwa 8 bis 10 Benzol-ppm-Jahren entsprächen. So bedeute eine extreme Belastungsintensität über ein Jahr, dass eine Benzolexposition von 8 bis 10 Benzol-ppm-Jahren vorgelegen habe. Soweit also von einer ausreichenden Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren ausgegangen werde, seien Non-Hodgkin-Lymphome unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalles ab einer Exposition von etwa 16 bis 20 Benzol-ppm-Jahren anerkennungsfähig. Selbst unter Berücksichtigung einer Benetzung von Händen, Unterarmen und des Oberkörpers habe die Exposition, welcher der Kläger ausgesetzt gewesen sei, deutlich unterhalb dieses Dosisbereiches gelegen. Ein Kausalzusammenhang sei selbst dann nicht wahrscheinlich zu machen. Bislang unberücksichtigt geblieben sei auch, dass ein Jahr vor der Diagnose eines follikulären Lymphoms eine Sarkoidose Grad II diagnostiziert und deswegen eine immunsupressive Therapie eingeleitet worden sei. Verschiedene Studien zeigten einen Zusammenhang zwischen dem gehäuften Auftreten eines Non-Hodgkin-Lymphoms und einer vorbestehenden Sarkoidose. Die Durchführung einer immunsupressiven Therapie sei ebenfalls ein relevanter Risikofaktor für das Auftreten einer solchen Erkrankung.

Prof. Dr. Schn. ist hierauf in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 16. Juni 2016 eingegangen. Die von Dr. He. angenommenen 16 bis 20 Benzol-ppm-Jahre seien als "Abschneidekriterium" weder der Legaldefinition zur Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV noch der wissenschaftlichen Begründung hierzu zu entnehmen. In Letzterer sei vielmehr ausgeführt, dass in Fällen, in denen die Merkmale der geringen Belastung zuträfen, ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalles eine kumulative Benzolbelastung im hohen einstelligen beziehungsweise unteren zweistelligen Bereich der Benzol-ppm-Jahre, also oberhalb von etwa 8 Benzol-ppm-Jahre, erreicht werden könne. Insbesondere seien ein besonders intensiver Hautkontakt mit Benzol oder benzolhaltigen Produkten, eine körperliche Arbeit mit erhöhter inhalativer Aufnahme, ein juveniles Expositionsalter, hohe Belastungsspitzen und eine ungewöhnlich hohe Dauer der Einwirkung zu beachten. Für die übrigen Erkrankungen des blutbildenden und lymphatischen Systems, welche wegen ihrer Seltenheit keine epidemiologisch orientierte Abschätzung einer Abgrenzung ermöglichten, sei eine Einzelfallbetrachtung der Expositionsbedingungen erforderlich. Die Entschädigungsfähigkeit dieser Erkrankung sei dabei wegen des generellen Kausalzusammenhanges zu bejahen. Wegen der Vulnerabilität und Proliferation der hämatopoetischen Stammzellen sei davon auszugehen, dass stammzellnahe Non-Hodgkin-Lymphome hinsichtlich des Risikobereiches nicht anders zu beurteilen seien als Leukämien. Die vom Präventionsdienst der Beklagten ermittelten 8,9 Benzol-ppm-Jahre seien damit hinreichend, die Erkrankung des Klägers verursacht zu haben.

Dr. He. hat in einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 6. Juli 2016 kundgetan, Prof. Dr. Schn. habe die Literatur anders als der Ärztliche Sachverständigenbeitrat gewertet. Offenkundig habe er übersehen, dass sich das von ihm angeführte Zitat unter 3.2.1 "Definition der bestimmten Personengruppe für die Krankheitsbilder Leukämie nach WHO-Definition ohne chronisch myeloische Leukämie (CML), aber einschließlich chronisch lymphatischer Leukämie (CLL), aplastische Anämie, myelodysplastisches Syndrom (MDS)" finde. Es beziehe sich darauf, dass bei den oben genannten Erkrankungen, zu denen das follikuläre Lymphom nicht zähle, auch bei geringer Belastungsintensität im Einzelfall eine ausreichende Exposition erreicht werden könne, wenn die oben angeführten Umstände vorlägen. Prof. Dr. Schn. habe nicht beachtet, dass die Erkrankung des Klägers nicht unter die Erkrankungen dieses Unterkapitels falle, sondern zu denjenigen zähle, welche unter 3.3 näher definiert seien. Unabhängig davon seien die Umstände eines intensiven Hautkontaktes bereits in der Abschätzung der Benzol-ppm-Jahre eingegangen. Das weitere von ihm angeführte Zitat finde sich zwar im Unterkapitel 3.3. Beim follikulären Lymphom handele es sich aber nicht um ein stammzellnahes Non-Hodgkin-Lymphom. Nach der aktuellen Leitlinie zur Behandlung dieser Krankheit des Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie e. V. sei das follikuläre Lymphom das häufigste indolente Non-Hodgkin-Lymphom in Westeuropa und den Vereinigten Staaten von Amerika. Es mache 25 bis 35 % aller neu diagnostizierten Non-Hodgkin-Lymphom-Erkrankungen aus. Das mittlere Erkrankungsalter liege zwischen 60 und 65 Jahre. Insofern könne das Alter des Klägers von 55 Jahren zum Diagnosezeitpunkt im Sinne einer Vorverlegung des Erkrankungsalters nicht als Hinweis für eine berufsbedingte Erkrankung gedeutet werden. Der hinreichende Kausalzusammenhang für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV bestehe damit auch weiterhin nicht.

Die gegen den Kammervorsitzenden des SG vorgebrachten Befangenheitsgesuche des Klägers vom 26. Juli und 12. Oktober 2016 sind mit Beschlüssen vom 25. August und 17. Oktober 2016 in den Verfahren S 1 SF 2142/16 AB und S 1 SF 2579/16 AB abgelehnt worden.

Nach vorliegendem Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hat das SG die Klage mit Urteil vom 17. November 2016 abgewiesen. Die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, soweit der Kläger die Anerkennung der geltend gemachten Listen-Berufskrankheiten und eines follikulären Lymphoms als Wie-Berufskrankheit begehre. Soweit er daneben die Gewährung sonstiger Entschädigungsleistungen, insbesondere einer Verletztenrente und von Übergangsleistungen verfolge, sei die Klage unzulässig. Hierüber seien bislang keine Verwaltungsentscheidungen getroffen worden. Soweit die Klage zulässig sei, sei sie nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung der Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 oder 1318 der Anlage 1 zur BKV oder der angeführten Erkrankung als Wie-Berufskrankheit. Neben der Frage einer Wie-Berufskrankheit beschränke sich die Klage materiell-rechtlich allein auf die Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV. So habe die Beklagte zwar auch über das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV entschieden. Die beim Kläger vorliegende Erkrankung des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol sei jedoch zwischenzeitlich durch den Verordnungsgeber mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11. Juni 2009 in die Liste der Berufskrankheiten als Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV aufgenommen worden. Es handele sich damit inhaltlich nicht um eine Neuregelung von bereits bestehenden Erkrankungen, sondern solle diese mit entschädigen. Die Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV sei also keine neue Berufskrankheit, vielmehr seien die besonderen, durch Benzol verursachten Erkrankungen des Blutes aus der bisherigen Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV herausgenommen und als eigenständige, speziellere Listen-Berufskrankheit definiert worden. Das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV sei daher nicht gesondert zu prüfen. Für das beim Kläger vorliegende follikuläre Lymphom gebe es keine hinreichend gesicherten epidemiologischen Daten. Daher sei zu entscheiden, ob eine extreme Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahre oder eine hohe Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel sechs und mehr Jahre bestanden habe. Hierbei könne als Anhaltspunkt auf die Berechnung der Benzol-ppm-Jahre (Tätigkeitsdauer in Jahren x durchschnittliche arbeitstägliche Benzolkonzentration über acht Stunden in der Luft am Arbeitsplatz in ppm, vgl. 3.2.1 der wissenschaftlichen Begründung) näherungsweise und vorbehaltlich der Betrachtung des Einzelfalles zurückgegriffen werden. Wie sich aus der wissenschaftlichen Begründung ergebe, könne für die Fälle von Leukämien nach der der WHO-Definition ohne chronisch myeloische Leukämie von einer Verursachungswahrscheinlichkeit über 50 % ab einem Bereich von 10 ppm-Jahren ausgegangen werden. Gleichzeitig werde für diese Fallgruppe in der Regel ab einer Expositionszeit von einem Jahr bei extremer Belastungsintensität der Zusammenhang zur Benzolbelastung als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden. Damit könne ein Jahr extremer Belastungsintensität ungefähr mit 10 ppm-Jahren angesetzt werden. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sei der Kläger keiner ausreichenden beruflichen Benzolbelastung ausgesetzt gewesen, um einen Verursachungszusammenhang mit dem follikulären Lymphom annehmen zu können. Dies habe Prof. Dr. D. bestätigt. Es liege eine so wesentlich unter einer Belastungsintensität von etwa zwei Jahren extremer oder sechs Jahren hoher Belastung rangierende Benzoleinwirkung vor, dass auch auf den Einzelfall des Klägers bezogen eine haftungsbegründende Kausalität nicht angenommen werden könne. Dies werde weiter dadurch unterstrichen, dass die Gesamteinwirkung hiernach etwa 1,5 Benzol-ppm-Jahre betrage. Belegbare Anhaltspunkte für eine tatsächlich höhere berufliche Belastung bestünden nicht. Vielmehr seien die mehrfach im Laufe des Verfahrens angepassten Angaben des Klägers zum Teil nicht nachvollziehbar, jedenfalls aber durch nichts nachgewiesen. Er habe zuletzt geäußert, bei einer Arbeitswoche von 58 Stunden vierzig Stunden in der Woche direkten Benzolkontakt gehabt zu haben. Dies stelle vor dem Hintergrund der Tätigkeit des Klägers eine nicht plausible Änderung der ursprünglichen Angaben dar, so dass sie nicht für glaubhaft erachtet und etwa durch eine besondere Erinnerungsbemühung erklärbar erachtet werden könnten. Ebenso seien seine Ausführungen, praktisch mit Benzol durchnässter Kleidung gearbeitet zu haben, nicht nachvollziehbar. Bei einer solchen Exposition sei eine akute, gegebenenfalls tödliche Vergiftung zu erwarten. Zudem lasse sich diese Angabe nicht damit in Einklang bringen, wie der Kläger den Arbeitsablauf des Reinigens von Teilen mittels einer Spritzpistole beschrieben habe. Er habe zwar von einer Weißverfärbung seiner Haut berichtet, allerdings für den direkten Kontakt mit Trichlorethen im Reinigungsbad, einem klar von den Reinigungsarbeiten mit der Spritzpistole abgrenzbaren Vorgang. Deswegen sei dem Gutachten von Prof. Dr. Schn. nicht zu folgen. Selbst bei einer Worst-Case-Berechnung, bei der die späteren Angaben des Klägers Berücksichtigung fänden, sei lediglich von einer Belastung in einer Größenordnung von etwa 8,9 Benzol-ppm-Jahren auszugehen. Selbst dieser Wert liege deutlich unter den für eine zweijährige extreme Belastungsintensität annäherungsweise heranzuziehenden 20 Benzol-ppm-Jahren. Ein Anspruch auf die Feststellung als Wie-Berufskrankheit bestehe ebenfalls nicht. Es lägen keine neuen Erkenntnisse vor, wonach die Arbeitsstoffe, mit denen der Kläger Kontakt gehabt habe, unter anderem wassermischbare Kühlschmiermittel, Schneidöle, Trichlorethen und Tetrachlorethen, für ein follikuläres Lymphom ursächlich sein könnten.

Gegen das klagabweisende Urteil des SG, welches den Bevollmächtigten des Klägers am 2. Dezember 2016 zugestellt worden ist, hat dieser am 30. Dezember 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, er leide an einem malignen Lymphom, welches Prof. Dr. Schn. zutreffend auf berufliche Einwirkungen durch Benzol zurückgeführt habe. Mit Art. 6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sei es nicht vereinbar, dass sich das SG vorrangig auf die von der Beklagten vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme gestützt habe. Denn es sei bekannt, dass Beratungsärztinnen und -ärzte eingeschaltet würden, um Einwände gegen Zusammenhangsgutachten oder andere Expertisen zu erlangen. Die dermale Belastung, welcher er ausgesetzt gewesen sei, sei fatal gewesen. Weiter hat er bei Einlegung des Rechtsmittels darauf hingewiesen, an den gestellten und etwa künftig noch zu stellenden Beweisanträgen ausdrücklich festzuhalten, auch im Fall des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. November 2016 und den Bescheid vom 17. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2014 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, bei ihm die Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sowie ein follikuläres Lymphom als Wie-Berufskrankheit festzustellen, und diese zu verurteilen, ihm wegen der Folgen eine Rente und Übergangsleistungen zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, die von diesem vorgebrachten Begehren seien nicht begründet.

Der Kläger hat sich am 2. Juni 2017 und die Beklagte am 21. Juni 2017 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, einschließlich der SG-Akten S 1 SF 2142/16 AB und S 1 SF 2579/16 AB, sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 SGG), ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind nach Auslegung des Berufungsantrages (§ 123 SGG) der Bescheid vom 17. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2014, mit dem die Beklagte festgestellt hat, dass beim Kläger weder Listen-Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur BKV noch eine Lymphomerkrankung als Wie-Berufskrankheit vorliegen, deren behördliche Feststellungen er nach wie vor begehrt. Zudem verfolgt er wegen der Folgen weiterhin die Gewährung einer Rente und von Übergangsleistungen. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die Klagebegehren an sich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), mangels Durchführung einer solchen indes derjenige der Entscheidung.

Die Berufung ist bereits mangels Zulässigkeit der Klage unbegründet, soweit mit dieser unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG und des Bescheides vom 17. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2014 die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente sowie von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BKV begehrt worden ist. Mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung hat es die Beklagte lediglich abgelehnt, beim Kläger die Listen-Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur BKV sowie sinngemäß ein follikuläres Lymphom als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen. Damit liegen die Sachentscheidungsvoraussetzungen für die Klagebegehren, welche auf die Gewährung einer Rente und von Übergangsleistungen abzielen, nicht vor. Der Kläger ist insoweit, bezogen auf die gegen den Bescheid vom 17. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2014 gerichteten Anfechtungsklagen, nicht klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Es reicht zwar aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SGB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). Außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, wofür vorliegend kein Anhaltspunkt gegeben ist, besteht kein berechtigtes Interesse an einer originären gerichtlichen Verurteilung zur Leistung (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 17/14 R -, SozR 4-1500 § 54 Nr. 41, Rz. 13). Über ein Recht auf Rente oder Übergangsleistungen wurde mit Bescheid vom 17. Februar 2014 nicht entschieden. Die Unzulässigkeit der jeweiligen Anfechtungsklage zieht die Unzulässigkeit der mit ihr jeweils kombinierten Leistungsklage nach sich.

Soweit der Kläger mit der jeweils kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur Klageart vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22, Rz. 13 m. w. N.) die Beseitigung des ablehnenden Bescheides vom 17. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2014 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur jeweiligen Feststellung der Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur BKV sowie eines follikulären Lymphoms als Wie-Berufskrankheit bei ihm verfolgt, ist die Berufung ebenfalls unbegründet, hingegen nicht wegen Unzulässigkeit, sondern wegen Unbegründetheit der Klage. Denn mangels Vorliegen der einzelnen Anspruchsvoraussetzungen ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die jeweilige Feststellung der Berufskrankheiten nach Nrn. 1303 und 1318 der Anlage 1 zur BKV aus § 102 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII; vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 7/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 19, Rz. 8).

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Bestimmungen des SGB VII, da ein niedrigmalignes Non-Hodgkin-Lymphom in Form eines follikulären Lymphoms Grad I bis II im Stadium IV AE (Pleura 5. Rippe rechts dorsal, axilläre, mesenteriale und retroperitoneale Lymphadenopathie), FLIPI 0-1, an welchem er seine Begehren festmacht, erstmals im September 2013 bei einer Computertomographie als Zufallsbefund objektiviert worden, daher nicht vor diesem Datum nachgewiesen ist und der Versicherungsfall somit erst nach 1996 eingetreten sein kann (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG), BGBl I 1996, S. 1254).

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, § 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung einer gefährdenden Tätigkeit versehen (Satz 2). Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3, Rz. 14 m. w. N.).

Ein Anspruch auf Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV ("Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol") wegen des follikulären Lymphoms besteht bereits wegen des Anwendungsvorranges der Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV ("Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol") nicht. Diese beim Kläger vorliegende Erkrankung des lymphatischen Systems durch Benzol wurde vom Verordnungsgeber durch Art. 1 Ziff. 3 Buchst. b der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11. Juni 2009 (BGBl. I S. 1273) mit Wirkung ab dem Folgemonat in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Sie stellt inhaltlich keine Neuregelung der bereits bestehenden Erkrankungen dar, sondern soll diese mit entschädigen. Die durch Benzol verursachten Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems wurden aus der Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV herausgenommen und als "lex specialis" in einer eigenständigen Berufskrankheiten-Nummer bezeichnet (vgl. BR-Drs. 242/09 S. 11, 13), verdrängen also diese insoweit allgemeinere Berufskrankheit (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 30. November 2010 - L 3 U 232/05 -, juris, Rz. 31; Urteil des Senats vom 26. September 2013 - L 6 U 1510/12 -, juris, Rz. 30).

Die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV sind vorliegend nicht gegeben.

Der Kläger leidet zwar an einem follikulären Lymphom (ICD-10-GM-2017 C82.-), einem bösartiger Tumor aus der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome als Erkrankung des lymphatischen Systems, also einer tatbestandlichen Erkrankung dieser Listen-Berufskrankheit (vgl. Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales [BMAS] vom 30. Dezember 2009 - IVa 4-45222-1318 -, GMBl 5/6/2010, S. 94 ff.). Die Krankheit ist seit der im September 2013 durchgeführten Computertomographie nachgewiesen. Weiter war er während seiner Ausbildung zum Mechaniker von 1972 bis 1976 sowie den anschließenden beruflichen Tätigkeiten, welche er bis zu seiner arbeitsunfähigen Erkrankung ab August 2011 ausübte, als Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 RU 17/93 -, SozR 3-2200 § 539 Nr. 27; Lilienfeld, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: September 2016, § 2 SGB VII Rz. 12 zum Versicherungsschutz von Auszubildenden als Beschäftigte).

Hierbei war er ferner einer Einwirkung durch Benzol ausgesetzt. Für die Anerkennung einer Berufskrankheit ist indes neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen, also der Einwirkungskausalität, ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich, welcher vorliegend nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Für den Ursachenzusammenhang zwischen der Einwirkung und der Erkrankung gilt im Recht der Berufskrankheiten, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. "conditio-sine-qua-non"). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der (Wirk-)Ursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, BSGE 118, 255 (258) m. w. N.).

Der Ursachenzusammenhang zwischen der Einwirkung durch Benzol und dem follikulären Lymphom besteht nicht. Der Kläger nahm bei der mittlerweile nicht mehr existierenden d. + t.-M. U. + V. Sch. GmbH zu etwa 60 % die mechanische Bearbeitung von Aluminium- und Leichtmetalllegierungen durch Bohren, Drehen, Fräsen und Gewindeschneiden vor. Weitere Tätigkeiten erfolgten zu jeweils etwa 20 % an einer Presse für Stanzarbeiten und in der Lackiererei. Beim Bohren, Drehen und Fräsen wurden wassermischbare Kühlschmiermittel und beim Gewindeschneiden ein Schneidöl eingesetzt. Die Tätigkeit an der Presse war eine rein mechanische Bearbeitung. Ein Umgang oder Kontakt mit Chemikalien in Form von Lacken oder Lösungsmitteln fand an diesem Arbeitsplatz nicht statt. In der Lackiererei wurden die Werkstücke nach der Herstellung mittels Sand bestrahlt und eloxiert. Diese Arbeiten wurden außerhalb des Unternehmens vorgenommen. Etwa 50 % der Teile wurden nach der extern durchgeführten Oberflächenbehandlung zusätzlich lackiert. Die Lackierung erfolgte vor Ort. Dazu wurden die Teile nach der Anlieferung zunächst in einem Reinigungsbad, welches in der Fertigungshalle in der Nähe des Eingangstores stand, gewaschen. Nach der Reinigung wurden die Teile in die Lackiererei transportiert, dort auf Gitterrosten ausgelegt und mit der Becherspritzpistole lackiert. Die Trocknung wurde in einem speziellen Ofen vorgenommen. Bei der Lackiererei handelte es sich um einen etwa 4 x 6 bis 8 m großen und etwa 2,2 m hohen und von der Fertigung getrennten Raum. Dort waren insgesamt zwei Mitarbeiter tätig, die wechselweise, zu jeweils 50 % der anteiligen Arbeitszeit, die Tätigkeiten ausführten. Ein Mitarbeiter erledigte die Arbeiten am Reinigungsbad und legte die Teile vor der Lackierung auf den Gitterrosten aus. Der andere nahm die eigentlichen Lackierarbeiten vor und schob die Gitterroste anschließend in den Ofen. Die Tätigkeit am Reinigungsbad, welche 10 % der Gesamttätigkeit umfasste, beinhaltete, die Teile einzeln in Gitterkörbe zu legen, um mechanische Beschädigungen zu vermeiden. Diese wurden dann in das Becken der Reinigungsanlage eingesetzt und die Anlage verschlossen. In dem Becken befand sich als Lösungsmittel Trichlorethen, welches im Becken auf etwa 40° Celsius aufgeheizt wurde. Bei dem verwendeten Mittel handelte es sich nicht um Benzin oder Universalverdünnung, denn einen entsprechenden Geruch beschrieb der Kläger nicht. Die Teile verblieben etwa zehn Minuten im Reinigungsbad. Nach der Entnahme der Gitterkörbe waren die tropfnassen Teile innerhalb von etwa fünf Minuten trocken. Bei diesen Tätigkeiten wurde keine Schutzausrüstung in Form von Atemschutz oder Schutzhandschuhen verwendet. Im Lackierraum existierte ein Spritzstand aus einer Blechwand, gegen die gespritzt wurde. Der Stand wurde nicht abgesaugt. Auch sonst gab es in dem Raum keine Absaugung oder technische Lüftung. Gelüftet wurde über die Tür. Das Fenster wurde mangels Erlaubnis der Arbeitgeberin wegen der möglichen Verunreinigung der frisch lackierten Teile durch Stäube von außen nicht geöffnet. Die Lackierung der Teile erfolgte mit einer Becherspritzpistole. Die Klarlacke und pigmentierten Lacke wurden im Becher der Spritzpistole aus zwei Komponenten im Verhältnis 2:1 gemischt, wobei es sich bei der zweiten nicht um eine Verdünnung handelte. Die Teile wurden auf einem Gitterrost, welcher 40 x 60 cm groß war, zunächst von einer Seite lackiert und anschließend in einem Ofen etwa zehn Minuten getrocknet. In diesen wurden gleichzeitig immer zwei Gitterroste geschoben. Je Stunde wurden fünfmal zwei Gitterroste in den Ofen verbracht. Nach der Trocknung wurden die Teile umgedreht, auf der Rückseite lackiert und anschließend noch einmal in den Ofen geschoben. Am Ende eines jeden Arbeitstages wurden die Spritzpistole und die Gitterroste gereinigt. Hierfür wurden eine Universalverdünnung in den Becher der Spritzpistole eingefüllt und mit einem Pinsel die Farbreste im Becher gelöst. Anschließend wurden diese Mischung durchgespritzt und so die lackführenden Teile der Spritzpistole von innen gereinigt. Die Pistole wurde dabei auf die leeren Gitterroste gerichtet und auf diese Weise gleichzeitig deren zumindest teilweise Reinigung erreicht. Bei den Säuberungsarbeiten wurde nur ein Lederschurz wegen einer möglichen Verunreinigung der Kleidung getragen. Die Reinigungsarbeiten umfassten täglich etwa zwanzig Minuten. Hautschutz- und -pflegepräparate standen nicht zur Verfügung. Einzig eine Handwaschpaste, welche zur Säuberung der Hände bei Arbeitsende verwendet wurde, war vorgehalten worden. Das Fräsen und Bohren bei der G. A. GmbH erfolgte unter Verwendung von wassermischbarem Kühlschmierstoff. Zum Bohren gehörte, Gewinde zu schneiden, was unter Verwendung eines Schneidöls vorgenommen wurde. In der Fräserei wurden aus dem Stangenmaterial mit Scheibenfräsern Rohlinge hergestellt. Vor der nachfolgenden Bearbeitung wurden sie in einer Waschanlage gereinigt. Hierzu wurden sie in Gitterkörben zu der Anlage transportiert und platziert sowie diese geschlossen und anschließend die Reinigung, welche zwischen zehn Sekunden und dreißig Minuten dauerte, gestartet. Danach wurden die Gitterkörbe entnommen und zur weiteren Bearbeitung der Teile an die jeweilige Maschine transportiert. Die Reinigungsanlage wurde kalt betrieben, als Mittel wurde Perchlorethylen verwendet. Während seiner Beschäftigung bei der Re. AG wurde in den beiden Wintern 1984/85 und 1985/86 ob der niedrigen Temperaturen das Heizöl in den Leitungen sulzig, weshalb es im Keller mit einer handbetriebenen Fasspumpe abgefüllt, ins Lager getragen und neben dem Ölofen bereitgestellt wurde. Atemschutz oder Schutzhandschuhe wurden nicht verwendet. Bei der PA. Maschinenfabrik GmbH & Co. KG entfiel etwa 30 % der Arbeitszeit auf das Verschweißen von Rohren aus unlegiertem Stahl im Lichtbogen-Schweißverfahren mit Elektroden oder im Metallaktivgas-Schweißverfahren. Vor den Schweißarbeiten wurden die Werkstücke im Bereich der späteren Schweißnaht mit Lappen und Universalverdünner gereinigt und danach die Schweißnähte verschliffen. Tätigkeiten mit möglichem Kontakt zu Lösungsmitteln, etwa im Zusammenhang mit Lackier- oder Reinigungsarbeiten, bei der Fr. Wa. GmbH, der Gü. KG, der M. Hö. GmbH, der We. Werkzeugbau GmbH & Co. KG sowie der J. und Schm. GmbH & Co. KG wurden nicht vorgenommen. Privaten Umgang mit Benzin, Diesel und Heizöl hatte der Kläger im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, als er ein Kleinkraftrad NSU "Quickly" unterhielt. Dieses betankte er durchschnittlich zwei- bis dreimal in der Woche mit einem Benzin-/Ölgemisch. Der Tankvorgang dauerte jeweils etwa eine Minute. Darüber hinaus verwendete er dieses zum Reinigen der Teile nach dem Zerlegen des Motors, was insgesamt siebenmal erfolgte. Die Reinigungsarbeiten umfassten jeweils etwa eine halbe Stunde. Im Alter zwischen 20 und 30 Jahren hatte er beim Befüllen einer Motorsäge wieder Umgang mit diesem Gemisch. Es wurde für Arbeiten im Wald des elterlichen Landwirtschaftsbetriebes eingesetzt. Die Motorsäge wurde zweimal im Monat damit befüllt, was jeweils etwa eine Minute dauerte. In der elterlichen Landwirtschaft betankte er weiter die beiden vorhandenen Schlepper regelmäßig mit Diesel mittels einer handbetriebenen Fasspumpe. Diese Tätigkeit führte er etwa einmal je Woche bereits ab dem vierten bis zum zwanzigsten Lebensjahr aus. Direkten Umgang mit Heizöl hatte er bei seinen privaten Tätigkeiten nicht. Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre teerte er im privaten Bereich eine Hoffläche und eine Zufahrt über einen Zeitraum von etwa drei Monate. Zudem deckte und verschweißte er in den 1970er-Jahren verschiedene Garagen mit Teerpappe. Diese Tätigkeiten dauerten insgesamt ein Jahr. Diesen Daten stehen zur Überzeugung des Senats aufgrund der von Dr. H. vom Präventionsdienst der Beklagten Ende 2013 erhobenen Arbeitsplatzexposition fest, welche auf seinen Ermittlungen im Januar 2012 zu einer der Berufskrankheit nach Nr. 4101 der Anlage 1 zur BKV zugrunde liegenden Silikose als Quarzstaublungenerkrankung, einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger am 17. Dezember 2013 und dessen zweimalige nachträgliche Ergänzungen bis 20. Dezember 2013 fußen.

Demgegenüber ist nicht erwiesen, dass sich in dem bei der d. + t.-M. U. + V. Sch. GmbH verwendeten Reinigungsbad der Universalverdünner Lösin 100 befand sowie die Reinigungsflüssigkeit nicht Universalverdünner, sondern ein Gemisch aus Waschbenzin und Benzol gewesen und sich beim Einsatz der Becherspritzpistole über die Hände hinaus auch auf die Arme und den Oberkörper, einschließlich durchnässter Kleidung, verteilt haben soll. Weder nach dem SGG noch nach der Zivilprozessordnung (ZPO) gibt es zwar eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den zeitlich früheren Aussagen aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R -, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, Rz. 12; Urteile des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 144 und vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, juris, Rz. 34). Hiervon geht der Senat vorliegend aus, da der Kläger diese weiteren Angaben erstmals bei der halbstündigen telefonischen Unterredung im August 2015 im Zusammenhang mit der Erstellung des Gutachtens durch den Sachverständigen Prof. Dr. Schn. tätigte, nachdem mittlerweile nicht nur die ablehnende Verwaltungsentscheidung, sondern auch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. D. vorlagen. Die Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers ist auch dadurch erschüttert worden, dass Dr. H. über die zuständige Produktmanagerin des Herstellers von Lösin 100 anhand alter Unterlagen und Rezepturkarten, welche noch archiviert waren, in Erfahrung bringen konnte, dass dieses Produkt erst 1980/81 auf den Markt kam, also zu einem Zeitpunkt als der Kläger nicht mehr bei der d. + t.-M. U. +V. Sch. GmbH beschäftigt war. Der Kläger beschrieb ferner im Dezember 2013 spezifisch, dass das Reinigungsbad intern als "Tri-Bad" bezeichnet wurde. Gegenüber Dr. H. äußerte dieser weiter, dass die Reinigungstätigkeiten mittels der Becherspritzpistole mit Universalverdünnung erfolgten. Diese Angabe ist schlüssig, weil er weiter mitteilte, dass 2K-Lacke verarbeitet wurden. Demgegenüber tat er später kund, die Reinigungsarbeiten mit einem Gemisch aus Waschbenzin und Benzol durchgeführt zu haben. Waschbenzin ist jedoch wegen der deutlich abweichenden Lösungseigenschaften als Lösungs- und Reinigungsmittel für 2K-PUR-Lacke eher ungeeignet, worauf Dr. H. hingewiesen hat. Hinsichtlich der nicht plausiblen Angaben des Klägers zur Einwirkung von Benzol auf die Haut und die Kleidung wird auf die Begründung des SG in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, welcher sich der Senat nach eigener Überzeugungsbildung anschließt und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit absieht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das follikuläre Lymphom, welches ein Krankheitsbild ohne ausreichende epidemiologische Information zur Dosis-Wirkungsbeziehung und daher nach dem Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV (a. a. O.) der Gruppe B zugeordnet worden ist, erfordert wegen der schwierigen Abgrenzung der betroffenen Personengruppe eine hohe Intensität oder eine besonderes lange Dauer der beruflichen Benzolexposition. Nach Ziff. 3.3 der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit nach Nr.1318 der Anlage 1 zur BKV (Bekanntmachung des BMAS vom 1. September 2007 - IVa 4-45222-, GMBl 49-51/2007, S. 974 ff.) ist bei Non-Hodgkin-Lymphomen eine einzelfallbezogene Beurteilung der Expositionsbedingungen vorzunehmen. Stammzellnahe Non-Hodgkin-Lymphome (Vorläufer-B-Zell- und Vorläufer-T-Zell-Lymphome gemäß WHO-Klassifikation) sind hinsichtlich des benzolassoziierten Erkrankungsrisikos nicht anders zu beurteilen als die unter Ziff. 3.2.1 der wissenschaftlichen Begründung angeführten Leukämien. Demgegenüber wird für die übrigen Krankheitsbilder, also auch für das follikuläre Lymphom als nicht stammzellnahes Lymphom, wie zuletzt Dr. He. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme von Juli 2016 herausgestellt hat, ungeachtet der unzureichenden epidemiologischen Erkenntnislage beispielhaft eine ausreichende Exposition bejaht bei einer extremen Belastungsintensität (Ziff. 3.2.2.1 der wissenschaftlichen Begründung, a. a. O.) über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder einer hohen Belastungsintensität (Ziff. 3.2.2.2 der wissenschaftlichen Begründung, a. a. O.) über einen Zeitraum von in der Regel sechs und mehr Jahren. Wegen des vom Kläger bei der d. + t.-M. U. + V. Sch. GmbH ausgeübten Spritzauftrages von Beschichtungen oder Mittels zur Oberflächenbehandlung ist Dr. H. für diese dreißigmonatige Beschäftigung nachvollziehbar von einer hohen Belastungsintensität ausgegangen, wobei sie 10 % der Arbeitszeit einnahm. Für alle anderen beruflichen Tätigkeiten lag keine höhere als eine geringe Belastungsintensität (Ziff. 3.2.2.4 der wissenschaftlichen Begründung, a. a. O.) vor, wie er weiter schlüssig dargelegt hat. Unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Umstände ist daher vorliegend, zumal Dr. H. nachvollziehbar lediglich 1,5 Benzol-ppm-Jahre errechnete, ein Kausalzusammenhang zwischen der Benzoleinwirkung und dem follikulären Lymphom nicht hinreichend wahrscheinlich, was auch durch die Expertise von Prof. Dr. D. und die Ausführungen von Dr. He. bekräftigt wird. Dahinstehen kann somit, ob der Kläger auch aufgrund seiner nicht versicherten privaten Tätigkeiten einer Einwirkung ausgesetzt war. Dem Gutachten von Prof. Dr. Schn. liegt bereits eine von ihm angenommene Hautresorption zugrunde, welche sich nicht hat objektivieren lassen. Zudem hat er sich auf Kriterien in der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur BKV (a. a. O.) gestützt, welche auf das follikuläre Lymphom keine Anwendung finden. Der Senat war daher von seinen Ausführungen nicht überzeugt. Das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG), welches für zivilrechtliche Streitigkeiten und strafrechtliche Anklagen auch in dem vom Kläger in Bezug genommenen Art. 6 Abs. 1 EMRK normiert ist, der über Art. 25 Satz 1 GG Bestandteil des Bundesrechts ist, hinderte den Senat nicht daran, die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. He. als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu berücksichtigen.

Die Voraussetzungen für die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung eines follikulären Lymphoms als Wie-Berufskrankheit liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 102 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (sog. "Öffnungsklausel" für Wie-Berufskrankheiten). Die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nach dieser Vorschrift ist unter anderem vom Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Berufskrankheit nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 33/11 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 21, Rz. 17 m. w. N.). Diese allgemeinen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Die insoweit in früheren Entscheidungen des Bundessozialgerichts verwendeten Begriffe der Gruppentypik, generellen Geeignetheit und gruppentypischen oder -spezifischen Risikoerhöhung dienten allein der Erläuterung oder Umschreibung der aufgezeigten Voraussetzungen, ohne dass damit andere Anforderungen an die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit gestellt werden sollten (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 18, Rz. 15 m. w. N.). Es fehlt an medizinischen Belegen dafür, dass der Kläger in Bezug auf das follikuläre Lymphom mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf bestimmte andere berufliche Einwirkungen als durch Benzol, wofür jedes auf den Menschen einwirkende Geschehen in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 18, Rz. 19), in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt war. Prof. Dr. D. hat darüber hinaus überzeugend ausgeführt, dass nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 (200 f.) und vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, BSGE 118, 255 (260 ff.) ein ätiologischer Zusammenhang zwischen anderen potenziell toxischen Substanzen wie Tetrachlorethen und Trichlorethen, mit denen der Kläger im beruflichen Umfeld Kontakt hatte, und einer Lymphomentstehung nicht gesichert ist. Es besteht zudem keine Kausalbeziehung zwischen der vorbestehenden Silikose und der unabhängig davon diagnostizierten Sarkoidose einerseits sowie der Lymphomerkrankung andererseits.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Der Hilfsbeweisantrag wurde daher abgelehnt, obgleich sich dieser wie alle sonstigen etwaigen Beweisanträge an sich erledigt hat. Der rechtskundig vertretene Kläger hat zwar bei Einlegung der Berufung darauf hingewiesen, an den gestellten und etwa künftig noch zu stellenden Beweisanträgen ausdrücklich festzuhalten, auch im Fall des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Mit seinem Anfang Juni 2017 und damit späteren vorbehaltlos erklärten Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hat er indes zum Ausdruck gebracht, dass sich nunmehr zuvor gestellte Beweisanträge erledigt haben (vgl. BSG, Beschluss vom 1. September 1999 - B 9 V 42/99 B -, SozR 3-1500 § 124 Nr. 3).
Rechtskraft
Aus
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