Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 327/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1221/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.01.2017 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2014 aufgehoben, soweit der Bescheid vom 14.07.1992 für die Zeit vom 01.07.2002 bis 30.09.2014 teilweise aufgehoben und ein Betrag in Höhe von 11.285,59 EUR erstattet verlangt wurde.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung einer großen Witwenrente für die Vergangenheit und die Erstattung überzahlter Witwenrente streitig.
Die 1956 geborene Klägerin bezieht seit 07.02.1992 von der Beklagten eine sog. große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes mit einem Zahlbetrag von monatlich 1.348,57 DM ab 01.09.1992 (Rentenbescheid vom 14.07.1992). Der Bescheid enthielt Hinweise zu Mitteilungspflichten der Klägerin. Insoweit findet sich auf Seite 3 der Hinweis, dass Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe haben können. Daher bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen (Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, vergleichbares Einkommen) oder von Ersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Weiter heißt es auf Seite 4: "Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung."
Die Klägerin nahm nach vorangegangenen kürzeren Beschäftigungen und Zeiten der Arbeitslosigkeit im Jahr 1999 eine Erwerbstätigkeit auf, wobei das Erwerbseinkommen bis 30.06.2002 unterhalb der maßgeblichen Einkommensgrenze lag. Die Aufnahme der Tätigkeit und das Überschreiten der Einkommensgrenze zu dem bei der Beklagten für den verstorbenen Ehemann der Klägerin geführten Versicherungskonto und damit zur Witwenrente wurde erst am 01.04.2014 im Zusammenhang mit einem Wechsel innerhalb des Konzerns, für den die Klägerin arbeitet, durch die Beklagte vorgenommen.
Nach entsprechender Prüfung hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 25.07.2014 zur teilweisen Aufhebung und Erstattung der Witwenrente an. Ab dem 01.07.2002 ergebe sich auf die Rente anrechenbares Einkommen. Es sei daher beabsichtigt, den Bescheid vom 14.07.1992 mit Wirkung ab 01.07.2002 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben und die Überzahlung für die Zeit vom 01.07.2002 bis 31.08.2014 in Höhe von 22.571,56 EUR nach § 50 Abs. l SGB X zurückzufordern. Die Klägerin sei ihrer gesetzlichen Mitteilungspflicht nicht nachgekommen. Zudem habe die Klägerin den Wegfall, das Ruhen bzw. die Kürzung des Rentenanspruchs gekannt bzw. hätte dies erkennen müssen. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für die beabsichtigte Entscheidung nach Lage der Akten erfüllt, da die Klägerin Einkommen erzielt habe, das zum Wegfall oder zur Minderung ihres Rentenanspruchs geführt habe. Die Klägerin erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Hiervon machte die Klägerin Gebrauch und führte mit Schreiben vom 05.08.2014 aus, sie habe nicht gewusst, dass es bei der Beklagten keine Verbindung zwischen ihrem eigenen und dem Rentenkonto ihres verstorbenen Ehemannes gegeben habe. Sie habe dem Rentenbescheid vom 14.07.1992 trotz seines Umfangs entnommen, dass die Rente gegen ein künftiges Gehalt verrechnet werde. Sie sei damals aber Hausfrau und Mutter gewesen. Erst 1999 habe sie, zunächst in Teilzeit, angefangen zu arbeiten. Sie sei davon ausgegangen, dass sie, so lange sie in Teilzeit arbeite, unter dem Freibetrag liege und sich die Beklagte melde, sobald sie den Freibetrag überschreite. Da sie auf Lohnsteuerkarte und angemeldet in einem großen Konzern gearbeitet habe, sei sie auch davon ausgegangen, dass die Beklagte über ihre Berufstätigkeit und das erzielte Einkommen automatisch informiert werde. Dies umso mehr, als sie bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 1999 mit der Beklagten telefonisch Kontakt aufgenommen habe, die Arbeitsaufnahme angezeigt habe und ihr dort auch ein entsprechender Hinweis gegeben worden sei, dass die Beklagte durch die Meldung des Arbeitgebers bzw. der Krankenkasse informiert werde. Einer Rückzahlung der zu viel gezahlten Rente widerspreche sie ausdrücklich, zumal sie auch finanziell keine Möglichkeit sehe, eine solche Rückzahlung zu leisten. Die Rente habe sie zum täglichen Leben verbraucht und all die Jahre auf den Bestandschutz des Rentenbescheids vom 14.07.1992 vertraut.
Mit Bescheid vom 18.08.2014 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab dem 28.04.1997 neu, wobei sich erst ab dem 01.07.2002 eine Kürzung ergab. Für die Zeit ab 01.10.2014 belaufe sich der monatliche Zahlbetrag auf 621,76 EUR. Für die Zeit vom 28.04.1997 bis 30.09.2014 ergebe sich eine Überzahlung von 11.285,59 EUR. Dieser Betrag sei zu erstatten. In Anlage 10 zu diesem Bescheid führte die Beklagte aus, der Rentenbescheid vom 14.07.1992 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01.07.2002 nach § 48 SGB X aufgehoben. Die entstandene Überzahlung sei zu erstatten. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin gem. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht berufen. Der Witwenrentenbescheid habe den eindeutigen Hinweis enthalten, dass die gesetzliche Verpflichtung bestehe, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen unverzüglich mitzuteilen. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen. Auch habe die Klägerin aufgrund der im Bescheid erteilten Hinweise gewusst, dass erzieltes Einkommen zum Wegfall oder zur Minderung ihres Rentenanspruchs führen könne (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 SGB X). Die von ihr im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Gründe seien bei der Ermessensausübung insoweit zu ihren Gunsten berücksichtigt worden, als der Bescheid nur teilweise aufgehoben werde. Unter dem Gesichtspunkt eines gleichgewichtigen Verschuldens der Klägerin und der Beklagten erscheine eine Reduzierung der entstandenen Überzahlung auf den ausgewiesenen Betrag angemessen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin vom 17.09.2014 blieb ohne Erfolg und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2014 zurückgewiesen.
Hiergegen richtete sich die am Montag, den 02.02.2015 zum Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage. Zur Begründung trug die Klägerin vor, die Beklagte trage die alleinige Verantwortung für die Überzahlung. Eine Verletzung der Mitteilungspflichten liege nicht vor. Zum einen sei der Beklagten die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses über den Arbeitgeber angezeigt worden. Überdies habe sie, die Klägerin, sich im Jahr 1999 telefonisch bei der Beklagten gemeldet, um die Arbeitsaufnahme anzuzeigen, woraufhin ihr mitgeteilt worden sei, diese Mitteilung erfolge an die Beklagte ohnehin durch den Arbeitgeber und die Krankenkasse. Sie, die Klägerin, sei zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen worden, dass sie die Daten unter einer entsprechenden Versicherungsnummer zu melden habe. Es sei alleiniges Verschulden der Beklagten, dass die ihr korrekt gemeldeten Daten bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt worden seien.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der am 14.07.1992 erteilte Bescheid sei zum einen rechtswidrig, weil die von der Klägerin erzielten Einkünfte bei der nach § 97 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) durchzuführenden Einkommensanrechnung nicht in Ansatz gebracht worden seien und zum anderen begünstigend, weil der Klägerin dadurch über das gesetzliche Maß hinaus Rentenbeiträge in Höhe von 22.571,56 EUR zugeflossen seien. Daher sei zu prüfen gewesen, ob unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X eine Korrektur des Bescheids vom 14.07.1992 zu erfolgen habe. Der Entscheidung, den genannten Bescheid hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, habe dabei kein schutzwürdiges Vertrauen entgegengestanden, da die Klägerin weder aus sachlichen Gründen noch aus zeitlichen Gründen auf den Bestand des Verwaltungsaktes habe vertrauen können. Der rechtswidrige Bescheid beruhe auf Angaben, die die Klägerin zumindest grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und unvollständig gemacht habe. Unterrichtet über ihre Mitteilungspflichten (S. 3 und 4 des Bescheids vom 14.07.1992) hätte die Klägerin ihr, der Beklagten, anzeigen müssen, dass sie anrechenbare Einkünfte beziehe. Es entlaste die Klägerin nicht, dass das bestehende Beschäftigungsverhältnis bzw. der Bezug von Arbeitslosengeld an den Rentenversicherungsträger gemeldet worden sei, denn die Klägerin habe nicht sicher sein dürfen, dass der Arbeitgeber bzw. die Agentur für Arbeit den für die Bearbeitung der Hinterbliebenenrente zuständigen Rentenversicherungsträger informiere. Sollte die Klägerin der Ansicht gewesen sein, die Rentenberechnung unter Außerachtlassung des Erwerbseinkommens bzw. Ersatzeinkommen sei richtig, müsse dafür die Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße vermutet werden. Es liege sowohl eine Fallkonstellation im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X als auch eine Fallkonstellation im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor. Obwohl sich danach die angeordnete Bescheidrücknahme als geboten erweise, sei noch zu berücksichtigen gewesen, dass im vorliegenden Fall auch ein Mitverschulden ihrerseits am Zustandekommen der Überzahlung einzuräumen gewesen sei. Dieser Umstand habe im Wege des Ermessens Berücksichtigung gefunden, weshalb der Erstattungsanspruch auf die Hälfte reduziert worden sei. Ein alleiniges Verschulden ihrerseits am Zustandekommen der Überzahlung könne nach alldem nicht gesehen werden.
Mit Urteil vom 27.01.2017 wies das SG die Klage ab. Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Beklagte habe vorliegend zu Recht die Witwenrente der Klägerin rückwirkend neu berechnet und eine eingetretene Überzahlung zur Erstattung geltend gemacht. Rechtsgrundlage für die vorliegend angefochtene Entscheidung der Beklagten sei die Regelung des § 48 SGB X. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 14.07.1992, mit welchem der Klägerin ab dem 07.02.1992 eine Witwenrente gewährt worden sei, handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Sinne von § 48 Abs. l Satz 1 SGB X. Zwischen den Beteiligten sei auch unstreitig, dass in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei, da die Klägerin im Folgezeitraum Einkommen erzielt habe, das die Hinzuverdienstgrenze überschritten habe. Damit sei gemäß § 48 Abs. l Satz 1 SGB X der ursprüngliche Rentenbescheid mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gewesen. Darüber hinaus habe die Beklagte vorliegend zutreffend gemäß Satz 2 der Vorschrift den Rentenbescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben und die Klägerin zur Erstattung der erfolgten Überzahlung aufgefordert. Nach dem ermittelten Sachverhalt stehe fest, dass die Klägerin nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 14.07.1992 Einkommen im Sinne von § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 3 SGB X erzielt habe, welches zumindest zur Minderung ihres Rentenanspruchs geführt habe. Die Voraussetzungen für eine Aufhebungsentscheidung für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 3 SGB X seien somit erfüllt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes "solle" in einem solchen Fall der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - d.h. mithin auch für die Vergangenheit - aufgehoben werden. Nur bei Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalles bestehe ein Ermessen der Behörde dahingehend, von der rückwirkenden Aufhebung (teilweise) abzusehen. Die Prüfung der Frage, ob ein solcher atypischer Fall vorliege, sei dabei nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären, sondern vielmehr als Rechtsvoraussetzung von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Vorliegend seien die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen, dass im Falle der streitigen Aufhebungsentscheidung der Beklagten von einem solchen atypischen Fall auszugehen sei. Dies halte der gerichtlichen Überprüfung stand. Auch die erkennende Kammer gehe nach eigener Prüfung vom Vorliegen eines solchen atypischen Falles aus. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass durch die entsprechenden Meldungen des Arbeitgebers der Klägerin zur Sozialversicherung an die Beklagte die Erwerbstätigkeit der Klägerin von Anfang an bekannt gewesen sei. Die Meldungen seien bei der Beklagten allerdings lediglich dem Versicherungskonto der Klägerin zugeordnet worden. Ein Abgleich mit dem Versicherungskonto des verstorbenen Ehemannes der Klägerin sei nicht erfolgt. Auch ein Verweis im Versicherungskonto der Klägerin auf den Bezug der Witwenrente sei offensichtlich nicht vorhanden gewesen. Vor diesem Hintergrund sei zur Überzeugung der erkennenden Kammer von einem mitwirkenden Fehlverhalten der Beklagten auszugehen, das zu der hier eingetretenen Überzahlung beigetragen habe und einen atypischen Fall begründe. Bei Vorliegen eines atypischen Falles sei der Behörde hinsichtlich der Aufhebungsentscheidung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. l Satz 2 SGB X Ermessen eingeräumt. Zur Überzeugung der erkennenden Kammer halte die in der angefochtenen Entscheidung der Beklagten vorgenommene Begründung der rechtlichen Ermessensprüfung stand. Es liege kein Ermessensfehler vor. Die Beklagte habe bei ihrer Aufhebungsentscheidung das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt und hierbei die widerstreitenden Gesichtspunkte, die für und gegen eine komplette / teilweise Aufhebung der Witwenrente sprächen, dargestellt und gegeneinander abgewogen. Insbesondere sei hierbei berücksichtigt worden, dass einerseits innerhalb der Sachbearbeitung bei der Beklagten über den gesamten Zeitraum von 1992 bis 2014 keine Verknüpfung der beiden Versicherungskonten der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes erfolgt sei, andererseits von Seiten der Klägerin trotz entsprechender Hinweise zu den Hinzuverdienstregelungen im Witwenrentenbescheid über den gesamten Zeitraum hinweg keine Mitteilungen oder Nachfragen an die Beklagte gerichtet worden seien. Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbar begründeten Ermessensabwägung sei die Beklagte zu dem Ergebnis einer lediglich teilweisen Aufhebung der bewilligten Witwenrente gekommen. Dies sei im Rahmen der eingeschränkten Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen durch die Gerichte rechtlich nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte im vorliegenden Fall die Bewilligung der Witwenrente der Klägerin zu Recht mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. l Satz 2 SGB X teilweise aufgehoben. Die Zehn-Jahres-Frist gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3, S. 3-5 SGB X sei ebenfalls berücksichtigt worden. Die Aufhebung sei mit Wirkung ab dem 01.07.2002 erfolgt. Die einjährige Handlungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei ebenfalls eingehalten. Die Erstattungspflicht der Klägerin ergebe sich aus § 50 Abs. l SGB X. Nach alledem erweise sich die angefochtene Entscheidung der Beklagten als rechtmäßig.
Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 06.03.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 28.03.2017 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung der Klägerin. In Übereinstimmung mit dem SG und der Beklagten sei im vorliegenden Fall von einem atypischen Fall im Sinne des § 48 SGB X auszugehen. Dies bedinge daher eine Ermessensentscheidung der Beklagten. Soweit die Beklagte ihr Ermessen dahingehend ausgeübt habe, dass ihr, der Klägerin, lediglich die Hälfte des überzahlten Betrages erlassen werde, liege entgegen der Ansicht des SG jedoch ein Ermessensfehler vor. Das Urteil des SG lasse nicht erkennen, worin ihr Fehlverhalten zu sehen sei. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass sie der Beklagten die erstmalige Aufnahme der Beschäftigung angezeigt habe. Darüber hinaus sei bei der Ausübung des Ermessens durch die Beklagten übersehen worden, dass sich nach dem Rentenbescheid vom 14.07.1992 keine Meldepflicht bzgl. Veränderungen im Hinblick auf die Erzielung von Einkommen ergebe, wenn eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen werde. Die Behörden könnten vom Bürger keine Mitteilungs- oder Mitwirkungspflichten verlangen, zu denen sie ausdrücklich erklärt hätten, solche seien ihr gegenüber entbehrlich. Schließlich liege ein Ermessensfehlgebrauch auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen vor. Angesichts eines Witwenrentenanspruchs, der erheblich unter der gesetzlichen Pfändungsfreigrenze bleibe, sei eine Zahlungsaufforderung über 11.000,- EUR auf Grund eines behördeninternen Fehlers im höchsten Maße unangemessen und unverhältnismäßig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.01.2017 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2014 aufzuheben, soweit der Bescheid vom 14.07.1992 für die Zeit vom 01.07.2002 bis 30.09.2014 teilweise aufgehoben und ein Betrag in Höhe von 11.285,59 EUR erstattet verlangt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf das nach Ansicht der Beklagten zutreffende Urteil des SG sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte verwiesen. Die telefonische Meldung der Klägerin sei nicht nachgewiesen. Zum anderen sei auch nicht belegt, ob die Klägerin in diesem Telefonat auch auf den Bezug einer Witwenrente hingewiesen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten des Senats sowie des SG und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt, sie ist zulässig und in der Sache begründet. Das SG hat mit Urteil vom 27.01.2017 die Klage zu Unrecht vollumfänglich abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2014 erweist sich bzgl. der teilweisen Aufhebung für die Vergangenheit und teilweisen Erstattung der Überzahlung als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2014 soweit er die der Klägerin mit Bescheid vom 14.07.1992 bewilligte große Witwenrente teilweise für die Vergangenheit für die Zeit vom 01.07.2002 bis 30.09.2014 aufhebt und einen Erstattungsbetrag in Höhe von 11.285,59 EUR festsetzt. Die in den streitgegenständlichen Bescheiden verfügte Aufhebung für die Zukunft ist demgegenüber nicht streitig. Diese hat die Klägerin ausweislich ihres Vorbringens im Widerspruchsverfahren sowie ihrer diesbezüglichen Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13.12.2017 nicht angegriffen.
Der Bescheid der Beklagten beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschriften sind zwar erfüllt; zutreffend rügt die Klägerin jedoch Ermessensfehler.
Gem. § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den zum Zeitpunkt seines Erlasses vorgelegenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB X), nach Antragstellung oder Erlass des Bescheides Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs.1 S. 2 Nr. 3 SGB X) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X).
Die Witwenrente der Klägerin wurde durch Bescheid vom 14.07.1992 ohne Anrechnung von Einkommen berechnet. Bei diesem Rentenbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da mit ihm ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten begründet worden ist (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 16.02.1984, - 1 RA 15/83 -, in juris).
Der Rentenbewilligungsbescheid vom 14.07.1992 war zum Zeitpunkt seines Erlasses auch rechtmäßig, sodass sich die Rücknahme des Verwaltungsakts nach den Voraussetzungen des § 48 SGB X und nicht nach § 45 SGB X richtet. Die Klägerin hat - auf Dauer angelegt - erstmals 1999 Einkommen bezogen. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wird das Einkommen (§§ 18a bis 18e Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente oder Witwerrente zusammentrifft, grundsätzlich hierauf angerechnet. Die näheren Anrechnungsmodalitäten sind dabei in § 97 Abs. 1 Satz 2 SGB VI und § 97 Abs. 2 SGB VI geregelt. Diesen Vorgaben ist die Beklagte nunmehr nachgekommen. Insoweit wird auf die ausführliche Berechnung im Bescheid vom 18.08.2014 (die von der Klägerin nicht beanstandet wird), Bezug genommen. Nach den Berechnungen der Beklagten hat das Einkommen jedoch erstmals im Juli 2002 eine Höhe erreicht hat, die zu einer Anrechnung auf die bewilligte Witwenrente führte. Insoweit ist daher auch erst ab Juli 2002 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Rentenbewilligungsbescheides vorlagen, eingetreten. Diese Änderung ist auch wesentlich.
Damit liegen für die Zeit ab 01.07.2002 die Voraussetzungen für eine teilweise Aufhebung der mit Bescheid vom 14.07.1992 erfolgten Rentenbewilligung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor. Ob im Falle der Klägerin zudem auch die Voraussetzungen der Aufhebungsvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X (Verletzung einer Mitteilungspflicht) erfüllt sind, wovon die Beklagte im angegriffenen Bescheid ausgeht, kann der Senat an dieser Stelle offen lassen, da bereits die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt sind. Maßgeblich ist insoweit allein, dass die Klägerin Einkommen tatsächlich erzielte. Auf ein Verschulden oder eine Bösgläubigkeit der Klägerin kommt es nicht an.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes "soll" in einem solchen Fall der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - d.h. mithin auch für die Vergangenheit - aufgehoben werden. Hierbei bedeutet die Verwendung des Wortes "soll", dass der jeweilige Leistungsträger, hier die Beklagte, in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, die Behörde somit gebunden ist. Nur bei Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalles besteht ein Ermessen der Behörde dahingehend, von der rückwirkenden Aufhebung (teilweise) abzusehen (Steinwedel in Kass. Komm, § 48 SGB X, Rz. 39). Die Prüfung der Frage, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt, ist dabei von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Ein solcher atypischer Fall, d.h. Ausnahmefall, liegt vor, wenn der Einzelfall aufgrund seiner besonderen Umstände vom Regelfall der Tatbestände nach Abs. 1 Satz 2, die die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, abweicht (BSG, Urteil vom 24.09.1996, - 10 RKg 9/85 -, in juris). Dabei ist etwa einzubeziehen, ob die mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbundene Pflicht zur Erstattung für den Leistungsbezieher eine stärkere Belastung bedeutet als für einen im Normalfall hierdurch Betroffenen. Auch das Verhalten des Leistungsträgers, wie etwa ein mitwirkendes Fehlverhalten, findet hierbei Berücksichtigung (Steinwedel in Kass. Komm., § 48 SGB X Rz. 36, 37 m.w.N.).
Zutreffend ging das SG im vorliegenden Fall von einer Atypik aus. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass durch die entsprechenden Meldungen des Arbeitgebers der Klägerin zur Sozialversicherung an die Beklagte die Erwerbstätigkeit der Klägerin von Anfang an bekannt gewesen ist. Die Meldungen wurden bei der Beklagten allerdings lediglich dem Versicherungskonto der Klägerin zugeordnet. Ein Abgleich mit dem Versicherungskonto des verstorbenen Ehemannes der Klägerin erfolgte nicht. Auch ein Verweis im Versicherungskonto der Klägerin auf den Bezug der Witwenrente war offensichtlich nicht vorhanden. Vor diesem Hintergrund ist zur Überzeugung des Senats zumindest von einem mitwirkenden Fehlverhalten der Beklagten auszugehen, das zu der hier eingetretenen Überzahlung beigetragen hat und einen atypischen Fall im Sinne der oben dargestellten Grundsätze begründet. Dies gilt auch unter dem Aspekt, dass die Beklagte aufgrund der missverständlichen Hinweise im Bescheid vom 14.07.1992 einen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte, so dass die Klägerin die erhaltenen Leistungen gutgläubig verbraucht hat. Sie konnte darauf vertrauen, dass die Beklagte automatisch und laufend über die Höhe des Erwerbseinkommens informiert wird und eine Verbindung zwischen ihrem Versicherungskonto und dem des verstorbenen Ehegatten besteht. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des LSG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 15.03.2017 (L 6 R 183/16, in juris) an.
Die Beklagte war hiernach zur Ermessensausübung verpflichtet. Dieses Ermessen ist hierbei entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Auf diese pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch (vgl. § 39 Abs. 1 SGB I). Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft lediglich, ob ein Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch diesen beschwert ist. Für die Rechtskontrolle durch das Gericht ist die Begründung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides wesentlich. Dass von dem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist, muss sich aus den Begründungen ergeben; sie müssen die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Verwaltung ausgegangen ist. Die Berücksichtigung und Angabe der Besonderheiten des Einzelfalls kennzeichnet eine ordnungsgemäße Ermessensausübung (LSG Stuttgart, Urteil vom 21.07.2015, - L 11 KR 1257/15 -, in juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. A. § 54 SGG, Rn. 28). Zu den Ermessensfehlern zählen Ermessensnichtgebrauch, Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt, ferner wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen oder wenn sie die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.11.2010, Az. B 2 U 10/10 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2015, a.a.O.).
Vorliegend hat die Beklagte unzutreffend eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht der Klägerin in die Ermessenserwägungen eingestellt. Nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin bei der Erstaufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 1999 die Beklagte über die Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit telefonisch informiert hat. Über dieses stattgefundene Telefongespräch hat sie durchgehend, erstmals bereits im Rahmen der Anhörung, berichtet. Nachvollziehbar und zur vollen Überzeugung des Senats hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dieses Telefonat geschildert, wonach der damals zuständige Sachbearbeiter die telefonische Auskunft erteilt hat, dass eine gesonderte Meldung nicht zu erfolgen habe, da es sich um eine versicherungspflichtige Tätigkeit handele, die automatisch der Beklagten gemeldet werde. Dies erklärt für den Senat auch nachvollziehbar, warum das Telefonat nicht in den Akten der Beklagten festgehalten wurde. Offensichtlich sah der damalige Sachbearbeiter keine Relevanz. Dies kann zwar an der Nennung der im vorliegenden nicht maßgeblichen Versicherungsnummer der Klägerin gelegen haben. Auf die Notwendigkeit zur Nennung der Versicherungsnummer des Verstorbenen hat die Beklagte die Klägerin jedoch weder im Rentenbescheid vom 14.07.1992 noch bei diesem Telefongespräch hingewiesen. Hat die Klägerin damit ihre Mitteilungspflicht bei der Arbeitsaufnahme erfüllt, so hat sie gleichzeitig die von der Beklagten angenommene Mitteilungspflicht im Zusammenhang mit der Einkommenserhöhung nicht grob fahrlässig verletzt, denn nach den eigenen Hinweisen zur Mitteilungspflicht im Bescheid vom 14.07.1992 bestand keine Mitteilungspflicht zur Meldung von Veränderungen bzgl. rentenversicherungspflichtiger Beschäftigungen. Die Klägerin hat sich insoweit nach den Hinweisen der Beklagten verhalten.
Ist der Klägerin damit der Vorwurf der grob fahrlässigen Verletzung von Mitteilungspflichten bzw. Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Überzahlung nicht zu machen, ist die Beklagte bei ihren Ermessenserwägungen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, der zu einem rechtlich relevanten und vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler führt. Vor diesem Hintergrund ist unerheblich, dass die Beklagte die Bewilligung nur in dem Umfang aufgehoben hat, um den der Hinzuverdienst die relevante Grenze tatsächlich überschritten hat (BSG, Urteil vom 23.03.1995, - 13 RJ 39/94 -, in juris). Der Bescheid vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2014 stellt sich bzgl. der Vergangenheit als rechtswidrig dar und war folglich aufzuheben. Gleiches gilt für das klageabweisende Urteil des SG.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung einer großen Witwenrente für die Vergangenheit und die Erstattung überzahlter Witwenrente streitig.
Die 1956 geborene Klägerin bezieht seit 07.02.1992 von der Beklagten eine sog. große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes mit einem Zahlbetrag von monatlich 1.348,57 DM ab 01.09.1992 (Rentenbescheid vom 14.07.1992). Der Bescheid enthielt Hinweise zu Mitteilungspflichten der Klägerin. Insoweit findet sich auf Seite 3 der Hinweis, dass Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe haben können. Daher bestehe die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen (Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, vergleichbares Einkommen) oder von Ersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Weiter heißt es auf Seite 4: "Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung."
Die Klägerin nahm nach vorangegangenen kürzeren Beschäftigungen und Zeiten der Arbeitslosigkeit im Jahr 1999 eine Erwerbstätigkeit auf, wobei das Erwerbseinkommen bis 30.06.2002 unterhalb der maßgeblichen Einkommensgrenze lag. Die Aufnahme der Tätigkeit und das Überschreiten der Einkommensgrenze zu dem bei der Beklagten für den verstorbenen Ehemann der Klägerin geführten Versicherungskonto und damit zur Witwenrente wurde erst am 01.04.2014 im Zusammenhang mit einem Wechsel innerhalb des Konzerns, für den die Klägerin arbeitet, durch die Beklagte vorgenommen.
Nach entsprechender Prüfung hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 25.07.2014 zur teilweisen Aufhebung und Erstattung der Witwenrente an. Ab dem 01.07.2002 ergebe sich auf die Rente anrechenbares Einkommen. Es sei daher beabsichtigt, den Bescheid vom 14.07.1992 mit Wirkung ab 01.07.2002 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben und die Überzahlung für die Zeit vom 01.07.2002 bis 31.08.2014 in Höhe von 22.571,56 EUR nach § 50 Abs. l SGB X zurückzufordern. Die Klägerin sei ihrer gesetzlichen Mitteilungspflicht nicht nachgekommen. Zudem habe die Klägerin den Wegfall, das Ruhen bzw. die Kürzung des Rentenanspruchs gekannt bzw. hätte dies erkennen müssen. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für die beabsichtigte Entscheidung nach Lage der Akten erfüllt, da die Klägerin Einkommen erzielt habe, das zum Wegfall oder zur Minderung ihres Rentenanspruchs geführt habe. Die Klägerin erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Hiervon machte die Klägerin Gebrauch und führte mit Schreiben vom 05.08.2014 aus, sie habe nicht gewusst, dass es bei der Beklagten keine Verbindung zwischen ihrem eigenen und dem Rentenkonto ihres verstorbenen Ehemannes gegeben habe. Sie habe dem Rentenbescheid vom 14.07.1992 trotz seines Umfangs entnommen, dass die Rente gegen ein künftiges Gehalt verrechnet werde. Sie sei damals aber Hausfrau und Mutter gewesen. Erst 1999 habe sie, zunächst in Teilzeit, angefangen zu arbeiten. Sie sei davon ausgegangen, dass sie, so lange sie in Teilzeit arbeite, unter dem Freibetrag liege und sich die Beklagte melde, sobald sie den Freibetrag überschreite. Da sie auf Lohnsteuerkarte und angemeldet in einem großen Konzern gearbeitet habe, sei sie auch davon ausgegangen, dass die Beklagte über ihre Berufstätigkeit und das erzielte Einkommen automatisch informiert werde. Dies umso mehr, als sie bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 1999 mit der Beklagten telefonisch Kontakt aufgenommen habe, die Arbeitsaufnahme angezeigt habe und ihr dort auch ein entsprechender Hinweis gegeben worden sei, dass die Beklagte durch die Meldung des Arbeitgebers bzw. der Krankenkasse informiert werde. Einer Rückzahlung der zu viel gezahlten Rente widerspreche sie ausdrücklich, zumal sie auch finanziell keine Möglichkeit sehe, eine solche Rückzahlung zu leisten. Die Rente habe sie zum täglichen Leben verbraucht und all die Jahre auf den Bestandschutz des Rentenbescheids vom 14.07.1992 vertraut.
Mit Bescheid vom 18.08.2014 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab dem 28.04.1997 neu, wobei sich erst ab dem 01.07.2002 eine Kürzung ergab. Für die Zeit ab 01.10.2014 belaufe sich der monatliche Zahlbetrag auf 621,76 EUR. Für die Zeit vom 28.04.1997 bis 30.09.2014 ergebe sich eine Überzahlung von 11.285,59 EUR. Dieser Betrag sei zu erstatten. In Anlage 10 zu diesem Bescheid führte die Beklagte aus, der Rentenbescheid vom 14.07.1992 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01.07.2002 nach § 48 SGB X aufgehoben. Die entstandene Überzahlung sei zu erstatten. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin gem. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht berufen. Der Witwenrentenbescheid habe den eindeutigen Hinweis enthalten, dass die gesetzliche Verpflichtung bestehe, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen unverzüglich mitzuteilen. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen. Auch habe die Klägerin aufgrund der im Bescheid erteilten Hinweise gewusst, dass erzieltes Einkommen zum Wegfall oder zur Minderung ihres Rentenanspruchs führen könne (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 SGB X). Die von ihr im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Gründe seien bei der Ermessensausübung insoweit zu ihren Gunsten berücksichtigt worden, als der Bescheid nur teilweise aufgehoben werde. Unter dem Gesichtspunkt eines gleichgewichtigen Verschuldens der Klägerin und der Beklagten erscheine eine Reduzierung der entstandenen Überzahlung auf den ausgewiesenen Betrag angemessen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin vom 17.09.2014 blieb ohne Erfolg und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2014 zurückgewiesen.
Hiergegen richtete sich die am Montag, den 02.02.2015 zum Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage. Zur Begründung trug die Klägerin vor, die Beklagte trage die alleinige Verantwortung für die Überzahlung. Eine Verletzung der Mitteilungspflichten liege nicht vor. Zum einen sei der Beklagten die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses über den Arbeitgeber angezeigt worden. Überdies habe sie, die Klägerin, sich im Jahr 1999 telefonisch bei der Beklagten gemeldet, um die Arbeitsaufnahme anzuzeigen, woraufhin ihr mitgeteilt worden sei, diese Mitteilung erfolge an die Beklagte ohnehin durch den Arbeitgeber und die Krankenkasse. Sie, die Klägerin, sei zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen worden, dass sie die Daten unter einer entsprechenden Versicherungsnummer zu melden habe. Es sei alleiniges Verschulden der Beklagten, dass die ihr korrekt gemeldeten Daten bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt worden seien.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der am 14.07.1992 erteilte Bescheid sei zum einen rechtswidrig, weil die von der Klägerin erzielten Einkünfte bei der nach § 97 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) durchzuführenden Einkommensanrechnung nicht in Ansatz gebracht worden seien und zum anderen begünstigend, weil der Klägerin dadurch über das gesetzliche Maß hinaus Rentenbeiträge in Höhe von 22.571,56 EUR zugeflossen seien. Daher sei zu prüfen gewesen, ob unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X eine Korrektur des Bescheids vom 14.07.1992 zu erfolgen habe. Der Entscheidung, den genannten Bescheid hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, habe dabei kein schutzwürdiges Vertrauen entgegengestanden, da die Klägerin weder aus sachlichen Gründen noch aus zeitlichen Gründen auf den Bestand des Verwaltungsaktes habe vertrauen können. Der rechtswidrige Bescheid beruhe auf Angaben, die die Klägerin zumindest grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und unvollständig gemacht habe. Unterrichtet über ihre Mitteilungspflichten (S. 3 und 4 des Bescheids vom 14.07.1992) hätte die Klägerin ihr, der Beklagten, anzeigen müssen, dass sie anrechenbare Einkünfte beziehe. Es entlaste die Klägerin nicht, dass das bestehende Beschäftigungsverhältnis bzw. der Bezug von Arbeitslosengeld an den Rentenversicherungsträger gemeldet worden sei, denn die Klägerin habe nicht sicher sein dürfen, dass der Arbeitgeber bzw. die Agentur für Arbeit den für die Bearbeitung der Hinterbliebenenrente zuständigen Rentenversicherungsträger informiere. Sollte die Klägerin der Ansicht gewesen sein, die Rentenberechnung unter Außerachtlassung des Erwerbseinkommens bzw. Ersatzeinkommen sei richtig, müsse dafür die Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße vermutet werden. Es liege sowohl eine Fallkonstellation im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X als auch eine Fallkonstellation im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor. Obwohl sich danach die angeordnete Bescheidrücknahme als geboten erweise, sei noch zu berücksichtigen gewesen, dass im vorliegenden Fall auch ein Mitverschulden ihrerseits am Zustandekommen der Überzahlung einzuräumen gewesen sei. Dieser Umstand habe im Wege des Ermessens Berücksichtigung gefunden, weshalb der Erstattungsanspruch auf die Hälfte reduziert worden sei. Ein alleiniges Verschulden ihrerseits am Zustandekommen der Überzahlung könne nach alldem nicht gesehen werden.
Mit Urteil vom 27.01.2017 wies das SG die Klage ab. Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Beklagte habe vorliegend zu Recht die Witwenrente der Klägerin rückwirkend neu berechnet und eine eingetretene Überzahlung zur Erstattung geltend gemacht. Rechtsgrundlage für die vorliegend angefochtene Entscheidung der Beklagten sei die Regelung des § 48 SGB X. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 14.07.1992, mit welchem der Klägerin ab dem 07.02.1992 eine Witwenrente gewährt worden sei, handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Sinne von § 48 Abs. l Satz 1 SGB X. Zwischen den Beteiligten sei auch unstreitig, dass in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei, da die Klägerin im Folgezeitraum Einkommen erzielt habe, das die Hinzuverdienstgrenze überschritten habe. Damit sei gemäß § 48 Abs. l Satz 1 SGB X der ursprüngliche Rentenbescheid mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gewesen. Darüber hinaus habe die Beklagte vorliegend zutreffend gemäß Satz 2 der Vorschrift den Rentenbescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben und die Klägerin zur Erstattung der erfolgten Überzahlung aufgefordert. Nach dem ermittelten Sachverhalt stehe fest, dass die Klägerin nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 14.07.1992 Einkommen im Sinne von § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 3 SGB X erzielt habe, welches zumindest zur Minderung ihres Rentenanspruchs geführt habe. Die Voraussetzungen für eine Aufhebungsentscheidung für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 3 SGB X seien somit erfüllt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes "solle" in einem solchen Fall der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - d.h. mithin auch für die Vergangenheit - aufgehoben werden. Nur bei Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalles bestehe ein Ermessen der Behörde dahingehend, von der rückwirkenden Aufhebung (teilweise) abzusehen. Die Prüfung der Frage, ob ein solcher atypischer Fall vorliege, sei dabei nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären, sondern vielmehr als Rechtsvoraussetzung von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Vorliegend seien die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen, dass im Falle der streitigen Aufhebungsentscheidung der Beklagten von einem solchen atypischen Fall auszugehen sei. Dies halte der gerichtlichen Überprüfung stand. Auch die erkennende Kammer gehe nach eigener Prüfung vom Vorliegen eines solchen atypischen Falles aus. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass durch die entsprechenden Meldungen des Arbeitgebers der Klägerin zur Sozialversicherung an die Beklagte die Erwerbstätigkeit der Klägerin von Anfang an bekannt gewesen sei. Die Meldungen seien bei der Beklagten allerdings lediglich dem Versicherungskonto der Klägerin zugeordnet worden. Ein Abgleich mit dem Versicherungskonto des verstorbenen Ehemannes der Klägerin sei nicht erfolgt. Auch ein Verweis im Versicherungskonto der Klägerin auf den Bezug der Witwenrente sei offensichtlich nicht vorhanden gewesen. Vor diesem Hintergrund sei zur Überzeugung der erkennenden Kammer von einem mitwirkenden Fehlverhalten der Beklagten auszugehen, das zu der hier eingetretenen Überzahlung beigetragen habe und einen atypischen Fall begründe. Bei Vorliegen eines atypischen Falles sei der Behörde hinsichtlich der Aufhebungsentscheidung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. l Satz 2 SGB X Ermessen eingeräumt. Zur Überzeugung der erkennenden Kammer halte die in der angefochtenen Entscheidung der Beklagten vorgenommene Begründung der rechtlichen Ermessensprüfung stand. Es liege kein Ermessensfehler vor. Die Beklagte habe bei ihrer Aufhebungsentscheidung das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt und hierbei die widerstreitenden Gesichtspunkte, die für und gegen eine komplette / teilweise Aufhebung der Witwenrente sprächen, dargestellt und gegeneinander abgewogen. Insbesondere sei hierbei berücksichtigt worden, dass einerseits innerhalb der Sachbearbeitung bei der Beklagten über den gesamten Zeitraum von 1992 bis 2014 keine Verknüpfung der beiden Versicherungskonten der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes erfolgt sei, andererseits von Seiten der Klägerin trotz entsprechender Hinweise zu den Hinzuverdienstregelungen im Witwenrentenbescheid über den gesamten Zeitraum hinweg keine Mitteilungen oder Nachfragen an die Beklagte gerichtet worden seien. Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbar begründeten Ermessensabwägung sei die Beklagte zu dem Ergebnis einer lediglich teilweisen Aufhebung der bewilligten Witwenrente gekommen. Dies sei im Rahmen der eingeschränkten Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen durch die Gerichte rechtlich nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte im vorliegenden Fall die Bewilligung der Witwenrente der Klägerin zu Recht mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. l Satz 2 SGB X teilweise aufgehoben. Die Zehn-Jahres-Frist gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3, S. 3-5 SGB X sei ebenfalls berücksichtigt worden. Die Aufhebung sei mit Wirkung ab dem 01.07.2002 erfolgt. Die einjährige Handlungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei ebenfalls eingehalten. Die Erstattungspflicht der Klägerin ergebe sich aus § 50 Abs. l SGB X. Nach alledem erweise sich die angefochtene Entscheidung der Beklagten als rechtmäßig.
Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 06.03.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 28.03.2017 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung der Klägerin. In Übereinstimmung mit dem SG und der Beklagten sei im vorliegenden Fall von einem atypischen Fall im Sinne des § 48 SGB X auszugehen. Dies bedinge daher eine Ermessensentscheidung der Beklagten. Soweit die Beklagte ihr Ermessen dahingehend ausgeübt habe, dass ihr, der Klägerin, lediglich die Hälfte des überzahlten Betrages erlassen werde, liege entgegen der Ansicht des SG jedoch ein Ermessensfehler vor. Das Urteil des SG lasse nicht erkennen, worin ihr Fehlverhalten zu sehen sei. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass sie der Beklagten die erstmalige Aufnahme der Beschäftigung angezeigt habe. Darüber hinaus sei bei der Ausübung des Ermessens durch die Beklagten übersehen worden, dass sich nach dem Rentenbescheid vom 14.07.1992 keine Meldepflicht bzgl. Veränderungen im Hinblick auf die Erzielung von Einkommen ergebe, wenn eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen werde. Die Behörden könnten vom Bürger keine Mitteilungs- oder Mitwirkungspflichten verlangen, zu denen sie ausdrücklich erklärt hätten, solche seien ihr gegenüber entbehrlich. Schließlich liege ein Ermessensfehlgebrauch auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen vor. Angesichts eines Witwenrentenanspruchs, der erheblich unter der gesetzlichen Pfändungsfreigrenze bleibe, sei eine Zahlungsaufforderung über 11.000,- EUR auf Grund eines behördeninternen Fehlers im höchsten Maße unangemessen und unverhältnismäßig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.01.2017 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2014 aufzuheben, soweit der Bescheid vom 14.07.1992 für die Zeit vom 01.07.2002 bis 30.09.2014 teilweise aufgehoben und ein Betrag in Höhe von 11.285,59 EUR erstattet verlangt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf das nach Ansicht der Beklagten zutreffende Urteil des SG sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte verwiesen. Die telefonische Meldung der Klägerin sei nicht nachgewiesen. Zum anderen sei auch nicht belegt, ob die Klägerin in diesem Telefonat auch auf den Bezug einer Witwenrente hingewiesen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten des Senats sowie des SG und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt, sie ist zulässig und in der Sache begründet. Das SG hat mit Urteil vom 27.01.2017 die Klage zu Unrecht vollumfänglich abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2014 erweist sich bzgl. der teilweisen Aufhebung für die Vergangenheit und teilweisen Erstattung der Überzahlung als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2014 soweit er die der Klägerin mit Bescheid vom 14.07.1992 bewilligte große Witwenrente teilweise für die Vergangenheit für die Zeit vom 01.07.2002 bis 30.09.2014 aufhebt und einen Erstattungsbetrag in Höhe von 11.285,59 EUR festsetzt. Die in den streitgegenständlichen Bescheiden verfügte Aufhebung für die Zukunft ist demgegenüber nicht streitig. Diese hat die Klägerin ausweislich ihres Vorbringens im Widerspruchsverfahren sowie ihrer diesbezüglichen Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13.12.2017 nicht angegriffen.
Der Bescheid der Beklagten beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschriften sind zwar erfüllt; zutreffend rügt die Klägerin jedoch Ermessensfehler.
Gem. § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den zum Zeitpunkt seines Erlasses vorgelegenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB X), nach Antragstellung oder Erlass des Bescheides Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs.1 S. 2 Nr. 3 SGB X) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X).
Die Witwenrente der Klägerin wurde durch Bescheid vom 14.07.1992 ohne Anrechnung von Einkommen berechnet. Bei diesem Rentenbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da mit ihm ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten begründet worden ist (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 16.02.1984, - 1 RA 15/83 -, in juris).
Der Rentenbewilligungsbescheid vom 14.07.1992 war zum Zeitpunkt seines Erlasses auch rechtmäßig, sodass sich die Rücknahme des Verwaltungsakts nach den Voraussetzungen des § 48 SGB X und nicht nach § 45 SGB X richtet. Die Klägerin hat - auf Dauer angelegt - erstmals 1999 Einkommen bezogen. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wird das Einkommen (§§ 18a bis 18e Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente oder Witwerrente zusammentrifft, grundsätzlich hierauf angerechnet. Die näheren Anrechnungsmodalitäten sind dabei in § 97 Abs. 1 Satz 2 SGB VI und § 97 Abs. 2 SGB VI geregelt. Diesen Vorgaben ist die Beklagte nunmehr nachgekommen. Insoweit wird auf die ausführliche Berechnung im Bescheid vom 18.08.2014 (die von der Klägerin nicht beanstandet wird), Bezug genommen. Nach den Berechnungen der Beklagten hat das Einkommen jedoch erstmals im Juli 2002 eine Höhe erreicht hat, die zu einer Anrechnung auf die bewilligte Witwenrente führte. Insoweit ist daher auch erst ab Juli 2002 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Rentenbewilligungsbescheides vorlagen, eingetreten. Diese Änderung ist auch wesentlich.
Damit liegen für die Zeit ab 01.07.2002 die Voraussetzungen für eine teilweise Aufhebung der mit Bescheid vom 14.07.1992 erfolgten Rentenbewilligung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor. Ob im Falle der Klägerin zudem auch die Voraussetzungen der Aufhebungsvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X (Verletzung einer Mitteilungspflicht) erfüllt sind, wovon die Beklagte im angegriffenen Bescheid ausgeht, kann der Senat an dieser Stelle offen lassen, da bereits die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt sind. Maßgeblich ist insoweit allein, dass die Klägerin Einkommen tatsächlich erzielte. Auf ein Verschulden oder eine Bösgläubigkeit der Klägerin kommt es nicht an.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes "soll" in einem solchen Fall der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - d.h. mithin auch für die Vergangenheit - aufgehoben werden. Hierbei bedeutet die Verwendung des Wortes "soll", dass der jeweilige Leistungsträger, hier die Beklagte, in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, die Behörde somit gebunden ist. Nur bei Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalles besteht ein Ermessen der Behörde dahingehend, von der rückwirkenden Aufhebung (teilweise) abzusehen (Steinwedel in Kass. Komm, § 48 SGB X, Rz. 39). Die Prüfung der Frage, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt, ist dabei von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Ein solcher atypischer Fall, d.h. Ausnahmefall, liegt vor, wenn der Einzelfall aufgrund seiner besonderen Umstände vom Regelfall der Tatbestände nach Abs. 1 Satz 2, die die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, abweicht (BSG, Urteil vom 24.09.1996, - 10 RKg 9/85 -, in juris). Dabei ist etwa einzubeziehen, ob die mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbundene Pflicht zur Erstattung für den Leistungsbezieher eine stärkere Belastung bedeutet als für einen im Normalfall hierdurch Betroffenen. Auch das Verhalten des Leistungsträgers, wie etwa ein mitwirkendes Fehlverhalten, findet hierbei Berücksichtigung (Steinwedel in Kass. Komm., § 48 SGB X Rz. 36, 37 m.w.N.).
Zutreffend ging das SG im vorliegenden Fall von einer Atypik aus. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass durch die entsprechenden Meldungen des Arbeitgebers der Klägerin zur Sozialversicherung an die Beklagte die Erwerbstätigkeit der Klägerin von Anfang an bekannt gewesen ist. Die Meldungen wurden bei der Beklagten allerdings lediglich dem Versicherungskonto der Klägerin zugeordnet. Ein Abgleich mit dem Versicherungskonto des verstorbenen Ehemannes der Klägerin erfolgte nicht. Auch ein Verweis im Versicherungskonto der Klägerin auf den Bezug der Witwenrente war offensichtlich nicht vorhanden. Vor diesem Hintergrund ist zur Überzeugung des Senats zumindest von einem mitwirkenden Fehlverhalten der Beklagten auszugehen, das zu der hier eingetretenen Überzahlung beigetragen hat und einen atypischen Fall im Sinne der oben dargestellten Grundsätze begründet. Dies gilt auch unter dem Aspekt, dass die Beklagte aufgrund der missverständlichen Hinweise im Bescheid vom 14.07.1992 einen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte, so dass die Klägerin die erhaltenen Leistungen gutgläubig verbraucht hat. Sie konnte darauf vertrauen, dass die Beklagte automatisch und laufend über die Höhe des Erwerbseinkommens informiert wird und eine Verbindung zwischen ihrem Versicherungskonto und dem des verstorbenen Ehegatten besteht. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des LSG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 15.03.2017 (L 6 R 183/16, in juris) an.
Die Beklagte war hiernach zur Ermessensausübung verpflichtet. Dieses Ermessen ist hierbei entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Auf diese pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch (vgl. § 39 Abs. 1 SGB I). Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft lediglich, ob ein Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch diesen beschwert ist. Für die Rechtskontrolle durch das Gericht ist die Begründung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides wesentlich. Dass von dem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist, muss sich aus den Begründungen ergeben; sie müssen die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Verwaltung ausgegangen ist. Die Berücksichtigung und Angabe der Besonderheiten des Einzelfalls kennzeichnet eine ordnungsgemäße Ermessensausübung (LSG Stuttgart, Urteil vom 21.07.2015, - L 11 KR 1257/15 -, in juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. A. § 54 SGG, Rn. 28). Zu den Ermessensfehlern zählen Ermessensnichtgebrauch, Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt, ferner wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen oder wenn sie die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.11.2010, Az. B 2 U 10/10 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2015, a.a.O.).
Vorliegend hat die Beklagte unzutreffend eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht der Klägerin in die Ermessenserwägungen eingestellt. Nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin bei der Erstaufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 1999 die Beklagte über die Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit telefonisch informiert hat. Über dieses stattgefundene Telefongespräch hat sie durchgehend, erstmals bereits im Rahmen der Anhörung, berichtet. Nachvollziehbar und zur vollen Überzeugung des Senats hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dieses Telefonat geschildert, wonach der damals zuständige Sachbearbeiter die telefonische Auskunft erteilt hat, dass eine gesonderte Meldung nicht zu erfolgen habe, da es sich um eine versicherungspflichtige Tätigkeit handele, die automatisch der Beklagten gemeldet werde. Dies erklärt für den Senat auch nachvollziehbar, warum das Telefonat nicht in den Akten der Beklagten festgehalten wurde. Offensichtlich sah der damalige Sachbearbeiter keine Relevanz. Dies kann zwar an der Nennung der im vorliegenden nicht maßgeblichen Versicherungsnummer der Klägerin gelegen haben. Auf die Notwendigkeit zur Nennung der Versicherungsnummer des Verstorbenen hat die Beklagte die Klägerin jedoch weder im Rentenbescheid vom 14.07.1992 noch bei diesem Telefongespräch hingewiesen. Hat die Klägerin damit ihre Mitteilungspflicht bei der Arbeitsaufnahme erfüllt, so hat sie gleichzeitig die von der Beklagten angenommene Mitteilungspflicht im Zusammenhang mit der Einkommenserhöhung nicht grob fahrlässig verletzt, denn nach den eigenen Hinweisen zur Mitteilungspflicht im Bescheid vom 14.07.1992 bestand keine Mitteilungspflicht zur Meldung von Veränderungen bzgl. rentenversicherungspflichtiger Beschäftigungen. Die Klägerin hat sich insoweit nach den Hinweisen der Beklagten verhalten.
Ist der Klägerin damit der Vorwurf der grob fahrlässigen Verletzung von Mitteilungspflichten bzw. Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Überzahlung nicht zu machen, ist die Beklagte bei ihren Ermessenserwägungen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, der zu einem rechtlich relevanten und vom Gericht überprüfbaren Ermessensfehler führt. Vor diesem Hintergrund ist unerheblich, dass die Beklagte die Bewilligung nur in dem Umfang aufgehoben hat, um den der Hinzuverdienst die relevante Grenze tatsächlich überschritten hat (BSG, Urteil vom 23.03.1995, - 13 RJ 39/94 -, in juris). Der Bescheid vom 18.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2014 stellt sich bzgl. der Vergangenheit als rechtswidrig dar und war folglich aufzuheben. Gleiches gilt für das klageabweisende Urteil des SG.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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