Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 4283/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2954/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1963 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und 1970 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Nach Beschäftigungen u. a. als Bauarbeiter, Lagerarbeiter und Fahrer ist er seit 2004 arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 06.07.2015 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, die er im Wesentlichen auf die Folgen einer Borrelioseerkrankung stützte. Unter Berücksichtigung beigezogener Befundberichte (Städtisches Klinikum K. vom 04.05.2015, stationärer Aufenthalt vom 01.05.2015 bis 04.05.2015 mit den Diagnosen: unklares Schmerzsyndrom, Ausschlussdiagnostik Neuroborreliose, Verdacht auf gastroösophagealer Reflux) stellte der von der Beklagten beauftragte Internist und Rheumatologe Dr. L. in seinem Gutachten vom 30.09.2015 "hausärztlich mitgeteilte Antikörper gegen Borrelien, vorgetragene Schwäche/Schmerzen ohne erkennbare Ursache, Therapieverzicht" fest und führte aus, dass das Leistungsvermögen des Versicherten aus sozialmedizinischer Sicht nicht eingeschränkt und die Erwerbsfähigkeit nicht gefährdet sei. Es handele sich um einen ersten auf eigene Initiative gestellten Rentenantrag eines überdurchschnittlich muskulösen Versicherten in gutem Allgemeinzustand. Die vorgetragenen Beschwerden hätten gutachterlich nicht objektiviert werden können, insbesondere habe eine auffällige Diskrepanz zwischen dem Beschwerdevortrag (Gehen sei gerade noch möglich) und dem Ergebnis der standardisierten Belastungsuntersuchung bestanden. Die vom behandelnden Arzt auf telefonische Anfrage mitgeteilten serologischen Parameter reichten aus rheumatologischer Sicht nicht aus, um eine auch aktuell noch bestehende Borrelienerkrankung zu belegen.
Mit Bescheid vom 02.10.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, überhaupt nicht in der Lage zu sein, irgendeine Tätigkeit ausüben zu können. Er habe Knochenschmerzen, Dauerkopfschmerzen, sei beim Laufen eingeschränkt und habe Schwindelanfälle. Er sei bis Juli 2015 in Therapie bei Dr. W. gewesen. Im beigefügten Schreiben der I. GmbH, leitender Arzt Dr. W., gerichtet an die A. N., wird ausgeführt, dass der Kläger seit Jahren an rezidivierenden Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen sowie extrem zunehmender Schwäche leide. Vom Hausarzt sei eine Borreliose positiv getestet worden, allerdings habe man im Städtischen Klinikum in K. aus der Lumbalpunktion keine Borrelien nachweisen können. Weil der Kläger aufgrund seiner Erkrankung diverse Antibiotika habe einnehmen müssen, sei es verständlich, dass man keine oder wenige Borrelien finde. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Gegen den am 27.11.2015 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 28.12.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) eingelegt.
Das SG hat Dr. W. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat in seiner Aussage vom 25.04.2016 über eine Behandlung des Klägers vom 19.05.2015 bis 07.09.2015 berichtet. Der Kläger habe ihm gegenüber über Konzentrationsstörungen, Kraftlosigkeit, Schwäche, Schwindelanfälle, Brennen am ganzen Körper, Gelenkschmerzen, das Gefühl, betäubt zu sein, Panikattacken und extreme Müdigkeit geklagt. Ferner hat Dr. W. ausgeführt, im Städtischen Klinikum in K. sei im Rahmen einer Liquorpunktion die Borreliose negativ getestet worden. Aufgrund der durchgeführten indirekten Biophotonenemissionsmessungen sei eine deutliche Infektion mit Borrelia Burgdorferie und Borrelia Garinii festgestellt worden, weswegen die von ihm entwickelte Photonentherapie durchgeführt worden sei. Aufgrund starker multipler Blockierungsbefunde habe er den Kläger auch chirotherapeutisch behandelt. Insgesamt habe man eine Besserung des Gesundheitszustandes erzielen können, was sich jedoch durch die extremen familiären Belastungen wieder verschlimmert habe. Beim Gespräch am 07.09.2015 sei vollkommen klar gewesen, dass der Kläger in eine Erwerbsunfähigkeit rutsche.
Für die Beklagte hat Dr. Pfister in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 30.05.2016 ausgeführt, dass Dr. L. den Versicherten nach Abbruch der Behandlung bei Dr. W. untersucht und zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise für ein begründetes quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen gesehen habe. Neue Befunde lägen seitdem nicht vor.
Nach einem entsprechenden Hinweis hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.07.2016 abgewiesen und unter Darlegung der einschlägigen Vorschriften ausgeführt, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei, weil sein arbeitstägliches Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden betrage, was sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem in sich stimmigen und wohlbegründeten Sachverständigengutachten von Dr. L. ergebe.
Hiergegen hat der Kläger am 01.08.2016 beim SG Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass er seit Ende 2014 bei verschiedenen Ärzten in Behandlung gewesen sei, ohne dass ihm jemand habe helfen können. Es sei immer behauptet worden, es läge an einem Grippevirus. Einige Monate später hätte sich seine Gesundheit auf einmal sehr verschlechtert und er habe am ganzen Körper starke Schmerzen gehabt, sodass er in das Städtische Klinikum gebracht worden sei. Nach drei Tagen habe man ihn entlassen mit der Behauptung, er habe gar keine Probleme. Es sei ihm aber nach wie vor sehr schlecht gegangen. Ein glücklicher Zufall habe ihn zu Dr. W. in P. geführt. Dieser habe eine gravierende Borrelioseerkrankung festgestellt. Weil diese Krankheit eine nicht ganz heilbare Krankheit sei, habe sie bleibende Schäden hinterlassen. Kraftlosigkeit, Knochenschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel, Treppensteigen seien ein Problem. Treppen heruntergehen auch, das Aufstehen und das Hinsetzen. Kurz gefasst sei ihm das Teilnehmen an diesem Leben vergangen.
Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. als sachverständigen Zeugen gehört und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.
Dr. S. hat unter dem 26.04.2017 mitgeteilt, die Diagnosen Depression, chronisches Schmerzsyndrom und Borreliose gestellt und seit 2015 eine deutliche Verschlechterung des Zustandes festgestellt zu haben. Zu der Schmerzsymptomatik, welche möglicherweise durch eine Borreliose ausgelöst worden sei, komme die neurologisch/psychische Überlagerung des Zustandes in Form einer Depression. Von ihm sei für den Zeitraum vom 22.11. bis 22.12.2016 eine AU wegen Borreliose, chronischem Schmerzsyndrom und Depression ausgestellt worden.
Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 04.10.2017 ausgeführt, dass sich eine zu organisch-somatisch begründeten Funktionsstörungen führende Borreliose (als ausschlaggebende Erkrankung vom Probanden reklamiert) nervenärztlich nicht habe belegen lassen. Insgesamt hätten sich neurologisch keine richtungsweisenden Befunde ergeben. Die offenbar bereits seit Geburt oder Kindheit bestehende Sehstörung sei klinisch gut kompensiert, falle ins augenärztliche Fachgebiet und begründe auch jetzt keine weiterreichenden Funktionsstörungen. Ferner liege eine berichtete erektile Dysfunktion vor, darüber hinaus eine Adipositas, und eine von jeher vorbestehende Akzentuierung der Primärpersönlichkeit mit resultierenden Schwierigkeiten in der sozialen Anpassung. Darüber hinaus stelle er eine inhaltsabhängig dysthym-gekränkte Verstimmung im Kontext mit vielschichtigen Belastungen/Kränkungen im biographischen Hintergrund bei durchaus lebendig erhaltener affektiver und inhaltlicher Auslenkbarkeit und eine Somatisierungsneigung in breiter Überlappung mit nicht eigenständig krankheitswertigen, nicht authentischen Beschwerdeschilderungen vor dem Hintergrund von Versorgungswünschen fest. Aus nervenärztlicher Sicht könne der Kläger vollschichtig körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten, nur zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne besondere Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen, auch ohne Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen seien nervenärztlich nicht zu fordern. Es bestehe zudem ein genügendes Umstellungsvermögen, um sich in eine Tätigkeit einzugliedern. Eine psychische Fehlhaltung, die etwa einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen und nicht aus eigener Willenskraft oder mit ärztlicher Hilfe überwunden werden könne, sei nicht zu konstatieren. Umgekehrt ergäben sich deutliche Hinweise für nicht authentische Beschwerdeanteile bzw. simulative Tendenzen. Aus nervenärztlicher Sicht ergäben sich keine quantitativen Leistungseinschränkungen, es sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen zu beschreiben, wobei die Wegefähigkeit im nervenärztlichen Fachgebiet nicht eingeschränkt sei.
Der Kläger hat hiergegen eingewandt, dass eine ausreichende neurologische Abklärung der Borreliose nicht zu erkennen sei. Er hat hierzu den Ausdruck der Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose der Deutschen Borreliosegesellschaft e.V. vorgelegt, die im Einzelnen die Anforderungen an die Diagnostik der Lyme-Borreliose beschreibe. Er ist der Auffassung, dass ausweislich der an die Begutachtung der Borrelioseerkrankung zu stellenden Anforderungen die bislang von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen mit dem vorliegenden Gutachten nicht ausreichend seien, um die Frage der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen, insbesondere das Vorliegen einer Borreliose und den daraus resultierenden Leistungsstörungen, zu beurteilen. Ferner hat der Kläger ein Laborblatt der Praxis Dr. S./Dr. B. vom 25.01.2018 zur Akte gereicht.
In der vom Senat veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.04.2018 hat Dr. B. ausgeführt, dass er sich ein sehr ausführliches Bild von dem Probanden habe machen können. Klinisch wie elektrophysiologisch hätten sich weder Hinweise für eine organ-neurologische Störung (etwa im Sinne einer chronischen Polyneuropathie, einer cerebralen Meningovaskulitis, einer progredienten Encephalomyelitis mit etwa spinaler oder cerebellärer Symptomatik) noch Hinweise für eine hirnorganische Psychopathologie ergeben. Eine Neuroborreliose lasse sich sichern, wenn neurologische Symptome vorlägen, die an eine Neuroborreliose denken lassen müssten, was hier nicht der Fall sei, außerdem, wenn eine Pleozytose im Liquor zerebrospinalis (also im Nervenwasser) sowie intrathekal (im Liquor) eine erreger-spezifische Antikörpersynthese gegen Borrelien nachweisbar seien. Die vom Probanden auf eine Borreliose zurückgeführten Beschwerden (etwa Kraftlosigkeit, nichts mehr unternehmen zu können, nicht mehr tanzen gehen zu können, nicht mehr ins Kino gehen zu können, nicht mehr schwimmen gehen zu können, immer nur liegen zu müssen, sehr schlechte Augen zu haben, nicht mehr Tischtennis spielen zu können, nicht mehr Rad fahren zu können, der ganze Körper sei taub, alles scheißegal, als ob der ganze Kopf platze, gereizt zu sein) ließen nervenärztlich nicht an eine Neuroborreliose denken. Es lägen auch nicht die Voraussetzungen eines Post-Borreliose-Syndroms vor. Eine Neuroborreliose sei im Übrigen in K. nicht etwa deshalb nicht nachgewiesen worden, weil keine Liquor-Diagnostik durchgeführt worden sei, sondern weil eine Liquor-Diagnostik ausdrücklich mit negativem Befund verlaufen sei, wobei der spezifische Liquor-Befund "die Grundvoraussetzungen für die Annahme einer Neuroborreliose gewesen wäre". Eine Neuroborreliose lasse sich auch nicht mit einer indirekten Biophotonenemissionsmessung oder mit LTT belegen. Zum aktuell vorgelegten Laborbefund hat Dr. B. ausgeführt, dass ein positiver serologischer Befund kein Nachweis für eine aktive Lyme-Borreliose sei. Nach leitliniengemäßer Behandlung seien serologische Verlaufskontrollen nicht als Therapiekontrolle geeignet. Bei fehlender oder unspezifischer Symptomatik sei der positive Vorhersagewert eines positiven Antikörpernachweises sehr gering. Das hieße, es liege mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Durchseuchungstiter ohne klinische Aussagekraft vor. Abgesehen von einer nicht nachweisbaren chronischen Borreliose könne die gutachterliche Diskussion aber auch von der anderen Seite aus geführt werden: Bekanntlich sei im finalen Gutachten ja weniger die Diagnoseformulierung ausschlaggebend als vielmehr die konkrete plausible, konsistente Abbildung überdauernder Funktionsstörungen. Im vorliegenden Falle seien doch grob demonstrative, nicht authentische Aspekte sowie erhebliche Inkonsistenzen ausdrücklich zu beschreiben gewesen, einschließlich auffälliger Befunde im Beschwerdevalidierungstest. Aktuellere neurologische Befunde seien auch jetzt nicht vorgelegt worden. Ausschlaggebend für die sozialmedizinische Beurteilung sei ausdrücklich also nicht die Labordiskussion, sondern die Frage nach etwa sozialmedizinisch relevanten klinischen Funktionsstörungen. Im Übrigen finde eine Behandlung einer Neuroborreliose oder überhaupt einer Borreliose gar nicht statt. Zu behandeln wäre dabei nicht ein serologischer bzw. Laborbefund, sondern eine nachgewiesene, borrelienbedingte organ-neurologische Störung.
Der Kläger hat hierauf das ärztliche Attest der Dres. S./S. vom 07.05.2018 vorgelegt, in dem bescheinigt wird, dass der Kläger seit April 2015 in hausärztlicher Behandlung stehe und seit Juni 2015 an einer Borreliose leide und daher aus ärztlicher Sicht arbeitsunfähig sei. Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht gem. § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers ist der die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 02.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2015. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Voraussetzung einer solchen Rente ist u.a., dass der jeweilige Versicherte voll (vgl. § 43 Abs. 2 Satz. 2 SGB VI) bzw. teilweise erwerbsgemindert ist (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Senat ist auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen und nach Durchführung der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist. Er ist noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch leichte Tätigkeiten – wenn auch mit qualitativen Leistungseinschränkungen (dazu siehe unten) – mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig auszuüben.
Dabei lassen sich Gesundheitsstörungen im Sinne von Erkrankungen oder Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 und § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI schon nicht sicher feststellen. So wird schon im Bericht des Städtischen Klinikums K. vom 04.05.2015 nur ein unklares Schmerzsyndrom bei Ausschluss einer Neuroborreliose diagnostiziert. Dort ist nach einem viertägigen stationären Aufenthalt zudem ausgeführt worden, dass es sowohl laborchemisch als auch liquoranalytisch keinen Anhaltspunkt für eine akute Neuroborreliose (durchweg normotensive Werte und keine Elektrolytentgleisung) und auch nicht für eine neurologische Ursache der Schmerzsymptomatik gibt. Die vom Beklagten beim Internisten und Rheumatologen Dr. L. (der die Zusatzbezeichnungen Sozialmedizin und Rehabilitationswesen führt) veranlasste Untersuchung des Klägers hat darüber hinaus keine weitergehende Feststellung einer Erkrankung/Behinderung erbracht. Auch er gab wie zuvor das Städtische Klinikum K. die vom Kläger angegebenen Einschränkungen mit einem den ganzen Körper betreffenden Schwächegefühl wieder, wobei angegeben wurde, gerade noch gehen zu können, Angst vor dem Umfallen, ein Elektrisierungsgefühl am ganzen Körper, vorwiegend der Finger und Füße, und Kopfschmerzanfälle mehrmals täglich zu haben, ferner: einen permanenten Schwank-Schwindel, vorwiegend beim Gehen und Stehen. Diese Beschwerden konnten aber im Untersuchungsgang nicht verifiziert werden. Vielmehr waren die Laborparameter auch im Rahmen dieser Untersuchung (zelluläres Blutbild, Leber- und Nierenwerte, Entzündungs- und Stoffwechselparameter [bei lediglich geringfügiger Fettstoffwechselstörung]) unauffällig. Gleiches gilt für ein Ruhe- und Belastungs-EKG, das nach acht Minuten bei 150 Watt (hiervon die letzten zwei Minuten auf dieser Belastungsstufe) wegen Beinermüdung abgebrochen worden war. Die vom Kläger angegebenen Schmerzen im Bereich der Fußsohlen, sowie in den Ober- und Unterschenkeln beidseits ließen in der Erholungsphase nach. Herzbeschwerden oder Atemnot waren nicht festzustellen, ebenso keine pathologischen EKG-Veränderungen in der Belastungs- und Erholungsphase. Drei bis vier Minuten nach der Erholungsphase war der Kläger auch wieder in der Lage, ohne erkennbare Schwierigkeiten eine Kniebeuge auszuführen, weswegen angesichts der guten körperlichen Belastbarkeit bis zur 150 Watt-Stufe (ohne Hinweis auf Muskelschwäche oder Einschränkung der kardiopulmonalen Belastbarkeit) die Beurteilung von Dr. L. schlüssig und überzeugend ist, dass eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht erkennbar wurde. Damit ist auch die vom Kläger angegebene Kraftlosigkeit und sind dessen Angaben, immer nur liegen zu müssen, nichts mehr unternehmen zu können, nicht mehr Tischtennis spielen zu können, nicht mehr Rad fahren zu können, zumindest in dem geschilderten Ausmaß nicht nachvollziehbar oder plausibel. Dies gilt umso mehr, weil der Sachverständige, dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundenbeweises würdigt, wie zuvor schon das städtische Krankenhaus K. demonstrative Verhaltensweisen des Klägers festgestellt hat. So wurde in der Klinik nicht nur die Beschwerdeschilderung, sondern auch das Nach-Hinten-Kippen im Romberg-Verfahren (Verfahren zur Prüfung der Standsicherheit, der Koordination und des Gleichgewichts, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl.) als demonstrativ anmutend beschrieben. Bei Dr. L. waren zudem sämtliche Geh- und Stehprüfungen unauffällig, Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Koordinationsstörungen nicht feststellbar und bei einem sicheren Stand mit geschlossenen Augen auch keine Gleichgewichtsstörungen nachweisbar. Berücksichtigt man zudem die Angaben, keine Kopfschmerzmittel einzunehmen (trotz der oben beschriebenen Kopfschmerzattacken), nicht am Autofahren gehindert zu sein (trotz der geltend gemachten Schwäche und Schwindelerscheinungen) und nicht feststellbare Einschränkungen im täglichen Leben (Haushalt einschließlich der Einkäufe ohne Fremdhilfe möglich, Reisen in die Türkei 2015, 2016 und 2017 [Gutachten Dr. B.]) und eine fehlende kontinuierliche Behandlung sind weder Gesundheitsstörungen noch die geltend gemachten Einschränkungen nachgewiesen, weshalb auch keine zeitliche Leistungsminderung begründet werden kann.
Etwas anderes lässt sich auch nicht aufgrund der vom Hausarzt Dr. S. und von Dr. W. gestellten Diagnose einer Borreliose (Lyme desease) begründen. Darüber hinaus vermochte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass eine zeitliche Leistungsminderung aus einer psychiatrischen Erkrankung oder einer Überlagerung einer solchen mit den Folgen einer Borreliose (Schmerzsyndrom) resultiert, wie der Hausarzt Dr. S. meint.
Der Senat schließt sich insoweit vollumfänglich den Ausführungen des von ihm beauftragten Sachverständigen Dr. B. an, dem als Neurologen (und Psychiater) die erforderliche Kompetenz zur Beurteilung der Frage zukommt, ob eine Borreliose zu diagnostizieren ist und ggf. welche Auswirkungen einer solchen vorliegen. Nach dessen sorgfältig begründeten und für den Senat nachvollziehbaren und überzeugendenAusführungen sind organisch-somatisch begründete Funktionsstörungen durch eine Borreliose nicht nachgewiesen. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden sieht der Senat durch das vorliegende Gutachten als widerlegt. Denn auch bei dieser Untersuchung ergaben sich weder klinisch noch elektrophysiologisch Anhaltspunkte für eine organ-neurologische Störung (etwa im Sinne einer chronischen Polyneuropathie [Normalbefund bzw. kein pathologischer Befund in der elektroneurographischen Untersuchung der unteren Extremitäten], einer zerebralen Meningovaskulitis, einer progredienten Encephalomyelitis mit spinaler oder zerebellärer Symptomatik) oder eine hirnorganische Psychopathologie. Unter Verweis auf die nicht feststellbaren konkreten und plausiblen sowie inkonsistenten Funktionsstörungen bei grob demonstrativen und nicht authentischen Verhaltensweisen (die sich nicht von denen unterscheiden, die sich bereits im Gutachten von Dr. L. feststellen lassen) hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme nochmals überzeugend dargelegt, dass sich eine Neuroborreliose nur hätte sichern lassen, wenn neurologische Symptome vorliegen, die hier aber nicht festzustellen waren. Ferner dann, wenn im Liquor zerebrospinalis (im Nervenwasser) eine Pleozytose und intrathekal (im Liquor) eine erregerspezifische Antikörpersynthese gegen Borrelien nachweisbar gewesen wären. Auch diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil im Mai 2015 im Rahmen einer stationär-neurologischen Untersuchung im Klinikum K. eine Liquor-Diagnostik mit ausdrücklich negativem Befund durchgeführt worden ist. Ferner hat er unter Angabe neuerer wissenschaftlicher Literatur ausgeführt, dass sich eine Neuroborreliose nicht mit einer "indirekten Biophotoneneemissionsmessung" belegen lässt (siehe Bl. 3 der ergänzenden Stellungnahme). Schließlich lassen sich die vom Kläger geschilderten Symptome (Kraftlosigkeit, nichts mehr unternehmen können, nicht mehr tanzen gehen zu können, etc.) nicht mit einem Post-Borreliose-Syndrom vereinbaren. Im Übrigen hat er belegt, dass Laborbefunde nicht zu begründen vermögen, dass tatsächlich eine aktive Lyme-Borreliose vorliegt.
Dementsprechend führen die Angaben von und die Behandlung durch Dr. W., die allein auf einem positiven Borrelientiter und vom Kläger geschilderten und unkritisch ("er klagte über folgende Symptome, die ich nacheinander aufzähle: Konzentrationsstörungen, Kraftlosigkeit, Schwäche, Schwindelanfälle, Brennen am ganzen Körper, Gelenkschmerzen, das Gefühl, betäubt zu sein, Panikattacken, extreme Müdigkeit") übernommenen Symptomen nicht weiter. Gleiches gilt für die Ausführungen des Hausarztes Dr. S. (in Gemeinschaftspraxis mit dem von Dr. B. genannten Dr. B.), insbesondere in dem vorgelegten Attest, welches zur hier erforderlichen kritischen Diskussion keinen Beitrag leistet. Die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen, die sich im Wesentlichen an einer fehlenden Diagnostik zur geltend gemachten Lyme-Borreliose festmachen lässt, führen insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Denn maßgeblich ist für die Beurteilung des relevanten Leistungsvermögens nicht, welche Diagnosen zu stellen sind. Von Bedeutung ist vielmehr allein die Frage, ob der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich in dem von § 43 SGB VI geforderten Umfang erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Hiervon konnte sich der Senat vorliegend aber schon aufgrund des in beiden Gutachten wiedergegebenen klinischen Befundes nicht überzeugen, da dieser kein eingeschränktes Leistungsvermögen belegt (vgl. körperliche Leistungsfähigkeit (kardiologisch/internistisch] im Gutachten von Dr. L., fehlende Einschränkungen in quantitativer Hinsicht aufgrund neurologisch/psychiatrischer Erkrankungen im Gutachten von Dr. B.).
Schließlich ergibt sich eine quantitative Leistungsminderung – wie Dr. B. ebenfalls überzeugend dargelegt hat – auch nicht aus der von ihm diagnostizierten und seit Geburt oder Kindheit bestehenden Sehstörung, die klinisch gut kompensiert ist und keine weiterreichenden Funktionsstörungen bedingt. Gleiches gilt für die vom Kläger angegebene erektile Dysfunktion und die Adipositas (ca. 100 kg bei 173 cm Körpergröße).
Nichts anderes ergibt sich zudem aus einer von Dr. B. als vorbestehend gewürdigten Akzentuierung der Primärpersönlichkeit mit Schwierigkeiten in der sozialen Anpassung und einer – inhaltsabhängig – bestehenden dysthym-gekränkten Verstimmung im Kontext mit vielschichtigen Belastungen und Kränkungen im biographischen Hintergrund bei einer durchaus lebendig erhaltenen affektiven und inhaltlichen Auslenkbarkeit sowie einer von ihm diagnostizierten Somatisierungsneigung. Diese Diagnosen hindern den Kläger nicht, körperlich bis mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde auszuüben, wenn diese nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen ausgeübt werden müssen und keine besonderen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit bestehen. Ferner sind überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen und Stressfaktoren, wie Nacht- oder Wechselschicht zu vermeiden.
Damit ist der Senat - unter Betrachtung der Gesundheitsstörungen des Klägers im Einzelnen und in deren Zusammenschau - zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden an fünf Tagen die Woche zu verrichten. Der Kläger verfügt dabei auch über ein ausreichendes Umstellungsvermögen, um sich in eine neue Tätigkeit eingliedern zu können, weil – wie Dr. B. ausführte – eine psychische Fehlhaltung, die einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen und nicht aus eigener Willenskraft oder mit ärztlicher Hilfe überwunden werden könnte, nicht vorliegt. Die genannten qualitativen Einschränkungen können zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Aus diesen ergeben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen diese qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. dazu BSG vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R = SozR 3-2600 § 43 Nr. 21 - Juris Rdnr. 18 ff.) dar. Insbesondere liegt auch keine Einschränkung der Wegefähigkeit vor.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Gründe, die Revision zuzulassen liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1963 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und 1970 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Nach Beschäftigungen u. a. als Bauarbeiter, Lagerarbeiter und Fahrer ist er seit 2004 arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 06.07.2015 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, die er im Wesentlichen auf die Folgen einer Borrelioseerkrankung stützte. Unter Berücksichtigung beigezogener Befundberichte (Städtisches Klinikum K. vom 04.05.2015, stationärer Aufenthalt vom 01.05.2015 bis 04.05.2015 mit den Diagnosen: unklares Schmerzsyndrom, Ausschlussdiagnostik Neuroborreliose, Verdacht auf gastroösophagealer Reflux) stellte der von der Beklagten beauftragte Internist und Rheumatologe Dr. L. in seinem Gutachten vom 30.09.2015 "hausärztlich mitgeteilte Antikörper gegen Borrelien, vorgetragene Schwäche/Schmerzen ohne erkennbare Ursache, Therapieverzicht" fest und führte aus, dass das Leistungsvermögen des Versicherten aus sozialmedizinischer Sicht nicht eingeschränkt und die Erwerbsfähigkeit nicht gefährdet sei. Es handele sich um einen ersten auf eigene Initiative gestellten Rentenantrag eines überdurchschnittlich muskulösen Versicherten in gutem Allgemeinzustand. Die vorgetragenen Beschwerden hätten gutachterlich nicht objektiviert werden können, insbesondere habe eine auffällige Diskrepanz zwischen dem Beschwerdevortrag (Gehen sei gerade noch möglich) und dem Ergebnis der standardisierten Belastungsuntersuchung bestanden. Die vom behandelnden Arzt auf telefonische Anfrage mitgeteilten serologischen Parameter reichten aus rheumatologischer Sicht nicht aus, um eine auch aktuell noch bestehende Borrelienerkrankung zu belegen.
Mit Bescheid vom 02.10.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, überhaupt nicht in der Lage zu sein, irgendeine Tätigkeit ausüben zu können. Er habe Knochenschmerzen, Dauerkopfschmerzen, sei beim Laufen eingeschränkt und habe Schwindelanfälle. Er sei bis Juli 2015 in Therapie bei Dr. W. gewesen. Im beigefügten Schreiben der I. GmbH, leitender Arzt Dr. W., gerichtet an die A. N., wird ausgeführt, dass der Kläger seit Jahren an rezidivierenden Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen sowie extrem zunehmender Schwäche leide. Vom Hausarzt sei eine Borreliose positiv getestet worden, allerdings habe man im Städtischen Klinikum in K. aus der Lumbalpunktion keine Borrelien nachweisen können. Weil der Kläger aufgrund seiner Erkrankung diverse Antibiotika habe einnehmen müssen, sei es verständlich, dass man keine oder wenige Borrelien finde. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Gegen den am 27.11.2015 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 28.12.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) eingelegt.
Das SG hat Dr. W. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat in seiner Aussage vom 25.04.2016 über eine Behandlung des Klägers vom 19.05.2015 bis 07.09.2015 berichtet. Der Kläger habe ihm gegenüber über Konzentrationsstörungen, Kraftlosigkeit, Schwäche, Schwindelanfälle, Brennen am ganzen Körper, Gelenkschmerzen, das Gefühl, betäubt zu sein, Panikattacken und extreme Müdigkeit geklagt. Ferner hat Dr. W. ausgeführt, im Städtischen Klinikum in K. sei im Rahmen einer Liquorpunktion die Borreliose negativ getestet worden. Aufgrund der durchgeführten indirekten Biophotonenemissionsmessungen sei eine deutliche Infektion mit Borrelia Burgdorferie und Borrelia Garinii festgestellt worden, weswegen die von ihm entwickelte Photonentherapie durchgeführt worden sei. Aufgrund starker multipler Blockierungsbefunde habe er den Kläger auch chirotherapeutisch behandelt. Insgesamt habe man eine Besserung des Gesundheitszustandes erzielen können, was sich jedoch durch die extremen familiären Belastungen wieder verschlimmert habe. Beim Gespräch am 07.09.2015 sei vollkommen klar gewesen, dass der Kläger in eine Erwerbsunfähigkeit rutsche.
Für die Beklagte hat Dr. Pfister in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 30.05.2016 ausgeführt, dass Dr. L. den Versicherten nach Abbruch der Behandlung bei Dr. W. untersucht und zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise für ein begründetes quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen gesehen habe. Neue Befunde lägen seitdem nicht vor.
Nach einem entsprechenden Hinweis hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.07.2016 abgewiesen und unter Darlegung der einschlägigen Vorschriften ausgeführt, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei, weil sein arbeitstägliches Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden betrage, was sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem in sich stimmigen und wohlbegründeten Sachverständigengutachten von Dr. L. ergebe.
Hiergegen hat der Kläger am 01.08.2016 beim SG Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass er seit Ende 2014 bei verschiedenen Ärzten in Behandlung gewesen sei, ohne dass ihm jemand habe helfen können. Es sei immer behauptet worden, es läge an einem Grippevirus. Einige Monate später hätte sich seine Gesundheit auf einmal sehr verschlechtert und er habe am ganzen Körper starke Schmerzen gehabt, sodass er in das Städtische Klinikum gebracht worden sei. Nach drei Tagen habe man ihn entlassen mit der Behauptung, er habe gar keine Probleme. Es sei ihm aber nach wie vor sehr schlecht gegangen. Ein glücklicher Zufall habe ihn zu Dr. W. in P. geführt. Dieser habe eine gravierende Borrelioseerkrankung festgestellt. Weil diese Krankheit eine nicht ganz heilbare Krankheit sei, habe sie bleibende Schäden hinterlassen. Kraftlosigkeit, Knochenschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel, Treppensteigen seien ein Problem. Treppen heruntergehen auch, das Aufstehen und das Hinsetzen. Kurz gefasst sei ihm das Teilnehmen an diesem Leben vergangen.
Der Senat hat den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. als sachverständigen Zeugen gehört und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.
Dr. S. hat unter dem 26.04.2017 mitgeteilt, die Diagnosen Depression, chronisches Schmerzsyndrom und Borreliose gestellt und seit 2015 eine deutliche Verschlechterung des Zustandes festgestellt zu haben. Zu der Schmerzsymptomatik, welche möglicherweise durch eine Borreliose ausgelöst worden sei, komme die neurologisch/psychische Überlagerung des Zustandes in Form einer Depression. Von ihm sei für den Zeitraum vom 22.11. bis 22.12.2016 eine AU wegen Borreliose, chronischem Schmerzsyndrom und Depression ausgestellt worden.
Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 04.10.2017 ausgeführt, dass sich eine zu organisch-somatisch begründeten Funktionsstörungen führende Borreliose (als ausschlaggebende Erkrankung vom Probanden reklamiert) nervenärztlich nicht habe belegen lassen. Insgesamt hätten sich neurologisch keine richtungsweisenden Befunde ergeben. Die offenbar bereits seit Geburt oder Kindheit bestehende Sehstörung sei klinisch gut kompensiert, falle ins augenärztliche Fachgebiet und begründe auch jetzt keine weiterreichenden Funktionsstörungen. Ferner liege eine berichtete erektile Dysfunktion vor, darüber hinaus eine Adipositas, und eine von jeher vorbestehende Akzentuierung der Primärpersönlichkeit mit resultierenden Schwierigkeiten in der sozialen Anpassung. Darüber hinaus stelle er eine inhaltsabhängig dysthym-gekränkte Verstimmung im Kontext mit vielschichtigen Belastungen/Kränkungen im biographischen Hintergrund bei durchaus lebendig erhaltener affektiver und inhaltlicher Auslenkbarkeit und eine Somatisierungsneigung in breiter Überlappung mit nicht eigenständig krankheitswertigen, nicht authentischen Beschwerdeschilderungen vor dem Hintergrund von Versorgungswünschen fest. Aus nervenärztlicher Sicht könne der Kläger vollschichtig körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten, nur zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne besondere Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen, auch ohne Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen seien nervenärztlich nicht zu fordern. Es bestehe zudem ein genügendes Umstellungsvermögen, um sich in eine Tätigkeit einzugliedern. Eine psychische Fehlhaltung, die etwa einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen und nicht aus eigener Willenskraft oder mit ärztlicher Hilfe überwunden werden könne, sei nicht zu konstatieren. Umgekehrt ergäben sich deutliche Hinweise für nicht authentische Beschwerdeanteile bzw. simulative Tendenzen. Aus nervenärztlicher Sicht ergäben sich keine quantitativen Leistungseinschränkungen, es sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen zu beschreiben, wobei die Wegefähigkeit im nervenärztlichen Fachgebiet nicht eingeschränkt sei.
Der Kläger hat hiergegen eingewandt, dass eine ausreichende neurologische Abklärung der Borreliose nicht zu erkennen sei. Er hat hierzu den Ausdruck der Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose der Deutschen Borreliosegesellschaft e.V. vorgelegt, die im Einzelnen die Anforderungen an die Diagnostik der Lyme-Borreliose beschreibe. Er ist der Auffassung, dass ausweislich der an die Begutachtung der Borrelioseerkrankung zu stellenden Anforderungen die bislang von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen mit dem vorliegenden Gutachten nicht ausreichend seien, um die Frage der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen, insbesondere das Vorliegen einer Borreliose und den daraus resultierenden Leistungsstörungen, zu beurteilen. Ferner hat der Kläger ein Laborblatt der Praxis Dr. S./Dr. B. vom 25.01.2018 zur Akte gereicht.
In der vom Senat veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.04.2018 hat Dr. B. ausgeführt, dass er sich ein sehr ausführliches Bild von dem Probanden habe machen können. Klinisch wie elektrophysiologisch hätten sich weder Hinweise für eine organ-neurologische Störung (etwa im Sinne einer chronischen Polyneuropathie, einer cerebralen Meningovaskulitis, einer progredienten Encephalomyelitis mit etwa spinaler oder cerebellärer Symptomatik) noch Hinweise für eine hirnorganische Psychopathologie ergeben. Eine Neuroborreliose lasse sich sichern, wenn neurologische Symptome vorlägen, die an eine Neuroborreliose denken lassen müssten, was hier nicht der Fall sei, außerdem, wenn eine Pleozytose im Liquor zerebrospinalis (also im Nervenwasser) sowie intrathekal (im Liquor) eine erreger-spezifische Antikörpersynthese gegen Borrelien nachweisbar seien. Die vom Probanden auf eine Borreliose zurückgeführten Beschwerden (etwa Kraftlosigkeit, nichts mehr unternehmen zu können, nicht mehr tanzen gehen zu können, nicht mehr ins Kino gehen zu können, nicht mehr schwimmen gehen zu können, immer nur liegen zu müssen, sehr schlechte Augen zu haben, nicht mehr Tischtennis spielen zu können, nicht mehr Rad fahren zu können, der ganze Körper sei taub, alles scheißegal, als ob der ganze Kopf platze, gereizt zu sein) ließen nervenärztlich nicht an eine Neuroborreliose denken. Es lägen auch nicht die Voraussetzungen eines Post-Borreliose-Syndroms vor. Eine Neuroborreliose sei im Übrigen in K. nicht etwa deshalb nicht nachgewiesen worden, weil keine Liquor-Diagnostik durchgeführt worden sei, sondern weil eine Liquor-Diagnostik ausdrücklich mit negativem Befund verlaufen sei, wobei der spezifische Liquor-Befund "die Grundvoraussetzungen für die Annahme einer Neuroborreliose gewesen wäre". Eine Neuroborreliose lasse sich auch nicht mit einer indirekten Biophotonenemissionsmessung oder mit LTT belegen. Zum aktuell vorgelegten Laborbefund hat Dr. B. ausgeführt, dass ein positiver serologischer Befund kein Nachweis für eine aktive Lyme-Borreliose sei. Nach leitliniengemäßer Behandlung seien serologische Verlaufskontrollen nicht als Therapiekontrolle geeignet. Bei fehlender oder unspezifischer Symptomatik sei der positive Vorhersagewert eines positiven Antikörpernachweises sehr gering. Das hieße, es liege mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Durchseuchungstiter ohne klinische Aussagekraft vor. Abgesehen von einer nicht nachweisbaren chronischen Borreliose könne die gutachterliche Diskussion aber auch von der anderen Seite aus geführt werden: Bekanntlich sei im finalen Gutachten ja weniger die Diagnoseformulierung ausschlaggebend als vielmehr die konkrete plausible, konsistente Abbildung überdauernder Funktionsstörungen. Im vorliegenden Falle seien doch grob demonstrative, nicht authentische Aspekte sowie erhebliche Inkonsistenzen ausdrücklich zu beschreiben gewesen, einschließlich auffälliger Befunde im Beschwerdevalidierungstest. Aktuellere neurologische Befunde seien auch jetzt nicht vorgelegt worden. Ausschlaggebend für die sozialmedizinische Beurteilung sei ausdrücklich also nicht die Labordiskussion, sondern die Frage nach etwa sozialmedizinisch relevanten klinischen Funktionsstörungen. Im Übrigen finde eine Behandlung einer Neuroborreliose oder überhaupt einer Borreliose gar nicht statt. Zu behandeln wäre dabei nicht ein serologischer bzw. Laborbefund, sondern eine nachgewiesene, borrelienbedingte organ-neurologische Störung.
Der Kläger hat hierauf das ärztliche Attest der Dres. S./S. vom 07.05.2018 vorgelegt, in dem bescheinigt wird, dass der Kläger seit April 2015 in hausärztlicher Behandlung stehe und seit Juni 2015 an einer Borreliose leide und daher aus ärztlicher Sicht arbeitsunfähig sei. Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht gem. § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers ist der die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 02.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2015. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Voraussetzung einer solchen Rente ist u.a., dass der jeweilige Versicherte voll (vgl. § 43 Abs. 2 Satz. 2 SGB VI) bzw. teilweise erwerbsgemindert ist (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Senat ist auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen und nach Durchführung der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist. Er ist noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch leichte Tätigkeiten – wenn auch mit qualitativen Leistungseinschränkungen (dazu siehe unten) – mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig auszuüben.
Dabei lassen sich Gesundheitsstörungen im Sinne von Erkrankungen oder Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 und § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI schon nicht sicher feststellen. So wird schon im Bericht des Städtischen Klinikums K. vom 04.05.2015 nur ein unklares Schmerzsyndrom bei Ausschluss einer Neuroborreliose diagnostiziert. Dort ist nach einem viertägigen stationären Aufenthalt zudem ausgeführt worden, dass es sowohl laborchemisch als auch liquoranalytisch keinen Anhaltspunkt für eine akute Neuroborreliose (durchweg normotensive Werte und keine Elektrolytentgleisung) und auch nicht für eine neurologische Ursache der Schmerzsymptomatik gibt. Die vom Beklagten beim Internisten und Rheumatologen Dr. L. (der die Zusatzbezeichnungen Sozialmedizin und Rehabilitationswesen führt) veranlasste Untersuchung des Klägers hat darüber hinaus keine weitergehende Feststellung einer Erkrankung/Behinderung erbracht. Auch er gab wie zuvor das Städtische Klinikum K. die vom Kläger angegebenen Einschränkungen mit einem den ganzen Körper betreffenden Schwächegefühl wieder, wobei angegeben wurde, gerade noch gehen zu können, Angst vor dem Umfallen, ein Elektrisierungsgefühl am ganzen Körper, vorwiegend der Finger und Füße, und Kopfschmerzanfälle mehrmals täglich zu haben, ferner: einen permanenten Schwank-Schwindel, vorwiegend beim Gehen und Stehen. Diese Beschwerden konnten aber im Untersuchungsgang nicht verifiziert werden. Vielmehr waren die Laborparameter auch im Rahmen dieser Untersuchung (zelluläres Blutbild, Leber- und Nierenwerte, Entzündungs- und Stoffwechselparameter [bei lediglich geringfügiger Fettstoffwechselstörung]) unauffällig. Gleiches gilt für ein Ruhe- und Belastungs-EKG, das nach acht Minuten bei 150 Watt (hiervon die letzten zwei Minuten auf dieser Belastungsstufe) wegen Beinermüdung abgebrochen worden war. Die vom Kläger angegebenen Schmerzen im Bereich der Fußsohlen, sowie in den Ober- und Unterschenkeln beidseits ließen in der Erholungsphase nach. Herzbeschwerden oder Atemnot waren nicht festzustellen, ebenso keine pathologischen EKG-Veränderungen in der Belastungs- und Erholungsphase. Drei bis vier Minuten nach der Erholungsphase war der Kläger auch wieder in der Lage, ohne erkennbare Schwierigkeiten eine Kniebeuge auszuführen, weswegen angesichts der guten körperlichen Belastbarkeit bis zur 150 Watt-Stufe (ohne Hinweis auf Muskelschwäche oder Einschränkung der kardiopulmonalen Belastbarkeit) die Beurteilung von Dr. L. schlüssig und überzeugend ist, dass eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht erkennbar wurde. Damit ist auch die vom Kläger angegebene Kraftlosigkeit und sind dessen Angaben, immer nur liegen zu müssen, nichts mehr unternehmen zu können, nicht mehr Tischtennis spielen zu können, nicht mehr Rad fahren zu können, zumindest in dem geschilderten Ausmaß nicht nachvollziehbar oder plausibel. Dies gilt umso mehr, weil der Sachverständige, dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundenbeweises würdigt, wie zuvor schon das städtische Krankenhaus K. demonstrative Verhaltensweisen des Klägers festgestellt hat. So wurde in der Klinik nicht nur die Beschwerdeschilderung, sondern auch das Nach-Hinten-Kippen im Romberg-Verfahren (Verfahren zur Prüfung der Standsicherheit, der Koordination und des Gleichgewichts, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl.) als demonstrativ anmutend beschrieben. Bei Dr. L. waren zudem sämtliche Geh- und Stehprüfungen unauffällig, Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Koordinationsstörungen nicht feststellbar und bei einem sicheren Stand mit geschlossenen Augen auch keine Gleichgewichtsstörungen nachweisbar. Berücksichtigt man zudem die Angaben, keine Kopfschmerzmittel einzunehmen (trotz der oben beschriebenen Kopfschmerzattacken), nicht am Autofahren gehindert zu sein (trotz der geltend gemachten Schwäche und Schwindelerscheinungen) und nicht feststellbare Einschränkungen im täglichen Leben (Haushalt einschließlich der Einkäufe ohne Fremdhilfe möglich, Reisen in die Türkei 2015, 2016 und 2017 [Gutachten Dr. B.]) und eine fehlende kontinuierliche Behandlung sind weder Gesundheitsstörungen noch die geltend gemachten Einschränkungen nachgewiesen, weshalb auch keine zeitliche Leistungsminderung begründet werden kann.
Etwas anderes lässt sich auch nicht aufgrund der vom Hausarzt Dr. S. und von Dr. W. gestellten Diagnose einer Borreliose (Lyme desease) begründen. Darüber hinaus vermochte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass eine zeitliche Leistungsminderung aus einer psychiatrischen Erkrankung oder einer Überlagerung einer solchen mit den Folgen einer Borreliose (Schmerzsyndrom) resultiert, wie der Hausarzt Dr. S. meint.
Der Senat schließt sich insoweit vollumfänglich den Ausführungen des von ihm beauftragten Sachverständigen Dr. B. an, dem als Neurologen (und Psychiater) die erforderliche Kompetenz zur Beurteilung der Frage zukommt, ob eine Borreliose zu diagnostizieren ist und ggf. welche Auswirkungen einer solchen vorliegen. Nach dessen sorgfältig begründeten und für den Senat nachvollziehbaren und überzeugendenAusführungen sind organisch-somatisch begründete Funktionsstörungen durch eine Borreliose nicht nachgewiesen. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden sieht der Senat durch das vorliegende Gutachten als widerlegt. Denn auch bei dieser Untersuchung ergaben sich weder klinisch noch elektrophysiologisch Anhaltspunkte für eine organ-neurologische Störung (etwa im Sinne einer chronischen Polyneuropathie [Normalbefund bzw. kein pathologischer Befund in der elektroneurographischen Untersuchung der unteren Extremitäten], einer zerebralen Meningovaskulitis, einer progredienten Encephalomyelitis mit spinaler oder zerebellärer Symptomatik) oder eine hirnorganische Psychopathologie. Unter Verweis auf die nicht feststellbaren konkreten und plausiblen sowie inkonsistenten Funktionsstörungen bei grob demonstrativen und nicht authentischen Verhaltensweisen (die sich nicht von denen unterscheiden, die sich bereits im Gutachten von Dr. L. feststellen lassen) hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme nochmals überzeugend dargelegt, dass sich eine Neuroborreliose nur hätte sichern lassen, wenn neurologische Symptome vorliegen, die hier aber nicht festzustellen waren. Ferner dann, wenn im Liquor zerebrospinalis (im Nervenwasser) eine Pleozytose und intrathekal (im Liquor) eine erregerspezifische Antikörpersynthese gegen Borrelien nachweisbar gewesen wären. Auch diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil im Mai 2015 im Rahmen einer stationär-neurologischen Untersuchung im Klinikum K. eine Liquor-Diagnostik mit ausdrücklich negativem Befund durchgeführt worden ist. Ferner hat er unter Angabe neuerer wissenschaftlicher Literatur ausgeführt, dass sich eine Neuroborreliose nicht mit einer "indirekten Biophotoneneemissionsmessung" belegen lässt (siehe Bl. 3 der ergänzenden Stellungnahme). Schließlich lassen sich die vom Kläger geschilderten Symptome (Kraftlosigkeit, nichts mehr unternehmen können, nicht mehr tanzen gehen zu können, etc.) nicht mit einem Post-Borreliose-Syndrom vereinbaren. Im Übrigen hat er belegt, dass Laborbefunde nicht zu begründen vermögen, dass tatsächlich eine aktive Lyme-Borreliose vorliegt.
Dementsprechend führen die Angaben von und die Behandlung durch Dr. W., die allein auf einem positiven Borrelientiter und vom Kläger geschilderten und unkritisch ("er klagte über folgende Symptome, die ich nacheinander aufzähle: Konzentrationsstörungen, Kraftlosigkeit, Schwäche, Schwindelanfälle, Brennen am ganzen Körper, Gelenkschmerzen, das Gefühl, betäubt zu sein, Panikattacken, extreme Müdigkeit") übernommenen Symptomen nicht weiter. Gleiches gilt für die Ausführungen des Hausarztes Dr. S. (in Gemeinschaftspraxis mit dem von Dr. B. genannten Dr. B.), insbesondere in dem vorgelegten Attest, welches zur hier erforderlichen kritischen Diskussion keinen Beitrag leistet. Die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen, die sich im Wesentlichen an einer fehlenden Diagnostik zur geltend gemachten Lyme-Borreliose festmachen lässt, führen insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Denn maßgeblich ist für die Beurteilung des relevanten Leistungsvermögens nicht, welche Diagnosen zu stellen sind. Von Bedeutung ist vielmehr allein die Frage, ob der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich in dem von § 43 SGB VI geforderten Umfang erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Hiervon konnte sich der Senat vorliegend aber schon aufgrund des in beiden Gutachten wiedergegebenen klinischen Befundes nicht überzeugen, da dieser kein eingeschränktes Leistungsvermögen belegt (vgl. körperliche Leistungsfähigkeit (kardiologisch/internistisch] im Gutachten von Dr. L., fehlende Einschränkungen in quantitativer Hinsicht aufgrund neurologisch/psychiatrischer Erkrankungen im Gutachten von Dr. B.).
Schließlich ergibt sich eine quantitative Leistungsminderung – wie Dr. B. ebenfalls überzeugend dargelegt hat – auch nicht aus der von ihm diagnostizierten und seit Geburt oder Kindheit bestehenden Sehstörung, die klinisch gut kompensiert ist und keine weiterreichenden Funktionsstörungen bedingt. Gleiches gilt für die vom Kläger angegebene erektile Dysfunktion und die Adipositas (ca. 100 kg bei 173 cm Körpergröße).
Nichts anderes ergibt sich zudem aus einer von Dr. B. als vorbestehend gewürdigten Akzentuierung der Primärpersönlichkeit mit Schwierigkeiten in der sozialen Anpassung und einer – inhaltsabhängig – bestehenden dysthym-gekränkten Verstimmung im Kontext mit vielschichtigen Belastungen und Kränkungen im biographischen Hintergrund bei einer durchaus lebendig erhaltenen affektiven und inhaltlichen Auslenkbarkeit sowie einer von ihm diagnostizierten Somatisierungsneigung. Diese Diagnosen hindern den Kläger nicht, körperlich bis mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde auszuüben, wenn diese nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen ausgeübt werden müssen und keine besonderen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit bestehen. Ferner sind überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen und Stressfaktoren, wie Nacht- oder Wechselschicht zu vermeiden.
Damit ist der Senat - unter Betrachtung der Gesundheitsstörungen des Klägers im Einzelnen und in deren Zusammenschau - zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden an fünf Tagen die Woche zu verrichten. Der Kläger verfügt dabei auch über ein ausreichendes Umstellungsvermögen, um sich in eine neue Tätigkeit eingliedern zu können, weil – wie Dr. B. ausführte – eine psychische Fehlhaltung, die einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen und nicht aus eigener Willenskraft oder mit ärztlicher Hilfe überwunden werden könnte, nicht vorliegt. Die genannten qualitativen Einschränkungen können zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Aus diesen ergeben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen diese qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. dazu BSG vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R = SozR 3-2600 § 43 Nr. 21 - Juris Rdnr. 18 ff.) dar. Insbesondere liegt auch keine Einschränkung der Wegefähigkeit vor.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Gründe, die Revision zuzulassen liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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