L 8 U 4225/17 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 2317/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4225/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Androhung von Ordnungsgeld unter Setzung einer Nachfrist gegenüber einem säumigen Sachverständigen bedarf der förmlichen Zustellung und der Unterschrift des verfügenden Richters. Eine nur mit Paraphe versehene Verfügung genügt nicht.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 23.10.2017 aufgehoben.

Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer, ein vom Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragter Sachverständiger, wendet sich gegen den Beschluss des SG vom 23.10.2017, mit dem gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 EUR wegen nicht fristgemäß erfolgter Erstattung des schriftlichen Gutachtens auferlegt worden ist.

Das SG beauftragte in dem Rechtsstreit S 20 U 2317/16 unter dem 06.12.2016 auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG den Beschwerdeführer mit der Erstattung eines Gutachtens mit Frist bis 15.03.2017. Eine erste Erinnerung des Beschwerdeführers an die Vorlage des Gutachtens erfolgte unter dem 20.04.2017. Unter dem 04.07.2017 erinnerte das SG den Beschwerdeführer nochmals an die Erledigung des Gutachtensauftrages und bat, sollte dies nicht bis zum 20.07.2017 möglich sein, um eine schriftliche Zwischennachricht mit Angabe der Verzögerungsgründe und der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer. Nachdem der Beschwerdeführer nicht reagierte, setzte ihm das SG mit "Verfügung" vom 07.09.2017 letztmalig Frist bis 15.10.2017 zur Vorlage des schriftlichen Gutachtens und wies darauf hin, dass bei Nichteinhaltung dieser Frist ein Ordnungsgeld bis 1.000,00 EUR festgesetzt werden könne.

Da erneut keine Reaktion des Beschwerdeführers erfolgte, setzte das SG mit Beschluss vom 23.10.2017 gegen den Beschwerdeführer wegen Nichtvorlage des Gutachtens ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 EUR fest.

Gegen den dem Beschwerdeführer am 27.10.2017 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer durch seinen Bevollmächtigten Rentenberater am 07.11.2017 - mit nachgereichter Vollmacht vom 07.05.2018 - Beschwerde beim LSG Baden-Württemberg eingelegt, die trotz Erinnerungen vom 16.01.2018 und 15.03.2018 nicht begründet worden ist.

Nach Anhörung des Beschwerdeführers sowie seines Bevollmächtigten (Senatsschreiben vom 01.06.2018) ist mit Beschluss vom 28.06.2018 der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers vom Senat zurückgewiesenen worden.

Auf die Senatsakte sowie auf die Gerichtsakte erster Instanz wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthafte Beschwerde des Beschwerdeführers ist auch im Übrigen zulässig (§ 173 SGG). Die vom zurückgewiesenen Bevollmächtigten des Beschwerdeführers, der im Verlauf des Beschwerdeverfahrens am 16.05.2018 eine erteilte Vollmacht vom 07.05.2018 nachgereicht hat (§ 73 Abs. 6 Satz 2 SGG), bis zur Zurückweisung (28.06.2018) vorgenommen Prozesshandlungen, insbesondere die fristgerecht eingelegte Beschwerde, bleiben gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 SGG wirksam.

Die Beschwerde ist auch begründet, da die Voraussetzungen für die Auferlegung eines Ordnungsgeldes im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.

Nach § 118 SGG i. V. m. § 411 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist versäumt, die ihm das Gericht zur schriftlichen Erstattung des Gutachtens bestimmt hat (§ 411 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden (§ 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Hieran fehlt es hier.

Zwar ist das vom SG verhängte Ordnungsgeld "materiell rechtlich" nicht zu beanstanden. Dem Beschwerdeführer ist jedoch keine für die Verhängung eines Ordnungsgeldes erforderliche wirksame Nachfrist gesetzt worden. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG sind Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, den Beteiligten zuzustellen. Dies gilt auch für richterlich gesetzte Fristen, die jedenfalls unmittelbar rechtliche Wirkung entfalten (vgl. Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, 12. Aufl., § 63 Rn. 3 m.w.N.). Das ergebnislose Verstreichen der richterlich gesetzten Nachfrist nach § 411 Abs. 2 ZPO führt unmittelbar zum Eintritt der Prozesslage, die das richterliche Ermessen für die Verhängung des angedrohten Ordnungsgeldes eröffnet. Danach ist die Ordnungsgeldandrohung mit Nachfristsetzung grundsätzlich zuzustellen (Rechtsprechung des Senats, Beschluss vom 12.11.2010 - L 8 SB 5041/10 -; vgl. auch Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2010 - IV B 6/10 -, juris und BFH/NV 2010, 1109; OLG Hamm, Beschluss vom 18.02.1981 - 26 W 2/81, 26 W 5/81, juris und BauR 1982,93; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 KN 2951/02 B - m.w.N., juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 11.01.2010 - L 2 U 98/09 B - m.w.N., juris). Die mit richterlicher Verfügung vom 07.09.2017 gesetzte Nachfrist hätte daher der Zustellung an den Beschwerdeführer bedurft. Die Nachfristsetzung des SG ist jedoch nach Aktenlage nur als einfaches Schreiben (wohl auf richterliche Anordnung) an den Beschwerdeführer abgesandt worden. Ein Zustellungsnachweis findet sich in den Akten nicht. Die Zustellung ist auch nicht verfügt worden. Außerdem ist die lediglich mit einem Namenszeichen (Paraphe) der Richterin versehene Verfügung vom 07.09.2017 nicht wirksam erlassen worden, denn Rechtswirkung erzeugende richterliche Anordnungen bedürfen der Unterzeichnung mit vollem Namen (vgl. BSG 01.10.2010 – B 13 R 58/09 R - ; BSG 21.06.2000 - B 4 RA 71/99 R - noch offenlassend; BVerwG 17.11.1994 - 1B 42/94 -, alle veröffentlicht in Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da der Beschwerdeführer nicht zu den nach § 183 SGG privilegierten Personen gehört. Im Hinblick auf das naturgemäß nur einen Beteiligten umfassende Beschwerdeverfahren des nicht prozessbeteiligten Sachverständigen sind in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 46 OWiG i.V.m. § 467 StPO der Staatskasse die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers aufzuerlegen (Beschluss des Senats 12.11.2010 a.a.O.). Einer Entscheidung über Gerichtskosten bedarf es bei vollem Erfolg der Beschwerde nach § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Kostenverzeichnis Nr. 7504 nicht. Die angefallene Gerichtsgebühr ist als Festbetrag kostenrechtlich bestimmt, weshalb eine Streitwertfestsetzung entbehrlich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12.11.2010 a.a.O.; LSG Bad.-Württ., Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 KN 2151/02 B - und Beschluss vom 23.07.2009 - L 10 U 2682/09 B -, beide juris).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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