L 8 SB 4167/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1577/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4167/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 70 statt 30) seit 21.01.2014 sowie auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" ("erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr"; Merkzeichen "G") zusteht.

Bei dem 1958 geborenen Kläger stellte das Landratsamt K. (LRA) mit Bescheid vom 30.09.2010 (Blatt 36/37 der Beklagtenakte) den GdB mit 30 seit 19.01.2010 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (GdB 20), Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (Gdb 20); zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.09.2010 vgl. Blatt 34/35 der Beklagtenakte).

Am 21.01.2014 (Blatt 67/70 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie das Merkzeichen "G". Zu diesem Antrag gab er an: "Spinalkanalstenose, Gehstrecke kaum 300 Meter, HWS, erhebliche Schlafstörungen und Verspannungen, Schulterimpingement, neu jetzt auch vorwiegend rechts, Prostata, neu, Sulcus-ulnaris-Syndrom links". Er legte ärztliche berichte vor dazu vgl. Blatt 71/91 der Beklagtenakte), darunter den Entlassbericht der Rehaklinik S. , D. , vom 19.04.2012 (Blatt 74/82 der Beklagtenakte).

Das LRA zog Befundbeschreibungen und die Auskunft von Dr. R. , Facharzt für Orthopädie, bei (dazu Blatt 95/96 der Beklagtenakte), der u.a. angab, im März 2012 sei eine Operation der Spinalkanalstenose erfolgt.

Der Versorgungsarzt Dr. B. schätzte in seiner Stellungnahme vom 12.03.2014 (Blatt 98 der Beklagtenakte) den GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten (HWK 4-6) (GdB 30), Bluthochdruck mit hypertensiver Herzerkrankung (GdB 20); Prostatavergrößerung (GdB 10); Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Sulcus-ulnaris-Syndrom links (Gdb 20)).

Mit Bescheid vom 17.03.2014 (Blatt 99/100 der Beklagtenakte) lehnte das LRA die höhere (Neu-)Feststellung ab.

Hiergegen erhob der Kläger am 25.03.2014 (Blatt 101 der Beklagtenakte) Widerspruch. Er verwies darauf, dass er bei der letzten GdB-Feststellung noch keine Probleme beim gehen oder Schlafen gehabt habe. Die Operationen an der HWS und am Spinalkanal seien erst später erfolgt. Er könne durch Schmerzen bedingt keine 300 Meter zurücklegen, geschweige denn 2000 Meter. Die Schlafstörungen durch Verspannung m Schulter-Nacken-Bereich und Verkrampfungen der LWS machten ihm zu schaffen.

Das LRA zog eine weitere Auskunft von Dr. R. bei (dazu vgl. Blatt 105/106 der Beklagtenakte).

Die Versorgungsärztin Dr. J. sah in ihrer Stellungnahme vom 14.04.2014 (Blatt 108 der Beklagtenakte) keine Möglichkeit zu einem höheren GdB, woraufhin der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch des Klägers zurückwies (Widerspruchsbescheid vom 23.05.2014, Blatt 1107111 der Beklagtenakte).

Am 04.06.2014 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben. Die Versteifung von Segmenten der HWS noch als mittelgradige Beeinträchtigung zu bezeichnen sei schon einigermaßen seltsam. Zusätzlich hätten Schmerzzustände tenoriert werden müssen. Der Schulterbefund hätte mit einem GdB von 20 bewertet werden müssen. Bei einem BMI von 33 sei auch eine Adipositas zu berücksichtigen. Er beziehe von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dies passe nicht zu der niedrigen Einstufung des GdB.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahmewird auf Blatt 27/29, 30/31, 32/34, 35/38 und 39/44, 48/55 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. R. hat dem SG am 08.04.2015 geschrieben, es bestehe auch eine Gonarthrose rechts. Der GdB auf seinem Fachgebiet betrage 40. Dr. H. , Fachärztin für Anästhesie, hat am 08.04.2015 geschrieben, den Kläger seit Januar 2014 nicht mehr gesehen zu haben. Der Kardiologe Dr. M. hat dem SG am 16.04.2015 geschrieben, der Kläger sei seit Oktober 2013 nicht mehr in Behandlung gewesen. Er hat seinen Bericht vom 29.08.2013 (u.a. kein Anhalt für Belastungskoronarinsuffizienz bis 150 Watt) vorgelegt. Der Urologe H. hat mit Schreiben vom 13.04.2015 eine benigne Prostatavergrößerung/-obstruktion mit daraus resultierender Blasenentleerungsstörung mitgeteilt. Den GdB hat er auf 10 geschätzt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. V. hat dem SG am 10.06.2015 u.a. geschrieben, es seien nur Wegstrecken von bis maximal 200 m möglich.

Das SG hat nunmehr Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie Dr. H ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.11.2015 (Blatt 63/87 der SG-Akte) im Bereich der Wirbelsäule funktionelle Einschränkungen mittleren bis fortgeschrittenen Grades mit einem GdB von 30 bewertet, die sonstigen Funktionsbehinderungen auf orthopädischem Fachgebiet hat er mit keinen GdB bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 30 geschätzt. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" hat er verneint.

Das SG hat die bei der deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg geführte Akte beigezogen (dazu Blatt 91/213 der SG-Akte). Der Kläger hat hierzu (Schreiben vom 04.07.2016, Blatt 218 der SG-Akte) ausgeführt, das Gutachtensheft belege immerhin, dass bei ihm ein erheblicher Befund sowohl an der HWS als auch an der LWS vorliege. Es bestünden auch exorbitante Schmerzzustände, die den Gutachter der Rentenversicherung veranlasst hätten das restleistungsvermögen auf drei bis unter sechs Stunden täglich festzustellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 12.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.11.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt, die er nach Anberaumung eines Erörterungstermins am 10.11.2017 begründet hat. Dr. H. scheine offenkundig ein Befürworter einer rein funktionsmechanischen Betrachtungsweise von orthopädischen Befunden zu sein. Jedenfalls könne nicht verkannt werden, dass bei der Beantwortung der Beweisfragen im Rahmen seiner gutachterlichen Ausführungen maßgeblich auf Einschränkungen der Beweglichkeit abgestellt werde, und zwar sowohl hinsichtlich der HWS, der LWS als auch der Kniegelenke. Schmerzzustände würden zwar bestenfalls im Gutachten noch erwähnt, aber dann im Weiteren ganz offensichtlich bei der gutachterlichen Betrachtung und vor allem der Bewertung des Grades der Behinderung nicht mit eingestellt. Das sei mit den Vorgaben der versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht in Übereinstimmung zu bringen. Durch die gesamte Akte ziehe sich wie ein roter Faden über sämtliche ärztlichen Statements hinweg seine Schmerzsituation, insbesondere hinsichtlich der LWS und der Kniegelenke, aber letztlich auch der Schulter. Insbesondere habe auch der behandelnde Orthopäde von einer regelmäßigen Vorstellung mit chronischen Schmerzen in der LWS ebenso berichtet wie mehrfachen Infiltrationsbehandlungen. Er habe sich zweimal an der Wirbelsäule operieren lassen, was regelmäßig auch nicht ohne wirkliche Not erfolge. Spätestens bei Berücksichtigung der Schmerzzustände werde man nicht mehr umhinkommen können, den Befund an der LWS bereits mit einem Einzel-GdB von 40 in Ansatz zu bringen. Sogar die Anhaltspunkte sähen vor, dass auch intermittierende Störungen bei einer Spinalkanalstenose zusätzlich zu berücksichtigen seien, auch außergewöhnliche Schmerzsyndrome. Ob man den Befund an der HWS einschließlich teilweiser Versteifung einzelner Wirbelkörper tatsächlich bagatellisieren könne, wie vom SG erfolgt, dürfte fraglich sein. Darüber hinaus sei auch der Schulterbefund völlig fehlinterpretiert. Es möge hier eine theoretische Beweglichkeit in der Untersuchungssituation beim Gutachter vorgelegen haben, tatsächlich seien aber auch hier anhaltende Schmerzzustände vorhanden, welche die Gebrauchsfähigkeit einschränkten. Entsprechendes gelte auch für den Kniebefund. Bereits die vom behandelnden Orthopäden bestätigte Schädigung der Knorpel in den Graden III bzw. IV spreche dafür, dass hier erhebliche Gebrauchseinschränkungen vorlägen, die mit einem GdB-Rahmen von 10 bis 30 zu bewerten seien. Es werde die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG beantragt. Der Kläger hat einen Beschluss der 7. Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der versorgungsmedizinisch tätigen Leitenden Ärztinnen und Ärzte der Länder und der Bundeswehr (Blatt 29 der Senatsakte), einen ärztlichen Befundbericht für die Deutsche Rentenversicherung (Blatt 30/31, 43/46 der Senatsakte) sowie den Entlassbericht der F.klinik vom 07.12.2017 über stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 17.11.2017 bis 08.12.2017 vorgelegt (Blatt 53/63 der Senatsakte).

Der Kläger beantragt, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 06.10.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2014 zu verurteilen, ihm einen Grad der Behinderung von wenigstens 70 sowie das Merkzeichen "G" zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Nach dem ärztlichen Befundbericht vom 13.06.2017 lägen keine sensomotorischen Auffälligkeiten vor. Die LWS weise lediglich einen Druckschmerz aus. Letztmalig sei der Orthopäde Dr. R. am 09.10.2014 konsultiert worden. Messbare Auswirkungen der Knorpelschäden der Knie dürften nicht vorliegen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. H ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 07.03.2018 (Blatt 65/100; Untersuchung des Klägers am 08.02.2018) eine cervicale Spinalkanalstenose, einen Zustand nach Fusionsoperation C4/C6, knöchern fest verheilt mit noch mäßigen Myotenopathien ohne Nervenwurzelreiz- oder –ausfallserscheinungen, eine lumbale Spinalkanalstenose mit operativer Erweiterung, erheblichen degenerativen Veränderungen der LWS und Fehlhaltung und Bewegungseinschränkung, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder –ausfallserscheinungen, ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke mit leichtem Funktionsdefizit rechts etwas mehr als links, einen Zustand nach subacromialer Erweiterung links, ein temporäres sensibles Sulcus-ulnaris-Syndrom links und ein leichtes Streckdefizit beider Kniegelenke sowie fokale retropatellare Knorpelveränderungen rechtes Kniegelenk diagnostiziert. Die Beeinträchtigungen der HWS hat er, wie auch diejenigen der oberen und unteren Extremitäten, als leicht, diejenigen der LWS als schwer eingeschätzt. Die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule hat er mit einem GdB von 30, die der unteren Extremitäten mit einem GdB von 10 und die der oberen Extremitäten mit einem GdB von unter 10 bewertet. Es gebe keine Indizien, die auf eine klare Begrenzung der Wegstrecke auf unter 2 km hindeuteten.

Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 17.04.2018 die Berufung dem Berichterstatter übertragen. Die Beteiligten haben mitgeteilt, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu sein (Blatt 1102, 106, 107 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG) entscheiden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht erfolgreich.

Über die Berufung konnte der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 06.10.2016 entschieden hatte und die Berufung dem Berichterstatter durch Beschluss des Senates nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden war. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch nicht in der Anhörung von den Beteiligten mitgeteilt worden.

Der angefochtene Bescheid des LRA Bescheids vom 17.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2014 ist nicht rechtswidrig, der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Der Senat konnte damit nicht feststellen, dass in den Verhältnissen, die dem Bescheid des LRA vom 30.09.2010, der beim Kläger einen GdB von 30 festgestellt hatte, zugrunde gelegen hatten, eine GdB-relevante wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Der Senat konnte feststellen, dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) keinen GdB von mehr als 30 rechtfertigen. Mangels Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft kann auch das Merkzeichen "G" nicht festgestellt werden (§§ 228, 229 SGB IX, zuvor §§ 145, 146 SGB IX). Die Berufung des Klägers ist daher unbegründet.

I. GdB

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.), sind daher nicht als bindend der neuen Bewertung zugrundezulegen. Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-beeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 30, 40, 50, 60 oder 70 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid oder dem Bezug einer Rente, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 30 nicht rechtfertigen; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.

Der Senat weist die Berufung aus den vom SG im angefochtenen Urteil dargestellten Gründen, denen es sich nach eigener Prüfung vollumfänglich anschließt, zurück und sieht von einer weitergehenden Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Lediglich ergänzend und im Hinblick auf den Vortrag in der Berufungsbegründung wird auf folgendes hingewiesen:

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 30 anzunehmen.

Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbel-säulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. H. beim Kläger eine cervicale Spinalkanalstenose, einen Zustand nach Fusionsoperation C4/C6, der knöchern fest verheilt ist, bei dem aber noch mäßige Myotenopathien ohne Nervenwurzelreiz- oder –ausfallserscheinungen bestehen, und eine lumbale Spinalkanalstenose mit operativer Erweiterung sowie erhebliche degenerative Veränderungen der LWS mit Fehlhaltung und Bewegungseinschränkung, auch hier ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder –ausfallserscheinungen, feststellen.

Bei seiner gutachterlichen Untersuchung hatte Dr. H. einen Beckenhorizontalstand, eine leichte Beugehaltung beider Kniegelenke sowie einen deutlichen Rumpfüberhang nach ventral und leicht nach links. Muskelatrophiezeichen der oberen und unteren Extremitäten waren nicht erkennbar, es lagen keine Schwellung, keine Gewebswasseransammlungen und kein Anhalt für Blutumlaufstörungen festgestellt. Beim Gehen war das Gangbild leicht verlangsamt, jedoch von seitengleicher Schrittlänge und ohne erkennbares Lähmungs-, Verkürzungs- oder Schonhinken. Der Zehenspitzen- wie auch Fersenstand und -gang konnten beidseits symmetrisch durchgeführt werden. Beide Füße werden komplett über die Zehen abgerollt. Einbeinstand links war sicher, rechts koordinativ minimal unsicher. Das Absinken zur Kniehocke hat der Kläger langsam unter Schmerzangabe beider Knie im Kniescheibenbereich bis 4/5 durchgeführt. Dr. H. , Dr. H. und der Rehabericht vom 07.12.2017 haben folgende Bewegungsmaße mitgeteilt:

Normal in Grad Dr. H. Rehabericht 07.12.2017 Dr. H. Untersuchung 08.02.2018 177.11.-08.12.2017 30.10.2015 HWS Beugung/Streckung Kinn-Jugulum-Abstand 50-70/0/40-50 2/17 cm 3/18 cm 90/0/20 Bei Vorneige 0,5 cm Seitneigen re/li 30-40/0/30-40 20/0/20 10/0/15 40/0/40 Drehung re/li 60-80/0/60-80 50/0/40 40/0/40 65/0/65 BWS/LWS Vor-/Rückneigung Rückneigung bis 10 Grad bds. um ½ eingeschränkt 60/0/10 Seitneigung re/li 30-40/0/30-40 Fingerspitzen von 15 cm rechts und links oberhalb des Kniegelenksspalts auf jeweils 3 cm möglich bds. um ½ eingeschränkt 30/0/30 Drehung re/li 30-50/0/30-50 20/0/20 bds. um ½ eingeschränkt 30/0/30 FBA 30 cm 40 cm Ott 30/32 cm 30/32 cm 30/33,4 cm Schober 10/15 cm 10/13,5 cm 10/12 cm 10/12 cm Lasègue bds. Negativ links endgradig positiv ab 60o, rechts negativ

Dr. H. hat damit hinsichtlich der BWS/LWS nur eine diskrete Einschränkung der Seitneigefähigkeit und eine geringe Einschränkung der Rückneigefähigkeit dargestellt. Die Rotation des Oberkörpers war mäßig eingeschränkt bei Mitbewegung der HWS und ohne Schmerzäußerung. Bei der betastenden Untersuchung der LWS hat der Kläger Schmerzen sowohl über den Dornfortsätzen, wie auch den Wirbelverbindungsgelenken der Etagen L2-L5 angegeben, der lumbosacrale Übergang wie auch die obere LWS waren nicht schmerzhaft. Ausstrahlung in die Beine als radikuläre Symptomatik bestanden nicht und waren auch nicht provozierbar. Die Entfaltbarkeit der BWS war frei, die Rückenstreckmuskulatur war dorsal unauffällig tonisiert. Es bestanden keine isolierten Schmerzen über Wirbelverbindungs- oder Rippenwirbelgelenken der BWS. An der HWS konnte Dr. H. eine Streckstellung und einen minimalen Rumpfüberhang nach links, deutlich nach ventral feststellen. Ein Druckschmerz im Bereich der Muskelansätze im Bereich der Hinterhauptschuppen bestand nicht, war aber an den Schulterblattgräten als mäßig angegeben worden. Es besteht eine vermehrte Tonisierung der Schulter-Nackenmuskulatur von C5 an abwärts, auch hier bestanden leichte paravertebrale Schmerzen. Einen Bewegungsschmerz der HWS oder bestehende oder provozierbare radikuläre Ausstrahlung in die Arme konnte nicht festgestellt werden. Muskelspannungsstörungen fanden sich allenfalls diskreter Art, Nervenwurzelreizerscheinungen keine. Anhaltspunkte für ein chronisches Schmerzsyndrom ergeben sich an der HWS nicht.

Der Senat konnte auch unter Berücksichtigung der Befunde von Dr. H. sowie dem Rehabericht vom 07.12.2017 an der HWS weder Schäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) noch – bei Versteifung zweier Wirbelkörper (C4/C5 und C5/C6) - eine Versteifung großer Teile der Wirbelsäule feststellen. Vielmehr hat auch der Kläger Dr. H. mitgeteilt, die HWS selbst würde keine Probleme bereiten. Neurologische Auswirkungen oder motorische Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten, die auf die Wirbelsäule zurückzuführen wären, bestehen nicht. Es bestehen – selbst unter Berücksichtigung der behaupteten, bei Dr. H. nicht mehr angegebenen Schmerzsymptomatiken - vielmehr nur geringe funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden. Auch aus den Aussagen und Berichte der behandelnden Ärzte sowie den beigezogenen, zeitlich vor dem vorliegend streitigen Zeitraum erstellten Gutachten der Deutschen Rentenversicherung (vgl. z.B. Gutachten E. vom 31.07.2013), können keine Befunde abgeleitet werden, die weitergehende funktionelle Beeinträchtigungen erkennen lassen.

An der LWS konnte der Senat mit Dr. H. Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt feststellen. Hier hat Dr. H. eine vornüber geneigte Schonhaltung sowie ein mäßiges Bewegungsdefizit beim Vornüber- und Rückneigen beschrieben. Schmerzen fanden sich im Bereich des zweiten bis fünften Lendenwirbels, radikuläre Ausstrahlungen in die Beine bestehen nicht, lassen sich auch nicht provozieren. Auch ein eigenes pseudoradikuläres Schmerzsyndrom oder Anhaltspunkte für ein Postnukleotomiesyndrom ergeben sich nicht. Röntgenologisch korreliert dies mit einem erheblichen Aufbrauch aller lumbaler Bandscheiben sowie Arthrosen der Wirbelverbindungsgelenke und im Röntgenbild einer erkennbaren Einengung des sagittalen Durchmessers des Spinalkanals. Insoweit zeigen spontane Haltung, Bewegungsverhalten und Beweglichkeit der LWS, wie Dr. H. sie beschrieben hat, eine schwere funktionelle Auswirkung im lumbalen Wirbelsäulenabschnitt. Die geltend gemachten Bewegungsschmerzen lassen sich damit durchaus erklären. Beschwerden wie bei einem Postnukleotomiesyndrom oder auch bei erkennbaren andauernden Nervenwurzelreizungen bestehen jedoch nicht. Die Tatsache, dass gelegentliche Einnahme von Ibuprofen 400 mg als leichtes Schmerzmittel nach Angaben des Klägers gegenüber Dr. H. ausreichend sei, spricht mit dem Gutachter ebenfalls nicht für eine noch höhergradige Beeinträchtigung. Auch aus dem Gutachten von Dr. H. , den Aussagen und Berichten der behandelnden Ärzte, einschließlich des vom Kläger im Berufungsverfahrens vorgelegten ärztlichen Befundberichts für die Rentenversicherung, sowie den beigezogenen, zeitlich vor dem vorliegend streitigen Zeitraum erstellten Befunden und Gutachten aus der Akte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. z.B. Gutachten E. vom 31.07.2013), können keine Befunde oder Anhaltspunkte abgeleitet werden, die weitergehende funktionelle Beeinträchtigungen erkennen lassen.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat an der HWS Wirbelsäulenschäden mit nur geringen funktionellen Auswirkungen, an der LWS dagegen mit schweren funktionellen Auswirkungen feststellen. Diese waren damit nach B Nr. 18.9 VG als Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem GdB von 30 zu bewerten, die Wirbelsäulenschäden der HWS mit geringen funktionellen Auswirkungen, die mit einem GdB von 10 zu bewerten waren, erhöhen diesen Einzel-GdB nicht.

Im Funktionssystem der Arme, zu dem der Senat auch die Schulter zählt, ist ein GdB nicht anzunehmen. Der Gutachter Dr. H. hat hier ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke mit leichtem Funktionsdefizit, rechts etwas mehr als links, und einen Zustand nach subacromialer Erweiterung links sowie ein temporäres sensibles Sulcus-ulnaris-Syndrom links diagnostiziert.

Auf Grundlage der Gutachten von Dr. H. und Dr. H. konnte der Senat an der Schulter keine Versteifung, keine Bewegungseinschränkung der Armhebung auf maximal 120 Grad (Dr. H. re/li: 150 bzw. 140 Grd; Rehabericht 07.12.2017: 150 bzw. 130 Grad; Dr. H.: bds. 170 Grad), keine Instabilität, keine Schlüsselbeinoseudarthrose, keine Verkürzung des Armes und keine Oberarmpseudarthrose feststellen.

Am Ellenbogengelenk links besteht ebenfalls keine Versteifung, keine Bewegungseinschränkung (Dr. H. Beugung/Streckung: 140/0/0, Umwendbeweglichkeit ausw./einw. 70/0/70; Dr. H.: Beugung/Streckung: 130/0/0, Umwendbeweglichkeit ausw./einw. 80/0/80;), keine Instabilität, keine isolierte Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit, kein Ellenbogen-Schlottergelenk, keine Unterarmpseudarthrose und keine Pseudarthrose der Elle oder Speiche feststellen. Das Sulcus-ulnaris-Synrom ist lediglich temporär und führt nicht dauerhaft zu einer funktionellen Beeinträchtigung oder Nervenausfällen, auch nicht durch die angegebenen Schmerzen.

Soweit der Rehabericht vom 07.12.2017 eine Einschränkung der Fingerbeweglichkeit D V links von 20 Grad angegeben hatte, konnten Dr. H. und Dr. H. diese nicht feststellen.

Damit konnte der Senat im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 18.13 VG keine mit einem GdB zu bemessenden Funktionsbehinderungen in diesem Funktionssystem feststellen.

Im Funktionssystem der Beine bestehen beim Kläger ein leichtes Streckdefizit beider Kniegelenke sowie fokale retropatellare Knorpelveränderungen rechtes Kniegelenk, wie der Senat mit dem Gutachten Dr. H. feststellen konnte. Die damit verbundenen Funktionsbehinderungen sind nach B Nr. 18.14 VG mit einem GdB von 10 zu bewerten.

Eine Gesundheitsschädigung der Hüftgelenke konnte der Senat nicht feststellen. An den Knien konnte der Senat mit den Gutachten von Dr. H. und Dr. H. keine Versteifung, keine Lockerung des Bandapparates, keinen Kniescheibenbruch, keine habituelle Kniescheibenverrenkung und keine GdB-relevante Bewegungseinschränkung auf maximal 0/0/90 Grad für Streckung/Beugung (Dr. H.: Beugung/Streckung jeweils 130/0/0; Rehabericht 07.12.2017: normaler Aktionsradius; Dr. H.: bds. 130/0/0) und auch keine Schienbeinpseudarthrose feststellen.

In der Kernspintomographie wurde an den Knien ein fokaler, also lokaler, Knorpelschaden an der Knorpeloberfläche der Kniescheibenrückseite beschrieben, jedoch nicht in der tragenden Zone zwischen Ober- und Unterschenkel. In dieses femoropatellare Gleitlager lokalisiert sich auch der Belastungsschmerz an beiden Kniegelenken. Weder im Ultraschall, noch im Röntgenbild ergeben sich Anhaltspunkte für höhergradige degenerative Veränderungen im femorotibialen Gelenkanteil, noch bestehen Anhaltspunkte für eine chronische Heizung. Die leichte Streckeinschränkung beider Kniegelenke hat Dr. H. als reaktiv angesehen um die Wirbelsäulenhaltung auszubalancieren. Anhaltende Reizerscheinungen konnten Dr. H. und Dr. H. nicht feststellen. Damit ist der GdB mit 10 von Dr. H. großzügig bewertet. Der Senat konnte keinen Anhalt für eine weitergehende Funktionsbeeinträchtigung feststellen.

Im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs hat der Beklagte beim Kläger einen Bluthochdruck mit hypertensiver Herzerkrankung angenommen. Der Kardiologe Dr. M. hat hypertensive Blutdruckwerte, eine hypertensive Herzerkrankung mit leicht- bis mittelgradig dilatiertem LA, eine guten LV-Funktion und eine Belastbarkeit im Fahrradergometer bis 150 Watt (Abbruch wegen muskulärer Erschöpfung ohne pectanginösen Beschwerden oder ischämietypischen Veränderungen, Sauerstoffsättigung 98%) dargestellt. Auch Leistungsbeeinträchtigungen oder Organbeteiligungen sind nicht festgestellt. Im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben nach B Nr. 9 VG kann der Senat den vom Beklagten angenommenen Einzel-GdB von 20 allenfalls als nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig zu niedrig feststellen.

Die gutartige Prostatavergrößerung bedingt im Funktionssystem des Geschlechtsapparates des Mannes keinen höheren GdB als 10. Das entnimmt der Senat den Befunden des Urologen H. sowie den Bewertungsvorgaben von B Nr. 13 VG. Die vom Urologen angegebene erektile Dysfunktion geht nicht mit einem vollständigen oder teilweisen Verlust des Penis oder der Eichel, einer Entfernung der Corpora cavernosa, einer Unterentwicklung, einem Verlust oder Schwund eines Hodens oder dem Verlust oder Schwund eines Nebenhodens einher. Angesichts des Alters des Klägers bei behandelbarer Impotentia coeundi bei vom Urologen H. empfohlener Behandlung – eine erfolglose Behandlung ist nicht nachgewiesen – ist der GdB von 10 in diesem Funktionssystem nicht zu erhöhen.

Im Funktionssystem der Verdauung bzw. des Bluts/Innere Sekretion ergeben sich aus dem Bericht des Dr. G. vom 25.01.2013 (Blatt 87 der Beklagtenakte) keine GdB-relevanten Funktionsbehinderungen.

Die Adipositas (beim Kläger BMI 33 kg/m2) allein bedingt keinen GdB (B Nr. 15.3 VG). Nur die Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdB begründen. Gleiches gilt für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna. Der Senat hat diese Umstände bei der Bewertung des GdB in den einzelnen Funktionssystemen berücksichtigt.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat keinen GdB annehmen. Weder haben die behandelnden Ärzte eine Gesundheitsstörung auf diesem Fachbereich festgestellt, noch ergeben sich aus den Hinweisen des Klägers auf seine Schmerzen Anhaltspunkte für eine Schmerzerkrankung bzw. psychische Erkrankung. Mit dem Gutachter Dr. H. konnte der Senat eine das übliche Maß übersteigende, eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit, also ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom, nicht feststellen. Im Hinblick auf den vom Kläger bei Dr. H. berichteten Alltag und auch die Beobachtungen in der dortigen Untersuchung lassen ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine solche Erkrankung erkennen.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Soweit der Kläger zunächst eine Begutachtung nach § 109 SGG auf orthopädischem Fachgebiet beantragt hatte, hat er nach Durchführung der Beweisaufnahme von Amts wegen durch Einholung eines Gutachtens auf demselben Fachgebiet sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt und auch den Beweisantrag nicht aufrecht erhalten. Damit wer über diesen Antrag nicht mehr zu entscheiden.

Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40, 50, 60 oder 70 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule) und - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Herz/Kreislauf, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Beine und - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Geschlechtsapparates des Mannes. Nachdem beim Kläger vorliegend von zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30 sowie einem GdB-Wert von 20 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat seit Antragstellung einen Gesamt-GdB i.S.d. § 152 Abs. 1 SGB IX (bzw. zuvor: § 69 Abs. 1 SGB IX) von 30 feststellen. Denn der vom Beklagten angenommene GdB von 20 im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs ist angesichts fehlender Leistungsbeeinträchtigungen und Organbeteiligungen sowie fehlender funktioneller Beeinträchtigungen im Alltag (vgl. Bericht Dr. M. vom 29.08.2013, Blatt 89 der Beklagtenakte) allenfalls als großzügig anzusehen und erhöht den Gesamt-GdB nicht.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von mehr als 30 vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. So sind die Erkrankungen des Klägers weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 40 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen vergleichbar.

Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass im Verhältnis zu der früheren GdB-Feststellung eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten wäre. Soweit der Kläger auf die stattgefundenen Operationen, den Bezug der Erwerbsminderungsrente o.ä. verweist, begründet dies keine solche wesentliche Änderung, denn die verbleibenden funktionellen Auswirkungen begründen keine von der früheren GdB-Feststellung abweichende GdB-Bewertung.

II. Merkzeichen "G"

Der Senat konnte mit der Feststellung des Gesamt-GdB von 30 das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht feststellen. Eine solche ist aber nach §§ 228 Abs. 1 Satz 1, 229 Abs. 1 SGB IX, zuvor §§ 145 Abs. 1 Satz 1, 146 Abs. 1 SGB IX, Voraussetzung für die Feststellung des Merkzeichens "G". Damit konnte der Senat dieses Merkzeichen beim Kläger nicht feststellen.

III.

Konnte der Senat beim Kläger aber weder einen höheren GdB als 30 noch das Merkzeichen "G" feststellen war die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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