Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 3494/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4746/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.11.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1981 geborene Klägerin war (eigenen Angaben zufolge) ab 1999 in verschiedenen Branchen versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Telefonistin. Ihr Versicherungsverlauf weist Pflichtbeitragszeiten zuletzt vom 12.10.2009 bis 11.04.2011 auf. In der Zeit vom 12.04.2011 bis 30.04.2013 bezog sie Arbeitslosengeld II. Danach liegen keine rentenrechtlichen Zeiten mehr vor. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf (Bl. 21 ff. LSG-Akte) Bezug genommen.
Im Vordergrund der gesundheitlichen Einschränkungen steht bei der Klägerin eine bipolare affektive Störung, wegen der sich die Klägerin ab 2005 (vgl. Bl. 23, 17, 19, 65 VA, medizinischer Teil, Bl. 109 SG-Akte) mehrmals zur Behandlung im Zentrum für Psychiatrie (Z. ) E. befand.
Am 20.02.2014 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, woraufhin die Beklagte das Gutachten mit ergänzender Stellungnahme des Psychiaters, Psychotherapeuten, Sucht- und Verkehrsmediziners Dr. N. auf Grund Untersuchung vom 22.04.2014 einholte (Bl. 45, 75 VA, medizinischer Teil). Die Klägerin gab diesem gegenüber an, sehr gesellig zu sein und gerne auf Feste zu gehen. Erst zum Jahreswechsel habe sie eine große Party gefeiert. Im Juli vergangenen Jahres habe sie standesamtlich geheiratet, derzeit plane sie ihre große Hochzeit mit allen Familienangehörigen für Oktober des Jahres. Zuletzt habe sie die standesamtliche Heirat der Schwester gefeiert. Als Freizeitbeschäftigung gab die Klägerin Kochen an, wenn sie Lust dazu habe. Sie informiere sich über das aktuelle Tagesgeschehen. Den Haushalt teile sie sich mit ihrem Ehemann: "Der könne schließlich auch etwas tun." Sie gehe gemeinsam mit ihm einkaufen, kümmere sich zudem um die Spülmaschine und räume manchmal auf. Der Gutachter diagnostizierte eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, histrionischen, selbstunsicheren und dependenten Anteilen und eine vordiagnostizierte bipolare affektive Störung, derzeit remittiert. Die Klägerin sei in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin wie auch sonstige Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine Tätigkeiten mit geistiger/psychischer Belastung) täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Auch unter Berücksichtigung des Aufenthalts im Z. E. im März/April 2014 ergebe sich keine andere Beurteilung. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 06.05.2014 und Widerspruchsbescheid vom 18.09.2014 ab.
Am 20.10.2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Nach Einholung der sachverständigen Zeugenauskunft des Neurologen und Psychiaters Dr. F. , bei dem sich die Klägerin seit 2010 in Behandlung befindet und der auf Grund der von ihm diagnostizierten bipolaren affektiven Störung, gegenwärtig depressive Episode, von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten ausgegangen ist (Bl. 19 SG-Akte), hat das Sozialgericht das Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. auf Grund Untersuchung vom 23.07.2015 eingeholt (Bl. 38 SG-Akte). Diesem gegenüber hat die Klägerin angegeben, sich Kinder zu wünschen. Sie unterhalte Kontakt zur Großfamilie und zwei Freundinnen. Im Haushalt beschäftige sie sich mit Kleinigkeiten. Den Großputz mache der Ehemann. Zum Tagesablauf hat die Klägerin ausgeführt, sie telefoniere regelmäßig mit der Mutter, räume die Küche auf, kaufe mit dem Fahrrad ein oder begleite den Ehemann zu Einkäufen mit dem Auto. Sie koche auf den Abend hin für sich und den Mann und gehe zwei- bis dreimal täglich mit dem H. raus, der ihr emotional viel Freude bereite. Unter Berücksichtigung dessen hat der Sachverständige eine weitgehend remittierte bipolare affektive Psychose und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Die Klägerin sei in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten an laufenden Maschinen, ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeitsbedingungen sowie ohne Leitungsfunktion acht Stunden täglich an fünf Tagen die Woche zu verrichten. Dieser Gesundheitszustand bestehe seit Juli 2013.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht darüber hinaus das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. auf Grund der Untersuchung vom 14.04.2016 eingeholt (Bl. 76 SG-Akte). Die Sachverständige hat eine bipolare affektive Störung mit häufigen manischen Exazerbationen, jedoch auch depressiven Zustandsbildern diagnostiziert. Ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom sei dokumentiert und die aktuell beklagte Schmerzstörung dürfte einer somatoformen Schmerzstörung entsprechen. Die bipolare affektive Störung stelle eine schwerwiegende Erkrankung dar, die mit hohem Rückfallrisiko bei erhöhten Belastungen einhergehe. Die Klägerin sei allenfalls in der Lage, einer geringfügigen Tätigkeit unter drei Stunden täglich nachzugehen. Dieser Gesundheitszustand bestehe seit Beginn der Erkrankung vor ungefähr zehn Jahren, jedenfalls seit Juni 2013. Die Vorgutachten hätten sich wenig kritisch mit der bisherigen Krankheitsgeschichte auseinandergesetzt und sich zu sehr auf den aktuellen Befund konzentriert. Der zeitliche Verlauf sei zu berücksichtigen. Dieser Längsschnitt zeige eine hohe Anfälligkeit und ein hohes Rückfallrisiko.
Unter Berücksichtigung der sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. D. (Bl. 120 f. SG-Akte), die ein unter dreistündiges Leistungsvermögen ab 15.02.2016 (stationäre Aufnahme im Z. Emmendingen) und damit außerhalb des Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen angenommen hat, hat das Sozialgericht der Klägerin mit Urteil vom 22.11.2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von Februar 2014 bis Januar 2017 zugesprochen und die darüber hinausgehende Klage abgewiesen. Hierbei hat sich das Sozialgericht im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. H. gestützt. Auch Dr. D. bestätige eine volle Erwerbsminderung auf Grund der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet. Entgegen deren Auffassung sei die Klägerin jedoch zumindest seit Juli 2013 - also dem Zeitpunkt, ab dem sich nach den sachverständigen Zeugenauskünften der Gesundheitszustand nicht mehr geändert habe und damit noch bei Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes drei Stunden oder mehr zu verrichten. Zwar zeigten sich die von Dr. W. und Dr. N. erhobenen Befunden relativ unauffällig. Der Längsschnitt der Erkrankung belege jedoch eine hohe Anfälligkeit und ein hohes Rückfallrisiko. In der Vergangenheit habe sich die Klägerin immer wieder in stationäre psychiatrische Behandlung begeben, die teilweise auch nur zu einer Teilremission geführt habe. Eine anhaltende seelische Stabilisierung habe nicht erreicht werden können.
Gegen das Urteil hat die Beklagte am 21.12.2016 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, eine volle Erwerbsminderung liege nachweisbar erst seit 15.02.2016 vor. Vor diesem Zeitpunkt ergebe sich aus den Befunden im Verlauf nur ein leicht reduzierter Antrieb bzw. eine leicht reduzierte Psychomotorik. Soweit das Sozialgericht von einem Leistungsfall im Juli 2013 ausgegangen sei, habe es diesen Zeitpunkt den behandelnden Ärzten im Rahmen seiner Anfrage selbst vorgegeben. Immerhin sei im Zeitraum Ende 2011 bis März 2014 keine stationäre Behandlung der Klägerin erfolgt. Die stationär behandelten Störungen seien jedes Mal von vorübergehender Natur gewesen und hätten zur schnellen Besserung geführt. Eine überdauernde Erkrankung habe nicht vorgelegen. Da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zuletzt im August 2014 vorgelegen hätten, bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung. Im Übrigen verweist sie auf die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. D. (Bl. 41 LSG-Akte).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.11.2016 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils, das Gutachten von Dr. H. und auf die von ihr vorgelegten Befundberichte des Dr. F. für den Zeitraum 2012 bis 2014 (Bl. 32 ff. LSG-Akte).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 06.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2014, soweit das Sozialgericht diese Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von Februar 2014 bis Januar 2017 verurteilt hat. Hiergegen wendet sich die Beklagte und nur sie hat Berufung eingelegt.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit verurteilt. Der Bescheid vom 06.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese ist trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihr steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts ergibt sich bei der Klägerin - im streitigen Zeitraum - kein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen. Vielmehr ist die Klägerin - jedenfalls bis Februar 2016 - in der Lage gewesen, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Bei der Klägerin liegen als für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens von Bedeutung ausschließlich Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet vor. Die Gutachter Dr. N. (Bl. 52 ff. VA, medizinischer Teil), Dr. W. (Bl. 47 ff. SG-Akte) und Dr. H. (Bl. 99 ff. SG-Akte) sind insoweit übereinstimmend - wenn auch den Ausprägungsgrad unterschiedlich beurteilend - von einer bipolaren affektiven Störung ausgegangen. Ob - wie Dr. N. und Dr. W. meinen - darüber hinaus eine - nach Darlegung von Dr. H. hiervon ohnehin schwer abgrenzbare - kombinierte Persönlichkeitsstörung bei der Klägerin vorliegt, kann dahinstehen. Für die vorliegend zu beurteilende Frage, inwieweit die Klägerin durch die psychische Erkrankung in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist weniger von Bedeutung, welchem Krankheitsbild die psychische Erkrankung zuzuordnen ist, als vielmehr, welche konkreten funktionellen Einschränkungen hieraus resultieren und inwieweit diese der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit entgegenstehen.
Weiter kann dahinstehen, ob sich, wie Dr. D. (Bl. 120 SG-Akte) dargelegt hat, ein unter dreistündiges Leistungsvermögen ab dem stationären Aufenthalt der Klägerin am 15.02.2016 anzunehmen ist, da zu diesem Zeitpunkt jedenfalls die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.
Voraussetzung für einen Rentenanspruch ist nach § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI auch, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufweist. Unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles am 15.02.2016 müsste die Klägerin in den letzten fünf Jahren, also im Zeitraum von 15.02.2011 bis 14.02.2016, mindestens 36 Monate Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt haben. Zwar verlängert sich vorliegend dieser Zeitraum wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI im Zeitraum von April 2011 bis April 2013 um 25 Monate, so dass für das Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Zeitraum vom 15.01.2009 bis 14.02.2016 maßgeblich ist. Die Klägerin hat jedoch in diesem Zeitraum lediglich 19 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt, nämlich von Oktober 2009 bis April 2011 (vgl. Bl. 22 ff. LSG-Akte). Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung scheitert bei Annahme eines Leistungsfalls ab Februar 2016 mithin schon an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Vor Februar 2016 ist zu keinem Zeitpunkt eine dauerhafte zeitliche Minderung des Leistungsvermögens der Klägerin nachgewiesen. Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen aber erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen - im Hinblick auf eine Rente wegen Erwerbsminderung - also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Entgegen der Einschätzung der Sachverständigen Dr. H. - und des Sozialgerichts - ergeben sich aus dem zeitlichen Verlauf der bipolaren affektiven Störung - insbesondere zwischen Mitte 2013 (dem vom Sozialgericht und Dr. H. angenommenen Versicherungsfall) und vor Februar 2016 - keine dauerhaften funktionellen Einschränkungen, die zu einer quantitativen Leistungsminderung führen, da über einzelne Dekompensationen hinaus anhaltende Beeinträchtigungen nicht festzustellen sind.
So hat Dr. D. (Bl. 121 SG-Akte) zutreffend darauf hingewiesen, dass Dr. N. anlässlich seiner Untersuchung im April 2014 die bipolare Störung als remittiert beschrieb. Dies ist nachvollziehbar, gab die Klägerin doch ein Freizeitverhalten und einen Tagesablauf an, die nicht auf wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen der Klägerin infolge einer manischen oder depressiven Phase schließen lassen (Bl. 47 f. VA, ärztlicher Teil). So beschrieb die Klägerin einen sehr guten Kontakt zu ihren vier Geschwistern, schilderte ihre Geselligkeit (Festbesuche) und ihre Pläne zur kirchlichen Trauung. Auch der Tagesablauf war nicht wesentlich beeinträchtigt (kocht, wenn sie Lust dazu hat, informiert sich über das aktuelle Tagesgeschehen, teilt sich den Haushalt mit ihrem Ehemann, räumt insbesondere manchmal auf, geht einkaufen und kümmert sich um die Spülmaschine). Dem entsprechend erhob Dr. N. einen Normalbefund bei der Klägerin. Über ihr gepflegtes Äußeres hinaus (Dauerwelle, gefärbte Haare, gepflegte Fingernägel) erschien die Klägerin freundlich, offen, auskunftsbereit und lachte im Rahmen der Untersuchung. Der Gutachter stellte keine Beeinträchtigung der Auffassungsgabe, der Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit oder Mnestik fest. Die affektive Schwingungsfähigkeit war ausreichend, ohne einen maniformen oder gehobenen Affekt. Ein Antriebs- oder Interessenmangel bestand - entgegen der Schilderung der Klägerin - gerade nicht.
Auch im Rahmen der Untersuchung durch Dr. W. am 23.07.2015 hat sich kein wesentlich anderes Bild der Klägerin gezeigt, worauf Dr. D. zutreffend hingewiesen hat (Bl. 121 SG-Akte). Dr. W. hat ebenfalls nur eine remittierte Symptomatik dokumentiert. So hat die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen weder einen sozialen Rückzug beschrieben (gute Kontakte zur Großfamilie und zwei Freundinnen) noch wesentliche Einschränkungen des Tagesablaufs (beschäftigt sich im Haushalt mit Kleinigkeiten, telefoniert regelmäßig mit der Mutter, räumt die Küche auf, kauft mit dem Fahrrad ein und begleitet den Ehemann zu Einkäufen mit dem Auto, kocht auf den Abend hin für sich und den Mann und gehe zwei- bis dreimal täglich mit dem Hund raus, der ihr emotional viel Freude bereitet, Bl. 40 ff. SG-Akte) dargelegt. Dem entsprechend hat sich auch hier der erhobene psychiatrische Befund (Bl. 44 ff. SG-Akte) als weitgehend unauffällig dargestellt (keine Minderung der Schwingungsfähigkeit und des Antriebs, dysphorisch-morose Stimmung, kognitive Fähigkeiten in der Norm), so dass der Sachverständige keine Hinweise auf eine depressive oder manische Symptomatik hat ausmachen können.
Zwar kam es in der Vergangenheit bei der Klägerin immer wieder zu Dekompensationen, wie die verschiedenen stationären Aufenthalte der Klägerin im Z. E. belegen. Diese sind jedoch über einen Zeitraum von knapp elf Jahren hinweg - August 2005 bis März 2016 - nur für wenige - und zum Teil sehr kurze - Zeiträume nachgewiesen (vgl. Bl. 23, 17, 19, 65 VA, medizinischer Teil, Bl. 109 SG-Akte), worauf die Beklagte im Rahmen der Berufungsbegründung zutreffend hinweist. Insbesondere erfolgten seit Rentenantragstellung lediglich zwei stationäre Aufenthalte der Klägerin im März/April 2014 und Februar/März 2016. Zudem waren die Dekompensationen - jedenfalls vor Februar 2016 - nur vorübergehender Natur. So führten die therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die Behandlung mit Medikamenten, im Rahmen des Aufenthaltes 2014 zu einer klinischen Besserung im Verlauf und zur Entlassung der Klägerin im teilremittierten Zustand (vgl. Bl. 69 VA, medizinischer Teil), was auch Dr. H. so eingeschätzt hat (Bl. 97 SG-Akte). Auch insoweit ist den Ausführungen der Beklagte zuzustimmen. Insbesondere bestätigte der Sachverständige Dr. N. , der die Klägerin am 22.04.2014 - also eine Woche nach Entlassung aus dem Z. E. - untersuchte, den Behandlungserfolg des stationären Aufenthalts, in dem er einen psychiatrischen Normalbefund erhob und auf das weitgehend unauffällige Freizeitverhalten und den Tagesablauf verwies (Bl. 47 f., 50 VA, medizinischer Teil). Dem entsprechend erfolgte seitens des Z. keine dauerhafte Änderung der antidepressiven Medikation, worauf Dr. N. ebenfalls zutreffend hinwies (Bl. 52 VA, medizinischer Teil). Die stationären Behandlungen der Klägerin führten zu einer Stabilisierung, so dass in der Zeit von November 2011 bis Februar 2014 und von Mai 2014 bis Januar 2016 keine stationären Aufenthalte erfolgten. Demgemäß ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Sachverständige Dr. H. bzw. das Sozialgericht gerade in einem behandlungsfreien Intervall von einer quantitativen Leistungsminderung ausgegangen ist.
Darüber hinaus sind auch den Befundberichten des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. F. für den Zeitraum Oktober 2012 bis Dezember 2014 (Bl. 32 ff. LSG-Akte) keine weitergehenden funktionellen Beeinträchtigungen zu entnehmen, worauf Dr. D. zutreffend hingewiesen hat (Bl. 41 LSG-Akte). Zwar gab die Klägerin gegenüber Dr. F. u.a. massive Antriebslosigkeit und Erschöpfung an (vgl. nur Bl. 32, 36 LSG-Akte), wobei sie trotz dieser Antriebslosigkeit im Juli 2013 von ihrer unmittelbar bevorstehenden Hochzeit berichtete (Bl. 34 LSG-Akte). Diese Beschwerdeschilderung bildete sich aber in den von Dr. Frey erhobenen Befunden gerade nicht ab. So hat Dr. F. die Klägerin durchgehend als im Kontakt freundlich zugewandt und kooperativ, adäquat, affektiv ausreichend schwingungsfähig, Antrieb und Psychomotorik allenfalls leicht reduziert beschrieben (Bl. 36, 37, 39 LSG-Akte). Sie lache auch. Im Verlauf der Behandlung hat die Klägerin selbst eine leichte Besserung angegeben (Bl. 37 LSG-Akte). Diese bestätigt sich schließlich im Juni 2015 (Bl. 51 SG-Akte), als Dr. F. die Klägerin als affektiv gut schwingungsfähig, Antrieb und Psychomotorik unauffällig beschrieb. Auch Dr. N. beschrieb solche Diskrepanzen zwischen dem subjektiven Beschwerdevorbringen (Antriebsmangel) und dem objektiven Befund und bewertete dies als sekundären Krankheitsgewinn (Bl. 53 VA, medizinischer Teil), was sowohl Dr. W. (Bl. 47 SG-Akte) als auch Dr. H. (Bl. 98 SG-Akte) bestätigt haben. Zutreffend wies Dr. N. darauf hin, dass die Klägerin Tätigkeiten, die ihr Spaß machen, selbst durchführt (Hochzeit vorbereiten, Feste besuchen), während sie andere Tätigkeiten, die ihr keine Freude bringen (Teil der Hausarbeit), an ihren Ehemann delegiert. Die Beeinträchtigungen im Tagesablauf sind damit jedoch nicht krankheitsbedingt im Sinne eines Nichtkönnens, sondern motivationsbedingt im Sinne eines Nichtwollen (so Dr. N. ), so dass die Klägerin bei zumutbarer Willensanspannung - wie Dr. N. und Dr. W. übereinstimmend angenommen haben - diese Einschränkungen überwinden kann.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren auf den Befundbericht des Dr. F. vom 24.07.2013 (Bl. 34 LSG-Akte) verweist, aus dem sich auf Grund des empfohlenen stationären Aufenthalts der Leistungsfall zu diesem Zeitpunkt ergebe, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Wie bereits ausgeführt, sind dem auch zu diesem Zeitpunkt erhobenen Befund (im Kontakt freundlich zugewandt und kooperativ, Stimmung ernst, affektiv durchaus schwingungsfähig, Antrieb und Psychomotorik wirkten leicht reduziert) gerade keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zu entnehmen, die eine quantitative Leistungsminderung begründen können, zumal die Klägerin selbst angab, noch im Juli 2013 zu heiraten. Darüber hinaus begab sich die Klägerin erst im März 2014 wieder in eine stationäre Behandlung, so dass ein wesentliche Leidensdruck gerade nicht nachvollziehbar ist. Schließlich hat auch Dr. H. die zeitliche Leistungsminderung nicht mit dem erhobenen Befund im Juli 2013 oder der Empfehlung des Dr. F. , sich erneut stationär behandeln zu lassen, begründet, sondern mit dem hohen Rückfallrisiko (Bl. 101 SG-Akte), was aber ebenfalls nicht zu einer Erwerbsminderung führt, sondern - jedenfalls im Zeitraum bis Februar - lediglich zu vorübergehenden Dekompensationen (s.o.).
Zusammenfassend ist es allenfalls möglich, keinesfalls jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt, dass bei der Klägerin vor Februar 2016 funktionelle Beeinträchtigungen bestanden haben, die eine quantitative Leistungsminderung - dann aber nur vorübergehend - begründete. Dr. H. hat - wie die obigen Ausführungen zeigen - nicht schlüssig erläutert, aus welchen Umständen sich aus der - dauerhaft bestehenden - Erkrankung eine überdauernde Leistungsminderung ergeben soll. Bei ihrer Einschätzung hat die Sachverständige gerade nicht die im zeitlichen Verlauf erhobenen Befunde in den Entlassungsberichten des Z. (Teilremission), den Berichten des Dr. F. und den Gutachten von Dr. N. und Dr. W. (jeweils weitgehend unauffälliger Befund) beachtet bzw. sich mit diesen auseinandergesetzt. Schon gar nicht schlüssig ist die Auffassung von Dr. H., dass ab Juli 2013 eine entsprechende Leistungsminderung bestanden haben soll, nachdem die Klägerin von November 2011 bis März 2014 weder stationär behandelt worden ist noch Dr. F. im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2014 einen auffälligen Befund beschrieb, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, und die in diesem Zeitraum erfolgten gutachterlichen Untersuchungen eine zeitliche Leistungseinschränkung gerade nicht bestätigt, sondern ausgeschlossen haben. Zudem hat die Sachverständige Dr. H. keine Änderung der Leistungsfähigkeit der Klägerin seit Juli 2013 erkannt, was im Hinblick auf die von ihr im selben Atemzug genannte aktuelle Dekompensation im Februar 2016 (Bl. 101 SG-Akte) und die ihr im Übrigen bekannte vergangene Dekompensation im März 2014 (Bl. 97 SG-Akte) nicht nachvollziehbar ist.
Darüber hinaus hat auch Dr. H. als Auslöser der Dekompensationen, die zu den stationären Aufenthalten im Z. E. führten, äußere Ereignisse (z.B. Todestag des Vaters, Absetzen der Medikamente) benannt (Bl. 91 SG-Akte). Die Sachverständige hat - zumindest für die Vergangenheit - ein hohes Rückfallrisiko "bei erhöhten Belastungen" gesehen. Nachvollziehbar hat die Sachverständige hieraus, ebenso wie Dr. N. und Dr. W., qualitative Einschränkungen bei der Ausübung von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes begründet (vgl. Bl. 100 SG-Akte), die u.a. zur Vermeidung erhöhter Belastungen führen sollen, wie z.B. keine Arbeiten im Publikumsverkehr, da solche eine maniforme Symptomatik auslösen könnten. Sie hat jedoch nicht erläutert, weshalb es trotz dieser Einschränkungen zu einer quantitativen Leistungsminderung bei entsprechenden leichten Tätigkeiten kommen soll.
Zu Gunsten der Klägerin legt der Senat sämtliche in den Gutachten des Dr. N. , Dr. W. und Dr. H. genannten qualitativen Einschränkungen bei der Ausübung leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu Grunde. Zusammenfassend sind der Klägerin Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die geistig-psychische Belastbarkeit (Dr. N. , Bl. 53 VA, medizinischer Teil) nicht zumutbar, ebenso wenig Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen, zu Akkord-, Fließband-, Schicht- oder Nachtarbeitsbedingungen (Dr. W., Bl. 48 SG-Akte). Zu vermeiden sind ferner Tätigkeiten mit gleichförmigen Körperhaltungen, häufigem Bücken oder Treppensteigen, unter klimatisch ungünstigen Bedingungen, mit Publikumsverkehr, mit Übernahme erhöhter Verantwortung, mit besonderer geistiger Beanspruchung, mit der Notwendigkeit eines erhöhten Konzentrationsvermögens und Tätigkeiten unter nervlicher Belastung (Dr. Hund, Bl. 100 SG-Akte).
Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass auch Dr. W. sie auf Grund fehlender Tagesstruktur für erwerbsgemindert erachte, da der Sachverständige vor Eingliederung in den Arbeitsprozess ein mehrwöchiges Training in einer psychiatrischen Tagesklinik zur Rückerlangung einer Tagesstruktur für sinnvoll halte, ist dies nicht zutreffend.
Unabhängig davon, dass der Sachverständige eine solche Maßnahme lediglich vor Wiedereintritt in das Arbeitsleben für "sinnvoll" erachtet (Bl. 48 SG-Akte), dies also nicht als zwingende Voraussetzung angesehen hat, ist Dr. W. jedenfalls davon ausgegangen, dass die fehlende Tagesstruktur durch mehrwöchige therapeutische Maßnahmen behoben werden kann. Es bestehen also auch unter Annahme einer Therapiebedürftigkeit keine Anhaltspunkte dafür, dass die durch eine psychische Störung bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit voraussichtlich auf längere Dauer, d.h. für länger als sechs Monate, besteht. Denn seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, die der Betroffene bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG a.a.O.).
Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass dem Gutachten des Dr. N. nicht zu folgen sei, weil dieser weder die fehlende Tagesstruktur erwähnte noch bewertete, ist dies nicht zutreffend. So erfragte Dr. N. den Tagesablauf der Klägerin (Bl. 48 VA, medizinischer Teil) und er unterzog diese Angaben im Rahmen der Epikrise einer Bewertung (bei zumutbarer Willensanstrengung kein Einfluss auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit, Bl. 53 VA, medizinischer Teil). Entgegen der Ansicht der Klägerin erwähnte Dr. N. im Rahmen der Anamnese die Privatinsolvenz der Klägerin infolge eines Trickbetrugs (Bl. 48 VA, medizinischer Teil). Weshalb dies eine bipolare affektive Störung belege, wie die Klägerin meint, erschließt sich hingegen dem Senat nicht. Im Übrigen berücksichtigte Dr. N. , entgegen der Ansicht der Klägerin, auch die bisherigen stationären Aufenthalte im Z. E. (vgl. Bl. 52 VA, medizinischer Teil).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die 1981 geborene Klägerin war (eigenen Angaben zufolge) ab 1999 in verschiedenen Branchen versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Telefonistin. Ihr Versicherungsverlauf weist Pflichtbeitragszeiten zuletzt vom 12.10.2009 bis 11.04.2011 auf. In der Zeit vom 12.04.2011 bis 30.04.2013 bezog sie Arbeitslosengeld II. Danach liegen keine rentenrechtlichen Zeiten mehr vor. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf (Bl. 21 ff. LSG-Akte) Bezug genommen.
Im Vordergrund der gesundheitlichen Einschränkungen steht bei der Klägerin eine bipolare affektive Störung, wegen der sich die Klägerin ab 2005 (vgl. Bl. 23, 17, 19, 65 VA, medizinischer Teil, Bl. 109 SG-Akte) mehrmals zur Behandlung im Zentrum für Psychiatrie (Z. ) E. befand.
Am 20.02.2014 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, woraufhin die Beklagte das Gutachten mit ergänzender Stellungnahme des Psychiaters, Psychotherapeuten, Sucht- und Verkehrsmediziners Dr. N. auf Grund Untersuchung vom 22.04.2014 einholte (Bl. 45, 75 VA, medizinischer Teil). Die Klägerin gab diesem gegenüber an, sehr gesellig zu sein und gerne auf Feste zu gehen. Erst zum Jahreswechsel habe sie eine große Party gefeiert. Im Juli vergangenen Jahres habe sie standesamtlich geheiratet, derzeit plane sie ihre große Hochzeit mit allen Familienangehörigen für Oktober des Jahres. Zuletzt habe sie die standesamtliche Heirat der Schwester gefeiert. Als Freizeitbeschäftigung gab die Klägerin Kochen an, wenn sie Lust dazu habe. Sie informiere sich über das aktuelle Tagesgeschehen. Den Haushalt teile sie sich mit ihrem Ehemann: "Der könne schließlich auch etwas tun." Sie gehe gemeinsam mit ihm einkaufen, kümmere sich zudem um die Spülmaschine und räume manchmal auf. Der Gutachter diagnostizierte eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, histrionischen, selbstunsicheren und dependenten Anteilen und eine vordiagnostizierte bipolare affektive Störung, derzeit remittiert. Die Klägerin sei in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin wie auch sonstige Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine Tätigkeiten mit geistiger/psychischer Belastung) täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Auch unter Berücksichtigung des Aufenthalts im Z. E. im März/April 2014 ergebe sich keine andere Beurteilung. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 06.05.2014 und Widerspruchsbescheid vom 18.09.2014 ab.
Am 20.10.2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Nach Einholung der sachverständigen Zeugenauskunft des Neurologen und Psychiaters Dr. F. , bei dem sich die Klägerin seit 2010 in Behandlung befindet und der auf Grund der von ihm diagnostizierten bipolaren affektiven Störung, gegenwärtig depressive Episode, von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten ausgegangen ist (Bl. 19 SG-Akte), hat das Sozialgericht das Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. auf Grund Untersuchung vom 23.07.2015 eingeholt (Bl. 38 SG-Akte). Diesem gegenüber hat die Klägerin angegeben, sich Kinder zu wünschen. Sie unterhalte Kontakt zur Großfamilie und zwei Freundinnen. Im Haushalt beschäftige sie sich mit Kleinigkeiten. Den Großputz mache der Ehemann. Zum Tagesablauf hat die Klägerin ausgeführt, sie telefoniere regelmäßig mit der Mutter, räume die Küche auf, kaufe mit dem Fahrrad ein oder begleite den Ehemann zu Einkäufen mit dem Auto. Sie koche auf den Abend hin für sich und den Mann und gehe zwei- bis dreimal täglich mit dem H. raus, der ihr emotional viel Freude bereite. Unter Berücksichtigung dessen hat der Sachverständige eine weitgehend remittierte bipolare affektive Psychose und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Die Klägerin sei in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten an laufenden Maschinen, ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeitsbedingungen sowie ohne Leitungsfunktion acht Stunden täglich an fünf Tagen die Woche zu verrichten. Dieser Gesundheitszustand bestehe seit Juli 2013.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht darüber hinaus das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. auf Grund der Untersuchung vom 14.04.2016 eingeholt (Bl. 76 SG-Akte). Die Sachverständige hat eine bipolare affektive Störung mit häufigen manischen Exazerbationen, jedoch auch depressiven Zustandsbildern diagnostiziert. Ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom sei dokumentiert und die aktuell beklagte Schmerzstörung dürfte einer somatoformen Schmerzstörung entsprechen. Die bipolare affektive Störung stelle eine schwerwiegende Erkrankung dar, die mit hohem Rückfallrisiko bei erhöhten Belastungen einhergehe. Die Klägerin sei allenfalls in der Lage, einer geringfügigen Tätigkeit unter drei Stunden täglich nachzugehen. Dieser Gesundheitszustand bestehe seit Beginn der Erkrankung vor ungefähr zehn Jahren, jedenfalls seit Juni 2013. Die Vorgutachten hätten sich wenig kritisch mit der bisherigen Krankheitsgeschichte auseinandergesetzt und sich zu sehr auf den aktuellen Befund konzentriert. Der zeitliche Verlauf sei zu berücksichtigen. Dieser Längsschnitt zeige eine hohe Anfälligkeit und ein hohes Rückfallrisiko.
Unter Berücksichtigung der sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. D. (Bl. 120 f. SG-Akte), die ein unter dreistündiges Leistungsvermögen ab 15.02.2016 (stationäre Aufnahme im Z. Emmendingen) und damit außerhalb des Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen angenommen hat, hat das Sozialgericht der Klägerin mit Urteil vom 22.11.2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von Februar 2014 bis Januar 2017 zugesprochen und die darüber hinausgehende Klage abgewiesen. Hierbei hat sich das Sozialgericht im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. H. gestützt. Auch Dr. D. bestätige eine volle Erwerbsminderung auf Grund der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet. Entgegen deren Auffassung sei die Klägerin jedoch zumindest seit Juli 2013 - also dem Zeitpunkt, ab dem sich nach den sachverständigen Zeugenauskünften der Gesundheitszustand nicht mehr geändert habe und damit noch bei Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes drei Stunden oder mehr zu verrichten. Zwar zeigten sich die von Dr. W. und Dr. N. erhobenen Befunden relativ unauffällig. Der Längsschnitt der Erkrankung belege jedoch eine hohe Anfälligkeit und ein hohes Rückfallrisiko. In der Vergangenheit habe sich die Klägerin immer wieder in stationäre psychiatrische Behandlung begeben, die teilweise auch nur zu einer Teilremission geführt habe. Eine anhaltende seelische Stabilisierung habe nicht erreicht werden können.
Gegen das Urteil hat die Beklagte am 21.12.2016 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, eine volle Erwerbsminderung liege nachweisbar erst seit 15.02.2016 vor. Vor diesem Zeitpunkt ergebe sich aus den Befunden im Verlauf nur ein leicht reduzierter Antrieb bzw. eine leicht reduzierte Psychomotorik. Soweit das Sozialgericht von einem Leistungsfall im Juli 2013 ausgegangen sei, habe es diesen Zeitpunkt den behandelnden Ärzten im Rahmen seiner Anfrage selbst vorgegeben. Immerhin sei im Zeitraum Ende 2011 bis März 2014 keine stationäre Behandlung der Klägerin erfolgt. Die stationär behandelten Störungen seien jedes Mal von vorübergehender Natur gewesen und hätten zur schnellen Besserung geführt. Eine überdauernde Erkrankung habe nicht vorgelegen. Da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zuletzt im August 2014 vorgelegen hätten, bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung. Im Übrigen verweist sie auf die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. D. (Bl. 41 LSG-Akte).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.11.2016 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils, das Gutachten von Dr. H. und auf die von ihr vorgelegten Befundberichte des Dr. F. für den Zeitraum 2012 bis 2014 (Bl. 32 ff. LSG-Akte).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 06.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2014, soweit das Sozialgericht diese Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von Februar 2014 bis Januar 2017 verurteilt hat. Hiergegen wendet sich die Beklagte und nur sie hat Berufung eingelegt.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit verurteilt. Der Bescheid vom 06.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese ist trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihr steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts ergibt sich bei der Klägerin - im streitigen Zeitraum - kein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen. Vielmehr ist die Klägerin - jedenfalls bis Februar 2016 - in der Lage gewesen, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Bei der Klägerin liegen als für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens von Bedeutung ausschließlich Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet vor. Die Gutachter Dr. N. (Bl. 52 ff. VA, medizinischer Teil), Dr. W. (Bl. 47 ff. SG-Akte) und Dr. H. (Bl. 99 ff. SG-Akte) sind insoweit übereinstimmend - wenn auch den Ausprägungsgrad unterschiedlich beurteilend - von einer bipolaren affektiven Störung ausgegangen. Ob - wie Dr. N. und Dr. W. meinen - darüber hinaus eine - nach Darlegung von Dr. H. hiervon ohnehin schwer abgrenzbare - kombinierte Persönlichkeitsstörung bei der Klägerin vorliegt, kann dahinstehen. Für die vorliegend zu beurteilende Frage, inwieweit die Klägerin durch die psychische Erkrankung in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist weniger von Bedeutung, welchem Krankheitsbild die psychische Erkrankung zuzuordnen ist, als vielmehr, welche konkreten funktionellen Einschränkungen hieraus resultieren und inwieweit diese der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit entgegenstehen.
Weiter kann dahinstehen, ob sich, wie Dr. D. (Bl. 120 SG-Akte) dargelegt hat, ein unter dreistündiges Leistungsvermögen ab dem stationären Aufenthalt der Klägerin am 15.02.2016 anzunehmen ist, da zu diesem Zeitpunkt jedenfalls die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.
Voraussetzung für einen Rentenanspruch ist nach § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI auch, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufweist. Unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles am 15.02.2016 müsste die Klägerin in den letzten fünf Jahren, also im Zeitraum von 15.02.2011 bis 14.02.2016, mindestens 36 Monate Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt haben. Zwar verlängert sich vorliegend dieser Zeitraum wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI im Zeitraum von April 2011 bis April 2013 um 25 Monate, so dass für das Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Zeitraum vom 15.01.2009 bis 14.02.2016 maßgeblich ist. Die Klägerin hat jedoch in diesem Zeitraum lediglich 19 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt, nämlich von Oktober 2009 bis April 2011 (vgl. Bl. 22 ff. LSG-Akte). Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung scheitert bei Annahme eines Leistungsfalls ab Februar 2016 mithin schon an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Vor Februar 2016 ist zu keinem Zeitpunkt eine dauerhafte zeitliche Minderung des Leistungsvermögens der Klägerin nachgewiesen. Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen aber erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen - im Hinblick auf eine Rente wegen Erwerbsminderung - also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Entgegen der Einschätzung der Sachverständigen Dr. H. - und des Sozialgerichts - ergeben sich aus dem zeitlichen Verlauf der bipolaren affektiven Störung - insbesondere zwischen Mitte 2013 (dem vom Sozialgericht und Dr. H. angenommenen Versicherungsfall) und vor Februar 2016 - keine dauerhaften funktionellen Einschränkungen, die zu einer quantitativen Leistungsminderung führen, da über einzelne Dekompensationen hinaus anhaltende Beeinträchtigungen nicht festzustellen sind.
So hat Dr. D. (Bl. 121 SG-Akte) zutreffend darauf hingewiesen, dass Dr. N. anlässlich seiner Untersuchung im April 2014 die bipolare Störung als remittiert beschrieb. Dies ist nachvollziehbar, gab die Klägerin doch ein Freizeitverhalten und einen Tagesablauf an, die nicht auf wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen der Klägerin infolge einer manischen oder depressiven Phase schließen lassen (Bl. 47 f. VA, ärztlicher Teil). So beschrieb die Klägerin einen sehr guten Kontakt zu ihren vier Geschwistern, schilderte ihre Geselligkeit (Festbesuche) und ihre Pläne zur kirchlichen Trauung. Auch der Tagesablauf war nicht wesentlich beeinträchtigt (kocht, wenn sie Lust dazu hat, informiert sich über das aktuelle Tagesgeschehen, teilt sich den Haushalt mit ihrem Ehemann, räumt insbesondere manchmal auf, geht einkaufen und kümmert sich um die Spülmaschine). Dem entsprechend erhob Dr. N. einen Normalbefund bei der Klägerin. Über ihr gepflegtes Äußeres hinaus (Dauerwelle, gefärbte Haare, gepflegte Fingernägel) erschien die Klägerin freundlich, offen, auskunftsbereit und lachte im Rahmen der Untersuchung. Der Gutachter stellte keine Beeinträchtigung der Auffassungsgabe, der Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit oder Mnestik fest. Die affektive Schwingungsfähigkeit war ausreichend, ohne einen maniformen oder gehobenen Affekt. Ein Antriebs- oder Interessenmangel bestand - entgegen der Schilderung der Klägerin - gerade nicht.
Auch im Rahmen der Untersuchung durch Dr. W. am 23.07.2015 hat sich kein wesentlich anderes Bild der Klägerin gezeigt, worauf Dr. D. zutreffend hingewiesen hat (Bl. 121 SG-Akte). Dr. W. hat ebenfalls nur eine remittierte Symptomatik dokumentiert. So hat die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen weder einen sozialen Rückzug beschrieben (gute Kontakte zur Großfamilie und zwei Freundinnen) noch wesentliche Einschränkungen des Tagesablaufs (beschäftigt sich im Haushalt mit Kleinigkeiten, telefoniert regelmäßig mit der Mutter, räumt die Küche auf, kauft mit dem Fahrrad ein und begleitet den Ehemann zu Einkäufen mit dem Auto, kocht auf den Abend hin für sich und den Mann und gehe zwei- bis dreimal täglich mit dem Hund raus, der ihr emotional viel Freude bereitet, Bl. 40 ff. SG-Akte) dargelegt. Dem entsprechend hat sich auch hier der erhobene psychiatrische Befund (Bl. 44 ff. SG-Akte) als weitgehend unauffällig dargestellt (keine Minderung der Schwingungsfähigkeit und des Antriebs, dysphorisch-morose Stimmung, kognitive Fähigkeiten in der Norm), so dass der Sachverständige keine Hinweise auf eine depressive oder manische Symptomatik hat ausmachen können.
Zwar kam es in der Vergangenheit bei der Klägerin immer wieder zu Dekompensationen, wie die verschiedenen stationären Aufenthalte der Klägerin im Z. E. belegen. Diese sind jedoch über einen Zeitraum von knapp elf Jahren hinweg - August 2005 bis März 2016 - nur für wenige - und zum Teil sehr kurze - Zeiträume nachgewiesen (vgl. Bl. 23, 17, 19, 65 VA, medizinischer Teil, Bl. 109 SG-Akte), worauf die Beklagte im Rahmen der Berufungsbegründung zutreffend hinweist. Insbesondere erfolgten seit Rentenantragstellung lediglich zwei stationäre Aufenthalte der Klägerin im März/April 2014 und Februar/März 2016. Zudem waren die Dekompensationen - jedenfalls vor Februar 2016 - nur vorübergehender Natur. So führten die therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die Behandlung mit Medikamenten, im Rahmen des Aufenthaltes 2014 zu einer klinischen Besserung im Verlauf und zur Entlassung der Klägerin im teilremittierten Zustand (vgl. Bl. 69 VA, medizinischer Teil), was auch Dr. H. so eingeschätzt hat (Bl. 97 SG-Akte). Auch insoweit ist den Ausführungen der Beklagte zuzustimmen. Insbesondere bestätigte der Sachverständige Dr. N. , der die Klägerin am 22.04.2014 - also eine Woche nach Entlassung aus dem Z. E. - untersuchte, den Behandlungserfolg des stationären Aufenthalts, in dem er einen psychiatrischen Normalbefund erhob und auf das weitgehend unauffällige Freizeitverhalten und den Tagesablauf verwies (Bl. 47 f., 50 VA, medizinischer Teil). Dem entsprechend erfolgte seitens des Z. keine dauerhafte Änderung der antidepressiven Medikation, worauf Dr. N. ebenfalls zutreffend hinwies (Bl. 52 VA, medizinischer Teil). Die stationären Behandlungen der Klägerin führten zu einer Stabilisierung, so dass in der Zeit von November 2011 bis Februar 2014 und von Mai 2014 bis Januar 2016 keine stationären Aufenthalte erfolgten. Demgemäß ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Sachverständige Dr. H. bzw. das Sozialgericht gerade in einem behandlungsfreien Intervall von einer quantitativen Leistungsminderung ausgegangen ist.
Darüber hinaus sind auch den Befundberichten des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. F. für den Zeitraum Oktober 2012 bis Dezember 2014 (Bl. 32 ff. LSG-Akte) keine weitergehenden funktionellen Beeinträchtigungen zu entnehmen, worauf Dr. D. zutreffend hingewiesen hat (Bl. 41 LSG-Akte). Zwar gab die Klägerin gegenüber Dr. F. u.a. massive Antriebslosigkeit und Erschöpfung an (vgl. nur Bl. 32, 36 LSG-Akte), wobei sie trotz dieser Antriebslosigkeit im Juli 2013 von ihrer unmittelbar bevorstehenden Hochzeit berichtete (Bl. 34 LSG-Akte). Diese Beschwerdeschilderung bildete sich aber in den von Dr. Frey erhobenen Befunden gerade nicht ab. So hat Dr. F. die Klägerin durchgehend als im Kontakt freundlich zugewandt und kooperativ, adäquat, affektiv ausreichend schwingungsfähig, Antrieb und Psychomotorik allenfalls leicht reduziert beschrieben (Bl. 36, 37, 39 LSG-Akte). Sie lache auch. Im Verlauf der Behandlung hat die Klägerin selbst eine leichte Besserung angegeben (Bl. 37 LSG-Akte). Diese bestätigt sich schließlich im Juni 2015 (Bl. 51 SG-Akte), als Dr. F. die Klägerin als affektiv gut schwingungsfähig, Antrieb und Psychomotorik unauffällig beschrieb. Auch Dr. N. beschrieb solche Diskrepanzen zwischen dem subjektiven Beschwerdevorbringen (Antriebsmangel) und dem objektiven Befund und bewertete dies als sekundären Krankheitsgewinn (Bl. 53 VA, medizinischer Teil), was sowohl Dr. W. (Bl. 47 SG-Akte) als auch Dr. H. (Bl. 98 SG-Akte) bestätigt haben. Zutreffend wies Dr. N. darauf hin, dass die Klägerin Tätigkeiten, die ihr Spaß machen, selbst durchführt (Hochzeit vorbereiten, Feste besuchen), während sie andere Tätigkeiten, die ihr keine Freude bringen (Teil der Hausarbeit), an ihren Ehemann delegiert. Die Beeinträchtigungen im Tagesablauf sind damit jedoch nicht krankheitsbedingt im Sinne eines Nichtkönnens, sondern motivationsbedingt im Sinne eines Nichtwollen (so Dr. N. ), so dass die Klägerin bei zumutbarer Willensanspannung - wie Dr. N. und Dr. W. übereinstimmend angenommen haben - diese Einschränkungen überwinden kann.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren auf den Befundbericht des Dr. F. vom 24.07.2013 (Bl. 34 LSG-Akte) verweist, aus dem sich auf Grund des empfohlenen stationären Aufenthalts der Leistungsfall zu diesem Zeitpunkt ergebe, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Wie bereits ausgeführt, sind dem auch zu diesem Zeitpunkt erhobenen Befund (im Kontakt freundlich zugewandt und kooperativ, Stimmung ernst, affektiv durchaus schwingungsfähig, Antrieb und Psychomotorik wirkten leicht reduziert) gerade keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zu entnehmen, die eine quantitative Leistungsminderung begründen können, zumal die Klägerin selbst angab, noch im Juli 2013 zu heiraten. Darüber hinaus begab sich die Klägerin erst im März 2014 wieder in eine stationäre Behandlung, so dass ein wesentliche Leidensdruck gerade nicht nachvollziehbar ist. Schließlich hat auch Dr. H. die zeitliche Leistungsminderung nicht mit dem erhobenen Befund im Juli 2013 oder der Empfehlung des Dr. F. , sich erneut stationär behandeln zu lassen, begründet, sondern mit dem hohen Rückfallrisiko (Bl. 101 SG-Akte), was aber ebenfalls nicht zu einer Erwerbsminderung führt, sondern - jedenfalls im Zeitraum bis Februar - lediglich zu vorübergehenden Dekompensationen (s.o.).
Zusammenfassend ist es allenfalls möglich, keinesfalls jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt, dass bei der Klägerin vor Februar 2016 funktionelle Beeinträchtigungen bestanden haben, die eine quantitative Leistungsminderung - dann aber nur vorübergehend - begründete. Dr. H. hat - wie die obigen Ausführungen zeigen - nicht schlüssig erläutert, aus welchen Umständen sich aus der - dauerhaft bestehenden - Erkrankung eine überdauernde Leistungsminderung ergeben soll. Bei ihrer Einschätzung hat die Sachverständige gerade nicht die im zeitlichen Verlauf erhobenen Befunde in den Entlassungsberichten des Z. (Teilremission), den Berichten des Dr. F. und den Gutachten von Dr. N. und Dr. W. (jeweils weitgehend unauffälliger Befund) beachtet bzw. sich mit diesen auseinandergesetzt. Schon gar nicht schlüssig ist die Auffassung von Dr. H., dass ab Juli 2013 eine entsprechende Leistungsminderung bestanden haben soll, nachdem die Klägerin von November 2011 bis März 2014 weder stationär behandelt worden ist noch Dr. F. im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2014 einen auffälligen Befund beschrieb, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, und die in diesem Zeitraum erfolgten gutachterlichen Untersuchungen eine zeitliche Leistungseinschränkung gerade nicht bestätigt, sondern ausgeschlossen haben. Zudem hat die Sachverständige Dr. H. keine Änderung der Leistungsfähigkeit der Klägerin seit Juli 2013 erkannt, was im Hinblick auf die von ihr im selben Atemzug genannte aktuelle Dekompensation im Februar 2016 (Bl. 101 SG-Akte) und die ihr im Übrigen bekannte vergangene Dekompensation im März 2014 (Bl. 97 SG-Akte) nicht nachvollziehbar ist.
Darüber hinaus hat auch Dr. H. als Auslöser der Dekompensationen, die zu den stationären Aufenthalten im Z. E. führten, äußere Ereignisse (z.B. Todestag des Vaters, Absetzen der Medikamente) benannt (Bl. 91 SG-Akte). Die Sachverständige hat - zumindest für die Vergangenheit - ein hohes Rückfallrisiko "bei erhöhten Belastungen" gesehen. Nachvollziehbar hat die Sachverständige hieraus, ebenso wie Dr. N. und Dr. W., qualitative Einschränkungen bei der Ausübung von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes begründet (vgl. Bl. 100 SG-Akte), die u.a. zur Vermeidung erhöhter Belastungen führen sollen, wie z.B. keine Arbeiten im Publikumsverkehr, da solche eine maniforme Symptomatik auslösen könnten. Sie hat jedoch nicht erläutert, weshalb es trotz dieser Einschränkungen zu einer quantitativen Leistungsminderung bei entsprechenden leichten Tätigkeiten kommen soll.
Zu Gunsten der Klägerin legt der Senat sämtliche in den Gutachten des Dr. N. , Dr. W. und Dr. H. genannten qualitativen Einschränkungen bei der Ausübung leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu Grunde. Zusammenfassend sind der Klägerin Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die geistig-psychische Belastbarkeit (Dr. N. , Bl. 53 VA, medizinischer Teil) nicht zumutbar, ebenso wenig Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen, zu Akkord-, Fließband-, Schicht- oder Nachtarbeitsbedingungen (Dr. W., Bl. 48 SG-Akte). Zu vermeiden sind ferner Tätigkeiten mit gleichförmigen Körperhaltungen, häufigem Bücken oder Treppensteigen, unter klimatisch ungünstigen Bedingungen, mit Publikumsverkehr, mit Übernahme erhöhter Verantwortung, mit besonderer geistiger Beanspruchung, mit der Notwendigkeit eines erhöhten Konzentrationsvermögens und Tätigkeiten unter nervlicher Belastung (Dr. Hund, Bl. 100 SG-Akte).
Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass auch Dr. W. sie auf Grund fehlender Tagesstruktur für erwerbsgemindert erachte, da der Sachverständige vor Eingliederung in den Arbeitsprozess ein mehrwöchiges Training in einer psychiatrischen Tagesklinik zur Rückerlangung einer Tagesstruktur für sinnvoll halte, ist dies nicht zutreffend.
Unabhängig davon, dass der Sachverständige eine solche Maßnahme lediglich vor Wiedereintritt in das Arbeitsleben für "sinnvoll" erachtet (Bl. 48 SG-Akte), dies also nicht als zwingende Voraussetzung angesehen hat, ist Dr. W. jedenfalls davon ausgegangen, dass die fehlende Tagesstruktur durch mehrwöchige therapeutische Maßnahmen behoben werden kann. Es bestehen also auch unter Annahme einer Therapiebedürftigkeit keine Anhaltspunkte dafür, dass die durch eine psychische Störung bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit voraussichtlich auf längere Dauer, d.h. für länger als sechs Monate, besteht. Denn seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, die der Betroffene bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG a.a.O.).
Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass dem Gutachten des Dr. N. nicht zu folgen sei, weil dieser weder die fehlende Tagesstruktur erwähnte noch bewertete, ist dies nicht zutreffend. So erfragte Dr. N. den Tagesablauf der Klägerin (Bl. 48 VA, medizinischer Teil) und er unterzog diese Angaben im Rahmen der Epikrise einer Bewertung (bei zumutbarer Willensanstrengung kein Einfluss auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit, Bl. 53 VA, medizinischer Teil). Entgegen der Ansicht der Klägerin erwähnte Dr. N. im Rahmen der Anamnese die Privatinsolvenz der Klägerin infolge eines Trickbetrugs (Bl. 48 VA, medizinischer Teil). Weshalb dies eine bipolare affektive Störung belege, wie die Klägerin meint, erschließt sich hingegen dem Senat nicht. Im Übrigen berücksichtigte Dr. N. , entgegen der Ansicht der Klägerin, auch die bisherigen stationären Aufenthalte im Z. E. (vgl. Bl. 52 VA, medizinischer Teil).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Aus
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