L 2 R 3816/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 311/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 3816/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts R. vom 11. September 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.

Die am 31. Dezember 1972 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. In Deutschland hat sie zunächst als Reinigungskraft und zuletzt bis 2013 in einem metallverarbeitenden Betrieb gearbeitet. Sie stellte bereits am 24. Januar 2012 einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten. Diese lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 20. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2012 ab. Im damaligen Verwaltungsverfahren erfolgte eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M ... In seinem Gutachten vom 29. März/17. April 2012 stellte er eine Anpassungsstörung mit somatoformer Symptomatik und zeitweise auftretende reaktiv depressive Episoden fest. Er hielt die Klägerin noch in der Lage, eine leichte und mittelschwere Tätigkeit vollschichtig, also sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag zu verrichten. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht R. (SG), Aktenzeichen S 12 R 2276/12, wurde ein weiteres fachpsychiatrisch-neurologisches Gutachten von Dr. G. am 10. Juli 2013 erstellt. Dieser diagnostizierte auf nervenärztlichem Fachgebiet eine mittelschwere bis schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine Psychoneurose sowie einen Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Er führte aus, es könne keine eindeutige Beurteilung der quantitativen Erwerbsfähigkeit abgegeben werden; allerdings seien die Therapiemaßnahmen bis dato unzureichend gewesen. Er schlug umfangreiche stationäre Rehabilitationsmaßnahmen vor. Mit Urteil des SG vom 18. März 2014 wurde die Klage abgewiesen, da eine dauerhafte Erwerbsminderung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar sei. Die hiergegen eingelegte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, Az.: L 4 R 1911/14) wurde mit Schreiben vom 20. Juni 2014 zurückgenommen.

Während des damaligen Klageverfahrens und im Anschluss an das Gutachten von Dr. G. beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, welche mit Bescheid vom 9. Juli 2013 abgelehnt wurden, da eine Krankenhausbehandlung vorrangig sei. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgenommen.

Am 9. Juli 2014 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 13. August 2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Ausgegangen wurde dabei von folgenden Gesundheitsstörungen: Neigung zu reaktiv depressiven Verstimmungen und Somitisierung derzeit erscheinungsfrei und Übergewicht. Die Beklagte ging davon aus, dass die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes tätig zu sein.

Hiergegen erhob die Klägerin am 3. September 2014 Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgte am 11. November 2014 eine Begutachtung durch die Fachärztin für Allgemeinmedizin V. im Auftrag der Beklagten. Zu ihrem Tagesablauf gab die Klägerin dabei an, sehr viel Unterstützung durch die Schwiegertochter zu haben, die im Wesentlichen den gesamten Haushalt mache. Es bestünden viele Belastungsfaktoren, so habe sie etwa vor Jahren erfahren, dass einer ihrer Söhne im Alter von zehn Jahren vergewaltigt worden sei. Es bestünden durchaus soziale Kontakte und die Klägerin berichtete über einen Urlaub in der Türkei im Juli 2014. Die Sachverständige diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei psychosozialen Belastungsfaktoren sowie eine Hochtonschwerhörigkeit beidseits mit Hörgeräteversorgung rechts und guter Verständigung in Umgangssprache. Eine adäquate medikamentöse, psychotherapeutische Schmerztherapie finde nicht statt. Es zeige sich ein deutlicher sekundärer Krankheitsgewinn. Es sei von einem weiterhin erhaltenen vollschichtigen Leistungsvermögen der Klägerin auszugehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, wobei die von der Sachverständigen im Widerspruchsverfahren diagnostizierten Gesundheitsstörungen zu Grunde gelegt und die betreffende sozialmedizinische Leistungsbeurteilung übernommen wurde.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. Februar 2015 beim SG Klage erhoben. Wegen der Kombination aus psychischer Minderbelastbarkeit und Schmerzen im ganzen Körper sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, regelmäßig sechs Stunden leichte Arbeiten zu verrichten. Im Haushalt würden alle schweren Arbeiten von anderen Familienangehörigen übernommen. Sie leide insbesondere unter starken Schmerzen in den Gelenken und an einer starken Depression. Seit August 2014 hätte sich der Gesundheitszustand verschlechtert.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte. Hausarzt und Internist Dr. K. hat in seiner Auskunft vom 10. Mai 2015 angegeben, die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung und es läge ein Zustand schwere depressive Episode (anamnestisch) mit stationärer psychiatrischer Behandlung sowie ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung im Zusammenhang mit der depressiven Erkrankung vor. Darüber hinaus bestünde ein chronisches Wirbelsäulensyndrom und ein Zustand nach Magengeschwür. Für die Leistungsbeurteilung sei das psychiatrische Fachgebiet maßgeblich. Wegen der erheblichen Überforderung bereits bei der Bewältigung ihres Alltages bestünden Zweifel an einer Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich. Der Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. Sch. hat in seiner Auskunft vom 22. Mai 2015 angegeben, dass auf orthopädischem Fachgebiet keine so ausgeprägten Erkrankungen vorlägen, dass Bedenken gegen eine leichte Tätigkeit im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich bestünden. Die Psychiaterin D. von der psychiatrischen Institutsambulanz der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik R. hat in ihrer Auskunft vom 26. Mai 2015 mitgeteilt, die Klägerin seit 18. September 2014 zu behandeln. Diese leide unter eine rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und unter einer Anpassungsstörung. Seit Januar 2015 habe sich die depressive Symptomatik deutlich verstärkt. Die Angebote einer teilstationären oder stationären Behandlung seien von der Klägerin nicht angenommen worden. Auf Grund der schweren depressiven Symptomatik weise die Klägerin keine berufliche Belastbarkeit im Umfang von sechs Stunden täglich auf.

Vom 8. Juni bis 20. August 2015 wurde die Klägerin in Folge einer Medikamentenintoxikation in suizidaler Absicht stationär im Hospital R., Ro., behandelt. In ihrer Auskunft vom 17. Februar 2016 hat Oberärztin Dr. H. angegeben, die Klägerin leide unter eine Somatisierungsstörung mit ausgeprägter Schmerzsymptomatik im HWS-Bereich, Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im Kopfbereich und einer rezidivierenden depressiven Störung (bei stationärer Aufnahme in schwerer Episode ohne psychotische Symptome). Im Laufe der stationären Behandlung sei eine deutliche Besserung der depressiven Symptomatik erzielt worden, jedoch nur eine moderate Reduktion der Schmerzsymptomatik. Eine abschließende Aussage zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin könne nicht getroffen werden.

Im Weiteren hat das SG das nervenfachärztliche Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 24. Juni 2016 eingeholt. Dieser hat folgende Diagnosen gestellt: rezidivierende depressive Episoden, derzeit leicht- bis mittelgradig, Dysthymie, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Der von der Klägerin geschilderte vollständige Rückzug aus der Haushaltsführung sei nicht nachvollziehbar. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit dem Gutachten der Ärztin V. vom 11. November 2014, die diesen Rückzug begründen könne, sei nicht feststellbar. Der Entlassungsbrief der Klinik R. vom 19. August 2015 zeige durchaus positive Leistungspotentiale auf; insofern sei von gewissen Aggravationstendenzen auszugehen, die mit eigener Willensanstrengung - zumindest bei entsprechender Hilfestellung - überwindbar seien. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich und regelmäßig auszuüben.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG von Dr. K. vom M.hospital S. das Gutachten vom 4. Januar 2017 auf algesiologischem Fachgebiet eingeholt. In seinem Gutachten kommt er auf Grund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 9. Dezember 2016 zu den folgenden Diagnosen: Somatisierungsstörung, rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome), emotional instabile Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typ, posttraumatische Belastungsstörung, Verdacht auf Innenmeniskus-Läsionen links, Chondropathia patellae links, Zustand nach Magengeschwür, Schwerhörigkeit rechts und Ohrgeräusche links. Der Krankheitswert der Somatisierungsstörung sei erheblich, wobei Verdeutlichungstendenzen nicht feststellbar gewesen seien. Die Beschwerden könne die Klägerin nicht aus eigener Willensanstrengung überwinden. Nach den gegebenen Tagesabläufen komme eine maximale Aktivität von 11:00 bis 14:00 Uhr in Frage. Eine Besserung des Gesundheitszustandes sei allenfalls im Rahmen einer spezialisierten stationären muttersprachlichen Behandlung zu erwarten. Die Klägerin sei unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch in einem Umfang von unter drei Stunden täglich leistungsfähig.

Mit der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 17. Februar 2017 hat die Beklagte gegen das Gutachten von Dr. K. eingewandt, dass dieser sich bei den seiner Leistungsbeurteilung zu Grunde gelegten überwiegenden psychiatrischen Beschwerden fachfremd äußere; insofern sei dem Gutachten des Nervenarztes Dr. P. vorrangig zu folgen. Dr. K. habe sich in seinem Gutachten zu sehr auf die Schilderungen der Klägerin gestützt; eine Beschwerdevalidierung habe er nicht vorgenommen.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juni 2017 hat Dr. K. ausgeführt, dass er als Schmerzmediziner zwangsweise über eine psychosomatische Grundkompetenz verfüge, da anderenfalls zahlreiche betreffende Krankheitsbilder gar nicht sachgerecht behandelt werden könnten. Dr. P. habe offensichtlich keinen Zugang zum Störungsbild der Klägerin gefunden.

Schließlich hat das SG noch eine weitere Stellungnahme der behandelnden Psychiaterin D. als sachverständige Zeugin eingeholt. In ihrer Auskunft vom 4. September 2017 hat sie angegeben, die Klägerin befinde sich regelmäßig in 3- bis 12 wöchigen Abständen in ihrer Behandlung. Es lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und emotional instabilen Anteilen, Fibromyalgie-Syndrom, chronische Antrum- und Korpusgastritis, HP assoziziert, chronisches HWS-/LWS-Syndrom. Nach einer vorübergehenden Besserung des Gesundheitszustandes nach der stationären Behandlung in der Klinik R. in 2015 sei es in der Folge immer wieder zu auch deutlichen Verschlechterungen der depressiven und Schmerzsymptomatik gekommen. Aus psychiatrischer Sicht sei eine berufliche Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr gegeben, wenn keine erhöhten Anforderungen an die konzentrative Ausdauer, an das planerische Denken sowie an das Arbeitstempo gestellt würden und der Klägerin keine Tätigkeit in Zugluft und keine Zwangshaltungen sowie kein Tragen von Lasten über 5 kg zugemutet würden.

Mit Urteil vom 11. September 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung der Beklagten rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze, da ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht bestehe. Das SG hat sich hierbei auf die vorliegenden medizinischen Unterlagen sowie in Bezug auf das orthopädische Fachgebiet maßgeblich auf die sachverständige Zeugenauskunft des die Klägerin behandelnden Orthopäden und Rheumatologen Dr. Sch. vom 22. Mai 2015 gestützt, der zu der überzeugenden sozialmedizinischen Einschätzung gelangt sei, dass die von ihm festgestellten und behandelnden Leiden auf orthopädischem Fachgebiet nicht so ausgeprägt seien, dass Bedenken gegen eine leichte Erwerbstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich bestünden. Dieser sozialmedizinischen Einschätzung schließe sich das Gericht nach eigener Prüfung an. Auch die vom Sachverständigen Dr. K. beschriebenen Hörstörungen sowie die von Psychiaterin D. beschriebenen Gastritis- und Harnwegsinfektbeschwerden hätten keinen Einfluss auf die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die zentralen, für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin maßgeblichen Leiden lägen nach den übereinstimmenden Angaben der behandelnden Ärzte und der Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem bzw. auf schmerztherapeutischem Fachgebiet. Insofern leide die Klägerin im Wesentlichen unter einer rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig schwerer Episode ohne psychotische Symptome sowie unter einer erheblichen verselbstständigten Schmerzerkrankung. Hierbei stütze sich das Gericht auf die beiden Gutachten von Dr. P. und Dr. K. sowie auf die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. H. von der Klinik in R. und auf die sachverständige Zeugenaussage der die Klägerin behandelnden Psychiaterin D. vom Zentrum für Migrationspsychiatrie R ... Hierzu stehe nicht im Widerspruch, dass Dr. P. zum Zeitpunkt seiner gutachterlichen Untersuchung der Klägern lediglich eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode festgestellt habe. Es entspräche der rezidivierenden depressiven Störung, dass es den Betroffenen phasenweise etwas besser oder etwas schlechter gehe. Das Gericht gehe insofern davon aus, dass Dr. P. die Klägerin bei der Begutachtung nicht in einer Phase der schwersten Ausprägung ihrer depressiven Erkrankung erlebt habe. Ob die Schmerzerkrankung diagnostisch als somatoforme Schmerzstörung bzw. als Somatisierungsstörung (so Dr. K.) oder als chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (so Dr. P. sowie die Psychiaterin D.) eingeordnet werde, sei letztlich nicht entscheidend. Denn Schweregrad, Exazerbation und Aufrechterhaltung der Schmerzen würden in beiden Klassifizierungen maßgeblich durch psychische Faktoren - insbesondere emotionale Konflikte oder psychosoziale Belastungen - (mit-)bestimmt. Entscheidend für die Frage der quantitativen Leistungsfähigkeit sei weniger der Ausgangspunkt der Beschwerden als vielmehr die tatsächliche gegenwärtige (und dauerhafte) Beeinträchtigung. Angesichts der Ausführung des behandelnden Orthopäden und Rheumatologen Dr. Sch. zu möglichen somatischen Schmerzursachen, die für sich betrachtet die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung nicht rechtfertigten, sei vorliegend zur Bestimmung der quantitativen Leistungsfähigkeit entscheidend auf die psychische (Ko-)Morbidität des Beschwerdebildes abzuheben. Auch die gegebenen neurologisch-psychiatrischen bzw. psychischen Gesundheitsstörungen rechtfertigten nicht die Annahme, die Klägerin könne selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen nicht mehr in einem Umfang von arbeitstäglich wenigstens sechs Stunden verrichten. Das Gericht schließe sich insofern der Einschätzung des Gutachters Dr. P. sowie der Gutachterin im Widerspruchsverfahren V. und der behandelnden Ärztin am Zentrum für Migrationspsychiatrie D. in ihrer Stellungnahme vom 4. September 2017 an. Ärztin V. und Ärztin D. hätten Untersuchungen und Gespräche/Explorationen mit der Klägerin selbst in deren Muttersprache - ohne Zwischenschaltung eines Dolmetschers - durchführen können. Entsprechend ausführlich und aussagekräftig fielen die anamnestischen Angaben und die betreffenden Befunde aus. Dass die Leistungseinschätzung der Ärztin D. am 4. September 2017 nunmehr von ihrer vorherigen sachverständigen Zeugenauskunft vom 26. Mai 2015 (kein mindestens sechs-stündiges Leistungsvermögen) abweiche, sehe das Gericht nicht als Widerspruch. Dies sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass die Klägerin im Mai 2015 erst an insgesamt fünf Behandlungsterminen innerhalb von acht Monaten bei Ärztin D. in Behandlung gewesen sei und die damalige sachverständige Zeugenauskunft zudem unter dem Eindruck des unmittelbar vorangegangenen telefonisch mitgeteilten Suizidversuchs gestanden habe. Mittlerweile behandele Ärztin D. die Klägerin seit insgesamt fast drei Jahren und vergleichsweise engmaschig (regelmäßig in drei- vereinzelt zwölf-wöchigen Abständen); dadurch könne sie die Klägerin sicherlich besser einschätzen und hätte zwischenzeitlich - nach der stationären Behandlung in R. von Juni bis August 2015 in der Folge des Suizidversuchs - auch durchaus Besserungspotenziale erkennen können. Das Gericht verkenne nicht, dass bei der Kläger durchaus erhebliche emotionale Konflikte und psychosoziale Belastungsfaktoren vorlägen, die maßgeblich als psychischer Faktor das Schmerzgeschehen sowie die depressive Entwicklung beeinflussten. Es sei allerdings davon auszugehen, dass bei der Klägerin ein erheblicher sekundärer Krankheitsgewinn bestehe und unter zumutbarer Willensanspannung die Einschränkungen überwunden werden könnten. Insoweit folge das Gericht den Gutachten von Dr. P. und von Ärztin V ... Die Klägerin erfahre auf Grund ihrer Beschwerden sehr viel Unterstützung durch ihre Schwiegertochter, die ihr im Wesentlichen den gesamten Haushalt abnähme. Es werde deutlich, dass die Klägerin auch für sich selbst die intensive Unterstützung durch die Schwiegertochter letztlich maßgeblich vor dem Hintergrund ihrer Beschwerden rechtfertigen könne. Beachte man andererseits, dass die Klägerin zu Urlauben in der Türkei durchaus in der Lage sei, spreche nach Auffassung des Gerichts einiges dafür, dass die Klägerin auf Grund des sekundären Krankheitsgewinnes nicht die zumutbare Willensanspannung zur Überwindung ihrer Beschwerden aufbringe. Nicht zu überzeugen vermocht habe die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin durch den Sachverständigen Dr. K ... Gegen sein Gutachten sei grundsätzlich einzuwenden, dass die Leistungsbeurteilung maßgeblich auch auf einer diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung hinsichtlich der Vergewaltigung des Sohnes als Auslöser der Somatisierungsstörung gestützt werde. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege jedoch nicht vor. Das - zweifelsohne höchst bedrückende - spätere Erfahren von der Vergewaltigung des Sohnes bilde schon kein entsprechendes eigenes traumatisches Erlebnis, das im Sinne der Diagnosekriterien dann immer wieder durchlebt würde. Dementsprechend hätten weder Dr. G., Dr. P. noch Ärztin D. diese Diagnose gestellt. Insgesamt werde die Frage eines sekundären Krankheitsgewinnes von Gutachter Dr. K. nicht hinreichend hinterfragt. Die Klägerin sei somit bei Beachtung qualitativer Einschränkungen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden arbeitstäglich einer leichten Tätigkeit unter Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen. Zu vermeiden seien erhöhte Anforderungen an die konzentrative Ausdauer, an das planerische Denken, an das Arbeitstempo sowie ferner Zugluft, Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten über 5 kg und eine Exposition gegenüber Dämpfen oder Stäuben. Bei Beachtung dieser Einschränkungen bestehe keine Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin.

Die Klägerin hat gegen das ihren Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 22. September 2017 zugestellte Urteil am 28. September 2017 schriftlich beim LSG Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, im Wesentlichen leide die Klägerin unter einer schweren rezidivierenden depressiven Störung und ferner unter einem LWS-Syndrom. Die die Klägerin behandelnde Psychiaterin D. habe mitgeteilt, dass die Symptomatik sich verstärkt habe und auf Grund der schweren depressiven Symptomatik die Klägerin nicht beruflich sechs Stunden oder mehr belastbar sei. Bestätigt werde eine erhebliche Leistungsminderung, insbesondere eine erhebliche Schmerzsymptomatik durch den Befundbericht des Vinzenz-von-Paul-Krankenhauses vom August 2015. Der Arzt für Anästhesiologie Dr. K. habe auf Grund der von ihm festgestellten Diagnosen ein unter drei-stündiges Leistungsvermögen angenommen, wobei eine Besserung des Gesundheitszustandes allenfalls im Rahmen einer spezialisierten muttersprachlichen Behandlung zu erwarten sei. Weil Dr. K. ganzheitlich sämtliche Krankheitsbilder der Klägerin erfasst und interpretierend beurteilt habe, sei seine Leistungseinschränkung mit unter drei Stunden täglich schlüssig. Eine erneute nervenärztliche Begutachtung werde höchstfürsorglich beantragt. Bei integrierender Betrachtung - das Krankheitsbild der Klägerin sei nicht rein psychiatrisch bedingt - ergebe sich ein untervollschichtiges Leistungsvermögen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts R. vom 11. September 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 - wiederholt durch Schreiben des Gerichts vom 18. Dezember 2017 - darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestehe, dass der Senat die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Den Beteiligten war Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über den nach §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat zutreffend auf der Grundlage der maßgeblichen gesetzlichen Normen (§§ 43 und 240 SGB VI), der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, Arztauskünfte sowie der Gutachten von Ärztin V. und Dr. P. in nicht zu beanstandener Weise die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente verneint. Hierauf nimmt der Senat insoweit Bezug und sieht von weiteren Ausführungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab.

Ergänzend zu den Einwendungen im Berufungsverfahren ist noch Folgendes auszuführen: die Klägerin bzw. ihr Bevollmächtigter stützen ihre - Erwerbsminderung begründende - andere Auffassung des Leistungsvermögens der Klägerin bezüglich einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht auf (neue) ärztliche Unterlagen bzw. Befunde, die vom SG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt worden wären. Sie sehen ihre Auffassung vom quantitativ geminderten Leistungsvermögen der Klägerin für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wesentlichen durch das Gutachten von Dr. K. vom 4. Januar 2017 gestützt bzw. auch durch die sachverständige Zeugenauskunft der behandelnden Psychiaterin D. vom 26. Mai 2015. Der Senat schließt sich jedoch der Auffassung des SG nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage an, dass das Gutachten Dr. K. keine Schmerzerkrankung bzw. depressive Erkrankung in einem das zeitliche Leistungsvermögen einschränkenden Ausmaß belegt. Insofern ist - wie schon das SG in seinen Gründen - darauf abzuheben, dass Dr. K. als einziger Arzt die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung stellt, von der aus er maßgeblich auch das quantitativ geminderte Leistungsvermögen der Klägerin ableitet. Vom Vorliegen dieser Erkrankung ist auch der Senat nicht überzeugt. Gerade die die Klägerin in einem Zeitraum von mehr als dreieinhalb Jahren behandelnde Ärztin D. vom Zentrum für Migrationspsychiatrie R. hat diese Diagnose trotz einer beträchtlichen Anzahl von Behandlungskontakten nicht gestellt. Zutreffend hat das SG auch darauf abgehoben, dass sich Dr. K. nicht mit Blick auf den vorliegenden "sekundären Krankheitsgewinn", der bei der Klägerin besteht, ausreichend damit auseinander gesetzt hat, ob nicht auf Grund eigener - und unter ärztlicher Hilfestellung - Willensanstrengung eine Überwindung der Krankheitssymptome in einem Ausmaß möglich ist, dass die Klägerin noch eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich regelmäßig nachgehen kann. Schließlich ist dem Gutachten von Dr. K. nicht zu folgen, weil er bezüglich der von der Klägerin geäußerten Schmerzen bzw. mit Blick auf seine Diagnose einer Somatisierungsstörung eine Konsistenzprüfung nicht vorgenommen hat. Dies ist erforderlich, denn im Rahmen von Gutachten müssen bei der Exploration geäußerte Beschwerden durch Schmerzen immer validiert werden (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 15. Dezember 2014 - L 6 R 633/09, veröffentlicht in Juris; Widder "Schmerzsyndrome" in Widder/Gaidzig, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, Seite 389). Erforderlich ist eine kritische Zusammenschau von Exploration, Untersuchungsbefunden, Verhaltensbeobachtung und Aktenlage. Eine solche "kritische" Zusammenschau im Sinne einer Beschwerdevalidierung lässt das Gutachten von Dr. K. jedoch vermissen. Stattdessen gibt er in seinem Gutachten vom 4. Januar 2017 die von der Klägerin angegebenen Beschwerde auf dem Gebiet der Schmerzmedizin wieder, stellt im Rahmen der Wiedergabe des klinischen Untersuchungsbefundes dar, dass das sukzessive Entkleiden zur Untersuchung flüssig erfolgte, ein Druckschmerz über dem Nervus-occipitalis-minor-Austrittspunkt okzipital rechts und eine mäßige Druckdolenz des Musculus trapezius rechts sowie kein Facettendruckschmerz in keinem Wirbelsäulenabschnitt bestanden hat, beschreibt die Untersuchungsbefunde der großen Gelenke der unteren Extremitäten als unauffällig bis auf eine leichte Schmerzangabe in der linken Leiste bei Hüftanziehen und gibt den Lasègue mit Schmerzangabe bei 80o beidseits im Sinne eines Pseudolasègue an. Schließlich beschränkt sich Dr. K. darauf, das Ergebnis der Fragenbogenexploration mittels painDETECT mit von der Klägerin angegebenen Schmerzintensitäten mit aktuell neun von zehn, maximal zehn von zehn, im Durchschnitt neun von zehn bei Akzeptanzgrenze zwei von zehn wiederzugeben. Schließlich treffen im PDI 64 von 70 möglichen Punkten zu schmerzbedingter Behinderung zu. Insofern hält der Senat die in der sozialmedizinischen Stellungnahme der Beklagten vom 17. Februar 2017 angeführte Auffassung für zutreffend, dass sich Dr. K. zu sehr auf die Schilderungen der Klägerin in seinem Gutachten gestützt hat.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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