L 10 U 317/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 U 1501/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 317/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Klage auf Verurteilung des Unfallversicherungsträgers zur Anerkennung weiterer UF wird mit dem Tod des Versicherten unzulässig, weil der Anspruch erloschen ist; für die Erben fehlt es an der Klagebefugnis.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.12.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Unfallfolgen streitig.

Der am 1949 geborene und am 21.06.2017 verstorbene L. K. (im Folgenden: Versicherter) beabsichtigte am 26.06.2009 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Hausmeister eine Metallschiebetür zu entfernen, wobei er diese trotz erheblicher Kraftanstrengung nicht zu bewegen vermochte. Die wegen der aufgetretenen Beschwerden durchgeführten Untersuchungen führten zur Diagnose einer Bizepssehnenruptur rechts, die der Versicherte ebenso wie die beklagten Sensibilitätsstörungen von der rechten Schulter bis zum Handgelenk auf diese betriebliche Tätigkeit zurückführte. Mit Bescheid vom 16.02.2012 und Widerspruchsbescheid vom 13.02.2013 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 26.06.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen, weil die angeschuldigte Tätigkeit nicht rechtlich wesentliche Ursache für den Riss der Bizepssehne und die Sensibilitätsstörungen sei.

Auf die vom Versicherten am 11.03.2013 beim Sozialgerichts Stuttgart (SG) erhobene Klage hat das SG die Beklagte mit Urteil vom 16.12.2014 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 26.06.2009 als Arbeitsunfall und die Ruptur der langen proximalen Bizepssehne rechts als Gesundheitserstschaden anzuerkennen. Soweit das Begehren auf die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer Kraftminderung des rechten Armes, Sensibilitätsstörungen des rechten Armes und der rechten Hand sowie belastungsabhängige Schmerzen im rechten Arm als Unfallfolgen gerichtet gewesen ist, hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das ihm am 30.12.2014 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 26.01.2015 beim Landessozialgericht (LSG) mit dem Begehren Berufung eingelegt, die Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Armes bzw. der rechten Hand als Unfallfolge anzuerkennen.

Nach dem Tod des Versicherten hat dessen Ehefrau als Mitglied einer aus ihr und den beiden Töchtern bestehenden Erbengemeinschaft das Verfahren aufgenommen und weitergeführt. Die Beklagte hat die von ihr eingelegte Berufung im Hinblick auf den Tod des Versicherten zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.12.2014 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 16.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2013 zu verurteilen, gegenüber den Rechtsnachfolgern des Versicherten, der Erbengemeinschaft bestehend aus der Klägerin, M. K. und K. K. eine Kraftminderung des rechten Armes, Sensibilitätsstörungen des rechten Armes und der rechten Hand sowie belastungsabhängige Schmerzen im rechten Arm als beim Versicherten aufgetretene Unfallfolgen anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass alle Ansprüche des Versicherten erloschen sind.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch den Versicherten form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig gewesen. Der Versicherte hat damit den im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage beim SG geltend gemachten Anspruch, die Beklagte auch zur Anerkennung von Unfallfolgen zu verurteilen, weiterverfolgt. Eine Befugnis der Klägerin zur Geltendmachung dieses Anspruchs besteht nicht. Die Berechtigung des Versicherten, diesen Anspruch klageweise geltend zu machen, ist mit seinem Tod erloschen. Die Klage ist durch den Tod des Versicherten daher unzulässig geworden.

Im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch liegen insbesondere nicht die Voraussetzungen einer gegenüber einer Erbenstellung vorrangigen Sonderrechtsnachfolge gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) vor. Danach stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten zwar dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Indes hat der Versicherte vor dem SG keine fälligen Ansprüche auf laufende Geldleistungen erstritten (siehe BSG, Urteil vom 30.03.2017, B 2 U 15/15 R, in juris), sondern lediglich die Verurteilung der Beklagten erreicht, das Ereignis vom 26.06.2009 als Arbeitsunfall und die Ruptur der langen proximalen Bizepssehne rechts als Gesundheitserstschaden anzuerkennen. Die Klägerin hat den Rechtstreit, der durch den Tod des Versicherten zunächst unterbrochen gewesen ist, anstelle des Verstorbenen mithin als dessen Erbin aufgenommen und fortgeführt (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 239 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Ausweislich des vorgelegten Erbscheins des Notariats Nürtingen I vom 18.08.2017 ist die Klägerin zwar nur zusammen mit den Töchtern M. und K. K. gemeinschaftliche Erbin des Versicherten und in die verfahrensrechtliche Position des Versicherten daher nur gemeinschaftlich mit diesen eingetreten (§ 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), hingegen wäre die Klägerin gleichwohl berechtigt, eine behauptete Nachlassforderung als Miterbin zu fordern, wenn auch - wie geltend gemacht - nur an alle Erben gemeinschaftlich (§ 2039 Abs. 1 BGB).

Allerdings fehlt es der Klägerin an der erforderlichen Klagebefugnis (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R, in juris und vom 08.03.2016, B 1 KR 19/15 R in SozR 4-3250 § 17 Nr. 4). Denn eine Verletzung subjektiver Rechte kommt nicht in Betracht. Die Klagebefugnis für eine Anfechtungsklage besteht, wenn der Kläger behaupten kann, durch den angefochtenen und als rechtswidrig erachteten Verwaltungsakt beschwert zu sein. Dabei kann beschwert in diesem Sinne auch ein Drittbetroffener sein, in dessen Rechtsphäre durch den an einen anderen gerichteten Verwaltungsakt eingegriffen wird. Die Klagebefugnis für die vorliegende Anfechtungs- und Verpflichtungsklage setzt daher voraus, dass die Klägerin behaupten kann, durch den angefochtenen, von ihr als rechtswidrig erachteten Verwaltungsakt und die Verweigerung der begehrten Anerkennung von Unfallfolgen des Versicherten beschwert zu sein. Dies kommt indes nicht in Betracht. Denn aus der von ihr begehrten Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung von Unfallfolgen kann die Klägerin keine Rechte mehr herleiten. Insoweit bestimmt § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten erlöschen und Ansprüche auf Geldleistungen dann erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Ansprüche des Versicherten auf Geldleistungen, wie bspw. Verletztengeld oder Verletztenrente sind zum Zeitpunkt seines Todes nicht positiv festgestellt gewesen, auch ist kein Verwaltungsverfahren über entsprechende Ansprüche anhängig gewesen und die Beklagte entschied mit den angefochtenen Bescheiden, mit denen sie bereits die Anerkennung des Ereignisses vom 26.06.2009 als Arbeitsunfall ablehnte, folgerichtig auch nicht über derartige Leistungen. Schließlich ist auch der geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung von Unfallfolgen nicht auf einen solchen Geldleistungsanspruch gerichtet gewesen. Vielmehr hätte dieser erst im Erfolgsfall einen entsprechenden Geldanspruch begründen können. Eventuell bestehende Ansprüche des Versicherten auf Geldleistungen sind mit seinem Tod daher erloschen.

Mangels Klagebefugnis der in das Verfahren eingetretenen Klägerin ist die vom Versicherten erhobene Klage mit seinem Tod mithin unzulässig geworden, weshalb die Berufung der Klägerin schon aus diesem Grund unbegründet ist.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB I geltend macht, die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden über Geldleistungen entschieden und diese seien auch Gegenstand des Verwaltungsverfahren gewesen, ist zwar zutreffend, dass im Verwaltungsverfahren seitens der Beklagten Leistungsansprüche insoweit thematisiert wurden, als die vom Versicherten im Rahmen des übersandten Fragebogens erbetenen Angaben "zur Entscheidung ob und welche Leistungen" sie zu erbringen hat, benötigt wurden. Allerdings waren diese Angaben ganz allgemein für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens, nämlich "die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts" gerichtet ist (vgl. § 8 SGB X), erforderlich. Hierzu gehört insbesondere auch der Anspruch des Versicherten auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls und welche Sachleistungen ggf. zu erbringen sind. Das Verwaltungsverfahren diente daher nicht speziell der Prüfung, ob dem Versicherten Geldleistungen zu gewähren sind. Entsprechende Leistungen waren vom Versicherten auch zu keinem Zeitpunkt beantragt worden, weshalb das eröffnete Verwaltungsverfahren auch nicht mit dem Ziel geführt wurde, über einen geltend gemachten Anspruch auf Geldleistungen, sei es in Form von Verletztengeld oder Verletztenrente zu entscheiden. Ein entsprechender Antrag hat der Versicherte insbesondere auch nicht im Widerspruchsverfahren gestellt. Soweit er in der Widerspruchsbegründung vom 19.04.2012 darauf hinwies, dass auf Grund eines früheren Arbeitsunfalls bereits eine MdE um 10 v.H. einen Rentenanspruch begründen würde, hat die Klägerin selbst klargestellt, dass hiermit nur "vorsorglich" die Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII für den Fall einer negativen Widerspruchsentscheidung geltend gemacht worden sei. Damit lässt sich hieraus kein noch offenes Verwaltungsverfahren in Bezug auf Geldleistungen herleiten. Schließlich hat die Beklagte tatsächlich auch nicht über die Gewährung einer Geldleistung entschieden. Schon die Überschrift des angefochtenen Bescheides vom 16.02.2012 ("Bescheid über die Ablehnung eines Versicherungsfalles") weist darauf hin, dass keine Entscheidung über Ansprüche auf Geldleistungen getroffen wurde, weil die Beklagte bereits verneinte, dass das angeschuldigte Ereignis vom 26.06.2009 ein Arbeitsunfall war. Entsprechend führte die Beklagte im Verfügungssatz ihres Bescheides auch lediglich aus, dass "die Anerkennung des Ereignisses vom 26.06.2009 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung" abgelehnt wird. Eine darüber hinaus gehende Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X enthält der Bescheid nicht. Insbesondere enthält er keine Entscheidung zu eventuell in Frage kommenden Leistungen und damit insbesondere auch nicht zu Geldleistungen. Die Verfügung erschöpft sich in der Regelung, dass der Versicherte am 26.06.2009 keinen Arbeitsunfall erlitt. Soweit der Bescheid im letzten Satz der Begründung den Hinweis enthält, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu gewähren sind, handelt es sich lediglich um einen Teil der Begründung, mit der die Konsequenzen aus der Ablehnung des Ereignisses als Versicherungsfall aufgezeigt werden. Eine eigenständige Entscheidung ist damit nicht verbunden. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch maßgeblich von jenem, der der Entscheidung des BSG vom 30.03.2017 (B 2 U 15/15 R, in juris) zu Grunde lag, da mit dem in jenem Verfahren angefochtenen Bescheid ausdrücklich auch im Verfügungssatz Leistungen abgelehnt wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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