L 13 R 195/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 391/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 195/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach langjähriger nichtehelicher Lebensgemeinschaft, während der keine konkreten Schritte bezüglich der Hochzeitsplanung eingeleitet worden sind, tritt bei Bestehen einer offenkundig lebensbedrohlichen Erkrankung eines der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung das angegebene Motiv einer Heirat "aus tiefer Liebe" nicht als zumindest gleichwertiges Motiv neben das Versorgungsmotiv.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Oktober 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres am 11. Mai 2015 verstorbenen Ehemannes A. G ...

Der im März 1930 geborene A. G. bezog seit 1. April 1990 Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nachdem seine frühere Ehefrau verstorben war, bezog er außerdem eine große Witwerrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Klägerin bezog seit dem Tod ihres ersten Ehemannes ebenfalls eine Witwenrente.

Nach Angaben der im September 1931 geborenen Klägerin lebte sie seit dem Jahr 2006 mit Herrn G. in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen, wobei dieser seine seit langem bewohnte Wohnung in der W-Straße xx in xyxyx M. beibehalten, sich aber meist in der Wohnung der Klägerin in der A.-Straße xx in xyxyx M. aufgehalten habe. Im Januar 2011 wurde bei Herrn G. erstmals die Diagnose eines myeolodysplastischen Syndroms (MDS, Erkrankung des Knochenmarks mit Störung des Blutbildungsprozesses) gestellt.

Anlässlich einer Vorstellungen zur Verlaufskontrolle bei seinem behandelnden Arzt Prof. Dr. H. in der M. Onkologiepraxis gab Herr G. am 1. Dezember 2014 an, sich in den letzten Wochen wesentlich schlapper und müder gefühlt zu haben. Er habe eine schlechtere Leistungsfähigkeit und ein thorakales Engegefühl. Wegen Verschlechterung der Blutwerte hielt Prof. Dr. H. eine Transfusion mit Erythrozytenkonzentrat (nach zehn Monaten Pause) für erforderlich und eine Knochenmarkspunktion für notwendig. Er veranlasste eine Überweisung des Herrn G. in die Klinik für Hämatologie und internistische Onkologie der Universitätsmedizin M. (UMM). Dort stellte Herr G. sich am 4. Dezember 2014 vor. Laut Befundbericht des Prof. Dr. H. ergab sich nach Diagnostik kein Anhalt für einen Progress des MDS. Vermutet wurde eine Hyperplasie im Sinne einer Knochenmarktoxizität im Rahmen der seit Dezember 2013 laufenden medikamentösen Therapie mit 5-Azacytidin (Chemotherapie). Prof. Dr. H. empfahl einen Therapieversuch mit einem anderen Medikament, einem TPO-Agonisten, für den vorab jedoch ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt werden müsse, da die diesbezügliche Studie bereits geschlossen sei. Den Antrag auf Kostenübernahme stellte Prof. Dr. H. am 19. Februar 2015 bei der Siemens Betriebskrankenkasse.

Am 26. März 2015 meldeten die Klägerin und Herr G. beim Standesamt M. ihre für den 17. April 2015 vorgesehene Eheschließung an.

Am 10. April 2015 wurde Herr G. erneut stationär im UMM aufgenommen, wo er sich mit Dispnoe, Schwindel und thorakalen Schmerzen vorgestellt hatte. Durch Magenspiegelung wurden gastrointestinale Blutungen festgestellt und Herr G. erhielt mehrere Bluttransfusionen. Wegen schlechter Blutwerte bestand aus Sicht der Ärzte ein Verdacht auf eine sekundäre akute myeolische Leukämie (AML) als Folge des bestehenden MDS. Die ärztlicherseits deswegen empfohlene Knochenmarkspunktion lehnte Herr G. ab und "entließ sich gegen ärztlichen Rat nach ausführlicher Aufklärung über sämtliche Risiken und Konsequenzen." (S.2 Bericht UMM vom 13. April 2015).

Am 17. April 2015 heirateten die Klägerin und Herr G ...

Am 8. Mai 2015 wurde Herr G. in schlechtem Allgemeinzustand und mit Fieber bis 38,5 °C, tachykardem Vorhofflimmern sowie Hypertonie in die Klinik für Innere Medizin I des Diakonissen Krankenhauses M. aufgenommen. Die Ärzte diagnostizierten eine Lungenentzündung im Unterlappen links und leiteten eine antibiotische Therapie ein, die erfolglos blieb. Am 11. Mai 2015 verstarb Herr G ...

Am 2. Juni 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenrente.

Mit Bescheid vom 18. August 2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Witwenrente ab. Laut den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei die Lebenserwartung des Herrn G. zum Zeitpunkt der Eheschließung sehr gering gewesen. Somit habe der Nachweis nicht erbracht werden können, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat nicht die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei.

Zur Begründung des hiergegen am 26. August 2015 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, trotz der Krankheit sei ein baldiges Ableben ihres Ehemannes nicht voraussehbar gewesen. Die Ehe sei aus Liebe und Überzeugung geschlossen worden und ihr Mann sei wegen einer schweren Lungenentzündung plötzlich und unerwartet verstorben. Während der neun Jahre ihres nichtehelichen Zusammenlebens hätten sie die ganze Zeit Heiratspläne geschmiedet, den Umzug in eine gemeinsame Wohnung und größere Reisen geplant. Obwohl Herr G. an "Knochenmarkkrebs" gelitten habe, hätte sich seine Lebenserwartung noch auf mehrere Jahre oder Jahrzehnte belaufen. Infolge einer starken Erkältung sei er dann an der schweren Lungenentzündung erkrankt und verstorben. Da er keine eigenen Kinder gehabt habe, habe er testamentarisch sein ganzes Vermögen Obdachlosen der Stadt M. vermacht. Nach seinem Tod habe der Oberbürgermeister der Stadt M. die kurze Ehe "anerkannt" und die Klägerin habe 75 % des Nachlasses "zugesprochen" bekommen. Während der Jahre ihres Zusammenlebens seien sie mit der Organisation ihres Alltags beschäftigt gewesen und eine Eheschließung sei nicht unbedingt wichtig aber für "irgendwann" fest geplant gewesen. Familie, Freunde und die Nachbarn ihrer beiden Wohnungen hätten sie sofort und immer als Paar wahrgenommen. Eine symbolische Dokumentation nach außen sei daher kein Thema gewesen. Das gewählte Heiratsdatum sei dann ungeplant und ein reiner Zufall gewesen. Die Klägerin und Herr G. seien "überglücklich" und "gut drauf" gewesen und hätten gesagt "wir heiraten und erfreuen und überraschen alle". Außerdem seien beide unabhängig voneinander sicher finanziell versorgt gewesen.

Nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen kam Dr. L. vom ärztlichen Dienst der Beklagten am 30. Oktober 2015 zu der Einschätzung, zum Zeitpunkt der Eheschließung habe bei Herrn G. eine lebensbedrohliche und unheilbare Blutbildungsstörung in Form des MDS vorgelegen. Nach dem Klinikentlassungsbericht vom Dezember 2014 sei er in die Risikogruppe "intermediäres Risiko I" eingestuft worden, was einer mittleren Überlebenszeit von 42-48 Monaten entsprochen habe. Gemäß Entlassungsbericht vom 13. April 2015 habe Verdacht auf Progress bestanden, mit der Folge einer eher geringen mittleren Überlebenszeit. Im Zeitraum der Eheschließung sei das Risiko einer erneuten Blutung oder einer schweren Infektion deutlich erhöht gewesen und es sei davon auszugehen, dass dies den Eheleuten auch bekannt gewesen sei. Konkrete Todesursache sei die Lungenentzündung gewesen, deren Eintreten durch die vorliegende chronische Blutbildungsstörung wesentlich wahrscheinlicher geworden und geradezu typisch gewesen sei. Die Abwehrkräfte des Herrn G. seien drastisch reduziert gewesen, denn die Anzahl seiner weißen Blutzellen habe weniger als 1/4 der normalen Zahl Gesunder betragen. Außerdem sei das Blutungsrisiko deutlich erhöht gewesen, da die Blutplättchen nur etwa 10 % der Normalmenge betragen hätten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2016 zurück. Die Klägerin und ihr Ehemann seien vor der Hochzeit über den lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung informiert gewesen. Dem stünden auch die glaubhaften Angaben nicht entgegen, die Eheleute und die Angehörigen hätten bei der Hochzeit nicht an einen baldigen Tod gedacht. Auch bei schwersten Erkrankungen sei es menschlich durchaus nachvollziehbar und letztlich auch wünschenswert, dass weiterhin die Hoffnung auf ein Weiterleben nicht aufgegeben werde. Diese nachvollziehbaren Hoffnungen änderten jedoch nichts am tatsächlichen Vorliegen einer massiv lebensbedrohlichen Erkrankung. Da die Klägerin mit ihrem späteren Ehemann bereits neun Jahre ohne Trauschein zusammengelebt habe und die Eheschließung kurz vor dem Tod erfolgt sei, liege die Vermutung nahe, dass diese Eheschließung überwiegend aus versorgungsrechtlichen Gründen erfolgt sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 16. Februar 2016 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben (S 12 R 391/16). Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Herrn G. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Die Hausärztin Dr. W. hat angegeben, Herrn G. von Januar 2011 bis Januar 2015 hausärztlich betreut zu haben. Sie hat den Bericht des Prof. Dr. H. vom 1. Dezember 2014, die Berichte des UMM über die ambulante Vorstellung am 4. Dezember 2014, die Knochenmarkspunktion vom 5. Dezember 2014 sowie die stationäre Behandlung vom 10. bis 13. April 2015 und den Bericht des Diakonissenkrankenhauses M. über die stationäre Behandlung vom 8. bis 11. Mai 2015 vorgelegt. Prof. Dr. H. hat mitgeteilt, Herrn G. erstmals am 12. November 2010, dann regelmäßig und häufig bis zuletzt am 28. April 2015 behandelt zu haben. Die Beweisfrage des SG, ob der Tod von Herrn G. innerhalb eines überschaubaren Zeitraums aufgrund der ärztlichen Feststellungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen sei, hat Prof. Dr. H. bejaht. Die Prognose sei seit der Erstdiagnose des MDS 2011 schlecht und mit einer Lebenserwartung von wenigen Jahren gewesen. Seit Verschlechterung der Werte ab etwa Januar 2015 habe die geschätzte Lebenserwartung eher weniger als ein Jahr betragen.

In der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2016 hat die Klägerin erklärt, ihr verstorbener Ehemann habe die Idee zur Hochzeit gehabt. Sie wisse aber nicht mehr, wann ihr Mann ihr das erste Mal den Heiratswunsch angetragen habe. Er habe immer wieder bei Besuchen am Grab seiner ersten Ehefrau zur Klägerin gesagt, der Name G. würde doch gut zu ihrem Vornamen passen. Dies sei auch schon längere Zeit vor ihrer Heirat so gewesen. Er sei 51 Jahre mit seiner vorherigen Frau verheiratet gewesen und habe wohl auch wegen der Erinnerungen nicht mehr in seiner Wohnung sein wollen. Er habe praktisch neun Jahre lang die Wohnung leer stehen lassen und mit in der Wohnung der Klägerin gewohnt. Herr G. habe Altersrente in Höhe von etwa 1500 EUR sowie eine Betriebsrente bezogen. Sie selbst beziehe Witwenrente in Höhe von etwa 400 EUR monatlich und eigene Rente in Höhe von etwa 500 EUR.

Mit Urteil vom 19. Oktober 2016 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 18. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine große Witwenrente aus der Versicherung des Herrn G. zu gewähren. In der Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass für die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann nicht die Sicherstellung der Versorgung der Klägerin, sondern die Besiegelung und Bestätigung ihrer Zusammengehörigkeit durch Eingehung der Ehe im Vordergrund gestanden habe. Insbesondere könne allein aus dem hohen Lebensalter bei Eheschließung nicht von vornherein auf eine Versorgungsehe geschlossen werden. Dass sich die Hoffnung der Ehegatten, noch einige Jahre gemeinsam als Eheleute verbringen zu dürfen, aufgrund der plötzlichen Verschlimmerung der seit längerem bestehenden und latent lebensbedrohlichen Erkrankung nicht mehr habe realisieren können, könne der Klägerin unter diesen Umständen nicht zum Nachteil gereichen. In die Gesamtwürdigung fließe auch ein, dass die Klägerin zwar durch die Eheschließung Hinterbliebenenrentenansprüche aus der Versicherung des Herrn G. begründet habe, zugleich jedoch die Witwenrente aus ihrer vorangegangenen Ehe weggefallen sei. Die Eheschließung mit Herrn G. habe für die Klägerin also lediglich zum "Austausch" der Hinterbliebenenversorgung (verbunden mit einer Erhöhung der Rente), nicht aber zu einer erstmaligen Hinterbliebenenversorgung geführt.

Gegen das am 22. Dezember 2016 zugestellte Urteil des SG richtet sich die am 17. Januar 2017 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung wird vorgetragen, nach den aktenkundigen medizinischen Unterlagen müsse davon ausgegangen werden, dass der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Herrn G. zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig so schlecht gewesen sei, dass es für die Eheschließenden erkennbar gewesen sein musste, dass er an einer lebensbedrohlichen Krankheit gelitten habe. Dem Entlassungsbericht des UMM vom 7. Januar 2015 sei zu entnehmen, dass bereits vor dem Zeitpunkt des Eheantrags relevante lebensverlängernde Maßnahmen durch anerkannte Verfahren nicht mehr gesehen worden seien, sondern von den Ärzten ein Therapieversuch im Rahmen einer medizinischen Studie zur Zulassung eines Präparats durch das Bundesgesundheitsamt angedacht worden sei und vor diesem Therapieversuch hätte das Kostenrisiko mit der Krankenkasse geklärt werden müssen, da es sich nicht um eine gebräuchliche Krankenbehandlung gehandelt habe. Wegen dieser angedachten weiteren Behandlungsmaßnahmen seien im Krankenhaus umfassende Aufklärungsgespräche erforderlich gewesen. Zum Zeitpunkt der Anmeldung der Ehe am 26. März 2015 und der Eheschließung am 17. April 2015 seien die Eheschließenden somit über den sehr schlechten Gesundheitszustand des Herrn G. informiert gewesen. Die langjährige nichteheliche Partnerschaft stelle gerade keinen Umstand dar, welcher gegen eine Versorgungsehe spreche. Der langjährigen Partnerschaft "ohne Trauschein" habe die bewusste Entscheidung zugrunde gelegen, eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen für Eheleute geltenden gesetzlichen Regelungen zu unterliegen. Der Umstand, dass die Eheleute auch nach der Eheschließung keinen gemeinsamen Wohnsitz begründet hätten, sei ein Indiz dafür, dass entweder aufgrund der schon weit fortgeschrittenen Erkrankung des Herrn G. kein Umzug mehr ins Auge gefasst worden sei bzw. nicht mehr habe vollzogen werden können. Auch die unterbliebene Testamentsänderung spreche dafür, dass der kinderlose Ehemann hierzu nach der Eheschließung nicht mehr in der Lage gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Oktober 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend und trägt noch ergänzend vor, beide Eheleute hätten jeweils eine bezahlte Eigentumswohnung innegehabt und ihren Lebensunterhalt von selbstbezogener Rente bestreiten können. Sie hätten zusammen in der A.-Straße xx gelebt und die Wohnung in der W.-Straße xx habe neun Jahre lang leer gestanden. Nach der Eheschließung sei der Verkauf der beiden Eigentumswohnungen und der Erwerb einer größeren Wohnung sowie eines größeren Fahrzeuges mit 4-5 Türen geplant gewesen. Die Klägerin legt ihren Antrag vom 8. September 2015 an das Nachlassgericht vor, mit dem sie einen Erbschein mit dem Inhalt beantragt hat, dass Herr G. von ihr als Ehefrau zu 3/4 und von der Stadt M. zu 1/4 beerbt worden sei. Sie trägt vor, der Erbschein sei antragsgemäß erteilt worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn ihr Anspruch auf Witwenrente wird vorliegend durch § 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ausgeschlossen.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21. März 2001 (BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 1. Januar 2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Diese Regelung ist vorliegend einschlägig, da die am 17. April 2015 geschlossene Ehe zwischen der Klägerin und Herrn G. nur bis zu dessen Tod am 11. Mai 2015 und damit nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. Zur Überzeugung des Senats sind hier auch keine besonderen Umständen des Einzelfalles anzunehmen, die gegen die gesetzliche Vermutung sprechen, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Begriff der "besonderen Umstände" gemäß § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Beurteilung der richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 3. September 1986 – 9a RV 8/84 –, juris). Was unter den "besonderen Umständen" des Falles gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI jedoch bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 6). Daher sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles als "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Maßgebend sind die Beweggründe beider Ehegatten, wobei die Annahme einer sogenannten Versorgungsehe nur dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die Beweggründe sind in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat. Deshalb reicht es aus, wenn lediglich für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht nachweislich nicht maßgebend gewesen ist. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw. des Zweckes der Heirat darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würden (vgl. zu alledem BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, juris, m.w.N. Vgl. zudem LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2012, Az.: L 11 R 392/11, juris)

Hierbei ist nach der genannten Rechtsprechung des BSG zu beachten, dass eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen ("besonderen") Gründe im Rahmen des § 46 Abs. 2a SGB VI angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich ist. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich - isoliert - zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen. Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eingetreten ist. Denn in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt (BT-Drucks 14/4595 S 44). Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (zB Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung). Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, a.a.O, m.w.N.).

Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erfordert gemäß § 202 SGG iVm § 292 der Zivilprozessordnung den vollen Beweis des Gegenteils (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986, Az.: 9a RV 8/84, juris). Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist erst bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (BSG, Urteil vom 6. Februar 2003, Az.: B 7 AL 12/02 R, juris). Wenn eine solche erforderliche Überzeugung nicht vorliegt, treffen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen denjenigen, der aus der Tatsache einen Anspruch begründen will, im vorliegenden Fall die Klägerin, da sie sich auf die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beruft (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl., § 103, Rn. 19a; § 118, Rn. 6 mwN).

Vor diesem rechtlichen und dem oben ausgeführten tatsächlichen Hintergrund konnte sich der Senat nicht vom Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI überzeugen. Vielmehr spricht die Tatsache, dass der Versicherte, Herr G., zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat, ganz maßgeblich für die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI. Es sind für den Senat hingegen keine besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, von einem derartigen Gewicht erkennbar, als dass sie in Anbetracht des Grades der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit des Herrn G. die gesetzliche Vermutung widerlegen könnten.

Zur Überzeugung des Senats steht zweifelsfrei fest, dass die Klägerin und Herr G. bereits zum Zeitpunkt des Eheantrags (26. März 2015) und auch bei Eheschließung (17. April 2015) über den potentiell lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung (MDS) und über bestehende Risiken informiert waren. Dem Befundbericht des Prof. Dr. H. vom 1. Dezember 2014 ist zum Verlauf des erstmals im Januar 2011 nach Knochenmarkspunktion diagnostizierten MDS zu entnehmen, dass zunächst ab Januar 2012 ein Therapieversuch mit Epoetin Alpha HEXAL, einem Medikament zur Behandlung von Blutarmut, gestartet wurde, begleitet durch unterstützende Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten. Im Dezember 2013 wurde dann eine Chemotherapie begonnen mit der Gabe von Azacytidine an fünf Tagen pro Monat, zuletzt intravenös. Diese Therapie wurde fortgesetzt bis sich Herr G. am 1. Dezember 2014 wegen Verschlechterung seines Allgemeinzustandes bei Prof. Dr. H. vorstellte, der stark verschlechterte Blutwerte feststellte. Nachdem unter der Chemotherapie zuletzt am 14. Februar 2014 eine Transfusion eines Erythrozytenkonzentrates erfolgt und seitdem nicht mehr notwendig gewesen war, erhielt Herr G. dann am 1. Dezember 2014 bei Prof. Dr. H. erneut eine Transfusion und erklärte sich mit einer erneuten Knochenmarkspunktion einverstanden. Diese am 5. Dezember 2014 im UMM durchgeführte Untersuchung ergab eine wahrscheinlich im Rahmen der Chemotherapie entstandene Knochenmark-toxizität, worauf die behandelnden Krankenhausärzte ein Aussetzen der Chemotherapie und einen Therapieversuch mit einem TPO-Agonisten empfahlen, was jedoch die Finanzierungszusage der Krankenkasse wegen der bereits geschlossenen Studie vorausgesetzt hätte. Bis dahin wurde lediglich die "bedarfsgerechte" Gabe von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten empfohlen, die Chemotherapie jedoch nicht fortgesetzt. Nach dieser ambulanten Untersuchung im UMM stellte sich Anfang Dezember 2014 die Situation also so dar, dass nach der fast vier Jahre zurückliegenden Diagnose des MDS und der seit einem Jahr durchgeführten Chemotherapie das Knochenmark toxisch geschädigt war, die Chemotherapie deshalb abgebrochen werden musste und es ungewiss war, ob Herr G. eine Finanzierungszusage für die Aufnahme in eine Studie erhalten und einen Therapieversuch mit einem TPO-Agonisten würde beginnen können. Nach der Auskunft des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. H. belief sich zu diesem Zeitpunkt der Verschlechterung im Januar 2015 die geschätzte Lebenserwartung des Herrn G. auf weniger als ein Jahr. Nach dem dokumentierten langjährigen Krankheitsverlauf, der zuletzt über ein Jahr lang an fünf Tagen pro Monat intravenös durchgeführten Chemotherapie, der akuten Verschlechterung mit kurzfristig vom behandelnden Arzt veranlasster Krankenhausüberweisung zur Knochenmarkspunktion und Abbruch der Chemotherapie wegen Nebenwirkungen mussten zum Zeitpunkt des Eheantrages am 26. März 2015 sowohl Herrn G. als auch seiner langjährigen Lebensgefährtin, der Klägerin, bereits aufgrund der bei dem geschilderten Behandlungsverlauf notwendigen aufklärenden Arztgespräche die Schwere der Erkrankung und die geringe Lebenserwartung bewusst gewesen sein. Hiervon ist der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher aktenkundiger Arztunterlagen, denen sich der oben beschriebene Verlauf entnehmen lässt, überzeugt. Nach dem Eheantrag und nur eine Woche vor dem vorgesehenen Hochzeitstermin wurde Herr G. dann erneut am 10. April 2015 mit Dispnoe, Schwindel, thorakalen Schmerzen und gastrointestinalen Blutungen stationär im UMM aufgenommen. Bei Aufnahme gab Herr G. an, diese Beschwerden seien im Rahmen seiner Anämie bei MDS bekannt. Aus dem Umstand, dass Herr G. dann am 13. April 2015 – vier Tage vor dem vorgesehenen Hochzeitstermin – trotz ärztlicher Empfehlung einer erneuten Knochenmarkspunktion wegen des hochgradigen Verdachts auf eine sekundäre AML "gegen ärztlichen Rat und nach ausführlicher Aufklärung über sämtliche Risiken und Konsequenzen" das Krankenhaus verlassen hat, folgt zur Überzeugung des Senats, dass ihm und auch der Klägerin an diesem Tag und auch am Tag der Eheschließung die Schwere seiner Erkrankung und das Risiko von Komplikationen bekannt gewesen sein muss. Soweit die Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgetragen hat, trotz der Krankheit sei ein baldiges Ableben ihres Ehemannes nicht voraussehbar gewesen, erscheint dies dem Senat unter Berücksichtigung des dokumentierten schweren Krankheitsverlaufs jedenfalls für die Zeit seit der ab 1. Dezember 2014 von Prof. Dr. H. beschriebenen Verschlechterung äußerst unwahrscheinlich. Soweit die Klägerin in ihrem Vortrag zum Ausdruck gebracht hat, sie hätten auf eine lange Lebenserwartung und noch auf mehrere gemeinsame Jahre oder Jahrzehnte gehofft, schließt dies die Kenntnis des lebensbedrohlichen Charakters der Erkrankung nicht aus. Auch bei schwersten Erkrankungen ist es menschlich durchaus nachvollziehbar und letztlich auch wünschenswert, dass weiterhin die Hoffnung auf ein Weiterleben nicht aufgegeben wird. Diese nachvollziehbaren Hoffnungen konnten jedoch spätestens seit der im Dezember 2014 eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes, des Abbruchs der Chemotherapie, der Ungewissheit eines weiteren Therapieversuchs und der erneuten Verschlechterung und stationären Behandlung ab 10. April 2015 nicht mehr nachvollziehbar aufrechterhalten werden. Dies zeigt sich daran, dass sich die bei Entlassung aus dem UMM von den Ärzten genannten Risiken bereits kurze Zeit nach der Eheschließung dann realisiert haben, als es zu einer gravierenden Verschlechterung gekommen ist, die zu einer auch unter stationärer Behandlung nicht mehr beherrschbaren Lungenentzündung und schließlich zum Tode des Herrn G. am 11. Mai 2015 geführt hat.

Die Klägerin hat auch im Übrigen hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände nicht nachgewiesen. Zwar ist das langjährige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht von vornherein ungeeignet, einen besonderen Umstand im Sinne von § 46 Abs. 2a SGB VI zu begründen, reicht jedoch im vorliegenden Fall für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht aus. Vielmehr spricht zur Überzeugung des Senats der auffallend enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abbruch der Chemotherapie im Dezember 2014 und der Eheschließung am 17. April 2015 deutlich dafür, dass den Eheleuten der potentiell lebensbedrohliche Charakter der Erkrankung durchaus bewusst war und sie vor diesem Hintergrund den Entschluss zur Heirat gefasst haben. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass nach der Schilderung der Klägerin Herr G. zwar in den neun Jahren des nichtehelichen Zusammenlebens mehrmals den Gedanken an eine Heirat geäußert hat, dies dann aber letztlich nie umgesetzt wurde. Auch der Umstand, dass beide Lebenspartner ihre langjährig bewohnten Eigentumswohnungen beibehalten haben und trotz der über viele Jahre anfallenden Unterhaltungskosten für die Wohnung des Herrn G. nicht zusammengezogen sind, spricht dafür, dass konkrete Heiratspläne vor dem März 2015 nicht bestanden haben. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat - ohne entsprechende konkrete Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin - reichen zur Überzeugung des Senats nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (wie hier: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16. November 2010, L 11 R 1135/10; Urteil vom 16. Oktober 2012, L 11 R 392/11; Urteil vom 28. August 2014, L 13 R 3256/13). Soweit die Klägerin vorgetragen hat, der Oberbürgermeister der Stadt Mannheim habe die kurze Ehe "anerkannt" und ihr 75 % des Nachlasses "zugesprochen", hat dies für die hier zu treffende Entscheidung, ob die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI widerlegt ist, keinerlei Relevanz. Schließlich spricht auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des SG am 19. Oktober 2016 geschilderte finanzielle Situation der Eheleute vor der Heirat nicht gegen sondern eher für den Versorgungszweck der Ehe. Statt der neben ihrer eigenen Altersrente (ca. 500 EUR) von der Klägerin seit Versterben ihres ersten Ehemannes bezogenen Witwenrente von ca. 400 EUR monatlich hätte sie nach dem Versterben des Herrn G. ausgehend von dessen Altersrente von etwa 1500 EUR Anspruch auf Witwenrente in Höhe von ca. 825 EUR (55 % von 1500 EUR) und gegebenenfalls sogar noch auf eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der von ihm bezogenen Betriebsrente gehabt. Dieser "Austausch" der Hinterbliebenenversorgung wäre für sie also deutlich finanziell vorteilhaft gewesen.

Bei der gebotenen Gesamtabwägung tritt schließlich das von der Klägerin angegebene Motiv, man habe aus tiefer Liebe geheiratet und mit dem Heiratszeitpunkt Freunde und Verwandte überraschen wollen, angesichts der lebensbedrohlichen Qualität der Erkrankung im Zeitpunkt der Eheschließung zur Überzeugung des Senats nicht als zumindest gleichwertiges Motiv neben das Versorgungsmotiv. Ungeachtet der Frage, ob das genannte Ziel (nur) durch die Eheschließung erreicht werden konnte, ist hierbei zu bedenken, dass diese Motivation – würde man sie ohne weitere Anforderungen zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung genügen lassen – die gesetzliche Vermutung praktisch leerlaufen ließe, da die Vermutungsregelung des § 46 Abs. 2a SGB VI gerade auf Fallgestaltungen abzielt, in denen einer der Ehepartner zur Zeit der Eheschließung schwer erkrankt ist. Ein Anspruch auf Witwenrente scheidet daher nach alledem aus.

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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