L 8 R 4335/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 3207/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 4335/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auch wenn eine „Pflegeehe“ in der Regel nicht als Versorgungsehe angese-hen werden kann, gilt dies jedoch nur dann, wenn das Ableben des Versicherten aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes zur Zeit der Eheschließung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war. In der Gesamtschau zur Beurteilung der gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände kommt daher einer in Kenntnis einer lebensbedrohenden Erkrankung getroffenen Regelung in einem Erbvertrag der Eheleute über die Fortsetzung der Pflegetätigkeit auch nach etwaiger Scheidung der Ehe hinreichende Indizwirkung für eine Versorgungsehe zu.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.10.2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des am 02.10.2013 verstorbenen B. H. R. (im Folgenden: Versicherter) streitig.

Am 12.12.2012 schlossen die 1955 in I. geborene Klägerin und der Versicherte vor dem Standesamt S. im B. die Ehe (Niederschrift über die Eheschließung E 59/2012).

Der 1944 geborene Versicherte befand sich vom 11.06.2012 bis 16.06.2012 in der H. Klinik M. in stationärer Behandlung. Dabei wurden (unter anderem) eine anhaltende Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, eine Steatosis Hepatitis, DD beginnende Leberzirrhose, chronischer Alkoholabusus und Nikotinabusus sowie eine Thrombozytopenie diagnostiziert. Es zeigte sich das Bild eines mehrjährigen Alkoholabusus sowie einer ausgeprägten Leberzirrhose. Der Verdacht auf ein Leberzellkarzinom, DD Hodentumor bzw. Bronchialkarzinom wurde gestellt und eine weitere Abklärung empfohlen (Bericht H. Klinikum M. vom 25.06.2012). Eine digitale Radiographie des Thorax am 31.07.2012 erbrachte keine metastasenverdächtige Rundherde (Bericht des Instituts für diagnostische Radiologie F. vom 01.08.2012). Ein CT-Abdomen am 18.10.2012 erbrachte einen Hinweis auf eine Leberzirrhose, keine Herdbefunde, insbesondere keinen Hinweis auf ein HCC, eine Choleszystolithiasis mit Schrumpfgallenblase bei sonst unauffälligem Befund (Bericht des Instituts für diagnostische Radiologie F. vom 22.10.2012). Vom 20.03.2013 bis 27.03.2013 befand sich der Versicherte im Universitätsklinikum F. (HNO-Klinik) erneut in stationärer Behandlung wegen anhaltendem Nasenbluten beidseits bei Speisenröhrenkrampfadern ohne Blutungszeichen (Bericht vom 24.04.2013). Eine weitere stationäre Behandlung des Versicherten erfolgte in der H. Klinik M. vom 23.07.2013 bis 08.08.2013 (Bericht vom 06.02.2014, Diagnosen: Insbesondere akutes Nierenversagen, eine äthyltoxische Leberzirrhose, Alkohol-Polyneuropathie und Sepsis durch Staphylococcus aureus. Sonographisch zeigte sich kein Hinweis für ein postrenales Nierenversagen oder für eine dekompensierte Leberzirrhose, kein Aszites). Im Verlauf einer weiteren stationären Behandlung ab 23.08.2013 verstarb der Versicherte am 02.10.2013 (Bericht des Universitätsklinikums F. vom 03.09.2013).

Am 22.10.2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Sie machte geltend, sie habe den Versicherten im Jahr 2007 kennengelernt. Im Jahr 2012 sei sie beim Versicherten eingezogen und der Gedanke zu heiraten sei gereift. Im Juli 2012 habe sie und der Versicherte beim Standesamt in S. wegen eines Heiratstermins vorgesprochen. Das Standesamt habe abgelehnt, die Ehe zu schließen (Frau K. ). Auf erneute Vorsprache ihrer Tochter und Rücksprache mit dem zuständigen Notar habe sich das Standesamt bereitgefunden, die Eheschließung vorzunehmen (Schreiben der Klägerin verfasst von H. R. vom 21.10.203). Die Klägerin legte medizinische Unterlagen, den vor dem Notariat S. im B. geschlossenen Erbvertrag zwischen dem Versicherten und der Klägerin vom 14.01.2013 (zum notariellen Erbvertrag vom 14.01.2013 wird auf Bl. 40-56 der Verwaltungsakte Bezug genommen) sowie eine persönliche Erklärung an Eides statt des Gemeinderates der Stadt S. H. R. vom 09.12.2013 vor.

Die Beklagte erkundigte sich beim Standesamt S. telefonisch zum Vorbringen der Klägerin (Gesprächsnotiz vom 29.10.2013). Außerdem holte die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. T. vom 18.03.2014 ein. In ihrer Stellungnahme führte Dr. T. aus, zumindest seit der Aufnahme in der H. Klinik M. am 11.06.2012 sei bekannt gewesen, dass der Versicherte bedingt durch Alkoholmissbrauch an einer fortgeschrittenen Lebererkrankung gelitten habe. Von einer Besserung sei sicher nicht auszugehen. Von medizinischer Seite könne allerdings die Überlebenszeit nicht genau angegeben werden. Dass sie eingeschränkt sei, sei jedoch allgemein bekannt und sei zum Zeitpunkt der Eheschließung abzuschätzen gewesen.

Mit Bescheid vom 24.03.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf große Witwenrente ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 25.04.2014 Widerspruch ein. Sie berief sich auf ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend geltend, hätte das Standesamt S. die Ehe wie beantragt vollzogen, würden sich jetzt die Schwierigkeiten nicht auftun. Dass sie keine Geldmittel habe, bleibe nur zu hoffen, dass aufgrund der Daten und Fakten einer Witwenrente zugestimmt werde. Durch ihren Prozessbevollmächtigten trug die Klägerin weiter vor, der Versicherte habe ihr bereits im Frühjahr 2012 einen Heiratsantrag gemacht, den sie angenommen habe. Versuche, die Ehe beim zuständigen Standesamt S. zu fomalisieren und abzuschließen, seien mit dem Hinweis darauf, dass der Wunsch nicht ernsthaft sei, an der dortigen Sachbearbeiterin gescheitert. Nachdem im Juli 2012 abermals eine Ablehnung formuliert worden sei, hätten sie auf Drohung der Tochter, die Öffentlichkeit und den Bürgermeister einzuschalten, einen Termin zur standesamtlichen Trauung am 12.12.2012 erhalten. Bereits im Herbst 2012 habe die Absicht bestanden, die Ehe zu schließen. Trauringe für die Hochzeit seien bereits am 09.10.2012 erworben worden. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt habe ein notarieller Erbvertrag geschlossen werden sollen, der jedoch aufgrund der Tatsache, dass ein für die italienische Sprache hinzugezogener Dolmetscher verhindert gewesen sei, erst am 14.01.2013 habe geschlossen werden können. Der notarielle Erbvertrag sei Indiz dafür, dass die Ehe nicht allein aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Gleiches folge aus einem ärztlichen Attest des Dr. K. vom 14.11.2014. Dr. K. bestätige, dass die Leberzirrhose ohne Dekompensationszeichen stabil gewesen sei. Noch bei der letzten Vorstellung im Juli 2013 anlässlich einer Krebsvorsorge sei der Zustand des Versicherten klinisch stabil gewesen. Der Versicherte habe sich bei gutem Wohlbefinden befunden. Auch in der H. Klinik habe sich kein Hinweis für eine dekompensierte Leberzirrhose gefunden. Ein Nierenversagen sei nicht in der Grunderkrankung, sondern in einem anderen Krankheitszustand gesehen worden. Todesursache sei eine Sepsis mit Multiorganversagen gewesen, die ebenfalls nicht im Zusammenhang mit der Grunderkrankung gestanden habe. Aus dem Arztbrief ergebe sich weiter, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der letale Verlauf 2013 als nicht vorhersehbar zu bezeichnen sei. Ein weiterer Fakt sei, dass sie und der Versicherte bereits seit August/September 2012 zusammengelebt hätten. Die Klägerin legte den notariellen Erbvertrag vom 14.01.2013, die ärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 14.11.2014, die Bestätigung der Firma S., S. , vom 21.04.2015 sowie eine Meldebestätigung der Stadt S. vom 20.04.2015 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 24.03.2014 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anspruch auf Witwenrente bestehe nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Vermutung sei nur dann, wenn die Abwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergebe, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, den Hinterbliebenen eine Versorgung zu verschaffen (sogenannte Versorgungsehe). Seit der Aufnahme in die H. Klinik am 11.06.2012 sei bekannt gewesen, dass der Versicherte unter einer fortgeschrittenen Lebererkrankung, bedingt durch Alkoholmissbrauch, gelitten habe. Es sei nicht hinreichend dokumentiert, dass der Alkoholkonsum eingestellt worden sei. Laut medizinischer Prognose sei bei einem weiteren Alkoholkonsum mit einem Leberversagen zu rechnen gewesen. Insbesondere die im Erbvertrag vereinbarte Verpflichtung zur Pflege bis zum Tode sei als Indiz dafür zu werten, dass mit den tödlichen Folgen der Erkrankung gerechnet worden sei. Auch der Kauf der Trauringe am 09.10.2012 sei kein Nachweis gegen eine Versorgungsehe. Dass es im Juli 2012 durch eine mutmaßliche Absage des Standesamtes S. möglicherweise nicht zu einer rechtzeitigen Heirat gekommen sei, habe der Rentenversicherungsträger nicht zu vertreten.

Am 16.07.2015 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Sie machte unter Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen im Verlauf des Klageverfahrens - ergänzend - gelten, sie habe den Versicherten zum Jahreswechsel 2010/2011 kennengelernt. Ab Beginn des Jahres 2011 habe sie für den Versicherten Einkäufe, Putz- und andere Leistungen getätigt und einen Großteil ihrer Freizeit mit ihm verbracht. Aus Freundschaft habe sich Liebe entwickelt, woraus im Februar 2012 ein erster Heiratsantrag des Versicherten resultiert habe. Unmittelbar im Anschluss daran habe beim zuständigen Standesamt ein Aufgebot erstellt und die Ehe geschlossen werden sollen. Sie und der Versicherte hätten Anfang Juli 2012 mit der Absicht, die Ehe zu schließen, das Standesamt S. aufgesucht. Die dortige Sachbearbeiterin habe den Antrag mangels unterstellter fehlender Ernsthaftigkeit nicht entgegen genommen. Als ihre Tochter im Juli 2012 damit gedroht habe, die Öffentlichkeit und den Bürgermeister einzuschalten, sei ein Heiratstermin für den 12.12.2012 festgestellt worden. Aus dem Telefonvermerk der Beklagten vom 29.10.2013 ergäbe sich, dass jedenfalls am 14.09.2012 der Eheschließungsprozess habe in Gang gesetzt werden können. Damit sei dokumentiert, dass die Eheschließung durch die Weigerungshaltung des Standesamtes über 2,5 Monate verzögert worden sei. Ohne die Verzögerung hätte die Ehe Ende September 2012 geschlossen werden können und hätte über ein Jahr bestanden. In diesem außergewöhnlichen Fall sprächen die äußeren Umstände dafür, dass die rechtliche Vermutung der Versorgungsehe nicht nur durch den mehr als einjährigen Bestand der Ehe, sondern auch durch die allgemeinen Begleitumstände entkräftet sei. Auch die Tatsache, dass im Erbvertrag Pflegeleistungen gegenüber dem Versicherten angesprochen worden seien, belegten nicht bzw. ergebe kein Hinweis dafür, dass der Versorgungsgedanke im Vordergrund gestanden habe. Vielmehr handele es sich dabei um eine Standardformulierung von Erbverträgen. Der Erbvertrag habe dazu dienen sollen, einerseits ihre Unterstützungsleistungen sicherzustellen, andererseits ihr ein auskömmliches und angemessenes Erbteil zukommen zu lassen. Im Übrigen enthalte § 8 des Erbvertrages eine Scheidungsklausel, wonach eine solche den Inhalt des Erbvertrages nicht berühren solle. Sie hätte sich weiter um den Versicherten zu kümmern und gegebenenfalls auch für angemessene Ersatzkräfte zu sorgen gehabt, wobei sie Alleinerbin des Versicherten geblieben wäre. Auch dies belege, dass im Vordergrund nicht nur der Versorgungsgedanke gestanden habe. Auch die ärztlich bestätigte Tatsache, dass es sich um einen plötzlichen, nicht vorhersehbaren Tod des Versicherten gehandelt habe, widerlege die gesetzliche Vermutung. Die Klägerin hat für ihr Vorbringen Zeugen benannt.

Das SG hörte Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte in seiner Aussage vom 18.06.2016 den Behandlungsverlauf, die Gesundheitsstörungen und die Befunde hinsichtlich des Versicherten mit. Die Erstdiagnose einer Leberzirrhose sei am 18.10.2006 erfolgt. Ursächlich für den Tod des Versicherten sei Nierenversagen gewesen. Die Lebererkrankung sei nicht lebensbedrohlich gewesen. Ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und Leberzirrhose gebe es nicht. Bei der letzten Vorstellung am 19.07.2013 zur routinemäßigen Krebsvorsorge sei der Versicherte klinisch stabil und bei gutem Wohlbefinden gewesen. Es habe sich überraschend ein erhöhter Nierenwert gezeigt, weshalb der Versicherte in die H. Klinik M. eingewiesen worden sei. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei der akute letale Verlauf 2013 für den Versicherten als nicht vorhersehbar anzusehen.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. B.-K. vom 05.08.2016 entgegen. Die Beklagte machte im Verlauf des Klageverfahrens geltend, dass zur Zeit der Eheschließung die Überlebenszeit des Versicherten abzuschätzen gewesen sei, da bei fortdauerndem Alkoholkonsum mit einem Leberversagen habe gerechnet werden müssen. Zu bedenken wäre noch, dass die Befundlage äußerst dürftig sei. Der beschriebene Krankheitsverlauf bei fortgesetztem Alkoholkonsum, der kurz nach der Eheschließung geschlossene Erbvertrag sowie der Todesursache liesen in der Gesamtschau auf eine Versorgungsehe schließen.

In der öffentlichen Sitzung am 12.10.2016 wurde die Klägerin vom SG angehört. Hierzu wird auf die Niederschrift des SG vom 12.10.2016 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 12.10.2016 verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin große Witwenrente ab 01.11.2013 zu gewähren. Das SG führte zur Begründung aus, dem Anspruch stehe § 46 Abs. 2a SGB VI nicht entgegen. Nach den besonderen Umständen des Falles sei die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Anerkannt sei, dass besondere Umstände dann zu bejahen seien, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht mit dem Ableben eines Ehegatten innerhalb eines Jahres zu rechnen sei. Sterbe ein Ehegatte im ersten Ehejahr plötzlich und unvorhersehbar, werde die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegt sein. So liege der Fall hier. Für das Gericht stelle sich der Tod des Versicherten als plötzlich und unvorhersehbar dar. Diesen Schluss ziehe das Gericht insbesondere aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. K ... Das Gericht sei davon überzeugt, dass die Klägerin und der Versicherte nicht davon hätten ausgehen müssen, dass der Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres eintreten würde. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei widerlegt. Die Witwenrente stehe der Klägerin ab November 2013 zu.

Gegen das der Beklagten am 28.10.2016 zugestellte Urteil richtete sich die von der Beklagten am 23.11.2016 eingelegte Berufung. Die Beklagte hat unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. W. -H. vom 17.11.2016 zur Begründung geltend gemacht, der Versicherte habe zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten und sei bereits vor dem Zeitpunkt der Hochzeit über den potentiellen lebensbedrohlichen Charakter informiert gewesen. Ein weiteres Indiz, dass es sich um eine Versorgungsehe handele, belege der Erbvertrag vom 14.01.2013, insbesondere §§ 2, 3, 4, 5, 6 und 8, die darauf hindeuteten, dass es sich um eine Versorgungsehe gehandelt habe. Betrachte man die Formulierungen im gemeinsamen Erbvertrag, stelle sich die Frage, ob es sich um eine tatsächliche eheliche Lebensgemeinschaft gehandelt habe oder ob nicht eine Art von Scheinehe vorgelegen haben könnte. Darüber hinaus belege das Festlegen im Vertrag, dass die Klägerin verpflichtet worden sei, dem Versicherten bis zu dessen Tod zu pflegen und zu verpflegen und dort zu wohnen sowie eine Ersatzkraft zu stellen, dass der Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits in einem solchen Umfang reduziert gewesen sein musste, dass entsprechende vertragliche Vorkehrungen getroffen worden seien. Die im Erbvertrag enthaltenen Verpflichtungen und Formulierungen zeigten, dass die Motive und Zielvorstellungen beider Ehegatten auf eine Versorgungsehe hinausgelaufen seien. Darüber hinaus bestünden auch berechtigte Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung. Erforderlich sei, die frühere Standesbeamtin zu befragen, ob bzw. weshalb sie zunächst eine Eheschließung zwischen dem Versicherten und der Klägerin nicht habe durchführen wollen. Auf jeden Fall könne derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe widerlegt sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.10.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat zur Begründung geltend gemacht, zwar habe der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung an einigen Erkrankungen gelitten. Diese seien jedoch, wie insbesondere Dr. K. bestätigt habe, allesamt weder akut noch lebensbedrohlich gewesen, weshalb im Zeitpunkt der Eheschließung nicht mit seinem Tod habe gerechnet werden müssen, was der behandelnde Arzt Dr. K. bestätigt habe. Vollkommen ins Blaue hinein lasse die Beklagte behaupten, der Versicherte sei zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht geschäftsfähig gewesen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Geschäftsfähigkeit des Versicherten ausgeschlossen oder nicht vollumfänglich vorhanden gewesen sei, lägen nicht vor. Vielmehr habe sich der Notar beim Abschluss des Erbvertrages am 14.01.2013 davon überzeugt, dass der Versicherte voll geschäftsfähig sei. Falsch sei die Auffassung der Beklagten, der Inhalt des Erbvertrages vom 14.01.2013 sei Indiz für die Annahme einer Versorgungsehe. Der Erbvertrag stelle inhaltlich einen Mustervertrag dar, den der beurkundende Notar in einer Vielzahl von Fällen abschließe. Versorgungsgesichtspunkte stünden dabei nicht im Vordergrund und hätten auch bei ihr nicht im Vordergrund gestanden. Bloße Vermutung der Beklagten sei, sie und der Versicherte hätten in unterschiedlichen Wohnungen bzw. Zimmer gelebt. Sie hätten das Haus gemeinsam bewohnt und gemeinsam genutzt. Die Klägerin hat für ihr Vorbringen Zeugen benannt.

Der Senat hat von der H. Klinik M. die schriftliche sachverständige Zeugenauskunft vom 04.08.2017 eingeholt. Hierzu wird auf Blatt 47 der Senatsakte Bezug genommen. Außerdem hat der Senat den den Erbvertrag vom 14.01.2013 beurkundenden Notar B. schriftlich als Zeugen gehört. Der Notar hat in seiner Aussage vom 12.10.2017 angegeben, er glaube, dass der Erbvertrag auf Veranlassung des Versicherten geschlossen worden sei. Die Regelung des Erbvertrages §§ 2, 3, 4, 5 und 6 seien für Verträge dieser Art eher Standard. Die Regelung in § 8 sei eher ungewöhnlich, aber von den Parteien ausdrücklich so gewollt worden. Der Versicherte sei an Krebs (?) erkrankt gewesen und habe durch den Vertrag sicherstellen wollen, dass seine Pflege gewährleistet sei. Als "Gegenleistung" sollte die Klägerin sein Hausgrundstück als Alleinerben erhalten. Im Falle ihres Vorversterbens sollte das Hausgrundstück an die Töchter gehen. Weiter hat der Senat Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. K. hat in seiner Aussage vom 24.10.2017 insbesondere angegeben, eine konkrete Auskunft dazu, ob der Versicherte seinen Alkoholkonsum reduziert oder beendet habe, könne nicht gegeben werden. Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt eine onkologische oder sonstige weitere Behandlung des Versicherten sei nicht erfolgt (Schriftsatz vom 24.11.2017). Außerdem hat der Senat eine beglaubigte Kopie der Sammelakte zum Heiratsbuch des Versicherten und der Klägerin beigezogen (Schreiben der Stadtverwaltung S. vom 02.10.2017, Bl. 57-70 der Senatsakte, auf die Bezug genommen wird).

Die Beklagte hat zu den Ermittlungen des Senats mit Schriftsätzen vom 09.01.2018 Stellung genommen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten habe. Ferner ergebe sich aus dem Erbvertrag vom 14.01.2013, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft gerade nicht angestrebt worden sei. Des Weiteren gingen die Versorgungsabsichten aus § 8 des Erbvertrages hervor. Betrachte man den Erbvertrag, erscheine darin eine Art Tauschgeschäft einer Pflegeleistung der Klägerin gegen den Erhalt eines Erbes geregelt zu sein. Es müsse von einem fortgeschrittenen Stadium der Lebererkrankung bereits im Juni 2012 ausgegangen werden. Erst nach Bekanntwerden der schweren Erkrankung mit ungünstigen Verlauf im Juni 2012 seien Vorkehrungen für die Eheschließung eingeleitet worden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die bekannte lebensbedrohliche Erkrankung des Versicherten ein sehr bedeutsamer Grund für die Eheschließung gewesen sei. Von einer Versorgungsehe sei auszugehen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 31.01.2018 zu den Ermittlungen des Senats Stellung genommen. Die Unterlagen des Standesamtes seien Indizien, die die Annahme rechtfertigten, dass zwischen ihr und dem Versicherten keine Versorgungsehe geplant gewesen sei. Solches könne auch nicht hinsichtlich des Erbvertrages angenommen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich nicht um ein "Tauschgeschäft". Der Notar hebe hervor, dass mit dem Vertrag habe sichergestellt werden sollen, dass die Pflege des Versicherten gewährleistet sei. Dies sei Standard. Es werde in Erinnerung gerufen, dass Dr. K. hervorgehoben habe, dass die Lebererkrankung des Versicherten nicht lebensbedrohlich gewesen sei. Todesursache des Versicherten sei eine Sepsis mit Multiorganversagen bzw. Nierenversagen gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Klägerin Schriftsatz vom 05.06.2018, Beklagte Schriftsatz vom 18.06.2018).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf zwei Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 24.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf große Witwenrente ab 01.11.2013 zu. Dem angefochtenen Urteil des SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen, weshalb es aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen ist.

Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 02.10.2013 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hat im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet und nach dessen Tod nicht wieder geheiratet.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI (eingeführt mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001, BGBl I 403), der nach § 242 a Abs. 3 SGB VI für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 12.12.2012 bis 02.10.2013 und damit weniger als ein Jahr gedauert. Für die Berechnung der Mindestehedauer gelten die Vorschriften über die Fristenberechnung (§ 26 SGB X i.V.m. §§ 187, 188 BGB). Beginn der Frist ist damit der Tag nach der Heirat, die Frist endet am Tag der Heirat vor einem Jahr. Das Einhalten der Jahresfrist ist zwingend, d.h. auch bei Unterschreiten der Frist nur um wenige Tage tritt die Rechtsfolge des Rentenausschlusses ein (vgl. BeckOK Sozialrecht, Rolfs / Giesen / Kreikebohm / Udsching, 48. Edition, Stand: 01.12.2017, § 46 SGB VI, Rnr. 23; Bohlken in: Schlegel / Voelzke, jurisPK SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 46 SGB VI Rnr. 108). Es ist der danach nicht entscheidungserheblich (und kann zu Gunsten der Klägerin als wahr unterstellt werden), dass das Standesamt S. im Juni 2012 dem Heiratsgesuch der Klägerin und des Versicherten zunächst nicht entsprochen hat und die Eheschließung erst am 12.12.2012 hat erfolgen können. Maßgeblich ist, dass nach der - kalendarischen - Fristberechnung der §§ 187, 188 BGB der Versicherte vor Ablauf der Jahresfrist (12.12.2013) seit der Eheschließung verstorben ist.

Entscheidend ist daher, ob "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Der Begriff der "besonderen Umstände" i.S.v. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 03.09.1986, 9a RV 8/84, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5 m.w.N.; s. hierzu und zum Folgenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 19.04.2016 - L 11 R 2064/15 -und 05.12.2017 - L 11 R 402/17 -, juris). Was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da § 46 Abs. 2a SGB VI jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 unter Hinweis auf BT-Drucks 14, 4595 S 44). Danach sind als besondere Umstände i.S.v. § 46 Abs. 2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.). Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken. Ansonsten sind auch die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat zu betrachten und vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.).

Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, bei dem bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eingetreten ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 05.05.2009 m.w.N.; siehe auch Ringkamp in Hauck / Noftz, SGB VI, Stand 2/16, § 46 Rnr. 38). In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt (BT-Drucks 14/4595 S 44). Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (z.B. Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung).

Litt der Versicherte hingegen zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 16.10.2012 - L 11 R 392/11 - und 05.12.2017 - L 11 R 402/17 -, jeweils juris). Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten ist indes der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.).

Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 SGG i.V.m § 292 ZPO der volle Beweis erbracht wird (BSG, Urteil vom 05.05.2009 unter Verweis auf BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr. 5; Ringkamp in Hauck / Noftz a.a.O. Rnr. 38). Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. BSG SozR 3-3900 § 15 Nr. 3 S 9 und § 15 Nr. 4 S 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 128 Rnr. 3b).

Das Vorliegen von "besonderen Umständen" i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten von Amts wegen zu prüfen; es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 20 SGB X, § 103 SGG). Die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O., BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr. 5), vorliegend die Klägerin.

Entgegen der Ansicht des SG im angefochtenen Urteil und der Klägerin ist zur Überzeugung des Senats ein Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI vorliegend nicht erfüllt.

Dabei ist für den Senat nicht entscheidungserheblich, ob der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung geschäftsfähig war, wie die Beklagte insbesondere unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. W. -H. geltend macht, wobei die Beklagte offen lässt, welche rechtliche Folgerungen für den Rechtsstreit der Klägerin im Hinblick auf den Streitgegenstand zu ziehen sind. Es besteht deshalb für den Senat kein Anlass, den Sachverhalt hierzu insbesondere durch die Vernehmung der Standesbeamtin K. , wie die Beklagte anregt, weiter aufzuklären. Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft der Klägerin mit dem Versicherten im Hinblick auf Vereinbarungen im Erbvertrag vom 14.01.2013 anzweifelt. Zudem hat der den Erbvertrag vom 14.01.2013 beurkundende Notar B. in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 12.10.2017 das Vorbringen der Klägerin bestätigt, dass die im Erbvertrag enthaltenen Regelungen zu §§ 2, 3, 4, 5 und 6 für Verträge dieser Art (eher) Standard sind, weshalb entgegen der Ansicht der Klägerin diese erbvertraglichen Regelungen nicht als Indiz für das Vorliegen einer Versorgungsehe zu werten sind. Dies gilt auch deshalb, weil sich die in den genannten Paragrafen getroffenen Vereinbarungen nicht eine Versorgung im Sinne einer Hinterbliebenenversorgung regeln (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.12.2017 – L 11 R 4/17 -, juris).

Nach der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. T. vom 18.03.2014, im Wesentlichen bestätigt durch die von der Beklagten im Verlaufe des Rechtsstreites vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. B.-K. vom 05.08.2016 und Dr. W. -H. vom 17.11.2016, die der Senat als sachverständiges Parteivorbringen verwertet, sowie dem Bericht der H. Klinik M. vom 25.06.2012 über ein stationäre Behandlung des Versicherten vom 11.06.2012 bis 16.06.2012 steht für den Senat fest, dass der Versicherte im Juni 2012 an einer lebensbedrohlichen Lebererkrankung (Leberzirrhose) erkrankt war. Nach dem Bericht der H. Klinik M. bestand regelmäßiger Alkoholabusus des Versicherten. Auffällig war eine deutliche Einschränkung der Blutgerinnung (Blutungsneigung bei Durchführung der Darmspiegelung). Die Blutblättchen zeigten sich erniedrigt. Der Spontan-Quickwert lag bei 50 % (Referenzbereich im Regelfall zwischen 70 und 100). Dies ist nach den Stellungnahmen von Dr. B.-K. und Dr. W. -H. dahin zu interpretieren, dass die Synthese der Gerinnungsfaktoren in der Leber als Folge einer unzureichenden Funktion der Leber aufgrund eines zirrhotischen Umbaus beim Versicherten deutlich reduziert war. Vom Bestehen einer Lebersynthesestörung wird auch im Bericht der H. Kliniken M. vom 25.06.2012 ausgegangen. Weiter kann eine Verminderung der Blutblättchen als kombinierte Bildung- und Aufbaustörung bei alkoholbedingter Leberzirrhose betrachtet werden, die sich nach dem sonographischen Bild als ausgeprägt zeigte. Außerdem roch der Versicherten nach dem Befundbericht der H. Klinik M. nach Leber. Nach der Stellungnahme von Dr. W. -H. bedeutet dies, dass beim Versicherten die Entgiftung von Ammoniak aufgrund einer deutlich eingeschränkten Leberfunktion aufgrund der zirrhotischen Veränderung gestört war. Das riechen nach "Leber" bzw. Ammoniak stellt eine kurz- bis mittelfristig lebensbedrohliche Erkrankung dar und führte zur einer andauernden Gehirnschädigung, lange bevor Außenstehende den Geruch wahrnehmen können. Im Übrigen wurde beim Versicherten nach dem Bericht der H. Klinik M. vom 25.06.2012 aufgrund eines erhöhten Tumormarker (Alphafetoprotein) der Verdacht auf ein Leberzellkarzinom, Hodentumor oder Bronchialkarzinom geäußert, weshalb dem Versicherten nach dem Bericht der H. Klinik M. eine weitere Abklärung empfohlen wurde.

Vom Vorliegen einer die Lebenserwartung des Versicherten verkürzenden Leberzirrhose geht auch die H. Klinik M. ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 04.08.2017 (Dr. T. ) aus. In dieser Aussage wird ein chronischer Alkoholabusus mit Zeichen der Organschäden und Schädigungszeichen der Leber bestätigt. Von einer äthyltoxischen Leberschädigung ist auszugehen, so dass die Prognose der Erkrankung im Wesentlichen von der weiteren Lebensführung bestimmt ist. Dabei ist nach Dr. T. bei strikter Alkoholkarenz eine Stabilisierung auch bei ernsten Lebererkrankungen mitunter möglich. Bei fortgesetztem Alkoholkonsum bei bereits einsetzendem zirrhotischem Umbau der Leber ist von einer stark verkürzten Lebenserwartung auszugehen. Dr. T. hat in seiner Aussage für den Versicherten bei fortgesetztem Alkoholkonsum eine deutliche Einschränkung der Lebenserwartung auf ca. zwei Jahre geschätzt, wobei beim Versicherten aufgrund der Erhöhung der Lebertumormarker der Verdacht auf ein Leberzellkarzinom gestellt worden ist. Dr. T. hat bestätigt, dass der Versicherte darauf aufmerksam gemacht wurde, dass bei fortgesetztem Alkoholkonsum die Lebenserwartung wie bei einer Tumorerkrankung nur wenige Jahre betrage.

Dass der Versicherte seit Juni 2012 seinen Alkoholkonsum reduziert hat, ist nicht festzustellen. Der vom Senat schriftlich als sachverständige Zeuge gehörte Dr. K. hat hierzu in seiner Aussage vom 24.10.2017 eine konkrete Auskunft nicht geben können. Nach den Beschreibungen der H. Klinik M. im Bericht vom 06.02.2014 über eine stationäre Behandlung des Versicherten vom 23.06.2013 bis 08.08.2013 hat der Versicherte vielmehr angegeben, dass er täglich ca. 10 Flaschen Bier trinke, weshalb vom Fortbestehen eines chronischen Alkoholabusus erheblichen Ausmaßes ausgegangen werden muss. Zwar hat der Versicherte in die Entzugsbehandlung während des stationären Aufenthalts von Juni bis August 2013 in der H. -Klinik eingewilligt, ob die Alkoholkarenz nach Entlassung aus der stationären Behandlung am 08.08.2013 beibehalten wurde, ist aber nicht dokumentiert. Jedenfalls ist aber keine Stabilisierung oder Regeneration der Lebererkrankung eingetreten, denn die H. Klinik hatte noch kein Aszites und somit kein hepatorenales Syndrom diagnostiziert, worauf in der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. -H. vom 17.11.2016 (Bl. 12ff der Senatsakte) zutreffend hingewiesen wird, doch lag zuletzt ein hepatorenales Syndrom bei der Intensivbehandlung ab 28.08.2013 in der Universitätsklinik F. vor. Im Bericht der Universitätsklinik F. vom 03.09.2013 (Bl. 63f der Verwaltungsakte) wurde ein ausgeprägtes Aszites beschrieben. Dies legt zum einen nahe, dass nach der Entgiftungsbehandlung in der H. Klinik eine Alkoholkarenz nicht durchgehalten worden ist. Zum anderen steht aber eindeutig fest, dass eine Dekompensation der Leberzirrhose eingetreten war. Damit ist ein letztlich letales Nierenversagen durch ein hepatorenales Syndrom zumindest ebenso gut möglich wie das von Dr. K. offenbar angenommene Nierenversagen aus einer nicht der Lebererkrankung zuzuordnenden Ursache.

Danach steht für den Senat fest, dass im Juni 2012 bekannt war, dass der Versicherte an einer lebensbedrohenden Lebererkrankung mit deutlich verkürzter Lebenserwartung bei Fortsetzung des Alkoholkonsums leidet. Dass die Klägerin hiervon nichts wusste, ist nicht ersichtlich. Vielmehr war die Erkrankung des Versicherten nach der schriftlichen Zeugenaussage des Notars B. vom 12.10.2017 – vom Zeugen als "Krebs" erinnert – Thema des Erbvertrages vom 14.01.2013, weshalb die Erkrankung des Versicherten der Klägerin nicht unbekannt gewesen sein kann.

Der abweichenden Ansicht von Dr. K. in seiner Stellungnahme an die Beklagte vom 14.11.2014 und seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 18.06.2016, dass der akute letale Verlauf 2013 als nicht vorhersehbar anzusehen sei, auf die das SG das angefochtene Urteil maßgeblich gestützt hat und auf die sich die Klägerin maßgeblich beruft, kann nach dem oben Ausgeführten nicht gefolgt werden. Dr. K. lässt insbesondere unberücksichtigt, dass beim Versicherten bereits im Juni 2012 eine lebensbedrohende Lebererkrankung festgestellt worden ist, weshalb seine Lebenserwartung bei fortgesetztem Alkoholabusus stark verkürzt war.

Damit ist im Fall der Klägerin nur dann ein Anspruch auf Witwenrente gegeben, wenn gewichtige innere und äußere Umstände festzustellen sind, die gegen eine Versorgungsehe sprechen. Solche Umstände sind jedoch nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

Nach § 46 Abs. 2a SGB VI ist nicht erheblich, ob die Klägerin und der Versicherte bei der Eheschließung damit rechneten, dass der Versicherte das erste Jahr nach der Heirat überleben werde. Die Hoffnung oder Erwartung, eine lebensbedrohende Erkrankung zu überstehen ist kein besonderer Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2017 - L 9 R 1332/16 -). Es kann daher auch nicht als besonderer Umstand zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden, dass die Lebenserwartung des Versicherten bei fortgesetztem Alkoholabusus auf zwei Jahre geschätzt wurde.

Auch sonst hat die Klägerin keine gewichtigen inneren oder äußeren Umstände nachgewiesen, die gegen eine Versorgungsehe sprechen. Insbesondere wäre allein das Bestehen einer Liebesbeziehung oder wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe nicht ausreichend.

Vielmehr spricht für eine nicht rentenberechtigende Versorgungsehe, dass konkrete Handlungen für eine Eheschließung erst nach dem Juni 2012, nach dem Vorbringen der Klägerin im Juli 2012 durch die Vorsprache beim Standesamt, in die Wege geleitet wurden. Weiter sprechen die finanziellen Verhältnisse der Klägerin für eine Versorgungsehe, da sie nach ihrem Vorbringen ohne Versorgung durch den Versicherten über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügt und daher auf die Versorgung nach dem Tod des Versicherten angewiesen war. Auch die im Erbvertrag vom 14.01.2013 erfolgte Vereinbarung des § 8, wonach für den Fall einer Scheidung der Ehe ausdrücklich vereinbart ist, dass sämtliche Bestimmungen der Urkunde aufrechterhalten bleiben, die Klägerin werde sich also nach wie vor um den Versicherten kümmern bzw. für angemessene Ersatzkräfte sorgen und die Klägerin werde Alleinerbin bleiben, spricht gegen das Vorliegen besonderer Umstände, sondern vielmehr für das Vorliegen einer Versorgungsehe. Der Erbvertrag war nur wegen der Verhinderung des Dolmetschers nicht schon im Zusammenhang mit der Eheschließung im Dezember 2012 geschlossen worden, weshalb der Senat nicht feststellen konnte, dass sich in der Zwischenzeit die Vorstellungen der Vertragspartner geändert hatten. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des beurkundenden Notars an den Senat vom 12.10.2017 ist diese (eher) ungewöhnliche Regelung von den Parteien ausdrücklich so gewollt worden. Nach der vom Senat eingeholten Aussage des Notars ist Regelungszweck des § 8 des Erbvertrages, dass der Versicherte an "Krebs (?)" erkrankt war und durch den Vertrag hat sicherstellen wollen, dass seine Pflege gewährleistet ist, weshalb der Versicherte als Gegenleistung die Klägerin als Alleinerbin seines Hausgrundstückes eingesetzt hat. Demnach war eine lebensbedrohende Erkrankung des Klägers, entgegen der Erinnerung des Notars die gesicherte Leberzirrhose, Anlass für die ungewöhnliche Begünstigung der Klägerin im Erbvertrag. Dies spricht dafür, dass auch die Ehe der Klägerin und des Versicherten Versorgungszwecken diente. Zwar kann eine "Pflegeehe" nach der Rechtsprechung des BSG in der Regel nicht als Versorgungsehe angesehen werden (BSGE, Urteil vom 03.09.1986 - 9a RV 8/84 -, BSGE 6, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5). Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Ableben des Versicherten aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes zur Zeit der Eheschließung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war, was nach dem oben Ausgeführten beim Versicherten jedoch gerade der Fall war (vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 05.12.2017 - L 11 R 402/17 -, juris). Darauf, ob der Versicherte zur Zeit der Eheschließung bereits pflegebedürftig war, kommt es nicht an. Die Klägerin hatte nach ihren eigenen Angaben vor dem SG keinerlei Versorgung aus ihrer vorhergehenden, in Italien geführten Ehe zu erwarten. Zusammen mit den ungewöhnlichen Regelungen im Erbvertrag selbst für den Fall der Scheidung und mit der lebensbedrohenden Erkrankung des Versicherten ergeben sich zur Überzeugung des Senats gewichtige, für eine Versorgungsehe sprechende Gesichtspunkte.

In der Gesamtschau der zu beurteilenden objektiven und subjektiven Umstände gelangt der Senat daher im Fall der Klägerin zu der Überzeugung, dass die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt ist, weshalb das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen war.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Die von der Beklagten und der Klägerin unter Beweis(anregung) gestellten Tatsachen - die als Zeugin zu hörende Standesbeamtin habe zunächst Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Eheschließung gehabt; Geschäftsfähigkeit des Versicherten habe vorgelegen - hat der Senat, soweit Ermittlungen durch den Senat nicht erfolgt sind, bei seiner Entscheidung als wahr unterstellt bzw. sind nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved