Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 823/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3239/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2014 bis zum 31.10.2015 hat.
Der 1955 in der Türkei geborene Kläger bezog seit dem 01.10.2008 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit; mit Bescheid vom 02.02.2016 gewährte die Beklagte ihm ab dem 01.11.2015 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Am 01.10.2014 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. M., der in seinem Gutachten vom 07.12.2014 folgende Diagnosen angab: 1. Chronisches LWS-Syndrom bei nachgewiesenen ausgeprägten degenerativen Veränderungen insbesondere der unteren Lendenwirbelsäule mit deutlichen Osteochondrosen L4/5 und L5/S1 sowie Spondylarthrosen und Neuroforamenstenosen mit mittelschwerer Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung. 2. Chronisches HWS-Syndrom bei nachgewiesenen mäßigen degenerativen Veränderungen mit leichter Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung. 3. Impingementsyndrom beidseits, rechts etwas stärker ausgeprägt als links mit Schultereckgelenksarthrose beidseits bei Zustand nach subacromialer Dekompression 2006 links mit leichter bis mäßiger Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung beidseits. 4. Beginnende Dysplasiecoxarthrose beidseits mit leichter Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung beidseits. 5. Beginnende Gonarthrose beidseits, rechts mehr als links, mit begleitender Innenmeniskussymptomatik rechts mit leichter Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung. 6. Senk-Spreizfüße beidseits ohne wesentliche Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung. Zusammenfassend gelangte der Gutachter zu der Einschätzung, dass unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten, gün-stigerweise in wechselnder Arbeitsposition weiterhin sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar seien.
Mit Bescheid vom 22.12.2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab und führte zur Begründung aus, die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergeben, führten nicht zu einem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Zur Begründung seines hiergegen am 05.01.2015 eingelegten Widerspruchs legte der Kläger einen Bericht der Diagnostischen Gemeinschaftspraxis K. über eine kernspintomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule vom 16.09.2014 und einen Bericht des Facharztes für Orthopädie Dr. S. vom 25.09.2014 vor. Nach Einholung der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. S. vom 09.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2015 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 10.03.2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zu deren Begründung vorgetragen, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, es sei keine Restleistungsfähigkeit mehr gegeben. Er könne keine Arbeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten, außerdem sei der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen. Die Beklagte habe nicht alle bei ihm vorliegenden Krankheiten berücksichtigt; er leide außerdem unter Depressionen mit Schlafstörungen, Bluthochdruck, Prostatabeschwerden und Adipositas. Die gesundheitliche Situation habe sich kontinuierlich verschlechtert. Insbesondere die Gehfähigkeit sei deutlich schlechter geworden und das Gehen bereite ihm erhebliche Schmerzen. Längere Strecken über mehr als 500 Meter und längeres Stehen sei nicht mehr möglich. Auch soweit die vorliegenden Gesundheitsstörungen für sich alleine genommen nicht so schwergradig wären, dass sie zu einer Erwerbsminderung führten, sei er jedoch durch das Zusammenwirken der Erkrankungen und Beeinträchtigungen in seiner Leistungsfähigkeit so weitgehend eingeschränkt, dass die Gewährung einer Rente geboten sei.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie Dr. C. veranlasst. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. hat unter dem 09.06.2015 ausgeführt, der Kläger klage durchgehend über eine depressive Symptomatik wechselnder Ausprägung. In der Vergangenheit habe er schwere depressive Krankheitsphasen durchgemacht, aus seiner Sicht sei die psychische Belastbarkeit prinzipiell eingeschränkt. Er sei nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich dazu in der Lage, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleich welcher Art nachzugehen. Beigefügt hat er einen Bericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 26.05.2011 über einen dortigen stationären Aufenthalt vom 20.04.2011 bis 26.05.2011. Unter dem 13.06.2015 hat der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. angegeben, bei dem Kläger liege eine chronisch progrediente orthopädische Erkrankung vor. Die angegebene Tätigkeit als Eisenflechter, bei der es sich um schwerste körperliche Arbeit handle, sei zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung am 09.05.2014 nicht durchführbar gewesen. Die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. De M. hat in ihrer Aussage vom 15.06.2015 mitgeteilt, die von ihr diagnostizierte Hörminderung sowie der Tinnitus und die allergische Rhinitis seien keine festgestellten Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. hat angegeben, die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei nicht durch sie festgestellt worden, sondern sei orthopädisch und radiologisch gesichert und bekannt. In seiner Stellungnahme vom 07.07.2015 hat der Facharzt für Chirurgie und Proktologie Priv. Doz. Dr. M. angegeben, die auf seinem Fachgebiet bestehende Gesundheitsstörung sei vorübergehend. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. hat unter dem 10.09.2015 mitgeteilt, dem Kläger seien nur noch leichteste körperliche Tätigkeiten mit wiederholtem Sitzen und Stehen ohne längere Wegstrecken vier Stunden täglich zumutbar.
Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 28.01.2016 auf orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen angegeben: 1. Endgradige Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen; ohne segmentale sensomotorische Ausfälle an den oberen Extremitäten. 2. End- bis mittelgradige Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule aufgrund degenerativer Veränderungen (auch der unteren Brustwirbelsäule); Lumboischialgie rechts mit sensibler Wurzelirritation S1 (L5 ?); kernspintomographisch nachgewiesene multisegmentale Spinalkanalstenose, Spondylarthrosen, Foramineinengungen und (klinisch stumme) Bandscheibenvorfälle/-vorwölbungen in Höhe der Lendenwirbelsäule und der unteren Brustwirbelsäule, ohne motorische Ausfälle an den unteren Extremitäten; anamnestisch Hinweise auf eine Claudicatio spinalis; Schwächegefühl in beiden Oberschenkeln ohne hiermit einhergehende objektivierbare motorische Paresen oder Muskelatrophien. 3. Funktionseinschränkung mehr des rechten als des linken Schultergelenks aufgrund eines Impingementsyndroms rechts und nach subacromialer Dekompression links. 4. Endgradige Funktionsbeeinträchtigung mehr des rechten als des linken Hüftgelenks bei beginnender Dysplasie Coxarthrose beidseits. 5. Spreizfuß und Belastungs-Metatarsalgie beidseits. Zusammenfassend führte Dr. C. aus, der Kläger könne aus orthopädischer Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich eine leichte körperliche Arbeit verrichten. Er könnte auch viermal am Tag eine Wegstrecke von 500 Metern in einem Zeitraum von 20 Minuten zurücklegen.
Mit Urteil vom 27.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Der Kläger sei zwar auf Grund der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet in seinem Leistungsvermögen qualitativ eingeschränkt, leidensgerechte Tätigkeiten seien ihm aber noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar. Insoweit hat sich das SG der Leistungsbeurteilung durch Dr. C. angeschlossen, die in Übereinstimmung mit derjenigen des Dr. M. stehe. Die Aussagen der behandelnden Ärzte führten nicht zu einer anderen Beurteilung.
Gegen das ihm am 01.08.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.08.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, aus der sachverständigen Zeugenaussage des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. ergebe sich, dass er auf Grund seiner durchgehenden depressiven Symptomatik wechselnder Ausprägung in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit dermaßen eingeschränkt sei, dass er nur noch drei bis sechs Stunden täglich dazu in der Lage wäre, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleich welcher Art nachzugehen. Das SG sei der Ansicht gewesen, die Frage der Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit durch die psychische Erkrankung könne vernachlässigt werden, da der Kläger im Hinblick auf die im Jahr 2011 aufgetretene schwere depressive Episode, wegen der er im psychiatrischen Zentrum N. behandelt worden sei, unter Medikamenteneinnahme mit deutlicher Besserung entlassen worden sei. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit beruhe aber auch auf einem chronifizierten Zustand, der zu einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit führte. Auch aus den eher kurzen Behandlungsintervallen, zuletzt im Monatsabstand, ergebe sich, das im Hinblick auf die psychische Erkrankung ein hoher Leidensdruck bestehe. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Thematik im Rahmen anderer ärztlicher Berichte keine Erwähnung gefunden habe. Soweit beim Kläger im Hinblick auf die Begründung seiner Rechtsmittel die Frage der orthopädischen Erkrankung im Vordergrund gestanden habe, ändere dies nichts an dieser Beurteilung, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass insoweit auch eine somatoforme Störung zu den vom Kläger geklagten orthopädischen Beschwerden beitrage. Die Depressionserkrankung sei zudem vom Kläger auch bereits in seinem Rentenantrag angegeben worden. Es sei keine ausreichende Sachverhaltsaufklärung gegeben, insbesondere seien die psychiatrischen Erkrankungen nicht ausreichend gewürdigt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2015 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Oktober 2014 bis zum 31. Oktober 2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat im Rahmen der Beweisaufnahme Dr. D. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 28.08.2017 mitgeteilt, den Kläger am 07.10.2014, 13.01.2015, 14.04.2015, 19.05.2015 und 15.09.2015 behandelt zu haben. Diagnostisch sei er vom Vorliegen einer chronifizierten depressiven Verstimmung wechselnden Schweregrades ausgegangen. Er habe eine medikamentöse Behandlung mit 1 Citalopram 30 täglich eingeleitet. Zum letzten Wiedervorstellungstermin am 15.12.2015 sei der Kläger nicht erschienen. Eine gewisse psychische Stabilisierung sei bei dem Kläger zu erreichen gewesen, jedoch keine völlige Rückbildung der depressiven Symptomatik.
Zu der Aussage von Dr. D. hat die Beklagte die Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes durch Dr. S. vom 06.10.2017 vorgelegt. Wegen dessen Ausführungen wird auf Bl. 36 der Senatsakte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 12.10.2017 hat die Berichterstatterin die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden; den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 27.07.2016 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2015 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger im nach der Gewährung der Altersrente wegen Schwerbehinderung mit Bescheid vom 02.02.2016 allein noch streitigen Zeitraum vom 01.10.2014 bis 31.10.2015 keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Berufsrichter des Senats sind einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 12.10.2017 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Der Kläger hatte in dem noch streitigen Zeitraum vom 01.10.2014 bis 31.10.2015 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juli 2017, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).
Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente setzt beweisrechtlich voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R, Juris, Rdnr. 13) feststehen. Im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 24.10.1957, 10 RV 945/55 und Urteil vom 20.01.1977, 8 RU 52/76, Juris) der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Eine Beweislastentscheidung setzt voraus, dass zunächst alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft worden sind und sich die entscheidungserheblichen Tatsachen gleichwohl nicht feststellen lassen (BSG, Urteil vom 24.05.2006, B 11 AL 7/05 R, Juris).
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich dargelegt, dass in dem noch streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht bestand. Der Senat schließt sich zunächst den Ausführungen des SG nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch er sich - an dem dargestellten gesetzlichen Maßstab orientiert - nicht davon überzeugen konnte, dass der Kläger vor dem 31.10.2015 in seinem Leistungsvermögen in rentenbegründendem Ausmaß eingeschränkt war. Hinsichtlich der Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet verweist der Senat auf die Ausführungen des SG, das sich auf das auch für den Senat schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Dr. C. stützt. Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass der Kläger aufgrund der Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet im streitgegenständlichen Zeitraum in seinem Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden arbeitstäglich eingeschränkt war. Die Aussage des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. D. vom 28.08.2017 führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Dr. S. weist in seiner Stellungnahme vom 06.10.2017 überzeugend darauf hin, dass aus den Angaben des Dr. D. kein Beleg für ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen für jegliche Art von Tätigkeit abgeleitet werden kann. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung fand die Behandlung durch Dr. D. nicht engmaschig, sondern, abgesehen von den Terminen am 14.04.2015 und am 19.05.2015 im Abstand von etwa drei Monaten statt. Dr. D. nennt keine Befunde, die eine rentenrechtlich relevante Einschränkung des Leistungsvermögens begründen könnten. Er beschreibt vielmehr, dass eine psychische Stabilisierung zu erreichen war, wenngleich keine völlige Rückbildung der depressiven Symptomatik. Dr. S. weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass selbst wenn im streitigen Zeitraum eine gewisse depressive Restsymptomatik vorhanden gewesen sei, diese das Verrichten einer geeigneten, psychisch nicht sonderlich belastenden Arbeit nicht ausgeschlossen hätte. Eine schwergradige depressive Erkrankung lag nach Einschätzung von Dr. S. nicht vor, da diese eine deutlich höherfrequente Konsultation und eine intensivere Medikation erforderlich gemacht hätte und weder Dr. M. noch Dr. C. eine relevante depressive Verstimmung feststellen konnten. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an. Nachdem weitere Ermittlungsmöglichkeiten für den streitigen Zeitraum nicht ersichtlich sind, fehlt es am Nachweis einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung des Leistungsvermögens.
Im Hinblick auf das klägerische Vorbringen weist der Senat noch darauf hin, dass der Kläger darüber hinaus auch in der Lage war, einen Arbeitsplatz aufzusuchen; seine Wegefähigkeit war im streitigen Zeitraum nicht eingeschränkt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R und vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R, Juris). Das BSG hält dabei eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, für eine derart schwere Leistungseinschränkung, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Urteil vom 21.03.2006, B 5 RJ 51/04 unter Hinweis auf BSG Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95, Juris). Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, vom 19.11.1997, 5 RJ 16/97 und vom 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, Juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteile vom 19.11.1997, 5 RJ 16/97, vom 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R und vom 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R, Juris). Dr. C. hat insoweit schlüssig und für den Senat überzeugend dargelegt, dass bei der durch ihn durchgeführten Untersuchung an den unteren Extremitäten keine motorischen Paresen, keine Muskelatrophien und keine derart gravierenden Gelenkerkrankungen festzustellen waren, die verhindern könnten, dass der Kläger, erforderlichenfalls unter Einsatz von Gehhilfen, viermal am Tag eine Wegstrecke von 500 Metern in 20 Minuten zurücklegen könnte. Für den hier streitigen Zeitraum kann nichts anderes gelten.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenfolge beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2014 bis zum 31.10.2015 hat.
Der 1955 in der Türkei geborene Kläger bezog seit dem 01.10.2008 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit; mit Bescheid vom 02.02.2016 gewährte die Beklagte ihm ab dem 01.11.2015 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Am 01.10.2014 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. M., der in seinem Gutachten vom 07.12.2014 folgende Diagnosen angab: 1. Chronisches LWS-Syndrom bei nachgewiesenen ausgeprägten degenerativen Veränderungen insbesondere der unteren Lendenwirbelsäule mit deutlichen Osteochondrosen L4/5 und L5/S1 sowie Spondylarthrosen und Neuroforamenstenosen mit mittelschwerer Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung. 2. Chronisches HWS-Syndrom bei nachgewiesenen mäßigen degenerativen Veränderungen mit leichter Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung. 3. Impingementsyndrom beidseits, rechts etwas stärker ausgeprägt als links mit Schultereckgelenksarthrose beidseits bei Zustand nach subacromialer Dekompression 2006 links mit leichter bis mäßiger Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung beidseits. 4. Beginnende Dysplasiecoxarthrose beidseits mit leichter Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung beidseits. 5. Beginnende Gonarthrose beidseits, rechts mehr als links, mit begleitender Innenmeniskussymptomatik rechts mit leichter Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung. 6. Senk-Spreizfüße beidseits ohne wesentliche Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung. Zusammenfassend gelangte der Gutachter zu der Einschätzung, dass unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch leichte und gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten, gün-stigerweise in wechselnder Arbeitsposition weiterhin sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar seien.
Mit Bescheid vom 22.12.2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab und führte zur Begründung aus, die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergeben, führten nicht zu einem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Zur Begründung seines hiergegen am 05.01.2015 eingelegten Widerspruchs legte der Kläger einen Bericht der Diagnostischen Gemeinschaftspraxis K. über eine kernspintomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule vom 16.09.2014 und einen Bericht des Facharztes für Orthopädie Dr. S. vom 25.09.2014 vor. Nach Einholung der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. S. vom 09.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2015 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 10.03.2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zu deren Begründung vorgetragen, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, es sei keine Restleistungsfähigkeit mehr gegeben. Er könne keine Arbeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten, außerdem sei der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen. Die Beklagte habe nicht alle bei ihm vorliegenden Krankheiten berücksichtigt; er leide außerdem unter Depressionen mit Schlafstörungen, Bluthochdruck, Prostatabeschwerden und Adipositas. Die gesundheitliche Situation habe sich kontinuierlich verschlechtert. Insbesondere die Gehfähigkeit sei deutlich schlechter geworden und das Gehen bereite ihm erhebliche Schmerzen. Längere Strecken über mehr als 500 Meter und längeres Stehen sei nicht mehr möglich. Auch soweit die vorliegenden Gesundheitsstörungen für sich alleine genommen nicht so schwergradig wären, dass sie zu einer Erwerbsminderung führten, sei er jedoch durch das Zusammenwirken der Erkrankungen und Beeinträchtigungen in seiner Leistungsfähigkeit so weitgehend eingeschränkt, dass die Gewährung einer Rente geboten sei.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie Dr. C. veranlasst. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. hat unter dem 09.06.2015 ausgeführt, der Kläger klage durchgehend über eine depressive Symptomatik wechselnder Ausprägung. In der Vergangenheit habe er schwere depressive Krankheitsphasen durchgemacht, aus seiner Sicht sei die psychische Belastbarkeit prinzipiell eingeschränkt. Er sei nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich dazu in der Lage, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleich welcher Art nachzugehen. Beigefügt hat er einen Bericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 26.05.2011 über einen dortigen stationären Aufenthalt vom 20.04.2011 bis 26.05.2011. Unter dem 13.06.2015 hat der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. angegeben, bei dem Kläger liege eine chronisch progrediente orthopädische Erkrankung vor. Die angegebene Tätigkeit als Eisenflechter, bei der es sich um schwerste körperliche Arbeit handle, sei zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung am 09.05.2014 nicht durchführbar gewesen. Die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. De M. hat in ihrer Aussage vom 15.06.2015 mitgeteilt, die von ihr diagnostizierte Hörminderung sowie der Tinnitus und die allergische Rhinitis seien keine festgestellten Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. hat angegeben, die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei nicht durch sie festgestellt worden, sondern sei orthopädisch und radiologisch gesichert und bekannt. In seiner Stellungnahme vom 07.07.2015 hat der Facharzt für Chirurgie und Proktologie Priv. Doz. Dr. M. angegeben, die auf seinem Fachgebiet bestehende Gesundheitsstörung sei vorübergehend. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. hat unter dem 10.09.2015 mitgeteilt, dem Kläger seien nur noch leichteste körperliche Tätigkeiten mit wiederholtem Sitzen und Stehen ohne längere Wegstrecken vier Stunden täglich zumutbar.
Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 28.01.2016 auf orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen angegeben: 1. Endgradige Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen; ohne segmentale sensomotorische Ausfälle an den oberen Extremitäten. 2. End- bis mittelgradige Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule aufgrund degenerativer Veränderungen (auch der unteren Brustwirbelsäule); Lumboischialgie rechts mit sensibler Wurzelirritation S1 (L5 ?); kernspintomographisch nachgewiesene multisegmentale Spinalkanalstenose, Spondylarthrosen, Foramineinengungen und (klinisch stumme) Bandscheibenvorfälle/-vorwölbungen in Höhe der Lendenwirbelsäule und der unteren Brustwirbelsäule, ohne motorische Ausfälle an den unteren Extremitäten; anamnestisch Hinweise auf eine Claudicatio spinalis; Schwächegefühl in beiden Oberschenkeln ohne hiermit einhergehende objektivierbare motorische Paresen oder Muskelatrophien. 3. Funktionseinschränkung mehr des rechten als des linken Schultergelenks aufgrund eines Impingementsyndroms rechts und nach subacromialer Dekompression links. 4. Endgradige Funktionsbeeinträchtigung mehr des rechten als des linken Hüftgelenks bei beginnender Dysplasie Coxarthrose beidseits. 5. Spreizfuß und Belastungs-Metatarsalgie beidseits. Zusammenfassend führte Dr. C. aus, der Kläger könne aus orthopädischer Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich eine leichte körperliche Arbeit verrichten. Er könnte auch viermal am Tag eine Wegstrecke von 500 Metern in einem Zeitraum von 20 Minuten zurücklegen.
Mit Urteil vom 27.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Der Kläger sei zwar auf Grund der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet in seinem Leistungsvermögen qualitativ eingeschränkt, leidensgerechte Tätigkeiten seien ihm aber noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar. Insoweit hat sich das SG der Leistungsbeurteilung durch Dr. C. angeschlossen, die in Übereinstimmung mit derjenigen des Dr. M. stehe. Die Aussagen der behandelnden Ärzte führten nicht zu einer anderen Beurteilung.
Gegen das ihm am 01.08.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.08.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, aus der sachverständigen Zeugenaussage des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. ergebe sich, dass er auf Grund seiner durchgehenden depressiven Symptomatik wechselnder Ausprägung in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit dermaßen eingeschränkt sei, dass er nur noch drei bis sechs Stunden täglich dazu in der Lage wäre, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleich welcher Art nachzugehen. Das SG sei der Ansicht gewesen, die Frage der Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit durch die psychische Erkrankung könne vernachlässigt werden, da der Kläger im Hinblick auf die im Jahr 2011 aufgetretene schwere depressive Episode, wegen der er im psychiatrischen Zentrum N. behandelt worden sei, unter Medikamenteneinnahme mit deutlicher Besserung entlassen worden sei. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit beruhe aber auch auf einem chronifizierten Zustand, der zu einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit führte. Auch aus den eher kurzen Behandlungsintervallen, zuletzt im Monatsabstand, ergebe sich, das im Hinblick auf die psychische Erkrankung ein hoher Leidensdruck bestehe. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Thematik im Rahmen anderer ärztlicher Berichte keine Erwähnung gefunden habe. Soweit beim Kläger im Hinblick auf die Begründung seiner Rechtsmittel die Frage der orthopädischen Erkrankung im Vordergrund gestanden habe, ändere dies nichts an dieser Beurteilung, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass insoweit auch eine somatoforme Störung zu den vom Kläger geklagten orthopädischen Beschwerden beitrage. Die Depressionserkrankung sei zudem vom Kläger auch bereits in seinem Rentenantrag angegeben worden. Es sei keine ausreichende Sachverhaltsaufklärung gegeben, insbesondere seien die psychiatrischen Erkrankungen nicht ausreichend gewürdigt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2015 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Oktober 2014 bis zum 31. Oktober 2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat im Rahmen der Beweisaufnahme Dr. D. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 28.08.2017 mitgeteilt, den Kläger am 07.10.2014, 13.01.2015, 14.04.2015, 19.05.2015 und 15.09.2015 behandelt zu haben. Diagnostisch sei er vom Vorliegen einer chronifizierten depressiven Verstimmung wechselnden Schweregrades ausgegangen. Er habe eine medikamentöse Behandlung mit 1 Citalopram 30 täglich eingeleitet. Zum letzten Wiedervorstellungstermin am 15.12.2015 sei der Kläger nicht erschienen. Eine gewisse psychische Stabilisierung sei bei dem Kläger zu erreichen gewesen, jedoch keine völlige Rückbildung der depressiven Symptomatik.
Zu der Aussage von Dr. D. hat die Beklagte die Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes durch Dr. S. vom 06.10.2017 vorgelegt. Wegen dessen Ausführungen wird auf Bl. 36 der Senatsakte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 12.10.2017 hat die Berichterstatterin die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden; den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 27.07.2016 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2015 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger im nach der Gewährung der Altersrente wegen Schwerbehinderung mit Bescheid vom 02.02.2016 allein noch streitigen Zeitraum vom 01.10.2014 bis 31.10.2015 keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Berufsrichter des Senats sind einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 12.10.2017 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Der Kläger hatte in dem noch streitigen Zeitraum vom 01.10.2014 bis 31.10.2015 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juli 2017, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).
Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente setzt beweisrechtlich voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R, Juris, Rdnr. 13) feststehen. Im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 24.10.1957, 10 RV 945/55 und Urteil vom 20.01.1977, 8 RU 52/76, Juris) der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Eine Beweislastentscheidung setzt voraus, dass zunächst alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft worden sind und sich die entscheidungserheblichen Tatsachen gleichwohl nicht feststellen lassen (BSG, Urteil vom 24.05.2006, B 11 AL 7/05 R, Juris).
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich dargelegt, dass in dem noch streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht bestand. Der Senat schließt sich zunächst den Ausführungen des SG nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch er sich - an dem dargestellten gesetzlichen Maßstab orientiert - nicht davon überzeugen konnte, dass der Kläger vor dem 31.10.2015 in seinem Leistungsvermögen in rentenbegründendem Ausmaß eingeschränkt war. Hinsichtlich der Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet verweist der Senat auf die Ausführungen des SG, das sich auf das auch für den Senat schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Dr. C. stützt. Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass der Kläger aufgrund der Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet im streitgegenständlichen Zeitraum in seinem Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden arbeitstäglich eingeschränkt war. Die Aussage des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. D. vom 28.08.2017 führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Dr. S. weist in seiner Stellungnahme vom 06.10.2017 überzeugend darauf hin, dass aus den Angaben des Dr. D. kein Beleg für ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen für jegliche Art von Tätigkeit abgeleitet werden kann. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung fand die Behandlung durch Dr. D. nicht engmaschig, sondern, abgesehen von den Terminen am 14.04.2015 und am 19.05.2015 im Abstand von etwa drei Monaten statt. Dr. D. nennt keine Befunde, die eine rentenrechtlich relevante Einschränkung des Leistungsvermögens begründen könnten. Er beschreibt vielmehr, dass eine psychische Stabilisierung zu erreichen war, wenngleich keine völlige Rückbildung der depressiven Symptomatik. Dr. S. weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass selbst wenn im streitigen Zeitraum eine gewisse depressive Restsymptomatik vorhanden gewesen sei, diese das Verrichten einer geeigneten, psychisch nicht sonderlich belastenden Arbeit nicht ausgeschlossen hätte. Eine schwergradige depressive Erkrankung lag nach Einschätzung von Dr. S. nicht vor, da diese eine deutlich höherfrequente Konsultation und eine intensivere Medikation erforderlich gemacht hätte und weder Dr. M. noch Dr. C. eine relevante depressive Verstimmung feststellen konnten. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an. Nachdem weitere Ermittlungsmöglichkeiten für den streitigen Zeitraum nicht ersichtlich sind, fehlt es am Nachweis einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung des Leistungsvermögens.
Im Hinblick auf das klägerische Vorbringen weist der Senat noch darauf hin, dass der Kläger darüber hinaus auch in der Lage war, einen Arbeitsplatz aufzusuchen; seine Wegefähigkeit war im streitigen Zeitraum nicht eingeschränkt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R und vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R, Juris). Das BSG hält dabei eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, für eine derart schwere Leistungseinschränkung, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Urteil vom 21.03.2006, B 5 RJ 51/04 unter Hinweis auf BSG Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95, Juris). Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, vom 19.11.1997, 5 RJ 16/97 und vom 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, Juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteile vom 19.11.1997, 5 RJ 16/97, vom 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R und vom 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R, Juris). Dr. C. hat insoweit schlüssig und für den Senat überzeugend dargelegt, dass bei der durch ihn durchgeführten Untersuchung an den unteren Extremitäten keine motorischen Paresen, keine Muskelatrophien und keine derart gravierenden Gelenkerkrankungen festzustellen waren, die verhindern könnten, dass der Kläger, erforderlichenfalls unter Einsatz von Gehhilfen, viermal am Tag eine Wegstrecke von 500 Metern in 20 Minuten zurücklegen könnte. Für den hier streitigen Zeitraum kann nichts anderes gelten.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenfolge beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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