Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 5384/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3025/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es ist nicht grob fahrlässig, wenn die Versicherte, nachdem sie bei ihrem Antrag auf Altersrente die vom selben Rentenversicherungsträger bezogene Witwenrente angegeben hatte, nach Bewilligung der Altersrente diesen Bezug dem für die Witwenrente zuständigen Dezernat nicht mitteilt; denn es muss nicht jedem einleuchten, dass ein Rentenbezug vom selben Versicherungsträger diesem mitzuteilen ist und die in den Bescheiden erteilten Hinweise erfassen diesen Fall nicht.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.06.2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die rückwirkende Anrechnung von Altersrente auf Witwenrente für den Zeitraum vom 01.06.2003 bis 31.12.2014 und die Erstattung überzahlter Rente.
Die am geborene Klägerin ist die Witwe des im Januar 2000 verstorbenen Versicherten. Auf ihren Antrag erhielt sie von der Beklagten mit Bescheid vom 23.02.2000 große Witwenrente ab dem 01.02.2000 in Höhe von anfangs monatlich 1.406,23 DM (brutto; Zahlbetrag: 1.295,85 DM) bewilligt. Mit Bescheid vom 24.03.2000 wurde die Rente "neu festgestellt" und eine weitere Beitragszeit berücksichtigt. An den zuvor festgestellten Beträgen änderte sich nichts. In beiden Bescheiden wurde die Klägerin auf ihre Mitteilungspflichten hingewiesen und es wurde dargelegt "Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, vergleichbares Einkommen oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Erwerbseinkommen sind, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, folgende Leistungen: ... Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ... Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bezug eines bisher noch nicht mitgeteilten Einkommens oder der spätere Hinzutritt von Einkommen ist immer mitzuteilen ..." Hinsichtlich des vollständigen Wortlauts wird auf die in den Verwaltungsakten des Versicherten enthaltenen Bescheide Bezug genommen.
Antragsgemäß erhielt die Klägerin von der Beklagten ab 01.06.2003 Altersrente. Der entsprechende Antrag existiert nicht mehr. Eine Mitteilung über diesen Bezug durch die Klägerin an die Beklagte unter der Versicherungsnummer des Verstorbenen, unter der die Witwenrente bewilligt wurde, erfolgte nicht. Auch eine bei der Beklagten für den Fall, dass beim Altersrentenantrag der Bezug einer anderen Rente angegeben wird, vorgesehene interne Speicherung mit der Folge einer Meldung der Bewilligung der Altersrente zum Vorgang der Witwenrente erfolgte aus nicht mehr klärbaren Gründen nicht. Im März 2007 wurde anlässlich der Änderung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ein Benachrichtigungsauftrag gespeichert (Bl. 209 Rückseite VA), allerdings mit dem unzutreffenden Grund "weiterer Rentenbezug ohne Abhängigkeit", so dass (Bl. 63 LSG-Akte) gerade keine Benachrichtigung über die Zahlung der Altersrente ausgelöst wurde. Aus welchen Gründen im März 2007 eine solche Speicherung erfolgte, ist nicht klärbar (Bl. 62 Rückseite, Bl. 63 LSG-Akte). Diese Speicherung führte dann lediglich dazu, dass die Rentenanpassungsmitteilungen beider Renten zusammengefasst und in einem Brief an die Klägerin versandt wurden (Bl. 63 LSG-Akte; Bl. 69 SG-Akte). Bei zutreffender Verschlüsselung zum Übermittlungsgrund wäre eine maschinelle Datenübermittlung der Höhe der Altersrente in das Konto der Witwenrente erfolgt (Bl. 63 LSG-Akte).
Im November 2014 erhielt das für die Gewährung der Witwenrente zuständige Dezernat Kenntnis von der gezahlten Altersrente mit den entsprechenden Brutto- und Nettobeträgen. Zur Feststellung dieser Beträge für die einzelnen Zeitabschnitte wird auf Bl. 215 VA Bezug genommen (monatliche Bruttobeträge anfangs 963,57 EUR, zuletzt im streitigen Zeitraum 1.094,65 EUR). Die Beklagte berechnete zunächst mit Bescheid vom 24.11.2014 für die Zeit ab 01.01.2015 die große Witwenrente "neu" und rechnete die bewilligte Altersrente (1.094,65 EUR) in Höhe von 78,82 EUR an, so dass sich der Bruttobetrag der Witwenrente von 833,14 EUR auf 754,31 EUR minderte, woraus sich ein Zahlbetrag in Höhe von 674,74 EUR ergab.
Nach Anhörung der Klägerin führte die Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2015 eine Neuberechnung der großen Witwenrente ab dem 01.06.2003 durch. Zugleich hob sie (Anlage 10 zum Bescheid) den Rentenbescheid vom 23.02.2000 in der Fassung des Folgebescheides vom 24.03.2000 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.06.2003 nach § 48 SGB X auf. Sie rechnete zeitabschnittsweise die bezogene Altersrente mit den entsprechenden, im Bescheid (Anlage 8) ausgewiesenen Anrechnungsbeträgen auf den jeweiligen Bruttobetrag der Witwenrente an und ermittelte hieraus den jeweiligen zeitabschnittsweisen Zahlbetrag (Anlage 1). Insgesamt stellte sie eine Überzahlung für die Zeit vom 01.06.2003 bis 31.12.2014 in Höhe von 8.949,88 EUR fest, der zu erstatten sei. Für die Zeit ab 01.01.2015 wiederholte sie die Regelungen des Bescheides vom 24.11.2014. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungen wird auf den Bescheid Bezug genommen. Im Rahmen der Ermessensausübung ging die Beklagte - auch im Widerspruchsbescheid vom 01.09.2015, mit dem sie den Widerspruch der Klägerin zurückwies - wegen der unrichtigen Speicherung vom März 2007 von einem Mitverschulden ihrerseits aus, und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Gründe für eine Rückforderung überwiegen.
Im Rahmen des hiergegen von der Klägerin am 01.10.2015 beim Sozialgericht Stuttgart eingeleiteten Klageverfahrens gab die Klägerin an, sie meine, beim Antrag auf Altersrente den Bezug der Witwenrente mitgeteilt zu haben, wisse dies aber nicht mehr genau und Duplikate des Antrages habe sie nicht mehr. Mit Urteil vom 23.06.2017 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 30.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2015 antragsgemäß insoweit aufgehoben, als durch ihn eine Aufhebung und Erstattung der Hinterbliebenenrente für den Zeitraum vom 01.06.2003 bis 31.12.2014 in Höhe von 8.949,88 EUR verfügt wurde. Es hat insbesondere eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflichten der Klägerin verneint. Fest stehe zwar, dass die Klägerin zur Versicherungsnummer der Witwenrente den Bezug der Altersrente nicht mitgeteilt habe. Dies sei jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gewesen. Die formulierten Mitteilungspflichten seien missverständlich. Es werde nicht dargelegt, dass die Mitteilungspflicht auch gelte, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund selbst sowohl die Hinterbliebenenrente als auch die Altersrente bewilligt habe. Insoweit sei nicht nachvollziehbar, warum sie einer Behörde, die ihr zwei Renten bewilligt habe, diese Tatsache nochmals mitteilen solle. Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis vom teilweisen Wegfall des Hinterbliebenenleistungsanspruches hat das Sozialgericht verneint. Insbesondere habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass dieselbe Behörde zwei Renten bewilligt, ohne die Tatsache der doppelten Rentenbewilligung zu berücksichtigen. Der monatliche Anrechnungsbetrag sei auch relativ niedrig gewesen. Eine Verpflichtung der Versicherten, den jeweils gültigen Freibetrag zu berechnen und die Bewilligung daraufhin zu prüfen, bestehe nicht.
Gegen das ihr am 13.07.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.08.2017 Berufung eingelegt. Sie verweist auf die aus ihrer Sicht hinreichende Formulierung der Mitteilungspflichten sowie Rechtsprechung der Landessozialgerichte und darauf, dass der Klägerin nicht verborgen geblieben sein könne, nach der Bewilligung der Altersrente keinen einzigen Bescheid erhalten zu haben, mit dem ihre Witwenrente neu berechnet worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.06.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Denn die rückwirkende (teilweise) Aufhebung der Bewilligung der Witwenrente und die Geltendmachung der sich daraus errechnenden Erstattungsforderung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich ein Verschulden der Klägerin nicht nachweisen. Auf die vom Sozialgericht und den Beteiligten umfangreich thematisierten weiteren Aspekte eines Mitverschuldens der Beklagten und u.a. dessen Bewertung im Rahmen der Ermessensausübung kommt es damit nicht an.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 30.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2015, soweit - hierauf hat die Klägerin ihr prozessuales Begehren bereits vor dem Sozialgericht beschränkt (Bl. 18 SG-Akte) - die Beklagte die Bewilligung der Witwenrente rückwirkend vom 01.06.2003 bis 31.12.2014 teilweise, der Höhe nach, aufhob und die Erstattung überzahlter Rente geltend machte. Auch der Senat kann daher, wie das Sozialgericht, offenlassen, inwieweit der Bescheid vom 30.03.2015 eine Regelung für die Zeit ab dem 01.01.2015 enthält bzw. in welchem Verhältnis diese zum Bescheid vom 24.11.2014 steht. Zwar enthält der Verfügungssatz des Bescheides vom 30.03.2015 in Bezug auf die Aufhebung der Bewilligungsbescheide keine ausdrückliche Einschränkung. Indessen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen in diesem Bescheid - und so verstand dies auch die Klägerin -, dass die Beklagte die Leistungsbewilligung nicht in vollem Umfang, sondern nur teilweise, im Umfang der Anrechnung der Altersrente aufheben wollte.
Als Rechtsgrundlagen für den streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten kommen nur § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) - was die Aufhebung betrifft - und § 50 Abs. 1 SGB X - was die Erstattungsforderung betrifft - in Betracht.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Übereinstimmend und zu Recht gehen die Beteiligten und das Sozialgericht davon aus, dass die Voraussetzungen von Satz 1 dieser Regelung vorliegen. Bei der mit den Bescheiden vom 23.02.2000 und 24.03.2000 erfolgten Bewilligung von Witwenrente handelte es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, wobei wiederum deren rechtliches Verhältnis zueinander offenbleiben kann, da die Beklagte beide Bescheide teilweise aufhob. Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass der Bewilligungsbescheide vorlagen, liegt im Bezug der Altersrente der Klägerin, weil diese Altersrente nach § 97 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) auf die Witwenrente anzurechnen war. Das Sozialgericht hat die gesetzlichen Vorgaben der Anrechnung im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt und ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin die Witwenrente im Umfang der von der Beklagten ermittelten Überzahlungen nicht zustand. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Zwar erfolgte die Aufhebung gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, der über § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechend anzuwenden ist, innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Beklagten von der wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Denn das für die Witwenrente zuständige Dezernat der Beklagten und damit der zuständige Sachbearbeiter erfuhr erst im November 2014 vom Bezug der Altersrente (s. u.a. BSG, Urteil vom 31.01.2008, B 13 R 23/07 R, in juris m.w.N.). Allerdings erfolgte die teilweise Aufhebung der Bewilligungsbescheide erst nach Ablauf von zehn Jahren seit dem Eintritt der wesentlichen Änderung (hier ab Beginn des Anrechnungszeitraumes, 01.06.2003). In diesem Fall sieht § 48 Abs. 4 SGB X mit seiner Verweisung auf § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X zwar vor, dass auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren ein Bescheid über die Bewilligung laufender Geldleistungen zurückgenommen werden kann, wenn - wie hier - diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Allerdings bezieht sich diese Regelung auf die Fälle des Satzes 3. Dort wiederum ist eine Rücknahme bis zu zehn Jahren nach Bekanntgabe nur in den Fällen der Bösgläubigkeit (vorsätzliche oder grob fahrlässige unrichtige Angaben bzw. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit) oder bei einem - hier nicht erklärten -Vorbehalt des Widerrufs vorgesehen. Der Verweis in § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X als Rechtsgrundverweisung (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2010, B 13 R 77/09 R in SozR 4-1300 § 48 Nr. 18) erfordert eine folgerichtige Übertragung der in Bezug genommenen Regelungen auf § 48 SGB X, mit der Konsequenz, dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Nr. 2 (vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht) oder der Nr. 4 (Kenntnis oder grob fahrlässige Nichtkenntnis vom Ruhen oder Wegfall des sich aus dem Verwaltungsakt ergebenden Anspruchs) des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X die Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakts mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse auch nach Ablauf der von diesem Zeitpunkt an laufenden Zehnjahresfrist in Betracht kommt, wenn ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung vorliegt und diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung gezahlt wurde (BSG, a.a.O.). Dies bedeutet zugleich, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (Erzielung von Einkommen) für die Aufhebung nach Ablauf der der Zehnjahresfrist nicht ausreicht (BSG, a.a.O.).
Wie das Sozialgericht verneint auch der Senat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X.
Es bieten sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, der Klägerin wäre schon vor der Konfrontation mit der von der Beklagten durchgeführten Anrechnung (gegenüber der Klägerin erstmals mit Bescheid vom 24.11.2014) bekannt gewesen, dass ihr wegen des Bezuges der Altersrente die Witwenrente tatsächlich nicht in voller Höhe zustand. Vielmehr ging die Klägerin, wie sich aus ihren Angaben im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem Sozialgericht ergibt, davon aus, dass sie weiterhin zu ihrer Altersrente noch Witwenrente bekomme.
Der Senat verneint, wie das Sozialgericht, auch das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Diese Voraussetzung erfüllt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Maßgebend sind das Einsichtsvermögen und die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit des Beteiligten sowie die besonderen Umstände des Falles (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, juris). Angesichts der Höhe der Altersrente und damit eines relativ geringen Anrechnungsbetrages (monatlich zwischen ca. 64 und 81 EUR) und der Komplexität der Anrechnungsvorschriften musste die Klägerin, die über keine besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten in Bezug auf Rentenbe- oder -anrechnungen verfügt, weder zu Beginn des Bezuges der Altersrente noch danach von sich aus erkennen, dass ihr die Witwenrente nicht in voller Höhe, sondern unter Abzug eines Anrechnungsbetrages zustand. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Informationen in den die Witwenrente bewilligenden Bescheiden den Betroffenen nicht in die Lage versetzen, eigenständig eine auch nur näherungsweise Anrechnung vorzunehmen, denn es wird lediglich darauf hingewiesen, dass Einkommen in Höhe von 40 v.H. des Betrages anzurechnen ist, um den das Einkommen einen dynamischen Freibetrag übersteigt. Zur Höhe dieses Freibetrages finden sich keinerlei Informationen. Dem entsprechend drängt sich für den Rentenbezieher gerade bei nicht über dem Durchschnitt liegenden Renten der Verdacht, er könne einen Freibetrag überschreiten, nicht auf. Aber erst, wenn ein solcher Verdacht beim Rentenbezieher aufkommt bzw. sich aufdrängt, ist er gehalten, ggf. durch Nachfrage eine Klärung herbeizuführen, wie dies das Hessische Landessozialgericht in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 30.01.2015, L 5 R 390/12, allerdings im die Entscheidung nicht tragenden Teil der Gründe, fordert. Ausgehend von der Tatsache, dass die Beklagte beide Renten zahlt, verbunden mit dem für juristische Laien und für mit Verwaltungsvorgängen bei der Beklagten nicht vertraute Versicherte nachvollziehbaren Schluss, dann werde auch die Höhe der Renten unter Berücksichtigung ggf. bestehender Anrechnungsregeln geprüft, durfte die Klägerin von der Richtigkeit der Zahlungen ausgehen, jedenfalls ohne dass ihr grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.
Soweit die Beklagte in der Berufung darauf hinweist, die Klägerin habe nach der Bewilligung der Altersrente keinen einzigen Bescheid über eine Neuberechnung der Witwenrente erhalten, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn dies bestärkte die Klägerin allenfalls in ihrem Vertrauen darauf, dass ihr beide Renten (ohne Anrechnung) zustehen, wie sie dies in ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht angegeben hat.
Der Senat folgt dem Sozialgericht auch in der Beurteilung, wonach die Klägerin ihre Mitteilungspflichten nicht schuldhaft verletzte.
Allerdings ist der Senat in Übereinstimmung mit der Beklagten der Auffassung, dass die Klägerin objektiv Mitteilungspflichten verletzte. Denn die Klägerin war gesetzlich verpflichtet, den Bezug der Altersrente der Beklagten mitzuteilen. Dies ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I, wonach derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, u.a. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen hat. An dieser gesetzlichen Verpflichtung als solcher würde der Umstand, dass der Versicherungsträger bereits Kenntnis von der mitzuteilenden Tatsache hat, nichts ändern (BSG, Urteil vom 12.02.1980, 7 RAr 13/79 in SozR 4100 § 152 Nr. 10).
Indessen verneint der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht ein Verschulden der Klägerin.
Bei der Beantragung der Altersrente hatte die Klägerin auch die Frage zu beantworten, ob sie eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht oder bezog. Dies ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten, im Zeitpunkt des von der Klägerin gestellten Antrages verwendeten Antragsformularen Stand 17.10.2002 und Stand 19.02.2003 (vgl. Bl. 64 ff., 68 ff. LSG-Akte), wobei eine Beantwortung mit nein oder ja (in diesem Fall mit weiteren verlangten Angaben) vorzunehmen war. Nach den Angaben der Klägerin will sie bei der Antragstellung angegeben haben, die Witwenrente zu beziehen, eine genaue Erinnerung habe sie nicht (vgl. die Niederschrift vom 11.01.2017, Bl. 44 ff. SG-Akte). Vor diesem Hintergrund - Abfrage des Rentenbezuges in dem von der Klägerin zur Antragstellung verwendeten Formular, Erinnerung, der Klägerin, die Witwenrente angegeben zu haben - liegt die Annahme nahe, dass die Klägerin tatsächlich den Bezug der Witwenrente im Antrag auf Altersrente angab. Eine abschließende Klärung dieser Frage ist nicht möglich, weil die Beklagte den Antrag vernichtete und die Klägerin über keine Kopie des Antrages verfügt.
Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Da die Beklagte vorliegend einen Anspruch auf Aufhebung der Rentenbewilligungen und Erstattung überzahlter Rente behauptet, trifft sie die Beweislast für die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen, also auch für ein grob fahrlässiges Handeln der Klägerin.
Da nicht nachweisbar ist, dass die Klägerin beim Antrag auf Altersrente den Bezug der Witwenrente verschwieg, sondern eher davon auszugehen ist, dass sie diesen Rentenbezug angab, lässt sich ein grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin nicht begründen. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Denn bei Angabe des Bezuges der Witwenrente im Antrag auf Altersrente war der Beklagten dieser Rentenbezug bekannt. Zwar entband dies die Klägerin objektiv nicht von der Pflicht, den Bezug der Altersrenten der für die Zahlung der Witwenrente zuständigen Stelle (also unter der Versicherungsnummer der Witwenrente, so zu Recht die Beklagte) mitzuteilen (s.o.). Indessen muss es einem nicht mit den internen Zuständigkeiten vertrauten Versicherten nicht einleuchten, dass ein Rentenversicherungsträger - obwohl er den Rentenbezug im Antrag abfragt und ihn entsprechend mitgeteilt bekommt - die erhaltenen Informationen nicht verwertet, also intern nicht weitergibt. Der gegenteilige Schluss ist zutreffend: Die Beklagte hat im Berufungsverfahren eingeräumt, dass ein entsprechendes internes maschinelles Mitteilungsverfahren vorgesehen war und ist und bei Bewilligung der Altersrente eine schriftliche Information an das für die Hinterbliebenenrente zuständige Dezernat versandt wurde und wird (Bl. 62 Rückseite LSG-Akte). Nicht zu klären ist, aus welchen Gründen dies vorliegend unterblieb (so die Beklagte, a.a.O.). Die frühere Spekulation (Bl. 58 Rückseite LSG-Akte), weil eine derartige Meldung aus den Verwaltungsakten nicht hervorgehe, könne angenommen werden, dass die Klägerin den Rentenbezug beim Antrag auf Altersrente nicht angab, hat die Beklagte damit nicht aufrechterhalten. Diese Spekulation ist auch haltlos, weil sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten für die Zeit bis Ende November 2014 nichts entnehmen lässt (der erste Vorgang datiert von Dezember 2014) und die Beklagte selbst einräumt, den von der Klägerin gestellten Antrag vernichtet und keine Verfilmung vorgenommen zu haben. Dass dies nicht auch für andere Vorgänge zutreffen soll, ist nicht erkennbar. Schließlich hat die Beklagte im gleichen Zusammenhang auf eine Fehleranfälligkeit ihrer internen Meldeverfahren hingewiesen, was wiederum einen Rückschluss auf unterlassene Angaben der Klägerin verbietet.
Die Ausführungen der Beklagten, dass diese Mitteilung des Bezuges der Witwenrente beim Antrag auf Altersrente weder die Mitteilungspflichten in Bezug auf die Witwenrente entfallen ließ noch Fehler bei der intern vorgesehenen Datenübermittlung ausschließt, ändert nichts daran, dass der Klägerin ihr Unterlassen - mangels eigener Kenntnis der Verwaltungsvorgänge oder weil es jedem einleuchten müsste - im Sinne einer groben Fahrlässigkeit nicht vorzuwerfen ist. Das von der Beklagten angeführte Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.01.2015, L 5 R 390/12, enthält hierzu keine gegenteiligen Ausführungen.
In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass die von der Beklagten in den Bescheiden über die Bewilligung der Witwenrente erteilten Hinweise über das Bestehen von Mitteilungspflichten gerade den vorliegenden Fall, dass später eine Altersrente vom selben Versicherungsträger bewilligt wird, der auch die Witwenrente zahlt, nicht ausdrücklich erfassen, was in der von der Beklagten vorgelegten Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.01.2015, L 5 R 390/12 wiederum nicht thematisiert wird. Entgegen der Wertung des Sozialgerichts sind diese Hinweise damit zwar nicht missverständlich, sondern unvollständig, was allerdings zum selben Ergebnis einer den vorliegenden Fall nicht erfassenden Information der Klägerin führt. Vor diesem Hintergrund wäre der Klägerin - i. S. grober Fahrlässigkeit - selbst dann die unterlassene Mitteilung nicht vorzuwerfen, wenn sie die erteilten Hinweise sorgsam gelesen hätte. Denn auch dann wäre eine subjektive Wertung, sie habe alle Pflichten erfüllt, weil sie dem für beide Renten zuständigen Versicherungsträger den Bezug der Witwenrente im Antrag auf Altersrente angegeben habe, jedenfalls nicht grob fahrlässig, sondern aus der Sicht eines juristischen Laien nachvollziehbar.
Auch in der Folgezeit bis zur erfolgten Anrechnung wurde die Klägerin nicht anderweitig informiert. Vielmehr erhielt sie mit den Rentenanpassungsmitteilungen, jedenfalls seit 2005 (Bl. 22 LSG-Akte), eine einzige, beide Rentenarten zusammenfassende Mitteilung, aus der sie wiederum entnehmen durfte, dass der Beklagten der Bezug beider Renten bekannt ist.
Soweit die Beklagte weitere aus ihrer Sicht günstige Rechtsprechung der Landessozialgerichte anführt, liegen diesen Entscheidungen andere Sachverhalte zu Grunde. Vorliegend ist maßgeblich, dass die Klägerin - jedenfalls ist dies nicht auszuschließen - den Bezug der Witwenrente beim Antrag auf Altersrente angab, deshalb davon ausging, die Beklagte sei umfassend informiert und subjektiv folgerichtig von einer Mitteilung der Bewilligung der Altersrente an das für die Witwenrente zuständige Referat Abstand nahm, ohne dass ihr konkrete andere Informationen für diese spezielle Fallgestaltung erteilt worden wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagten hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die rückwirkende Anrechnung von Altersrente auf Witwenrente für den Zeitraum vom 01.06.2003 bis 31.12.2014 und die Erstattung überzahlter Rente.
Die am geborene Klägerin ist die Witwe des im Januar 2000 verstorbenen Versicherten. Auf ihren Antrag erhielt sie von der Beklagten mit Bescheid vom 23.02.2000 große Witwenrente ab dem 01.02.2000 in Höhe von anfangs monatlich 1.406,23 DM (brutto; Zahlbetrag: 1.295,85 DM) bewilligt. Mit Bescheid vom 24.03.2000 wurde die Rente "neu festgestellt" und eine weitere Beitragszeit berücksichtigt. An den zuvor festgestellten Beträgen änderte sich nichts. In beiden Bescheiden wurde die Klägerin auf ihre Mitteilungspflichten hingewiesen und es wurde dargelegt "Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, vergleichbares Einkommen oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen. Erwerbseinkommen sind, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, folgende Leistungen: ... Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ... Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bezug eines bisher noch nicht mitgeteilten Einkommens oder der spätere Hinzutritt von Einkommen ist immer mitzuteilen ..." Hinsichtlich des vollständigen Wortlauts wird auf die in den Verwaltungsakten des Versicherten enthaltenen Bescheide Bezug genommen.
Antragsgemäß erhielt die Klägerin von der Beklagten ab 01.06.2003 Altersrente. Der entsprechende Antrag existiert nicht mehr. Eine Mitteilung über diesen Bezug durch die Klägerin an die Beklagte unter der Versicherungsnummer des Verstorbenen, unter der die Witwenrente bewilligt wurde, erfolgte nicht. Auch eine bei der Beklagten für den Fall, dass beim Altersrentenantrag der Bezug einer anderen Rente angegeben wird, vorgesehene interne Speicherung mit der Folge einer Meldung der Bewilligung der Altersrente zum Vorgang der Witwenrente erfolgte aus nicht mehr klärbaren Gründen nicht. Im März 2007 wurde anlässlich der Änderung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ein Benachrichtigungsauftrag gespeichert (Bl. 209 Rückseite VA), allerdings mit dem unzutreffenden Grund "weiterer Rentenbezug ohne Abhängigkeit", so dass (Bl. 63 LSG-Akte) gerade keine Benachrichtigung über die Zahlung der Altersrente ausgelöst wurde. Aus welchen Gründen im März 2007 eine solche Speicherung erfolgte, ist nicht klärbar (Bl. 62 Rückseite, Bl. 63 LSG-Akte). Diese Speicherung führte dann lediglich dazu, dass die Rentenanpassungsmitteilungen beider Renten zusammengefasst und in einem Brief an die Klägerin versandt wurden (Bl. 63 LSG-Akte; Bl. 69 SG-Akte). Bei zutreffender Verschlüsselung zum Übermittlungsgrund wäre eine maschinelle Datenübermittlung der Höhe der Altersrente in das Konto der Witwenrente erfolgt (Bl. 63 LSG-Akte).
Im November 2014 erhielt das für die Gewährung der Witwenrente zuständige Dezernat Kenntnis von der gezahlten Altersrente mit den entsprechenden Brutto- und Nettobeträgen. Zur Feststellung dieser Beträge für die einzelnen Zeitabschnitte wird auf Bl. 215 VA Bezug genommen (monatliche Bruttobeträge anfangs 963,57 EUR, zuletzt im streitigen Zeitraum 1.094,65 EUR). Die Beklagte berechnete zunächst mit Bescheid vom 24.11.2014 für die Zeit ab 01.01.2015 die große Witwenrente "neu" und rechnete die bewilligte Altersrente (1.094,65 EUR) in Höhe von 78,82 EUR an, so dass sich der Bruttobetrag der Witwenrente von 833,14 EUR auf 754,31 EUR minderte, woraus sich ein Zahlbetrag in Höhe von 674,74 EUR ergab.
Nach Anhörung der Klägerin führte die Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2015 eine Neuberechnung der großen Witwenrente ab dem 01.06.2003 durch. Zugleich hob sie (Anlage 10 zum Bescheid) den Rentenbescheid vom 23.02.2000 in der Fassung des Folgebescheides vom 24.03.2000 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.06.2003 nach § 48 SGB X auf. Sie rechnete zeitabschnittsweise die bezogene Altersrente mit den entsprechenden, im Bescheid (Anlage 8) ausgewiesenen Anrechnungsbeträgen auf den jeweiligen Bruttobetrag der Witwenrente an und ermittelte hieraus den jeweiligen zeitabschnittsweisen Zahlbetrag (Anlage 1). Insgesamt stellte sie eine Überzahlung für die Zeit vom 01.06.2003 bis 31.12.2014 in Höhe von 8.949,88 EUR fest, der zu erstatten sei. Für die Zeit ab 01.01.2015 wiederholte sie die Regelungen des Bescheides vom 24.11.2014. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungen wird auf den Bescheid Bezug genommen. Im Rahmen der Ermessensausübung ging die Beklagte - auch im Widerspruchsbescheid vom 01.09.2015, mit dem sie den Widerspruch der Klägerin zurückwies - wegen der unrichtigen Speicherung vom März 2007 von einem Mitverschulden ihrerseits aus, und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Gründe für eine Rückforderung überwiegen.
Im Rahmen des hiergegen von der Klägerin am 01.10.2015 beim Sozialgericht Stuttgart eingeleiteten Klageverfahrens gab die Klägerin an, sie meine, beim Antrag auf Altersrente den Bezug der Witwenrente mitgeteilt zu haben, wisse dies aber nicht mehr genau und Duplikate des Antrages habe sie nicht mehr. Mit Urteil vom 23.06.2017 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 30.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2015 antragsgemäß insoweit aufgehoben, als durch ihn eine Aufhebung und Erstattung der Hinterbliebenenrente für den Zeitraum vom 01.06.2003 bis 31.12.2014 in Höhe von 8.949,88 EUR verfügt wurde. Es hat insbesondere eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflichten der Klägerin verneint. Fest stehe zwar, dass die Klägerin zur Versicherungsnummer der Witwenrente den Bezug der Altersrente nicht mitgeteilt habe. Dies sei jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gewesen. Die formulierten Mitteilungspflichten seien missverständlich. Es werde nicht dargelegt, dass die Mitteilungspflicht auch gelte, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund selbst sowohl die Hinterbliebenenrente als auch die Altersrente bewilligt habe. Insoweit sei nicht nachvollziehbar, warum sie einer Behörde, die ihr zwei Renten bewilligt habe, diese Tatsache nochmals mitteilen solle. Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis vom teilweisen Wegfall des Hinterbliebenenleistungsanspruches hat das Sozialgericht verneint. Insbesondere habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass dieselbe Behörde zwei Renten bewilligt, ohne die Tatsache der doppelten Rentenbewilligung zu berücksichtigen. Der monatliche Anrechnungsbetrag sei auch relativ niedrig gewesen. Eine Verpflichtung der Versicherten, den jeweils gültigen Freibetrag zu berechnen und die Bewilligung daraufhin zu prüfen, bestehe nicht.
Gegen das ihr am 13.07.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.08.2017 Berufung eingelegt. Sie verweist auf die aus ihrer Sicht hinreichende Formulierung der Mitteilungspflichten sowie Rechtsprechung der Landessozialgerichte und darauf, dass der Klägerin nicht verborgen geblieben sein könne, nach der Bewilligung der Altersrente keinen einzigen Bescheid erhalten zu haben, mit dem ihre Witwenrente neu berechnet worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.06.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Denn die rückwirkende (teilweise) Aufhebung der Bewilligung der Witwenrente und die Geltendmachung der sich daraus errechnenden Erstattungsforderung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich ein Verschulden der Klägerin nicht nachweisen. Auf die vom Sozialgericht und den Beteiligten umfangreich thematisierten weiteren Aspekte eines Mitverschuldens der Beklagten und u.a. dessen Bewertung im Rahmen der Ermessensausübung kommt es damit nicht an.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 30.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2015, soweit - hierauf hat die Klägerin ihr prozessuales Begehren bereits vor dem Sozialgericht beschränkt (Bl. 18 SG-Akte) - die Beklagte die Bewilligung der Witwenrente rückwirkend vom 01.06.2003 bis 31.12.2014 teilweise, der Höhe nach, aufhob und die Erstattung überzahlter Rente geltend machte. Auch der Senat kann daher, wie das Sozialgericht, offenlassen, inwieweit der Bescheid vom 30.03.2015 eine Regelung für die Zeit ab dem 01.01.2015 enthält bzw. in welchem Verhältnis diese zum Bescheid vom 24.11.2014 steht. Zwar enthält der Verfügungssatz des Bescheides vom 30.03.2015 in Bezug auf die Aufhebung der Bewilligungsbescheide keine ausdrückliche Einschränkung. Indessen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen in diesem Bescheid - und so verstand dies auch die Klägerin -, dass die Beklagte die Leistungsbewilligung nicht in vollem Umfang, sondern nur teilweise, im Umfang der Anrechnung der Altersrente aufheben wollte.
Als Rechtsgrundlagen für den streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten kommen nur § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) - was die Aufhebung betrifft - und § 50 Abs. 1 SGB X - was die Erstattungsforderung betrifft - in Betracht.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Übereinstimmend und zu Recht gehen die Beteiligten und das Sozialgericht davon aus, dass die Voraussetzungen von Satz 1 dieser Regelung vorliegen. Bei der mit den Bescheiden vom 23.02.2000 und 24.03.2000 erfolgten Bewilligung von Witwenrente handelte es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, wobei wiederum deren rechtliches Verhältnis zueinander offenbleiben kann, da die Beklagte beide Bescheide teilweise aufhob. Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass der Bewilligungsbescheide vorlagen, liegt im Bezug der Altersrente der Klägerin, weil diese Altersrente nach § 97 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) auf die Witwenrente anzurechnen war. Das Sozialgericht hat die gesetzlichen Vorgaben der Anrechnung im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt und ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin die Witwenrente im Umfang der von der Beklagten ermittelten Überzahlungen nicht zustand. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Zwar erfolgte die Aufhebung gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, der über § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechend anzuwenden ist, innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Beklagten von der wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Denn das für die Witwenrente zuständige Dezernat der Beklagten und damit der zuständige Sachbearbeiter erfuhr erst im November 2014 vom Bezug der Altersrente (s. u.a. BSG, Urteil vom 31.01.2008, B 13 R 23/07 R, in juris m.w.N.). Allerdings erfolgte die teilweise Aufhebung der Bewilligungsbescheide erst nach Ablauf von zehn Jahren seit dem Eintritt der wesentlichen Änderung (hier ab Beginn des Anrechnungszeitraumes, 01.06.2003). In diesem Fall sieht § 48 Abs. 4 SGB X mit seiner Verweisung auf § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X zwar vor, dass auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren ein Bescheid über die Bewilligung laufender Geldleistungen zurückgenommen werden kann, wenn - wie hier - diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Allerdings bezieht sich diese Regelung auf die Fälle des Satzes 3. Dort wiederum ist eine Rücknahme bis zu zehn Jahren nach Bekanntgabe nur in den Fällen der Bösgläubigkeit (vorsätzliche oder grob fahrlässige unrichtige Angaben bzw. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit) oder bei einem - hier nicht erklärten -Vorbehalt des Widerrufs vorgesehen. Der Verweis in § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X als Rechtsgrundverweisung (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2010, B 13 R 77/09 R in SozR 4-1300 § 48 Nr. 18) erfordert eine folgerichtige Übertragung der in Bezug genommenen Regelungen auf § 48 SGB X, mit der Konsequenz, dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Nr. 2 (vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht) oder der Nr. 4 (Kenntnis oder grob fahrlässige Nichtkenntnis vom Ruhen oder Wegfall des sich aus dem Verwaltungsakt ergebenden Anspruchs) des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X die Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakts mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse auch nach Ablauf der von diesem Zeitpunkt an laufenden Zehnjahresfrist in Betracht kommt, wenn ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung vorliegt und diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung gezahlt wurde (BSG, a.a.O.). Dies bedeutet zugleich, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (Erzielung von Einkommen) für die Aufhebung nach Ablauf der der Zehnjahresfrist nicht ausreicht (BSG, a.a.O.).
Wie das Sozialgericht verneint auch der Senat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X.
Es bieten sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, der Klägerin wäre schon vor der Konfrontation mit der von der Beklagten durchgeführten Anrechnung (gegenüber der Klägerin erstmals mit Bescheid vom 24.11.2014) bekannt gewesen, dass ihr wegen des Bezuges der Altersrente die Witwenrente tatsächlich nicht in voller Höhe zustand. Vielmehr ging die Klägerin, wie sich aus ihren Angaben im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vor dem Sozialgericht ergibt, davon aus, dass sie weiterhin zu ihrer Altersrente noch Witwenrente bekomme.
Der Senat verneint, wie das Sozialgericht, auch das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Diese Voraussetzung erfüllt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Maßgebend sind das Einsichtsvermögen und die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit des Beteiligten sowie die besonderen Umstände des Falles (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R, juris). Angesichts der Höhe der Altersrente und damit eines relativ geringen Anrechnungsbetrages (monatlich zwischen ca. 64 und 81 EUR) und der Komplexität der Anrechnungsvorschriften musste die Klägerin, die über keine besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten in Bezug auf Rentenbe- oder -anrechnungen verfügt, weder zu Beginn des Bezuges der Altersrente noch danach von sich aus erkennen, dass ihr die Witwenrente nicht in voller Höhe, sondern unter Abzug eines Anrechnungsbetrages zustand. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Informationen in den die Witwenrente bewilligenden Bescheiden den Betroffenen nicht in die Lage versetzen, eigenständig eine auch nur näherungsweise Anrechnung vorzunehmen, denn es wird lediglich darauf hingewiesen, dass Einkommen in Höhe von 40 v.H. des Betrages anzurechnen ist, um den das Einkommen einen dynamischen Freibetrag übersteigt. Zur Höhe dieses Freibetrages finden sich keinerlei Informationen. Dem entsprechend drängt sich für den Rentenbezieher gerade bei nicht über dem Durchschnitt liegenden Renten der Verdacht, er könne einen Freibetrag überschreiten, nicht auf. Aber erst, wenn ein solcher Verdacht beim Rentenbezieher aufkommt bzw. sich aufdrängt, ist er gehalten, ggf. durch Nachfrage eine Klärung herbeizuführen, wie dies das Hessische Landessozialgericht in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 30.01.2015, L 5 R 390/12, allerdings im die Entscheidung nicht tragenden Teil der Gründe, fordert. Ausgehend von der Tatsache, dass die Beklagte beide Renten zahlt, verbunden mit dem für juristische Laien und für mit Verwaltungsvorgängen bei der Beklagten nicht vertraute Versicherte nachvollziehbaren Schluss, dann werde auch die Höhe der Renten unter Berücksichtigung ggf. bestehender Anrechnungsregeln geprüft, durfte die Klägerin von der Richtigkeit der Zahlungen ausgehen, jedenfalls ohne dass ihr grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.
Soweit die Beklagte in der Berufung darauf hinweist, die Klägerin habe nach der Bewilligung der Altersrente keinen einzigen Bescheid über eine Neuberechnung der Witwenrente erhalten, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn dies bestärkte die Klägerin allenfalls in ihrem Vertrauen darauf, dass ihr beide Renten (ohne Anrechnung) zustehen, wie sie dies in ihrer Anhörung vor dem Sozialgericht angegeben hat.
Der Senat folgt dem Sozialgericht auch in der Beurteilung, wonach die Klägerin ihre Mitteilungspflichten nicht schuldhaft verletzte.
Allerdings ist der Senat in Übereinstimmung mit der Beklagten der Auffassung, dass die Klägerin objektiv Mitteilungspflichten verletzte. Denn die Klägerin war gesetzlich verpflichtet, den Bezug der Altersrente der Beklagten mitzuteilen. Dies ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I, wonach derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, u.a. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen hat. An dieser gesetzlichen Verpflichtung als solcher würde der Umstand, dass der Versicherungsträger bereits Kenntnis von der mitzuteilenden Tatsache hat, nichts ändern (BSG, Urteil vom 12.02.1980, 7 RAr 13/79 in SozR 4100 § 152 Nr. 10).
Indessen verneint der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht ein Verschulden der Klägerin.
Bei der Beantragung der Altersrente hatte die Klägerin auch die Frage zu beantworten, ob sie eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht oder bezog. Dies ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten, im Zeitpunkt des von der Klägerin gestellten Antrages verwendeten Antragsformularen Stand 17.10.2002 und Stand 19.02.2003 (vgl. Bl. 64 ff., 68 ff. LSG-Akte), wobei eine Beantwortung mit nein oder ja (in diesem Fall mit weiteren verlangten Angaben) vorzunehmen war. Nach den Angaben der Klägerin will sie bei der Antragstellung angegeben haben, die Witwenrente zu beziehen, eine genaue Erinnerung habe sie nicht (vgl. die Niederschrift vom 11.01.2017, Bl. 44 ff. SG-Akte). Vor diesem Hintergrund - Abfrage des Rentenbezuges in dem von der Klägerin zur Antragstellung verwendeten Formular, Erinnerung, der Klägerin, die Witwenrente angegeben zu haben - liegt die Annahme nahe, dass die Klägerin tatsächlich den Bezug der Witwenrente im Antrag auf Altersrente angab. Eine abschließende Klärung dieser Frage ist nicht möglich, weil die Beklagte den Antrag vernichtete und die Klägerin über keine Kopie des Antrages verfügt.
Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Da die Beklagte vorliegend einen Anspruch auf Aufhebung der Rentenbewilligungen und Erstattung überzahlter Rente behauptet, trifft sie die Beweislast für die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen, also auch für ein grob fahrlässiges Handeln der Klägerin.
Da nicht nachweisbar ist, dass die Klägerin beim Antrag auf Altersrente den Bezug der Witwenrente verschwieg, sondern eher davon auszugehen ist, dass sie diesen Rentenbezug angab, lässt sich ein grob fahrlässiges Verhalten der Klägerin nicht begründen. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Denn bei Angabe des Bezuges der Witwenrente im Antrag auf Altersrente war der Beklagten dieser Rentenbezug bekannt. Zwar entband dies die Klägerin objektiv nicht von der Pflicht, den Bezug der Altersrenten der für die Zahlung der Witwenrente zuständigen Stelle (also unter der Versicherungsnummer der Witwenrente, so zu Recht die Beklagte) mitzuteilen (s.o.). Indessen muss es einem nicht mit den internen Zuständigkeiten vertrauten Versicherten nicht einleuchten, dass ein Rentenversicherungsträger - obwohl er den Rentenbezug im Antrag abfragt und ihn entsprechend mitgeteilt bekommt - die erhaltenen Informationen nicht verwertet, also intern nicht weitergibt. Der gegenteilige Schluss ist zutreffend: Die Beklagte hat im Berufungsverfahren eingeräumt, dass ein entsprechendes internes maschinelles Mitteilungsverfahren vorgesehen war und ist und bei Bewilligung der Altersrente eine schriftliche Information an das für die Hinterbliebenenrente zuständige Dezernat versandt wurde und wird (Bl. 62 Rückseite LSG-Akte). Nicht zu klären ist, aus welchen Gründen dies vorliegend unterblieb (so die Beklagte, a.a.O.). Die frühere Spekulation (Bl. 58 Rückseite LSG-Akte), weil eine derartige Meldung aus den Verwaltungsakten nicht hervorgehe, könne angenommen werden, dass die Klägerin den Rentenbezug beim Antrag auf Altersrente nicht angab, hat die Beklagte damit nicht aufrechterhalten. Diese Spekulation ist auch haltlos, weil sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten für die Zeit bis Ende November 2014 nichts entnehmen lässt (der erste Vorgang datiert von Dezember 2014) und die Beklagte selbst einräumt, den von der Klägerin gestellten Antrag vernichtet und keine Verfilmung vorgenommen zu haben. Dass dies nicht auch für andere Vorgänge zutreffen soll, ist nicht erkennbar. Schließlich hat die Beklagte im gleichen Zusammenhang auf eine Fehleranfälligkeit ihrer internen Meldeverfahren hingewiesen, was wiederum einen Rückschluss auf unterlassene Angaben der Klägerin verbietet.
Die Ausführungen der Beklagten, dass diese Mitteilung des Bezuges der Witwenrente beim Antrag auf Altersrente weder die Mitteilungspflichten in Bezug auf die Witwenrente entfallen ließ noch Fehler bei der intern vorgesehenen Datenübermittlung ausschließt, ändert nichts daran, dass der Klägerin ihr Unterlassen - mangels eigener Kenntnis der Verwaltungsvorgänge oder weil es jedem einleuchten müsste - im Sinne einer groben Fahrlässigkeit nicht vorzuwerfen ist. Das von der Beklagten angeführte Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.01.2015, L 5 R 390/12, enthält hierzu keine gegenteiligen Ausführungen.
In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass die von der Beklagten in den Bescheiden über die Bewilligung der Witwenrente erteilten Hinweise über das Bestehen von Mitteilungspflichten gerade den vorliegenden Fall, dass später eine Altersrente vom selben Versicherungsträger bewilligt wird, der auch die Witwenrente zahlt, nicht ausdrücklich erfassen, was in der von der Beklagten vorgelegten Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.01.2015, L 5 R 390/12 wiederum nicht thematisiert wird. Entgegen der Wertung des Sozialgerichts sind diese Hinweise damit zwar nicht missverständlich, sondern unvollständig, was allerdings zum selben Ergebnis einer den vorliegenden Fall nicht erfassenden Information der Klägerin führt. Vor diesem Hintergrund wäre der Klägerin - i. S. grober Fahrlässigkeit - selbst dann die unterlassene Mitteilung nicht vorzuwerfen, wenn sie die erteilten Hinweise sorgsam gelesen hätte. Denn auch dann wäre eine subjektive Wertung, sie habe alle Pflichten erfüllt, weil sie dem für beide Renten zuständigen Versicherungsträger den Bezug der Witwenrente im Antrag auf Altersrente angegeben habe, jedenfalls nicht grob fahrlässig, sondern aus der Sicht eines juristischen Laien nachvollziehbar.
Auch in der Folgezeit bis zur erfolgten Anrechnung wurde die Klägerin nicht anderweitig informiert. Vielmehr erhielt sie mit den Rentenanpassungsmitteilungen, jedenfalls seit 2005 (Bl. 22 LSG-Akte), eine einzige, beide Rentenarten zusammenfassende Mitteilung, aus der sie wiederum entnehmen durfte, dass der Beklagten der Bezug beider Renten bekannt ist.
Soweit die Beklagte weitere aus ihrer Sicht günstige Rechtsprechung der Landessozialgerichte anführt, liegen diesen Entscheidungen andere Sachverhalte zu Grunde. Vorliegend ist maßgeblich, dass die Klägerin - jedenfalls ist dies nicht auszuschließen - den Bezug der Witwenrente beim Antrag auf Altersrente angab, deshalb davon ausging, die Beklagte sei umfassend informiert und subjektiv folgerichtig von einer Mitteilung der Bewilligung der Altersrente an das für die Witwenrente zuständige Referat Abstand nahm, ohne dass ihr konkrete andere Informationen für diese spezielle Fallgestaltung erteilt worden wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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