Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 1709/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 4118/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
Der Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 2018 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit zweier Eingliederungsverwaltungsakte (EGVA) vom 03.04.2017 und 11.01.2018.
Die 1965 geborene Klägerin ist Diplomchemikerin und arbeitete nach Abschluss des Studiums (1994) von 1997 bis 2001 in diesem Beruf. Anschließend war sie arbeitslos, unterbrochen durch kurzzeitige, fachfremde Tätigkeiten (u.a. Erntehelfer, Reinigungskraft, Hilfsarbeiter, Versandmitarbeiter) bei verschiedenen Arbeitgebern. Sie befindet sich seit Jahren im laufenden Leistungsbezug des Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 04.01.2017 wurde ihr Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 586,00 EUR ab 01.01.2017 bis 31.12.2017 bewilligt.
Nachdem sich die Klägerin wiederholt geweigert hatte, Eingliederungsvereinbarungen (EGV) zu unterschreiben, erließ der Beklagte am 14.01.2016 und 14.07.2016 jeweils EGVAe. Gemäß dem EGVA vom 14.01.2016 wurde die Klägerin verpflichtet, ab Februar 2016 kalendermonatlich fünf zielgerichtete Eigenbemühungen um ein Beschäftigungsverhältnis zu tätigen und hierzu jeweils bis zum 10. des Folgemonats Nachweise vorzulegen. Als die Klägerin diesen Anforderungen nicht nachkam, erließ der Beklagte am 02.06.2016 einen Sanktionsbescheid, wonach für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2016 das Alg II in Höhe von 121,20 EUR monatlich (30 % des maßgebenden Regelbedarfs) gemindert wurde und der vorangegangene Bewilligungsbescheid insoweit aufgehoben wurde. Am 02.08.2016 erging ein weiterer Sanktionsbescheid für die Zeit vom 01.09.2016 bis 30.11.2016 mit dem Inhalt einer monatlichen Minderung des Alg II in Höhe von 242,46 EUR und damit 60 % des maßgebenden Regelbedarfs.
Da im Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 16.01.2017 der Abschluss einer EGV nicht zu erreichen war, erließ der Beklagte zunächst am 30.01.2017 einen weiteren EGVA, den er jedoch mit Bescheid vom 15.03.2017 im Hinblick auf eine fehlerhafte Rechtsfolgenbelehrung und weitere Mängel wieder aufhob. Am 20.03.2017 fand eine erneute persönliche Vorsprache der Klägerin beim Beklagten statt, im Rahmen derer eine EGV vorgelegt und deren Inhalt besprochen wurde. Diese EGV wurde der Klägerin zur Durchsicht überlassen mit der Bitte um Rückgabe mit Unterschrift bis zum 31.03.2017. Hierzu kam es in der Folgezeit nicht. Am 03.04.2017 erging der im vorliegenden Klage- und Berufungsverfahren streitgegenständliche EGVA, gültig vom 03.04.2017 "bis auf weiteres". Ziel sei die Integration in den ersten Arbeitsmarkt mit Unterstützung des Projekts "Netzwerkreaktivierung, Beratung und Chancen" (ABC) während des Gültigkeitszeitraumes der EGV. Die Klägerin nehme ab dem 03.04.2017 an diesem Projekt ABC des Jobcenters teil und werde hierbei durch individuelle Betreuung und Begleitung der Arbeitssuche, kundenbezogene Akquise von Stellen durch den Vermittler und Nachbetreuung auch nach Abschluss des Arbeitsvertrages unterstützt. Die Bewerbungsaktivitäten würden durch die Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für notwendige schriftliche Bewerbungen nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III unterstützt, sofern die Klägerin diese zuvor beantragt habe. Bewerbungskosten könnten bis zu einem Betrag von 260,00 EUR jährlich übernommen werden. Während der Gültigkeitsdauer unternehme die Klägerin kalendermonatlich mindestens fünf Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Als Nachweis sei eine Liste über Bewerbungen zu führen und jede Bewerbung durch ein entsprechendes Schriftstück nachzuweisen. Diese Bewerbungsnachweise seien monatlich unaufgefordert zum 10. des Folgemonats, erstmals zum 10.06.2017 beim Jobcenter vorzulegen. Auf Vermittlungsvorschläge bewerbe sich die Klägerin zeitnah, d.h. spätestens am dritten Tag nach Erhalt. Die Inhalte des Bescheides würden regelmäßig überprüft und gegebenenfalls mit einem neuen ersetzenden Verwaltungsakt fortgeschrieben. Dies erfolge insbesondere, wenn eine wesentliche Änderung in den persönlichen Verhältnissen eine Anpassung der vereinbarten Maßnahmen, Leistungen oder Pflichten erforderlich mache oder das Ziel der Integration nur aufgrund von Anpassungen oder Änderungen erreicht bzw. beschleunigt werden könne. In der Rechtsfolgenbelehrung wies der Beklagte darauf hin, dass das Alg II zuletzt wegen wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag in Höhe von 60 % des maßgebenden Regelbedarfs gemindert worden sei, sodass jeder weitere wiederholte Pflichtverstoß den vollständigen Wegfall des Alg II zur Folge habe.
Gegen diesen EGVA legte die Klägerin mit Schreiben vom 18.04.2017 Widerspruch ein mit der Begründung, ein EGVA liege nicht vor, weil die aufgeführte Eingliederungsleistung (Übernahme der Kosten für schriftliche Bewerbungen) keine Leistung zur Eingliederung im Sinne des SGB II sei. Sie bewerbe sich per E-Mail oder online bei den Firmen, Kosten für schriftliche Bewerbungen entstünden nicht. Leistungen müssten nach § 3 SGB II jedoch erforderlich sein. Im Weiteren ergebe sich daraus, dass ein konsensualer Abschluss einer EGV von Seiten der Behörde nicht angestrebt worden sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2017 zurück mit der Begründung, der Klägerin seien die fünf monatlichen Eigenbemühungen zuzumuten. Auch die Teilnahme am Projekt ABC sei nicht zu beanstanden. Hierbei handle es sich um eine engmaschige und zielführende Betreuung durch den jeweiligen Arbeitsvermittler. Die Teilnahme an dieser Maßnahme sei Resultat der individuellen Potenzialanalyse. Gerne würde in Zukunft noch genauer auf die Bedürfnisse der Klägerin bei der Weiterführung der EGV eingegangen, wenn von ihr konstruktive Vorschläge kämen und sie mitarbeite. Bisher sei jedoch eine noch genauere Potenzialanalyse nicht möglich gewesen, da sich die Zusammenarbeit durch die Weigerung, die EGV zu unterschreiben oder Änderungsvorschläge zu machen, erheblich erschwert habe. Der Vortrag fehlender Bemühungen des Jobcenters beim Abschluss einer beiderseitigen EGV könne nicht nachvollzogen werden, nachdem sich die Klägerin zum wiederholten Male geweigert habe, eine solche gemeinsame EGV abzuschließen.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.05.2017 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben mit der Begründung, als einzige Ermessensleistung in dem EGVA würden angemessene Kosten für schriftliche Bewerbungen genannt. Zum einen seien die Leistungen in einem EGVA verbindlich und bestimmt zuzusagen, um überhaupt Leistungen zur Eingliederung sein zu können, zum anderen fielen keine Kosten für schriftliche Bewerbungen an, weil sie ihre Bewerbungen in den Bereichen Chemie und Helfer als E-Mail oder online aufgebe. Damit sei die Leistung nicht erforderlich im Sinne des § 3 SGB II, weil sie gegen das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoße. Auf ihren Kosten (0,75 EUR pro Online-Bewerbung) bliebe sie sitzen, während das Jobcenter keine Leistung erbringe. Auch fehle eine verbindliche und bestimmte Zusage zur Übernahme von Fahrtkosten. Die EGV sei zum Teil vorgelesen und dann die Unterschrift eingefordert worden, der Inhalt sei nicht mit ihr besprochen worden und ein Aushandeln sei nicht vorgesehen gewesen. Auch seien die Klauseln nicht ernsthaft zur Disposition gestellt worden, sodass keine Individualvereinbarung angestrebt worden sei.
Gleichzeitig hat die Klägerin auch Klage erhoben gegen den EGVA vom 14.07.2016 (S 14 AS 281/17) und gegen die Sanktionsbescheide vom 02.06.2016 und 02.08.2016 sowie gegen den EGVA vom 14.01.2016 (S 14 AS 3787/16). Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 12.10.2017 hat die Klägerin die Klage im Verfahren S 14 AS 3787/16, soweit sich diese gegen den EGVA vom 14.01.2016 richtete, sowie die Klage im Verfahren S 14 AS 281/17 zurückgenommen.
Mit Urteil vom 12.10.2017 hat das SG den EGVA vom 03.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2017 aufgehoben mit der Begründung, der Beklagte habe unzulässigerweise keine Beschränkung der Geltungsdauer vorgenommen, die sich auch nicht aus einer Nebenbestimmung ergebe.
Hiergegen hat der Beklagte am 26.10.2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Das SG verkenne bei seinen Ausführungen, dass auch der Beklagte davon ausgehe, dass ein EGVA nicht für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erlassen werden solle. Dies sei vorliegend auch nicht geschehen. Vielmehr sei lediglich kein genaues Ablaufdatum festgelegt worden, sondern es sei den neuen Vorgaben des § 15 Abs. 3 SGB II n.F. gefolgt worden, aus denen sich eindeutig ergebe, dass eben kein exaktes Ablaufdatum mehr gewünscht sei, um eine optimale Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Warum ein EGVA nur deshalb rechtswidrig sein solle, weil der Wortlaut bezüglich einer Überprüfung nach sechs Monaten nicht noch einmal wiedergegeben werde, gehe aus den Urteilsgründen nicht hervor. Vielmehr widerspreche es sogar dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 3 SGB II, wenn weiterhin ein exaktes Ablaufdatum festgeschrieben würde, da eben genau diese Formulierung nicht erkennen ließe, dass auch durchaus früher eine Anpassung erfolgen könne und eben genau dieser Umstand der Transparenz bezüglich einer Änderungsmöglichkeit durch die Umformulierung des § 15 SGB II vom Gesetzgeber habe erreicht werden sollen. Die Argumentation bezüglich der Rechtswidrigkeit des EGVA aus der Tatsache, dass bislang keine Fortschreibung erfolgt sei, könne nicht überzeugen. Es sei den besonderen Umständen geschuldet gewesen, dass eine Fortschreibung nicht erfolgt sei, da die Klägerin jegliche Zusammenarbeit verweigert habe. Eine Fortschreibung wäre somit lediglich Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Es habe jedoch zunächst das Klageverfahren abgewartet werden sollen, da die Klägerin vollkommen andere Punkte am EGVA bemängelt habe als das erkennende Gericht, so dass eine Fortschreibung mit demselben Inhalt deshalb nicht sachgemäß gewesen wäre. Überdies könne die fehlende Fortschreibung nicht dazu führen, dass der ursprüngliche EGVA grundsätzlich wegen der Laufzeit rechtswidrig sei. In diesem Fall hinge es vom Zufall ab, wann das Gericht terminiere. Wäre vorliegend also bereits nach zwei Monaten nach Erlass des EGVA terminiert worden, hätte sich die Frage nach einer Fortschreibung nicht gestellt. Es könne lediglich davon ausgegangen werden, dass im Falle einer unterlassenen Fortschreibung nach mehr als sechs Monaten der EGVA seine Wirksamkeit verliere und z.B. hieraus erwachsene Sanktionen rechtswidrig wären. Dies könne jedoch bereits dem neuen Wortlaut des § 15 Abs. 3 SGB II entnommen werden und führe nicht dazu, dass der ursprüngliche EGVA rechtswidrig gewesen sei.
Am 11.01.2018 hat der Beklagte den EGVA vom 03.04.2017 mit Wirkung zum 11.01.2018 aufgehoben und gleichzeitig mit weiterem Bescheid vom 11.01.2018 einen neuen, im Wesentlichen inhaltsgleichen EGVA, gültig ab 11.01.2018 erlassen. Dieser gilt vom 11.01.2018 "bis auf weiteres" und sieht unter Ziff. 6 (Fortschreibung des ersetzenden Verwaltungsaktes) - wiederum – vor, dass die Inhalte des Bescheides regelmäßig überprüft und im gegebenen Fall mit neuem ersetzenden Verwaltungsakt fortgeschrieben werden.
Zum fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Berufung in Bezug auf den außer Kraft getretenen EGVA hat der Beklagte ausgeführt, wollte man wegen des Erlasses des neuen EGVA das Rechtsschutzbedürfnis verneinen, bedeutete dies, dass die Beklagte absichtlich gegen § 15 Abs. 3 SGB II (Erneuerung der EGV nach spätestens sechs Monaten) hätte verstoßen müssen, um weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis geltend machen zu können. Dies sei nicht im Sinne des Gesetzgebers, des LSG und auch nicht der Klägerin. Hinzu komme, dass das Rechtsschutzbedürfnis einer Behörde grundsätzlich eine andere Zielrichtung verfolge, sodass der Maßstab für das Rechtsschutzbedürfnis sich von dem Maßstab unterscheide, der bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsaktes zu prüfen sei. Eine Behörde habe stets ein Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit ihres täglichen Handelns, welches sowohl den Adressaten des streitigen Verwaltungsaktes als auch alle anderen Adressaten gleichartiger Verwaltungsakte betreffe. Fraglich sei, ob das Rechtsschutzbedürfnis überhaupt in dem Maße zu prüfen sei, da es sich ja um eine Anfechtungsklage der ursprünglichen Klägerin gegen die Behörde gehandelt habe, nun jedoch die Behörde selbst die Berufung eingelegt habe, für die die Erledigung des VA und dessen ursprüngliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eine vollkommen andere Bedeutung habe als für den einzelnen Adressaten. Doch selbst wenn bei der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses derselbe Maßstab wie bei Adressaten belastender Verwaltungsakte angelegt würde, wäre das Rechtsschutzbedürfnis dennoch zu bejahen. Zum einen sei hier die Wiederholungsgefahr gegeben, zum anderen habe der Beklagte ein Präjudizinteresse. Die Wiederholungsgefahr folge daraus, dass der Beklagte es für notwendig halte, einen gleichartigen Verwaltungsakt wieder zu erlassen. Das Präjudizinteresse sei anzunehmen, wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein könne. Dieser Fall sei gegeben, da die Klägerin gegen den neuen EGVA erneut Widerspruch eingelegt habe mit der Begründung aus dem Urteil des SG. Der Präjudiziabilität stehe nicht entgegen, dass möglicherweise dem Widerspruchsverfahren eine Zurückweisung und eine neue Klage folgen könnten und dies eine Entscheidung des LSG in dieser Sache entbehrlich machen könnte. Zum einen hinge dies sowohl zeitlich als auch in der Sache selbst vom Zufall ab, da dem Widerspruch zum einen auch aus einem anderen Grund abgeholfen werden könnte und auch in keiner Weise sichergestellt sei, dass im Fall einer Zurückweisung des Widerspruchs auch wieder geklagt werde. Auch sei für das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses unerheblich, ob sich im Falle einer weiteren Klage dann das Sozialgericht an die Entscheidung des 9. Senats gebunden fühle, da es grundsätzlich als ausreichend anzusehen sei, dass die Entscheidung Bedeutung haben könne. Im Ergebnis sei, um rechtliche Klarheit zu schaffen, die Berufung der einzige Rechtsschutz, der dem Beklagten zur Verfügung stehe, sodass das Rechtsschutzbedürfnis nicht verneint werden könne.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2017 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und den Bescheid des Beklagten vom 11.01.2018 aufzuheben.
Sie hat ausgeführt, das Urteil des SG habe Bestand, und der EGVA sei rechtswidrig, weil keine Fahrtkosten als Leistung zur Eingliederung festgelegt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten (Bände I bis IV) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat den im Wege der Anfechtungsklage angefochtenen EGVA vom 03.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2017 zu Recht aufgehoben. Der EGVA vom 11.01.2018 ist ebenfalls rechtswidrig und war daher auf Klage aufzuheben.
Gegenstand des Verfahrens sind zum einen der EGVA vom 03.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2017, zum anderen der EGVA vom 11.01.2018. Der EGVA vom 03.04.2017, der ohne Beschränkung der Geltungsdauer ("bis auf weiteres") galt, wurde durch den EGVA vom 11.01.2018 ersetzt, der damit nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
Wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, fehlt es hinsichtlich des Bescheids vom 03.04.2017 trotz zwischenzeitlich eingetretener Erledigung nicht am Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung. Dieses folgt in der Rechtsmittelinstanz bereits aus der formellen Beschwer (vgl. BSGE 1, 252; Peter/Sautter/Wolff, Kommentar zum SGG, Stand November 2017, § 53 Seite 147), wie sie aus der stattgebenden Entscheidung des SG folgt und auch nach Aufhebung des EGVA vom 03.04.2017 fortbesteht.
Die Eingliederungsverwaltungsakte vom 03.04.2017 und 11.01.2018 sind rechtswidrig. Rechtsgrundlage für den Erlass des EGVA vom 03.04.2017 ist § 15 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 3 SGB II (in der Fassung des 9. SGB II-Änderungsgesetzes vom 26.07.2016, gültig ab 01.08.2016, BGBl I S. 1824). Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person unter Berücksichtigung der Feststellungen nach Abs. 1 (Potenzialanalyse) die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 soll in der Eingliederungsvereinbarung bestimmt werden, 1. welche Leistungen zur Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nach diesem Abschnitt die leistungsberechtigte Person erhält, 2. welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen sollen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind, 3. wie Leistungen anderer Leistungsträger in den Eingliederungsprozess einbezogen werden. Die Eingliederungsvereinbarung kann insbesondere bestimmen, in welche Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche die leistungsberechtigte Person vermittelt werden soll (§ 15 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Soweit eine Vereinbarung nach § 15 Abs. 2 SGB II nicht zustande kommt, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden (§ 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II). Letzteres war hier der Fall, weil die Klägerin sich grundsätzlich weigert, eine EGV abzuschließen und die ihr vorgelegten Entwürfe (bislang) allesamt nicht unterzeichnet hat. Unterzeichnet ein Leistungsberechtigter einen ihm unterbreiteten Entwurf einer EGV nicht, besteht jedenfalls deshalb Raum für den Erlass eines ersetzenden EGVA (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 42/15 R m.w.N., Juris).
Zwar wurden die gegenseitigen Rechte und Pflichten in die streitbefangenen EGVA hinreichend konkret aufgenommen, ohne dass Ermessensfehler ersichtlich sind. Ersetzt das Jobcenter eine EGV durch Verwaltungsakt, sind die zu ersetzenden Regelungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, wie sie für die konsensuale EGV gelten (s. zur Vorgängerregelung BSG, Urteil vom 23.06.2016 a.a.O.; ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.06.2017, L 25 AS 1631/16, Juris). Ob und in welchen Inhalten eine EGV durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat das Jobcenter gemäß § 15 Absatz 3 Satz 3 SGB II nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Entsprechend § 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist daher die Ersetzungsentscheidung an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden EGV verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der EGV zu wahren sind. Auch die Regelungen eines EGVA müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 SGB II abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden EGV resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliegt der Abschluss einer EGV den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, "den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen", so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter "die Regelungen" (§ 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II) durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und ggf. die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine im Sinne der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der "vertraglichen Leistung der Behörde", also: der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs. 2 SGB II, gegenübersteht (BSG a.a.O.). Nichts anderes folgt nach der Rechtsprechung des BSG aus dem bei der Ersetzungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Sinn und Zweck von § 15 Abs. 2 SGB II selbst. Wie die Materialien und die Verankerung der Verpflichtung zum Abschluss einer EGV bereits in die zentrale Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II zur Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten erweisen, misst der Gesetzgeber der wechselbezüglichen Konkretisierung von Pflichten und Obliegenheiten im Rahmen von EGVen eine herausgehobene Bedeutung für die Eingliederung in Arbeit zu. Getragen von der Erwartung, dass bei personalintensiverer Betreuung und individuellen Eingliederungskonzepten insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit besser abgebaut werden könne, soll das einem Fallmanagement dienen, das unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten aufbauend auf einer Erhebung seiner konkreten Bedarfslage ein individuelles Angebot mit einer "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" planen und steuern soll. Demgemäß soll die EGV in Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Agentur für Arbeit sicherstellen, dass einerseits die Agentur für Arbeit Angebote unterbreitet, die den individuellen Bedürfnissen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen, und zugleich soll mit jedem Leistungsberechtigten vereinbart werden, welche Anstrengungen von ihm selbst im Rahmen des Eingliederungsprozesses erwartet werden.
Diesen Anforderungen wurde vorliegend Genüge getan. Auf der einen Seite verpflichtete sich der Beklagte in den EGVA vom 03.04.2017 und vom 11.01.2018, die Klägerin im Rahmen der Projektteilnahme ABC durch individuelle Betreuung und Begleitung bei der Arbeitssuche, kundenbezogene Akquise von Stellen durch den Vermittler sowie Nachbetreuung auch nach Abschluss des Arbeitsvertrages zu unterstützen sowie angemessene nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen zu übernehmen, sofern diese zuvor beantragt wurden. Auf der anderen Seite enthalten die Bescheide die Verpflichtung der Klägerin, am Projekt ABC teilzunehmen, kalendermonatlich mindestens fünf Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen, hierüber als Nachweis eine Liste zu führen und jede darin aufgeführte Bewerbung durch ein entsprechendes Schriftstück nachzuweisen. Auf Vermittlungsvorschläge des Beklagten hat sich die Klägerin spätestens am dritten Tag nach Erhalt zu bewerben und als Nachweis über die unternommenen Bemühungen die dem Vermittlungsvorschlag beigefügte Antwortmöglichkeit auszufüllen und innerhalb von drei Tagen beim Jobcenter vorzulegen. Im Einzelnen ist zu den gegenseitigen Pflichten und Rechten Folgendes auszuführen: Keinen Bedenken begegnet das an die Klägerin gerichtete Verlangen, mindestens fünf Bewerbungen pro Monat zu unternehmen und hierüber entsprechende Nachweise zu führen. Aufforderungen dieser Art sind an dem Zumutbarkeitsmaßstab von § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II und § 10 SGB II zu messen. Hiernach müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II), soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 10 Abs. 1 SGB II vorliegt. Hierbei ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen, welche Eigenbemühungen von dem Arbeitsuchenden mit Blick auf die individuellen Fähigkeiten und gesundheitliche Situation einerseits und die Arbeitsmarktlage andererseits zumutbar verlangt werden können (s. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 23.06.2016 m.w.N.). Hiervon ausgehend ergibt sich für die Klägerin, die Diplomchemikerin und damit hochqualifiziert ist, ein breites Tätigkeitsspektrum. Nicht nur kann sie sich - wie zahlreich erfolgt, s. nur Bl. 217 ff. V-Akte - auf Tätigkeiten als Chemielaborant oder chemisch-technische Assistentin bewerben, sondern auch auf andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in die sich die Klägerin aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten (Abiturschnitt 1,9; abgeschlossenes Chemiestudium) ohne Weiteres einarbeiten kann. Dies zeigt sich bereits daran, dass sie in der Vergangenheit wiederholt zahlreiche ungelernte Tätigkeiten, z.B. als Reinigungskraft, Erntehelfer, Versandmitarbeiter usw. ausüben konnte. Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen ergeben sich nicht. Dies wird auch von der Klägerin selbst nicht behauptet, die, als sie im Jahr 2006 bei Verdacht auf psychische Einschränkungen einer ärztlichen Untersuchung unterzogen werden sollte, diese verweigert und ausdrücklich betont hat, gesund und uneingeschränkt arbeitsfähig zu sein (vgl. Bl. 85 V-Akte Band I, vorderer Aktenteil). Vor dem Hintergrund der breiten Verweisbarkeit der Klägerin auf ungelernte und gelernte Tätigkeiten erscheint die geforderte Zahl von fünf Bewerbungen pro Monat moderat. Auch ist die Pflicht, sich auf Vermittlungsvorschläge seitens des Beklagten zu bewerben, nicht zu beanstanden, selbst wenn diese Bewerbungen zu den oben genannten noch dazukommen.
Diesen Pflichten stehen auch ausreichend individualisierte Unterstützungsleistungen zur Eingliederung in Arbeit durch den Beklagten gegenüber. Dies ist nicht der Fall, wenn über den Verweis auf die Rechtsansprüche der Erstattung von Bewerbungskosten und Fahrtkosten hinaus keine konkreten Eingliederungsleistungen bezeichnet werden, ohne dass dies von hinreichenden Ermessenserwägungen getragen wäre (BSG, Urteil vom 23.06.2016 a.a.O.). Ein Verstoß ist daher anzunehmen, wenn der Obliegenheit des Klägers zu individuellen, konkreten und verbindlichen Bewerbungsbemühungen keine individuellen, konkreten und verbindlichen Unterstützungsleistungen des Beklagten gegenüberstehen. Solche individuellen Unterstützungsleistungen sieht der angefochtene EGVA indes vor, da hier erstmalig die Teilnahme am ABC-Projekt angeboten wird. Mit dem Projekt Netzwerke für Aktivierung, Beratung und Chancen (ABC) richtet das Jobcenter seine Aktivitäten stärker auf die Menschen, die schon sehr lange arbeitslos und auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind (siehe hierzu Flyer unter http://www.jobcenter-stadt-karlsruhe.de/download/Endgültige%20Version.pdf, Stand 02.05.2018). Dementsprechend sollen Arbeitslose zwischen 26 und 54 Jahren angesprochen werden, die bereits ein Jahr und länger arbeitslos und im Alg II-Bezug sind und die von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht sind. Angeboten werden gut qualifizierte Integrationsfachkräfte, intensive Kontakte zu Arbeitgebern aus der Region, Unterstützung bei der Erstellung bzw. Überarbeitung von Bewerbungsunterlagen, enge Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern, Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber, passgenaue Vermittlungsvorschläge und individuelle Förderung mit Leistungen der beruflichen Weiterbildung. Unterstützung kann auch durch die kommunalen Eingliederungsleistungen wie z.B. Schuldnerberatung, Hilfe bei der Kinderbetreuung, psychosoziale Betreuung oder Suchtberatung erfolgen. Mit diesem Projekt hat der Beklagte konkrete Leistungen für die Eingliederung der Klägerin in Arbeit angeboten. Zwar kann dieses Projekt kaum als speziell für die Klägerin "maßgeschneidert" bezeichnet werden (s. zu diesem Erfordernis BT-Drucks. 15/1516 S. 44), da es nicht nur auf die Bedürfnisse der Klägerin, sondern einer Vielzahl von Langzeitarbeitlosen zugeschnitten ist. Dies ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass mangels Zusammenarbeit ein konkreteres Eingehen auf die individuellen Wünsche der Klägerin kaum möglich ist. Diese hat es - und dies zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Verwaltungsakten - stets abgelehnt, mit dem Beklagten zu kooperieren und sich seiner Unterstützung zu bedienen, um wieder eine längerfristige Arbeit zu finden. Bereits 2006 weigerte sie sich, eine EGV zu unterzeichnen, und auch in der Folgezeit kam es - soweit ersichtlich - niemals zum Abschluss einer EGV, sondern musste diese stets durch eine EGVA ersetzt werden. Von Seiten des Beklagten wurde sogar aufgrund der "Aversion der Klägerin gegen eine schriftliche EGVA", versucht, eine solche mündlich abzuschließen (vgl. Bl. 157 V-Akte Band II, vorderer Teil), doch blieb auch dies erfolglos. Wie sich aus einem Beratungsvermerk vom 21.08.2015 ergibt, war im Rahmen einer persönlichen Vorsprache ein konstruktives Gespräch nicht möglich. Die Klägerin wurde nach aktuellen Veränderungen oder Neuerungen befragt und gab an, alles sei wie immer. Auf die Frage nach dem weiteren Vorgehen kam keine Antwort. Sie äußerte, keine unpassenden Stellen zu wollen, konnte aber keine Angaben dazu machen, was sie darunter verstand. Bei einer persönlichen Vorsprache am 13.07.2016 sagte die Klägerin, keine Unterstützung bei den Bewerbungen zu benötigen. Sie wollte auch keine Auskunft über den Stand der Bewerbungsbemühungen abgeben und auch nicht über die Rückmeldungen, die sie von den Arbeitgebern erhalte. Sie verweigerte die Zusammenarbeit an der Erstellung einer beidseitigen EGV (Beratungsvermerk Bl. 211 V-Akte Band IV, vorderer Teil). Am 16.01.2017 wurde der Klägerin das Projekt ABC ausführlich erläutert und die Möglichkeit von Eingliederungszuschüssen erklärt, doch weigerte sie sich, die EGV zu unterschreiben. Stattdessen teilte sie mit, das Jobcenter für korrupt zu halten, da Maßnahmen nur an bestimmte Träger vergeben würden (Bl. 251 V-Akte Band IV, vorderer Teil). Aus dem Beratungsvermerk vom 22.02.2017 ergibt sich, dass sich die Klägerin erneut unkooperativ zeigte und zunächst zu keinem Gespräch bereit war. Auch hier wurde erneut die Hilfe bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen abgelehnt. Die Klägerin teilte mit, davon auszugehen, dass sie keine Stelle mehr findet (Bl. 263 V-Akte Band IV, vorderer Teil). Am 20.03.2017 wurde der Klägerin erneut eine EGV vorgelegt und der Inhalt besprochen. Diese wurde ihr anschließend zur Durchsicht überlassen und mit der Bitte um Rückgabe mit Unterschrift bis zum 31.03.2017 übergeben. Eine Rückübersendung der unterschriebenen EGV erfolgte nicht. Vor dem Hintergrund dieser langjährigen Erfahrungen mit der Klägerin ist nicht ersichtlich, wie der Beklagte individueller auf die Bedürfnisse der Klägerin hätte eingehen können. Insofern hält der Senat das - in dieser Form erstmalig unterbreitete - Angebot des ABC Projekts als Unterstützungsleistung für ausreichend und sind diesbezügliche Ermessensfehler weder im Rahmen des EGVA vom 03.04.2017 noch bei dessen Fortschreibung am 11.01.2018 ersichtlich.
Rechtlich unbedenklich ist, dass der Beklagte in den angefochtenen EGVA nur die Kostenübernahme für schriftliche Bewerbungen anbietet, die Klägerin sich indes hauptsächlich per E-Mail bewirbt. Die durch E-Mail anfallenden Kosten können kaum beziffert werden und fallen nicht ins Gewicht - der Zusage, diese Cent-Beträge zu übernehmen, bedurfte es daher nicht, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass diese bei entsprechender Bezifferung und nachträglicher Antragstellung übernommen werden. Dass die übernahmefähigen Bewerbungskosten nicht beziffert wurden, ist ebenfalls unschädlich; hier reicht es, wenn die bestehenden Ansprüche dem Grunde nach verbindlich bezeichnet sind (BSG, Urteil vom 23.06.2016 a.a.O.). Auch führt die fehlende Erwähnung von Fahrtkostenersatz im Bescheid vom 03.04.2017 nicht zu dessen Rechtswidrigkeit. Die Klägerin ist seit Jahren im Leistungsbezug und kennt die Vorschrift zur Übernahme der Fahrtkosten (§ 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III). Dies zeigt sich z.B. bereits im Jahre 2006, als sie auf den Ersatz der Reisekosten zu einem Vorstellungsgespräch ausdrücklich verzichtete (vgl. Bl. 47 V-Akte Band 1, vorderer Teil), und auch durch einen Vermerk im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 18.01.2013, wonach die Klägerin in der damals vorgelegten EGV auf die Aufnahme von Bewerbungskosten und Fahrtkosten verzichtete, da dies Pflichtleistungen seien (vgl. Bl. V23 V-Akte Band 4, vorderer Teil). Es ist im Übrigen nicht Aufgabe einer EGV, ohnehin bestehende gesetzliche Ansprüche zu bezeichnen (s. nur BSG, Urteil vom 23.06.2016, a.a.O. m.w.N.).
Es begegnet auch keinen Bedenken, dass der Beklagte entgegen § 15 Abs. 1 SGB II n.F. nicht in Zusammenarbeit mit der Klägerin eine umfassende Potenzialanalyse der Klägerin erstellt hat, ehe er den EGVA erlassen hat. Hiernach soll die Agentur für Arbeit unverzüglich zusammen mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für die Eingliederung erforderlichen persönlichen Merkmale, beruflichen Fähigkeiten und die Eignung feststellen (Potenzialanalyse). Die Feststellungen erstrecken sich auch darauf, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8041, S. 37) müssen somit Ausgangspunkt des gesamten Eingliederungsprozesses die individuell festgestellten Kompetenzen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person sein. In Anlehnung an das aus dem Arbeitsförderungsrecht bekannte Instrument der Potenzialanalyse wird hierzu eine individuelle Einschätzung durchgeführt, die die Grundlage der Integrationsprognose für die Vermittlung und Beratung sowie den Einsatz von Eingliederungsleistungen bildet. Aufgrund der langjährigen Betreuung der Klägerin als Alg II–Bezieherin waren dem Beklagten die wesentlichen Kompetenzen der Klägerin (Ausbildung als Diplomchemikerin, danach Ausübung etlicher ungelernter Tätigkeiten, s.o.) und Vermittlungshindernisse (wenige und lange zurückliegende Berufserfahrung, kein Anhalt für gesundheitliche Einschränkungen) bekannt. Wie oben dargelegt, ergibt sich indes aus der Verwaltungsakte, dass sich die Klägerin zumeist weigert, in irgendeiner Weise mit dem Beklagten zusammenzuarbeiten. Vor diesem Hintergrund diesem nicht möglich, über die seit Jahren bekannten Kenntnisse über die erworbene Ausbildung als Chemikerin hinaus in detaillierter Weise die Kompetenzen der Klägerin herauszuarbeiten, so dass eine Potenzialanalyse notgedrungen oberflächlich bleiben musste. Die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid, gerne werde in Zukunft noch genauer auf die Bedürfnisse der Klägerin eingegangen, wenn von ihr konstruktive Vorschläge bezüglich der Eingliederung kämen und sie mitarbeite, während bislang eine genauere Potentialanalyse wegen erschwerter Zusammenarbeit nicht möglich gewesen sei, sind daher nachvollziehbar. Dementsprechend ist die - hier notgedrungen oberflächlich bleibende - Potenzialanalyse rechtlich nicht zu beanstanden.
Der EGVA vom 03.04.2017 ist jedoch deswegen rechtswidrig, weil er mit der Geltung "bis auf weiteres" keine Beschränkung der Geltungsdauer enthält, was von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt ist.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31.07.2016 gültigen Fassung sollte die EGV für sechs Monate geschlossen werden mit der Folge, dass diese Befristung grundsätzlich auch für den EGVA galt (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R, SozR 4-4200 § 15 Nr. 2) und eine Verlängerung der Dauer ohne Ermessenserwägungen den EGVA rechtswidrig werden ließ. Diese starre, regelhafte Sechs-Monats-Frist wird in der Neuregelung nicht mehr erwähnt. Vielmehr soll gemäß § 15 Abs. 3 SGB II n.F. die EGV regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden, wobei bei jeder folgenden EGV die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen sind. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/8041 S. 37) wird hierzu ausgeführt: Dass die Eingliederungsvereinbarung das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung des Eingliederungsprozesses und zur Festlegung gegenseitiger Rechte und Pflichten ist, wird durch die Aktualisierungsverpflichtung unterstrichen. Hierzu sollen aufgrund der Erfahrungen und des Verlaufs der bisherigen Leistungen zur Eingliederung Anpassungen des Eingliederungsprozesses erfolgen, die auch dokumentiert werden. Anders als bisher ist die Laufzeit der Eingliederungsvereinbarung nicht mehr regelhaft auf sechs Monate festgelegt, sondern im Interesse eines kontinuierlichen Eingliederungsprozesses der späteste Zeitpunkt für eine Überprüfung und Aktualisierung der Vereinbarung.
Aus dem Wortlaut der Vorschrift und auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich somit der Wille des Gesetzgebers, dass kontinuierlich – und nicht nur halbjährlich - überprüft werden soll, ob die in der EGV vereinbarten Maßnahmen erfolgsversprechend oder an sich verändernde Umstände anzupassen sind. Durch das 9. SGB II-Änderungsgesetz ist somit die sechsmonatige Regellaufzeit einer EGV zugunsten einer Regelüberprüfungsfrist von sechs Monaten ersetzt und so auch vom Regelbewilligungszeitraum für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entkoppelt worden (Berlit in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 6. Aufl 2017, § 15 Rn. 55). Durch die Umstellung können bei der EGV vereinbarte Laufzeit und Regelüberprüfungsfrist auseinanderfallen, da § 15 Abs. 3 SGB II n.F. keine Mindest- oder Höchstlaufzeit einer EGV vorsieht. Allerdings wird unterschiedlich gesehen, ob § 15 Abs. 3 SGB II n.F. auch den Erlass von EGVen mit unbefristeter Geltungsdauer ermöglicht. Dies wird zum Teil verneint unter Hinweis darauf, dass aus der Fortschreibungsverpflichtung zunächst die Verpflichtung der Beteiligten folge, die Gültigkeitsdauer der EGV zu befristen; das durch die Soll-Vorschrift angeordnete gebundene Ermessen beziehe sich dabei zunächst auf die zu vereinbarende Dauer der Befristung der EGV, die im Regelfall - wie bisher auch - sechs Monate betrage (Kador in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 15 Rn. 78). Demgegenüber wird zum Teil darauf hingewiesen, dass § 15 Abs. 3 SGB II keinen Mechanismus in Fällen vorsehe, in denen - bei längerer oder unbefristeter Laufzeit der EGV - zwischen Leistungsträger und Leistungsberechtigten über die Notwendigkeit einer Anpassung oder deren Reichweite ein Dissens bestehe (Berlit, a.a.O., § 15 Rn. 56), was dafür spricht, dass nach dieser Auffassung eine unbefristete Laufzeit der EGV nicht für generell ausgeschlossen gehalten wird.
Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, welcher Auffassung auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelung für den Erlass einer konsensualen vertraglichen EGV zu folgen ist, d.h. ob bzw. unter welchen Voraussetzungen unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit auch eine konsensuale EGV ohne feste Laufzeit rechtmäßig sein kann.
Jedenfalls teilt der Senat die Auffassung, dass der Erlass eines EGVA ohne zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer nicht von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt ist. Eine zeitliche Begrenzung enthalten die streitbefangenen EGVA mit ihrer Geltung "bis auf weiteres" nicht. Die Unzulässigkeit eines EGVA ohne zeitliche Begrenzung folgt aus dessen Charakter als einseitiger, hoheitlicher Regelung. Während bei der EGV in § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II ein Überprüfungsmechanismus mit einer Regelüberprüfungsfrist besteht, die den Betreffenden schützt und diesem unter bestimmten Voraussetzungen sogar ein Sonderkündigungsrecht einräumen soll, um sein Recht auf Überprüfung und Aktualisierung wirksam durchsetzen zu können (Berlit, a.a.O., § 15 Rn. 56), greift dieser Überprüfungsmechanismus beim EGVA nicht. Dieser gilt im Falle der Nichtbefristung tatsächlich bis auf weiteres ohne Einflussmöglichkeit des Leistungsberechtigten. Eine Änderung des Verwaltungsakts ist nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse möglich (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.08.2011, L 7 AS 2367/11 ER-B; Sonnhoff in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 15 Rn. 143). Hierdurch wäre der Rechtsschutz des Leistungsberechtigten bei fehlender oder nicht rechtzeitiger Aktualisierung des EGVA, bei dem die Behörde die Rechte und Pflichten des Leistungsempfängers einseitig festgelegt hat, erschwert. Dafür, dass dies in der Intention des Gesetzgebers des 9. SGB II-Änderungsgesetzes lag, ist nichts erkennbar. Unter diesen Umständen ist unter Geltung der Neuregelung davon auszugehen, dass die Regelüberprüfungs(höchst)frist die Höchstfrist für die einseitig festzulegende Laufzeit des EGVA darstellt (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 08.06.2017, L 16 AS 291/17 B ER unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.02.2013, a.a.O.; Berlit, a.a.O. § 15 Rdnr. 62; Kador, a.a.O., § 15 Rn. 77 ff.; a.A. Lahne in Hohm, Gemeinschaftskommentar, SGB II, Stand November 2017, § 15 Rn. 79 ff., LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 15.09.2017, L 14 AS 1469/17 B ER und vom 06.11.2017, L 18 AS 2232/17 B ER, Juris).
Unabhängig davon verstoßen die angegriffenen EGVA gegen die vom Gesetzgeber vorgegebene Überprüfungs- und Fortschreibungspflicht von spätestens sechs Monaten (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II n.F.). Der Beklagte regelt darin lediglich pauschal, dass die Inhalte des Bescheides "regelmäßig" überprüft und im gegebenen Falle mit neuem ersetzendem Verwaltungsakt fortgeschrieben würden, ohne dass eine konkrete Frist für die Überprüfung festgelegt wird. Bereits das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dies dem Grundgedanken der neuen Gesetzesregelung widerspricht, wonach spätestens nach sechs Monaten aufgrund der Erfahrungen und des Verlaufs der bisherigen Leistungen zur Eingliederung Anpassungen erfolgen sollen, die auch dokumentiert werden müssen. Eine solche Überprüfung erfolgte in Bezug auf den EGVA vom 03.04.2017 nach Mitteilung des Beklagtenvertreters im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 12.10.2017 auch nicht.
Der EGVA vom 03.04.2017 ist somit rechtswidrig und wurde daher vom SG zu Recht aufgehoben, so dass die hiergegen gerichtete Berufung zurückzuweisen war. Der EGVA vom 11.01.2018 ist wegen der fehlenden Begrenzung der zeitlichen Geltungsdauer ebenfalls rechtswidrig und war daher auf Klage aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Die Rechtsfrage, ob nach der Neuregelung durch das 9. SGB II-Änderungsgesetz ein Eingliederungsverwaltungsakt zeitlich weiterhin grundsätzlich auf sechs Monate zu befristen ist, ist über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig und höchstrichterlich bislang nicht geklärt.
Der Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 2018 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit zweier Eingliederungsverwaltungsakte (EGVA) vom 03.04.2017 und 11.01.2018.
Die 1965 geborene Klägerin ist Diplomchemikerin und arbeitete nach Abschluss des Studiums (1994) von 1997 bis 2001 in diesem Beruf. Anschließend war sie arbeitslos, unterbrochen durch kurzzeitige, fachfremde Tätigkeiten (u.a. Erntehelfer, Reinigungskraft, Hilfsarbeiter, Versandmitarbeiter) bei verschiedenen Arbeitgebern. Sie befindet sich seit Jahren im laufenden Leistungsbezug des Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 04.01.2017 wurde ihr Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 586,00 EUR ab 01.01.2017 bis 31.12.2017 bewilligt.
Nachdem sich die Klägerin wiederholt geweigert hatte, Eingliederungsvereinbarungen (EGV) zu unterschreiben, erließ der Beklagte am 14.01.2016 und 14.07.2016 jeweils EGVAe. Gemäß dem EGVA vom 14.01.2016 wurde die Klägerin verpflichtet, ab Februar 2016 kalendermonatlich fünf zielgerichtete Eigenbemühungen um ein Beschäftigungsverhältnis zu tätigen und hierzu jeweils bis zum 10. des Folgemonats Nachweise vorzulegen. Als die Klägerin diesen Anforderungen nicht nachkam, erließ der Beklagte am 02.06.2016 einen Sanktionsbescheid, wonach für die Zeit vom 01.07. bis 30.09.2016 das Alg II in Höhe von 121,20 EUR monatlich (30 % des maßgebenden Regelbedarfs) gemindert wurde und der vorangegangene Bewilligungsbescheid insoweit aufgehoben wurde. Am 02.08.2016 erging ein weiterer Sanktionsbescheid für die Zeit vom 01.09.2016 bis 30.11.2016 mit dem Inhalt einer monatlichen Minderung des Alg II in Höhe von 242,46 EUR und damit 60 % des maßgebenden Regelbedarfs.
Da im Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 16.01.2017 der Abschluss einer EGV nicht zu erreichen war, erließ der Beklagte zunächst am 30.01.2017 einen weiteren EGVA, den er jedoch mit Bescheid vom 15.03.2017 im Hinblick auf eine fehlerhafte Rechtsfolgenbelehrung und weitere Mängel wieder aufhob. Am 20.03.2017 fand eine erneute persönliche Vorsprache der Klägerin beim Beklagten statt, im Rahmen derer eine EGV vorgelegt und deren Inhalt besprochen wurde. Diese EGV wurde der Klägerin zur Durchsicht überlassen mit der Bitte um Rückgabe mit Unterschrift bis zum 31.03.2017. Hierzu kam es in der Folgezeit nicht. Am 03.04.2017 erging der im vorliegenden Klage- und Berufungsverfahren streitgegenständliche EGVA, gültig vom 03.04.2017 "bis auf weiteres". Ziel sei die Integration in den ersten Arbeitsmarkt mit Unterstützung des Projekts "Netzwerkreaktivierung, Beratung und Chancen" (ABC) während des Gültigkeitszeitraumes der EGV. Die Klägerin nehme ab dem 03.04.2017 an diesem Projekt ABC des Jobcenters teil und werde hierbei durch individuelle Betreuung und Begleitung der Arbeitssuche, kundenbezogene Akquise von Stellen durch den Vermittler und Nachbetreuung auch nach Abschluss des Arbeitsvertrages unterstützt. Die Bewerbungsaktivitäten würden durch die Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für notwendige schriftliche Bewerbungen nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III unterstützt, sofern die Klägerin diese zuvor beantragt habe. Bewerbungskosten könnten bis zu einem Betrag von 260,00 EUR jährlich übernommen werden. Während der Gültigkeitsdauer unternehme die Klägerin kalendermonatlich mindestens fünf Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Als Nachweis sei eine Liste über Bewerbungen zu führen und jede Bewerbung durch ein entsprechendes Schriftstück nachzuweisen. Diese Bewerbungsnachweise seien monatlich unaufgefordert zum 10. des Folgemonats, erstmals zum 10.06.2017 beim Jobcenter vorzulegen. Auf Vermittlungsvorschläge bewerbe sich die Klägerin zeitnah, d.h. spätestens am dritten Tag nach Erhalt. Die Inhalte des Bescheides würden regelmäßig überprüft und gegebenenfalls mit einem neuen ersetzenden Verwaltungsakt fortgeschrieben. Dies erfolge insbesondere, wenn eine wesentliche Änderung in den persönlichen Verhältnissen eine Anpassung der vereinbarten Maßnahmen, Leistungen oder Pflichten erforderlich mache oder das Ziel der Integration nur aufgrund von Anpassungen oder Änderungen erreicht bzw. beschleunigt werden könne. In der Rechtsfolgenbelehrung wies der Beklagte darauf hin, dass das Alg II zuletzt wegen wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag in Höhe von 60 % des maßgebenden Regelbedarfs gemindert worden sei, sodass jeder weitere wiederholte Pflichtverstoß den vollständigen Wegfall des Alg II zur Folge habe.
Gegen diesen EGVA legte die Klägerin mit Schreiben vom 18.04.2017 Widerspruch ein mit der Begründung, ein EGVA liege nicht vor, weil die aufgeführte Eingliederungsleistung (Übernahme der Kosten für schriftliche Bewerbungen) keine Leistung zur Eingliederung im Sinne des SGB II sei. Sie bewerbe sich per E-Mail oder online bei den Firmen, Kosten für schriftliche Bewerbungen entstünden nicht. Leistungen müssten nach § 3 SGB II jedoch erforderlich sein. Im Weiteren ergebe sich daraus, dass ein konsensualer Abschluss einer EGV von Seiten der Behörde nicht angestrebt worden sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2017 zurück mit der Begründung, der Klägerin seien die fünf monatlichen Eigenbemühungen zuzumuten. Auch die Teilnahme am Projekt ABC sei nicht zu beanstanden. Hierbei handle es sich um eine engmaschige und zielführende Betreuung durch den jeweiligen Arbeitsvermittler. Die Teilnahme an dieser Maßnahme sei Resultat der individuellen Potenzialanalyse. Gerne würde in Zukunft noch genauer auf die Bedürfnisse der Klägerin bei der Weiterführung der EGV eingegangen, wenn von ihr konstruktive Vorschläge kämen und sie mitarbeite. Bisher sei jedoch eine noch genauere Potenzialanalyse nicht möglich gewesen, da sich die Zusammenarbeit durch die Weigerung, die EGV zu unterschreiben oder Änderungsvorschläge zu machen, erheblich erschwert habe. Der Vortrag fehlender Bemühungen des Jobcenters beim Abschluss einer beiderseitigen EGV könne nicht nachvollzogen werden, nachdem sich die Klägerin zum wiederholten Male geweigert habe, eine solche gemeinsame EGV abzuschließen.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.05.2017 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben mit der Begründung, als einzige Ermessensleistung in dem EGVA würden angemessene Kosten für schriftliche Bewerbungen genannt. Zum einen seien die Leistungen in einem EGVA verbindlich und bestimmt zuzusagen, um überhaupt Leistungen zur Eingliederung sein zu können, zum anderen fielen keine Kosten für schriftliche Bewerbungen an, weil sie ihre Bewerbungen in den Bereichen Chemie und Helfer als E-Mail oder online aufgebe. Damit sei die Leistung nicht erforderlich im Sinne des § 3 SGB II, weil sie gegen das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoße. Auf ihren Kosten (0,75 EUR pro Online-Bewerbung) bliebe sie sitzen, während das Jobcenter keine Leistung erbringe. Auch fehle eine verbindliche und bestimmte Zusage zur Übernahme von Fahrtkosten. Die EGV sei zum Teil vorgelesen und dann die Unterschrift eingefordert worden, der Inhalt sei nicht mit ihr besprochen worden und ein Aushandeln sei nicht vorgesehen gewesen. Auch seien die Klauseln nicht ernsthaft zur Disposition gestellt worden, sodass keine Individualvereinbarung angestrebt worden sei.
Gleichzeitig hat die Klägerin auch Klage erhoben gegen den EGVA vom 14.07.2016 (S 14 AS 281/17) und gegen die Sanktionsbescheide vom 02.06.2016 und 02.08.2016 sowie gegen den EGVA vom 14.01.2016 (S 14 AS 3787/16). Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 12.10.2017 hat die Klägerin die Klage im Verfahren S 14 AS 3787/16, soweit sich diese gegen den EGVA vom 14.01.2016 richtete, sowie die Klage im Verfahren S 14 AS 281/17 zurückgenommen.
Mit Urteil vom 12.10.2017 hat das SG den EGVA vom 03.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2017 aufgehoben mit der Begründung, der Beklagte habe unzulässigerweise keine Beschränkung der Geltungsdauer vorgenommen, die sich auch nicht aus einer Nebenbestimmung ergebe.
Hiergegen hat der Beklagte am 26.10.2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Das SG verkenne bei seinen Ausführungen, dass auch der Beklagte davon ausgehe, dass ein EGVA nicht für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erlassen werden solle. Dies sei vorliegend auch nicht geschehen. Vielmehr sei lediglich kein genaues Ablaufdatum festgelegt worden, sondern es sei den neuen Vorgaben des § 15 Abs. 3 SGB II n.F. gefolgt worden, aus denen sich eindeutig ergebe, dass eben kein exaktes Ablaufdatum mehr gewünscht sei, um eine optimale Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Warum ein EGVA nur deshalb rechtswidrig sein solle, weil der Wortlaut bezüglich einer Überprüfung nach sechs Monaten nicht noch einmal wiedergegeben werde, gehe aus den Urteilsgründen nicht hervor. Vielmehr widerspreche es sogar dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 3 SGB II, wenn weiterhin ein exaktes Ablaufdatum festgeschrieben würde, da eben genau diese Formulierung nicht erkennen ließe, dass auch durchaus früher eine Anpassung erfolgen könne und eben genau dieser Umstand der Transparenz bezüglich einer Änderungsmöglichkeit durch die Umformulierung des § 15 SGB II vom Gesetzgeber habe erreicht werden sollen. Die Argumentation bezüglich der Rechtswidrigkeit des EGVA aus der Tatsache, dass bislang keine Fortschreibung erfolgt sei, könne nicht überzeugen. Es sei den besonderen Umständen geschuldet gewesen, dass eine Fortschreibung nicht erfolgt sei, da die Klägerin jegliche Zusammenarbeit verweigert habe. Eine Fortschreibung wäre somit lediglich Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Es habe jedoch zunächst das Klageverfahren abgewartet werden sollen, da die Klägerin vollkommen andere Punkte am EGVA bemängelt habe als das erkennende Gericht, so dass eine Fortschreibung mit demselben Inhalt deshalb nicht sachgemäß gewesen wäre. Überdies könne die fehlende Fortschreibung nicht dazu führen, dass der ursprüngliche EGVA grundsätzlich wegen der Laufzeit rechtswidrig sei. In diesem Fall hinge es vom Zufall ab, wann das Gericht terminiere. Wäre vorliegend also bereits nach zwei Monaten nach Erlass des EGVA terminiert worden, hätte sich die Frage nach einer Fortschreibung nicht gestellt. Es könne lediglich davon ausgegangen werden, dass im Falle einer unterlassenen Fortschreibung nach mehr als sechs Monaten der EGVA seine Wirksamkeit verliere und z.B. hieraus erwachsene Sanktionen rechtswidrig wären. Dies könne jedoch bereits dem neuen Wortlaut des § 15 Abs. 3 SGB II entnommen werden und führe nicht dazu, dass der ursprüngliche EGVA rechtswidrig gewesen sei.
Am 11.01.2018 hat der Beklagte den EGVA vom 03.04.2017 mit Wirkung zum 11.01.2018 aufgehoben und gleichzeitig mit weiterem Bescheid vom 11.01.2018 einen neuen, im Wesentlichen inhaltsgleichen EGVA, gültig ab 11.01.2018 erlassen. Dieser gilt vom 11.01.2018 "bis auf weiteres" und sieht unter Ziff. 6 (Fortschreibung des ersetzenden Verwaltungsaktes) - wiederum – vor, dass die Inhalte des Bescheides regelmäßig überprüft und im gegebenen Fall mit neuem ersetzenden Verwaltungsakt fortgeschrieben werden.
Zum fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Berufung in Bezug auf den außer Kraft getretenen EGVA hat der Beklagte ausgeführt, wollte man wegen des Erlasses des neuen EGVA das Rechtsschutzbedürfnis verneinen, bedeutete dies, dass die Beklagte absichtlich gegen § 15 Abs. 3 SGB II (Erneuerung der EGV nach spätestens sechs Monaten) hätte verstoßen müssen, um weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis geltend machen zu können. Dies sei nicht im Sinne des Gesetzgebers, des LSG und auch nicht der Klägerin. Hinzu komme, dass das Rechtsschutzbedürfnis einer Behörde grundsätzlich eine andere Zielrichtung verfolge, sodass der Maßstab für das Rechtsschutzbedürfnis sich von dem Maßstab unterscheide, der bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsaktes zu prüfen sei. Eine Behörde habe stets ein Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit ihres täglichen Handelns, welches sowohl den Adressaten des streitigen Verwaltungsaktes als auch alle anderen Adressaten gleichartiger Verwaltungsakte betreffe. Fraglich sei, ob das Rechtsschutzbedürfnis überhaupt in dem Maße zu prüfen sei, da es sich ja um eine Anfechtungsklage der ursprünglichen Klägerin gegen die Behörde gehandelt habe, nun jedoch die Behörde selbst die Berufung eingelegt habe, für die die Erledigung des VA und dessen ursprüngliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eine vollkommen andere Bedeutung habe als für den einzelnen Adressaten. Doch selbst wenn bei der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses derselbe Maßstab wie bei Adressaten belastender Verwaltungsakte angelegt würde, wäre das Rechtsschutzbedürfnis dennoch zu bejahen. Zum einen sei hier die Wiederholungsgefahr gegeben, zum anderen habe der Beklagte ein Präjudizinteresse. Die Wiederholungsgefahr folge daraus, dass der Beklagte es für notwendig halte, einen gleichartigen Verwaltungsakt wieder zu erlassen. Das Präjudizinteresse sei anzunehmen, wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein könne. Dieser Fall sei gegeben, da die Klägerin gegen den neuen EGVA erneut Widerspruch eingelegt habe mit der Begründung aus dem Urteil des SG. Der Präjudiziabilität stehe nicht entgegen, dass möglicherweise dem Widerspruchsverfahren eine Zurückweisung und eine neue Klage folgen könnten und dies eine Entscheidung des LSG in dieser Sache entbehrlich machen könnte. Zum einen hinge dies sowohl zeitlich als auch in der Sache selbst vom Zufall ab, da dem Widerspruch zum einen auch aus einem anderen Grund abgeholfen werden könnte und auch in keiner Weise sichergestellt sei, dass im Fall einer Zurückweisung des Widerspruchs auch wieder geklagt werde. Auch sei für das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses unerheblich, ob sich im Falle einer weiteren Klage dann das Sozialgericht an die Entscheidung des 9. Senats gebunden fühle, da es grundsätzlich als ausreichend anzusehen sei, dass die Entscheidung Bedeutung haben könne. Im Ergebnis sei, um rechtliche Klarheit zu schaffen, die Berufung der einzige Rechtsschutz, der dem Beklagten zur Verfügung stehe, sodass das Rechtsschutzbedürfnis nicht verneint werden könne.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2017 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und den Bescheid des Beklagten vom 11.01.2018 aufzuheben.
Sie hat ausgeführt, das Urteil des SG habe Bestand, und der EGVA sei rechtswidrig, weil keine Fahrtkosten als Leistung zur Eingliederung festgelegt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten (Bände I bis IV) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat den im Wege der Anfechtungsklage angefochtenen EGVA vom 03.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2017 zu Recht aufgehoben. Der EGVA vom 11.01.2018 ist ebenfalls rechtswidrig und war daher auf Klage aufzuheben.
Gegenstand des Verfahrens sind zum einen der EGVA vom 03.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2017, zum anderen der EGVA vom 11.01.2018. Der EGVA vom 03.04.2017, der ohne Beschränkung der Geltungsdauer ("bis auf weiteres") galt, wurde durch den EGVA vom 11.01.2018 ersetzt, der damit nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
Wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, fehlt es hinsichtlich des Bescheids vom 03.04.2017 trotz zwischenzeitlich eingetretener Erledigung nicht am Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung. Dieses folgt in der Rechtsmittelinstanz bereits aus der formellen Beschwer (vgl. BSGE 1, 252; Peter/Sautter/Wolff, Kommentar zum SGG, Stand November 2017, § 53 Seite 147), wie sie aus der stattgebenden Entscheidung des SG folgt und auch nach Aufhebung des EGVA vom 03.04.2017 fortbesteht.
Die Eingliederungsverwaltungsakte vom 03.04.2017 und 11.01.2018 sind rechtswidrig. Rechtsgrundlage für den Erlass des EGVA vom 03.04.2017 ist § 15 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 3 SGB II (in der Fassung des 9. SGB II-Änderungsgesetzes vom 26.07.2016, gültig ab 01.08.2016, BGBl I S. 1824). Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person unter Berücksichtigung der Feststellungen nach Abs. 1 (Potenzialanalyse) die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 soll in der Eingliederungsvereinbarung bestimmt werden, 1. welche Leistungen zur Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nach diesem Abschnitt die leistungsberechtigte Person erhält, 2. welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen sollen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind, 3. wie Leistungen anderer Leistungsträger in den Eingliederungsprozess einbezogen werden. Die Eingliederungsvereinbarung kann insbesondere bestimmen, in welche Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche die leistungsberechtigte Person vermittelt werden soll (§ 15 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Soweit eine Vereinbarung nach § 15 Abs. 2 SGB II nicht zustande kommt, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden (§ 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II). Letzteres war hier der Fall, weil die Klägerin sich grundsätzlich weigert, eine EGV abzuschließen und die ihr vorgelegten Entwürfe (bislang) allesamt nicht unterzeichnet hat. Unterzeichnet ein Leistungsberechtigter einen ihm unterbreiteten Entwurf einer EGV nicht, besteht jedenfalls deshalb Raum für den Erlass eines ersetzenden EGVA (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 42/15 R m.w.N., Juris).
Zwar wurden die gegenseitigen Rechte und Pflichten in die streitbefangenen EGVA hinreichend konkret aufgenommen, ohne dass Ermessensfehler ersichtlich sind. Ersetzt das Jobcenter eine EGV durch Verwaltungsakt, sind die zu ersetzenden Regelungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, wie sie für die konsensuale EGV gelten (s. zur Vorgängerregelung BSG, Urteil vom 23.06.2016 a.a.O.; ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.06.2017, L 25 AS 1631/16, Juris). Ob und in welchen Inhalten eine EGV durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat das Jobcenter gemäß § 15 Absatz 3 Satz 3 SGB II nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Entsprechend § 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist daher die Ersetzungsentscheidung an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden EGV verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der EGV zu wahren sind. Auch die Regelungen eines EGVA müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 SGB II abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden EGV resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliegt der Abschluss einer EGV den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, "den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen", so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter "die Regelungen" (§ 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II) durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und ggf. die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine im Sinne der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der "vertraglichen Leistung der Behörde", also: der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs. 2 SGB II, gegenübersteht (BSG a.a.O.). Nichts anderes folgt nach der Rechtsprechung des BSG aus dem bei der Ersetzungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Sinn und Zweck von § 15 Abs. 2 SGB II selbst. Wie die Materialien und die Verankerung der Verpflichtung zum Abschluss einer EGV bereits in die zentrale Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II zur Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten erweisen, misst der Gesetzgeber der wechselbezüglichen Konkretisierung von Pflichten und Obliegenheiten im Rahmen von EGVen eine herausgehobene Bedeutung für die Eingliederung in Arbeit zu. Getragen von der Erwartung, dass bei personalintensiverer Betreuung und individuellen Eingliederungskonzepten insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit besser abgebaut werden könne, soll das einem Fallmanagement dienen, das unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten aufbauend auf einer Erhebung seiner konkreten Bedarfslage ein individuelles Angebot mit einer "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" planen und steuern soll. Demgemäß soll die EGV in Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Agentur für Arbeit sicherstellen, dass einerseits die Agentur für Arbeit Angebote unterbreitet, die den individuellen Bedürfnissen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen, und zugleich soll mit jedem Leistungsberechtigten vereinbart werden, welche Anstrengungen von ihm selbst im Rahmen des Eingliederungsprozesses erwartet werden.
Diesen Anforderungen wurde vorliegend Genüge getan. Auf der einen Seite verpflichtete sich der Beklagte in den EGVA vom 03.04.2017 und vom 11.01.2018, die Klägerin im Rahmen der Projektteilnahme ABC durch individuelle Betreuung und Begleitung bei der Arbeitssuche, kundenbezogene Akquise von Stellen durch den Vermittler sowie Nachbetreuung auch nach Abschluss des Arbeitsvertrages zu unterstützen sowie angemessene nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen zu übernehmen, sofern diese zuvor beantragt wurden. Auf der anderen Seite enthalten die Bescheide die Verpflichtung der Klägerin, am Projekt ABC teilzunehmen, kalendermonatlich mindestens fünf Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen, hierüber als Nachweis eine Liste zu führen und jede darin aufgeführte Bewerbung durch ein entsprechendes Schriftstück nachzuweisen. Auf Vermittlungsvorschläge des Beklagten hat sich die Klägerin spätestens am dritten Tag nach Erhalt zu bewerben und als Nachweis über die unternommenen Bemühungen die dem Vermittlungsvorschlag beigefügte Antwortmöglichkeit auszufüllen und innerhalb von drei Tagen beim Jobcenter vorzulegen. Im Einzelnen ist zu den gegenseitigen Pflichten und Rechten Folgendes auszuführen: Keinen Bedenken begegnet das an die Klägerin gerichtete Verlangen, mindestens fünf Bewerbungen pro Monat zu unternehmen und hierüber entsprechende Nachweise zu führen. Aufforderungen dieser Art sind an dem Zumutbarkeitsmaßstab von § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II und § 10 SGB II zu messen. Hiernach müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II), soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 10 Abs. 1 SGB II vorliegt. Hierbei ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen, welche Eigenbemühungen von dem Arbeitsuchenden mit Blick auf die individuellen Fähigkeiten und gesundheitliche Situation einerseits und die Arbeitsmarktlage andererseits zumutbar verlangt werden können (s. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 23.06.2016 m.w.N.). Hiervon ausgehend ergibt sich für die Klägerin, die Diplomchemikerin und damit hochqualifiziert ist, ein breites Tätigkeitsspektrum. Nicht nur kann sie sich - wie zahlreich erfolgt, s. nur Bl. 217 ff. V-Akte - auf Tätigkeiten als Chemielaborant oder chemisch-technische Assistentin bewerben, sondern auch auf andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in die sich die Klägerin aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten (Abiturschnitt 1,9; abgeschlossenes Chemiestudium) ohne Weiteres einarbeiten kann. Dies zeigt sich bereits daran, dass sie in der Vergangenheit wiederholt zahlreiche ungelernte Tätigkeiten, z.B. als Reinigungskraft, Erntehelfer, Versandmitarbeiter usw. ausüben konnte. Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen ergeben sich nicht. Dies wird auch von der Klägerin selbst nicht behauptet, die, als sie im Jahr 2006 bei Verdacht auf psychische Einschränkungen einer ärztlichen Untersuchung unterzogen werden sollte, diese verweigert und ausdrücklich betont hat, gesund und uneingeschränkt arbeitsfähig zu sein (vgl. Bl. 85 V-Akte Band I, vorderer Aktenteil). Vor dem Hintergrund der breiten Verweisbarkeit der Klägerin auf ungelernte und gelernte Tätigkeiten erscheint die geforderte Zahl von fünf Bewerbungen pro Monat moderat. Auch ist die Pflicht, sich auf Vermittlungsvorschläge seitens des Beklagten zu bewerben, nicht zu beanstanden, selbst wenn diese Bewerbungen zu den oben genannten noch dazukommen.
Diesen Pflichten stehen auch ausreichend individualisierte Unterstützungsleistungen zur Eingliederung in Arbeit durch den Beklagten gegenüber. Dies ist nicht der Fall, wenn über den Verweis auf die Rechtsansprüche der Erstattung von Bewerbungskosten und Fahrtkosten hinaus keine konkreten Eingliederungsleistungen bezeichnet werden, ohne dass dies von hinreichenden Ermessenserwägungen getragen wäre (BSG, Urteil vom 23.06.2016 a.a.O.). Ein Verstoß ist daher anzunehmen, wenn der Obliegenheit des Klägers zu individuellen, konkreten und verbindlichen Bewerbungsbemühungen keine individuellen, konkreten und verbindlichen Unterstützungsleistungen des Beklagten gegenüberstehen. Solche individuellen Unterstützungsleistungen sieht der angefochtene EGVA indes vor, da hier erstmalig die Teilnahme am ABC-Projekt angeboten wird. Mit dem Projekt Netzwerke für Aktivierung, Beratung und Chancen (ABC) richtet das Jobcenter seine Aktivitäten stärker auf die Menschen, die schon sehr lange arbeitslos und auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind (siehe hierzu Flyer unter http://www.jobcenter-stadt-karlsruhe.de/download/Endgültige%20Version.pdf, Stand 02.05.2018). Dementsprechend sollen Arbeitslose zwischen 26 und 54 Jahren angesprochen werden, die bereits ein Jahr und länger arbeitslos und im Alg II-Bezug sind und die von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht sind. Angeboten werden gut qualifizierte Integrationsfachkräfte, intensive Kontakte zu Arbeitgebern aus der Region, Unterstützung bei der Erstellung bzw. Überarbeitung von Bewerbungsunterlagen, enge Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern, Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber, passgenaue Vermittlungsvorschläge und individuelle Förderung mit Leistungen der beruflichen Weiterbildung. Unterstützung kann auch durch die kommunalen Eingliederungsleistungen wie z.B. Schuldnerberatung, Hilfe bei der Kinderbetreuung, psychosoziale Betreuung oder Suchtberatung erfolgen. Mit diesem Projekt hat der Beklagte konkrete Leistungen für die Eingliederung der Klägerin in Arbeit angeboten. Zwar kann dieses Projekt kaum als speziell für die Klägerin "maßgeschneidert" bezeichnet werden (s. zu diesem Erfordernis BT-Drucks. 15/1516 S. 44), da es nicht nur auf die Bedürfnisse der Klägerin, sondern einer Vielzahl von Langzeitarbeitlosen zugeschnitten ist. Dies ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass mangels Zusammenarbeit ein konkreteres Eingehen auf die individuellen Wünsche der Klägerin kaum möglich ist. Diese hat es - und dies zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Verwaltungsakten - stets abgelehnt, mit dem Beklagten zu kooperieren und sich seiner Unterstützung zu bedienen, um wieder eine längerfristige Arbeit zu finden. Bereits 2006 weigerte sie sich, eine EGV zu unterzeichnen, und auch in der Folgezeit kam es - soweit ersichtlich - niemals zum Abschluss einer EGV, sondern musste diese stets durch eine EGVA ersetzt werden. Von Seiten des Beklagten wurde sogar aufgrund der "Aversion der Klägerin gegen eine schriftliche EGVA", versucht, eine solche mündlich abzuschließen (vgl. Bl. 157 V-Akte Band II, vorderer Teil), doch blieb auch dies erfolglos. Wie sich aus einem Beratungsvermerk vom 21.08.2015 ergibt, war im Rahmen einer persönlichen Vorsprache ein konstruktives Gespräch nicht möglich. Die Klägerin wurde nach aktuellen Veränderungen oder Neuerungen befragt und gab an, alles sei wie immer. Auf die Frage nach dem weiteren Vorgehen kam keine Antwort. Sie äußerte, keine unpassenden Stellen zu wollen, konnte aber keine Angaben dazu machen, was sie darunter verstand. Bei einer persönlichen Vorsprache am 13.07.2016 sagte die Klägerin, keine Unterstützung bei den Bewerbungen zu benötigen. Sie wollte auch keine Auskunft über den Stand der Bewerbungsbemühungen abgeben und auch nicht über die Rückmeldungen, die sie von den Arbeitgebern erhalte. Sie verweigerte die Zusammenarbeit an der Erstellung einer beidseitigen EGV (Beratungsvermerk Bl. 211 V-Akte Band IV, vorderer Teil). Am 16.01.2017 wurde der Klägerin das Projekt ABC ausführlich erläutert und die Möglichkeit von Eingliederungszuschüssen erklärt, doch weigerte sie sich, die EGV zu unterschreiben. Stattdessen teilte sie mit, das Jobcenter für korrupt zu halten, da Maßnahmen nur an bestimmte Träger vergeben würden (Bl. 251 V-Akte Band IV, vorderer Teil). Aus dem Beratungsvermerk vom 22.02.2017 ergibt sich, dass sich die Klägerin erneut unkooperativ zeigte und zunächst zu keinem Gespräch bereit war. Auch hier wurde erneut die Hilfe bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen abgelehnt. Die Klägerin teilte mit, davon auszugehen, dass sie keine Stelle mehr findet (Bl. 263 V-Akte Band IV, vorderer Teil). Am 20.03.2017 wurde der Klägerin erneut eine EGV vorgelegt und der Inhalt besprochen. Diese wurde ihr anschließend zur Durchsicht überlassen und mit der Bitte um Rückgabe mit Unterschrift bis zum 31.03.2017 übergeben. Eine Rückübersendung der unterschriebenen EGV erfolgte nicht. Vor dem Hintergrund dieser langjährigen Erfahrungen mit der Klägerin ist nicht ersichtlich, wie der Beklagte individueller auf die Bedürfnisse der Klägerin hätte eingehen können. Insofern hält der Senat das - in dieser Form erstmalig unterbreitete - Angebot des ABC Projekts als Unterstützungsleistung für ausreichend und sind diesbezügliche Ermessensfehler weder im Rahmen des EGVA vom 03.04.2017 noch bei dessen Fortschreibung am 11.01.2018 ersichtlich.
Rechtlich unbedenklich ist, dass der Beklagte in den angefochtenen EGVA nur die Kostenübernahme für schriftliche Bewerbungen anbietet, die Klägerin sich indes hauptsächlich per E-Mail bewirbt. Die durch E-Mail anfallenden Kosten können kaum beziffert werden und fallen nicht ins Gewicht - der Zusage, diese Cent-Beträge zu übernehmen, bedurfte es daher nicht, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass diese bei entsprechender Bezifferung und nachträglicher Antragstellung übernommen werden. Dass die übernahmefähigen Bewerbungskosten nicht beziffert wurden, ist ebenfalls unschädlich; hier reicht es, wenn die bestehenden Ansprüche dem Grunde nach verbindlich bezeichnet sind (BSG, Urteil vom 23.06.2016 a.a.O.). Auch führt die fehlende Erwähnung von Fahrtkostenersatz im Bescheid vom 03.04.2017 nicht zu dessen Rechtswidrigkeit. Die Klägerin ist seit Jahren im Leistungsbezug und kennt die Vorschrift zur Übernahme der Fahrtkosten (§ 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III). Dies zeigt sich z.B. bereits im Jahre 2006, als sie auf den Ersatz der Reisekosten zu einem Vorstellungsgespräch ausdrücklich verzichtete (vgl. Bl. 47 V-Akte Band 1, vorderer Teil), und auch durch einen Vermerk im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 18.01.2013, wonach die Klägerin in der damals vorgelegten EGV auf die Aufnahme von Bewerbungskosten und Fahrtkosten verzichtete, da dies Pflichtleistungen seien (vgl. Bl. V23 V-Akte Band 4, vorderer Teil). Es ist im Übrigen nicht Aufgabe einer EGV, ohnehin bestehende gesetzliche Ansprüche zu bezeichnen (s. nur BSG, Urteil vom 23.06.2016, a.a.O. m.w.N.).
Es begegnet auch keinen Bedenken, dass der Beklagte entgegen § 15 Abs. 1 SGB II n.F. nicht in Zusammenarbeit mit der Klägerin eine umfassende Potenzialanalyse der Klägerin erstellt hat, ehe er den EGVA erlassen hat. Hiernach soll die Agentur für Arbeit unverzüglich zusammen mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für die Eingliederung erforderlichen persönlichen Merkmale, beruflichen Fähigkeiten und die Eignung feststellen (Potenzialanalyse). Die Feststellungen erstrecken sich auch darauf, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8041, S. 37) müssen somit Ausgangspunkt des gesamten Eingliederungsprozesses die individuell festgestellten Kompetenzen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person sein. In Anlehnung an das aus dem Arbeitsförderungsrecht bekannte Instrument der Potenzialanalyse wird hierzu eine individuelle Einschätzung durchgeführt, die die Grundlage der Integrationsprognose für die Vermittlung und Beratung sowie den Einsatz von Eingliederungsleistungen bildet. Aufgrund der langjährigen Betreuung der Klägerin als Alg II–Bezieherin waren dem Beklagten die wesentlichen Kompetenzen der Klägerin (Ausbildung als Diplomchemikerin, danach Ausübung etlicher ungelernter Tätigkeiten, s.o.) und Vermittlungshindernisse (wenige und lange zurückliegende Berufserfahrung, kein Anhalt für gesundheitliche Einschränkungen) bekannt. Wie oben dargelegt, ergibt sich indes aus der Verwaltungsakte, dass sich die Klägerin zumeist weigert, in irgendeiner Weise mit dem Beklagten zusammenzuarbeiten. Vor diesem Hintergrund diesem nicht möglich, über die seit Jahren bekannten Kenntnisse über die erworbene Ausbildung als Chemikerin hinaus in detaillierter Weise die Kompetenzen der Klägerin herauszuarbeiten, so dass eine Potenzialanalyse notgedrungen oberflächlich bleiben musste. Die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid, gerne werde in Zukunft noch genauer auf die Bedürfnisse der Klägerin eingegangen, wenn von ihr konstruktive Vorschläge bezüglich der Eingliederung kämen und sie mitarbeite, während bislang eine genauere Potentialanalyse wegen erschwerter Zusammenarbeit nicht möglich gewesen sei, sind daher nachvollziehbar. Dementsprechend ist die - hier notgedrungen oberflächlich bleibende - Potenzialanalyse rechtlich nicht zu beanstanden.
Der EGVA vom 03.04.2017 ist jedoch deswegen rechtswidrig, weil er mit der Geltung "bis auf weiteres" keine Beschränkung der Geltungsdauer enthält, was von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt ist.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31.07.2016 gültigen Fassung sollte die EGV für sechs Monate geschlossen werden mit der Folge, dass diese Befristung grundsätzlich auch für den EGVA galt (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R, SozR 4-4200 § 15 Nr. 2) und eine Verlängerung der Dauer ohne Ermessenserwägungen den EGVA rechtswidrig werden ließ. Diese starre, regelhafte Sechs-Monats-Frist wird in der Neuregelung nicht mehr erwähnt. Vielmehr soll gemäß § 15 Abs. 3 SGB II n.F. die EGV regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden, wobei bei jeder folgenden EGV die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen sind. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/8041 S. 37) wird hierzu ausgeführt: Dass die Eingliederungsvereinbarung das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung des Eingliederungsprozesses und zur Festlegung gegenseitiger Rechte und Pflichten ist, wird durch die Aktualisierungsverpflichtung unterstrichen. Hierzu sollen aufgrund der Erfahrungen und des Verlaufs der bisherigen Leistungen zur Eingliederung Anpassungen des Eingliederungsprozesses erfolgen, die auch dokumentiert werden. Anders als bisher ist die Laufzeit der Eingliederungsvereinbarung nicht mehr regelhaft auf sechs Monate festgelegt, sondern im Interesse eines kontinuierlichen Eingliederungsprozesses der späteste Zeitpunkt für eine Überprüfung und Aktualisierung der Vereinbarung.
Aus dem Wortlaut der Vorschrift und auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich somit der Wille des Gesetzgebers, dass kontinuierlich – und nicht nur halbjährlich - überprüft werden soll, ob die in der EGV vereinbarten Maßnahmen erfolgsversprechend oder an sich verändernde Umstände anzupassen sind. Durch das 9. SGB II-Änderungsgesetz ist somit die sechsmonatige Regellaufzeit einer EGV zugunsten einer Regelüberprüfungsfrist von sechs Monaten ersetzt und so auch vom Regelbewilligungszeitraum für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entkoppelt worden (Berlit in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 6. Aufl 2017, § 15 Rn. 55). Durch die Umstellung können bei der EGV vereinbarte Laufzeit und Regelüberprüfungsfrist auseinanderfallen, da § 15 Abs. 3 SGB II n.F. keine Mindest- oder Höchstlaufzeit einer EGV vorsieht. Allerdings wird unterschiedlich gesehen, ob § 15 Abs. 3 SGB II n.F. auch den Erlass von EGVen mit unbefristeter Geltungsdauer ermöglicht. Dies wird zum Teil verneint unter Hinweis darauf, dass aus der Fortschreibungsverpflichtung zunächst die Verpflichtung der Beteiligten folge, die Gültigkeitsdauer der EGV zu befristen; das durch die Soll-Vorschrift angeordnete gebundene Ermessen beziehe sich dabei zunächst auf die zu vereinbarende Dauer der Befristung der EGV, die im Regelfall - wie bisher auch - sechs Monate betrage (Kador in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 15 Rn. 78). Demgegenüber wird zum Teil darauf hingewiesen, dass § 15 Abs. 3 SGB II keinen Mechanismus in Fällen vorsehe, in denen - bei längerer oder unbefristeter Laufzeit der EGV - zwischen Leistungsträger und Leistungsberechtigten über die Notwendigkeit einer Anpassung oder deren Reichweite ein Dissens bestehe (Berlit, a.a.O., § 15 Rn. 56), was dafür spricht, dass nach dieser Auffassung eine unbefristete Laufzeit der EGV nicht für generell ausgeschlossen gehalten wird.
Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, welcher Auffassung auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelung für den Erlass einer konsensualen vertraglichen EGV zu folgen ist, d.h. ob bzw. unter welchen Voraussetzungen unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit auch eine konsensuale EGV ohne feste Laufzeit rechtmäßig sein kann.
Jedenfalls teilt der Senat die Auffassung, dass der Erlass eines EGVA ohne zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer nicht von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt ist. Eine zeitliche Begrenzung enthalten die streitbefangenen EGVA mit ihrer Geltung "bis auf weiteres" nicht. Die Unzulässigkeit eines EGVA ohne zeitliche Begrenzung folgt aus dessen Charakter als einseitiger, hoheitlicher Regelung. Während bei der EGV in § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II ein Überprüfungsmechanismus mit einer Regelüberprüfungsfrist besteht, die den Betreffenden schützt und diesem unter bestimmten Voraussetzungen sogar ein Sonderkündigungsrecht einräumen soll, um sein Recht auf Überprüfung und Aktualisierung wirksam durchsetzen zu können (Berlit, a.a.O., § 15 Rn. 56), greift dieser Überprüfungsmechanismus beim EGVA nicht. Dieser gilt im Falle der Nichtbefristung tatsächlich bis auf weiteres ohne Einflussmöglichkeit des Leistungsberechtigten. Eine Änderung des Verwaltungsakts ist nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse möglich (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.08.2011, L 7 AS 2367/11 ER-B; Sonnhoff in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 15 Rn. 143). Hierdurch wäre der Rechtsschutz des Leistungsberechtigten bei fehlender oder nicht rechtzeitiger Aktualisierung des EGVA, bei dem die Behörde die Rechte und Pflichten des Leistungsempfängers einseitig festgelegt hat, erschwert. Dafür, dass dies in der Intention des Gesetzgebers des 9. SGB II-Änderungsgesetzes lag, ist nichts erkennbar. Unter diesen Umständen ist unter Geltung der Neuregelung davon auszugehen, dass die Regelüberprüfungs(höchst)frist die Höchstfrist für die einseitig festzulegende Laufzeit des EGVA darstellt (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 08.06.2017, L 16 AS 291/17 B ER unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.02.2013, a.a.O.; Berlit, a.a.O. § 15 Rdnr. 62; Kador, a.a.O., § 15 Rn. 77 ff.; a.A. Lahne in Hohm, Gemeinschaftskommentar, SGB II, Stand November 2017, § 15 Rn. 79 ff., LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 15.09.2017, L 14 AS 1469/17 B ER und vom 06.11.2017, L 18 AS 2232/17 B ER, Juris).
Unabhängig davon verstoßen die angegriffenen EGVA gegen die vom Gesetzgeber vorgegebene Überprüfungs- und Fortschreibungspflicht von spätestens sechs Monaten (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II n.F.). Der Beklagte regelt darin lediglich pauschal, dass die Inhalte des Bescheides "regelmäßig" überprüft und im gegebenen Falle mit neuem ersetzendem Verwaltungsakt fortgeschrieben würden, ohne dass eine konkrete Frist für die Überprüfung festgelegt wird. Bereits das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dies dem Grundgedanken der neuen Gesetzesregelung widerspricht, wonach spätestens nach sechs Monaten aufgrund der Erfahrungen und des Verlaufs der bisherigen Leistungen zur Eingliederung Anpassungen erfolgen sollen, die auch dokumentiert werden müssen. Eine solche Überprüfung erfolgte in Bezug auf den EGVA vom 03.04.2017 nach Mitteilung des Beklagtenvertreters im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 12.10.2017 auch nicht.
Der EGVA vom 03.04.2017 ist somit rechtswidrig und wurde daher vom SG zu Recht aufgehoben, so dass die hiergegen gerichtete Berufung zurückzuweisen war. Der EGVA vom 11.01.2018 ist wegen der fehlenden Begrenzung der zeitlichen Geltungsdauer ebenfalls rechtswidrig und war daher auf Klage aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Die Rechtsfrage, ob nach der Neuregelung durch das 9. SGB II-Änderungsgesetz ein Eingliederungsverwaltungsakt zeitlich weiterhin grundsätzlich auf sechs Monate zu befristen ist, ist über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig und höchstrichterlich bislang nicht geklärt.
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