L 9 R 4644/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3487/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4644/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung der Qualifikationsgruppe 4 anstelle 5 (Zeitraum 1979 bis 25.08.1989) sowie unter Anrechnung nur des tatsächlich bezogenen Arbeitslosengeldes I anstelle des diesem zu Grunde liegenden Bemessungsentgeltes (Zeitraum 01.03.2012 bis 10.05.2013).

Der 1956 in Kasachstan (ehemalige Sowjetunion) geborene Kläger ist deutscher Staatsbürger und lebt seit 29.09.1989 in Deutschland. Er ist Inhaber eines Vertriebenenausweises A. Laut seinem (amtlich beglaubigt ins Deutsche übersetzten) Arbeitsbuch absolvierte er eine achtjährige Grundschulbildung und war von Beruf Arbeiter. Vom 19.08.1971 bis 09.05.1974 arbeitete er als Arbeiter in der S. (landwirtschaftlicher Großbetrieb in der ehemaligen UDSSR). Ab 10.05.1974 folgte ein zweijähriger Militärdienst. Vom 27.05.1976 bis 14.06.1978 arbeitete der Kläger als Kraftfahrer in der S., vom 15.06.1978 bis 08.10.1979 in der Reparaturbauleitung und wiederum ab 19.10.1979 in der S. als Kraftfahrer der "2. Klasse". Ab 10.03.1982 wurde er versetzt als Traktorist-Chemiker, am 31.08.1983 wurde ihm die "2. Klasse des Traktoristen" verliehen. Ab 31.08.1984 arbeitete der Kläger als Schlosser-Elektriker in der S. in der 3. Lohnstufe, ab. 24.02.1987 bis 25.08.1989 als Schlosser-Installateur der 4. Lohnstufe.

Der Kläger erwarb verschiedene Fahrerlaubnisse. Vom 05.10.1973 bis 30.01.1974 machte er die Ausbildung der Kraftfahrer der Klasse 3 (Motorrad, Motorroller) und erhielt am 17.04.1974 den Führerschein (vgl. Zeugnis der Freiwilligen Gesellschaft zur Förderung von Armee, Luftstreitkräften und Flotte der UdSSR vom 17.04.1974). Am 02.02.1981 bestand er die Prüfung als "Busfahrer, Kategorie D" (Einrichtung, technische Bedienung und Reparatur der Busse sowie Grundlagen und Regeln der Verkehrssicherheit), vgl. Zeugnis der Freiwilligen Gesellschaft zur Förderung von Armee, Luftstreitkräften und Flotte der UdSSR vom 02.02.1981. Am 20.05.1982 wurde der Führerschein "eines Traktoristen-Maschinisten" ausgestellt. Danach hat er das Recht, auf Traktoren, Mähdreschern, Aushub- und anderen Landwirtschaftsmaschinen zu arbeiten und Transporttraktoren und Traktorzüge zu führen. Vom 04.04.1989 bis 15.06.1989 absolvierte der Kläger die Ausbildung der Kraftfahrer der Kategorie "E" und zeigte in der Abschlussprüfung gute Kenntnisse bei der Einrichtung und technischen Bedienung von Kraftfahrzeugen (Motorrad, Motoroller), Verkehrsregeln und der praktischen Führung, vgl. Zeugnis der Freiwilligen Gesellschaft zur Förderung von Armee, Luftstreitkräften und Flotte der UdSSR vom 15.08.1989.

Vom 01.12.1983 bis 11.07.1984 absolvierte der Kläger eine Ausbildung an einer technischen Berufsschule – nach eigenen Angaben abends nach der Arbeitszeit, die er mit der Qualifikation zum "Schlosser-Elektriker für Kontroll - Messungsgeräte und Automatik der 3. Lohnstufe" erfolgreich abschloss (vgl. Zeugnis vom 12.07.1984).

In einem Feststellungsverfahren gab der Kläger auf Anfrage der Beklagten im Jahr 1994 an, dass er als Traktorist-Chemiker von 8 bis 17 Uhr gearbeitet habe. Er habe in einem großen Treibhaus gearbeitet und die Pflanzen mit chemischen Düngungen mit Schutzmasken bearbeitet. Als Schlosser-Elektriker und Schlosser-Installateur habe er im Zweischicht-System in einem Treibhaus gearbeitet und die Schlosser-elektrischen Arbeiten, insbesondere Reparaturen und Kontrollen der Messungsgeräte und Automatik durchgeführt.

Mit Bescheiden vom 02.05.1996, 13.02.2003 und 17.07.2009 stellte die Beklagte rentenrechtliche Zeiten nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) verbindlich fest. Dabei bewertete sie sämtliche vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Zeiten als glaubhaft gemachte Zeiten mit Entgeltpunkten zu 5/6 nach dem Fremdrentengesetz (FRG) und mit der Qualifikationsgruppe 5 nach der Anlage 13 zum SGB VI. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Ein mit dem Ziel der 6/6-Berücksichtigung eingeleitetes Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (Bescheid vom 16.08.2011/Widerspruchsbescheid vom 14.02.2012) endete vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg (Az. S 6 R 1366/12) mit einem Vergleich am 11.10.2012, in dem die Beklagte die FRG-Beitragszeiten vom 27.05.1976 bis 14.06.1978, vom 15.06.1978 bis 08.10.1979 und vom 19.10.1979 bis 25.08.1989 als nachgewiesen (statt nur glaubhaft gemacht) anerkannte und sie mit FRG-Entgeltpunkten zu 6/6 ihres Wertes bewertete. Ein den Prozessvergleich umsetzender Änderungsfeststellungsbescheid erging nach Aktenlage nicht mehr.

Ab 12.10.2011 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I in Höhe von täglich 28,27 EUR netto, errechnet aus einem täglichen Bemessungsentgelt von 70,83 EUR (vgl. Auskunft Agentur für Arbeit Lahr vom 21.11.2012). Dies ergibt ein monatliches Bemessungsentgelt in Höhe von 2.142,90 EUR. Vom 14.03.2013 bis 10.05.2013 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I auf der Grundlage eines Bemessungsentgeltes von 3.287,- Euro brutto monatlich (vgl. Entgeltbescheinigung der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Freiburg vom 13.05.2013). Ab 11.05.2013 bestand kein Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld.

Der Kläger übte eine geringfügige Beschäftigung aus, für die er im Februar und März 2012 und von Juni bis Januar 2013 bis auf weiteres monatlich 162,00 EUR brutto erhielt und für die er im April 2012 157,50 EUR brutto und im Mai 2012 135,00 EUR brutto erhielt (vgl. Auskunft Pflege-Centrum Mahlberg GmbH vom 23.04.2013).

Auf seinen Antrag vom 02.04.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.04.2013 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bezogen auf den in Deutschland langjährig ausgeübten Bezugsberuf als Blechner und Installateur ab 01.08.2010. Für den Zeitraum 01.08.2010 bis 29.02.2012 errechnete sie eine Nachzahlung von 7.677,62 Euro. Für die Zeit ab 01.03.2012 werde die Rente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze nicht ausbezahlt. In der Anlage 1 zum Rentenbescheid stellte sie die genaue Berechnung der Monatsrente dar unter Berücksichtigung der auf der Grundlage der im Versicherungsverlauf – Anlagen 2 und 10 zum Bescheid – aufgeführten Zeiten und der für sie geltenden Entgeltpunkte. Hinsichtlich des Hinzuverdienstes verwies sie auf die dem Bescheid angefügte Anlage 21. In der Anlage 2 berücksichtigte sie die Zeiten vom 19.08.1971 bis 08.10.1979 und vom 19.10.1979 bis 25.08.1989 durchgängig als Pflichtbeitragszeiten. In der Anlage 10 erkannte sie die Zeiten vom 19.08.1971 bis 09.05.1974 als glaubhaft gemachten Zeiten nach dem FRG (5/6) und die Zeiten vom 10.05.1974 bis 08.10.1979 sowie vom 19.10.1979 bis 25.08.1989 als nachgewiesene Zeiten nach dem FRG (6/6) an. Sämtliche FRG-Zeiten wurden mit Qualifikationsgruppe 5 berücksichtigt. In der Anlage 19 stellte die Beklagte die monatlich geltenden Hinzuverdienstgrenzen dar, die ab 01.01.2012 bei einer Beschäftigung in den alten Bundesländern für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung 1.592,99 EUR betrage, wenn die Rente in voller Höhe gezahlt werden solle und 1.939,30 EUR, wenn die Rente nur in Höhe der Hälfte gezahlt werden solle. In der Anlage 21 führte die Beklagte aus, dass die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit einem Hinzuverdienst zusammentreffe und zwar ab 01.10.2011 mit einem der Sozialleistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt von 1.416,60 EUR. Die maßgebliche Hinzuverdienstgrenze werde nicht überschritten. Für die Zeit ab 01.11.2011 treffe die Rente mit einem der Sozialleistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt von 2.124,90 EUR zusammen. Dabei werde die bisher maßgebliche Hinzuverdienstgrenze überschritten. Diese dürfe im Laufe eines Kalenderjahres zweimal um einen Betrag bis zur Höhe der für einen Monat maßgebenden Hinzuverdienstgrenze überschritten werden. Das Doppelte der maßgebenden Hinzuverdienstgrenze betrage 3.101,02 EUR. Diese Grenze werde nicht überschritten, daher stehe die Rente in voller Höhe zur Verfügung. Dies gelte auch für die Zeit ab 01.01.2012 und 01.02.2012 unter Berücksichtigung des Doppelten der maßgebenden Hinzuverdienstgrenze von 3.185,98 EUR und des im jeweiligen Monat der Sozialleistung zu Grunde liegenden Bemessungsentgelts sowie – im Monat Februar – des Arbeitsentgelts. Für die Zeit ab 01.03.2012 dürfe die Hinzuverdienstgrenze nicht mehr bis zum Doppelten überschritten werden. Als Hinzuverdienst seien das Arbeitsentgelt von 162,00 EUR sowie das der Sozialleistung zu Grunde liegende Arbeitsentgelt von 2.124,90 EUR, mithin insgesamt 2.286,90 EUR zu berücksichtigen. Die Rentenhöhe sei neu zu bestimmen, weil die Hinzuverdienstgrenze im Kalenderjahr 2012 bereits in den Monaten Januar und Februar bis zum Doppelten der maßgebenden Hinzuverdienstgrenzen überschritten worden seien. Die Hinzuverdienstgrenze für eine Rente in Höhe der Hälfte betrage 1.939,30 EUR, ab 01.01.02013 1.991,01 EUR, die überschritten werde. Auf Grund des Hinzuverdienstes sei die Rente nicht zu zahlen, weil alle Hinzuverdienstgrenzen überschritten würden.

Am 06.05.2013 erhob der Kläger Widerspruch unter Verweis darauf, dass die Qualifikationsgruppe nie Thema gewesen und der Hinzuverdienst nicht richtig berechnet worden sei. Er habe im Jahr 1978/1979 noch den Berufskraftführerschein für Busfahrer nachgeholt, nachdem er ab Mai 1976 Kraftfahrer gewesen sei. Im Hinblick auf den beruflichen Aufstieg und die Zusatzqualifikation als Busfahrer sei ab 1979 die Qualifikationsgruppe 4 anzuerkennen. Im Übrigen bestünden Bedenken gegen die Heranziehung des Bemessungsentgelts als Grundlage für den Hinzuverdienst. Man könne nicht etwas auf die Rente anrechnen, was gar nicht bezogen werde. Hierüber habe das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden. Ab 01.03.2012 sei nur das tatsächlich bezogene Arbeitslosengeld I anzurechnen. Zudem habe er ab 10.05.2013 gar kein Arbeitslosengeld mehr bezogen. Insoweit verwies er auf die Entgeltbescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vom 13.05.2013.

Mit Bescheid vom 26.06.2013 hob die Beklagte den bisherigen Rentenbescheid bezgl. der Rentenhöhe ab 01.05.2013 auf und berechnete die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.05.2013 neu. Für die Zeit ab 01.07.2013 errechnete sie einen Zahlbetrag von monatlich 415,49 EUR (462,93 EUR brutto abzgl. Beitragsanteil zur GKV 37,95 EUR abzgl. Beitragsanteil zur PKV 9,49 EUR) und für die Zeit vom 01.05.2013 bis 30.06.2013 eine Nachzahlung von 828,88 EUR (461,78 EUR brutto abzgl. Beitragsanteil GKV 37,87 EUR abzgl. Beitragsanteil PKV 9,47 EUR, ergibt 414,44 EUR netto monatlich). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Rente unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenze ab 01.05.2013 wieder in voller Höhe zustehe. Der Bescheid werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass bei der Bewilligung der Rente auch die auf Grund des vor dem SG Freiburg geschlossenen Vergleichs anerkannten Zeiten zu 6/6 berücksichtigt worden seien. Die Einstufung der Qualifikationsgruppe sei im sozialgerichtlichen Verfahren nicht beanstandet worden. Bezüglich der Qualifikationsgruppe sei der Widerspruch zulässig, auch wenn hierüber in dem angefochtenen Bescheid keine Entscheidung getroffen worden sei. Er sei jedenfalls unbegründet, da der Kläger über keine Facharbeiterqualifikation verfüge und solche Kenntnisse auch nicht aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworben habe. Für die hier in Streit stehende Qualifikationsgruppe 4 sei von einer Regelausbildungszeit von drei Jahren auszugehen. Dies entspreche der durchschnittlichen Ausbildungszeit zum Facharbeiter in der DDR (1,5 bis 4 Jahre, je nach schulischer Vorbildung). Eine Langjährigkeit der Berufserfahrung und damit Höhergruppierung in die Gruppe 4 komme regelmäßig nach sechs Jahren in Betracht. Diese Regelvermutung greife nur ein, wenn die Berufsausübung in einem höherwertigen Beruf für sechs Jahre erfolgt sei. Laut Arbeitsbuch sei der Kläger am 15.06.1978 als Kraftfahrer der 2. Klasse eingestellt worden. Er habe demnach erst ab dem 15.06.1978 Berufserfahrung in diesem Beruf sammeln können. Die 6-Jahresfrist sei erst am 14.06.1984 abgelaufen, der Kläger jedoch nur bis zum 31.08.1983 als Kraftfahrer/Traktorist beschäftigt gewesen. Hinsichtlich des Hinzuverdienstes sehe § 96a Abs. 1 Satz 1 SGB VI vor, dass eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet werde, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten werde. Gemäß § 96a Abs. 3 SGB VI i.V.m. § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch stehe bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erzielt werde, der Bezug von Arbeitslosengeld dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich. § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI bestimme ausdrücklich, dass als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zugrundeliegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen sei. Daraus ergebe sich zweifelsfrei, dass zur Feststellung des erzielten Hinzuverdienstes nicht das tatsächlich gezahlte Arbeitslosengeld, sondern das höhere Bemessungsentgelt heranzuziehen sei. Die maßgebenden Hinzuverdienstgrenzen seien gemäß Anlage 21 des Bewilligungsbescheids alle überschritten.

Am 01.08.2013 hat der Kläger beim SG Freiburg Klage erhoben. § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI sei für den Bürger undurchsichtig, unüberschaubar, willkürlich, unverhältnismäßig, unsozial und sozialstaatswidrig. Er beruft sich insoweit auf die Gründe des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.12.2002 (B 4 RA 23/02 R). Die höhere Qualifikationsstufe sei gerechtfertigt, weil er in seinem Herkunftsland einen Busführerschein gehabt habe. Berufskraftfahrer sei mittlerweile ein Ausbildungsberuf. Aus der Rentenakte ergebe sich, dass er eine Prüfung zur Ausbildung als Busfahrer der Kategorie D abgelegt habe.

Mit Urteil vom 22.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung nach § 136 Abs. 3 SGG auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug genommen. Es hat ergänzend ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich der Qualifikationsgruppe auch deshalb unbegründet sei, weil dem diesbezüglichen Klagebegehren bestandskräftige anderslautende Feststellungsbescheide entgegenstünden. Soweit der Bewilligungsbescheid vom 11.04.2013 in Umsetzung des Prozessvergleichs erstmals auch die weiteren nachgewiesenen (statt bislang nur glaubhaft gemachten) FRG-Zeiten berücksichtigt habe, liege darin nicht zugleich auch eine (wiederholende) Feststellung der Qualifikationsgruppe 5. Soweit der Kläger auf die durch die Busfahrerausbildung unmittelbar erworbene Qualifikation (und nicht lediglich auf durch Berufsausübung erworbene Kenntnisse) abstelle, sei unschlüssig, wie die nach Aktenlage erst am 02.02.1981 abgeschlossene Prüfung eine höhere Qualifikationsstufe ab 1979 begründen solle. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Regelung des § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI würden nicht geteilt. Auch das aus der Entscheidung des BSG hierzu zitierte obiter dictum enthalte keine konkreten Anhaltspunkte, die an der Verfassungsmäßigkeit der Norm zweifeln lassen würden.

Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 05.11.2015 zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung, die er erstmals am 06.02.2017 begründet hat. Natürlich sei die die höhere Qualifikationsgruppe begründende Tätigkeit schon vor Ablegung der Prüfung am 02.02.1981 ausgeübt worden, jedenfalls ab diesem Zeitpunkt aber sei eine Höhergruppierung gerechtfertigt. Er sei ab 27.05.1976 Kraftfahrer gewesen. Höchstwahrscheinlich sei die Fähigkeit, entsprechende Fahrzeuge zu führen, während des Grundwehrdienstes erworben worden. Der Führerschein Klasse 1 gelte speziell für Busfahrer und nicht für Kraftfahrer. Dadurch, dass die Beklagte die Qualifikationsgruppen im Einzelnen nochmals aufgeführt habe, mache sie sie erneut zum Gegenstand eines Bescheides. Dies könne man neu anfechten und sei nicht auf eine Überprüfung nach § 44 SGB X beschränkt. Die Rechtsfrage hinsichtlich der Hinzuverdienstgrenze sei noch nicht entschieden worden. Das BSG habe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift erhoben. Die Hinzuverdienstgrenzenermittlung alten Rechts sei willkürlich, da kein Mensch wisse, wie man auf die entsprechenden Faktoren komme. Darüber hinaus ruhe mehr Rente, als Hinzuverdienstgrenze überschritten werde. Dies sei unverhältnismäßig.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2013 in der Fassung des Bescheides vom 26. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.08.2010 eine höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI für die von ihm seit 1979 ausgeübten Tätigkeiten zu gewähren und ihm ab 1. März 2012 bis 30. April 2013 eine höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des lediglich tatsächlich bezogenen Arbeitslosengeldes als Hinzuverdienst zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die Gründe im angefochtenen Urteil und im Widerspruchsbescheid.

Die Beteiligten haben am 16. und 17.07.2018 ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Das angefochtene Urteil des SG sowie der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2013 in der Fassung des Bescheides vom 26.06.2013, der nach § 86 SGG von Gesetzes wegen Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden war, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2013 sind nicht zu beanstanden.

Streitgegenstand ist ausschließlich, ob der Monatsbetrag der dem Kläger zuerkannten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Berücksichtigung von Beitragszeiten ab dem Jahr 1979 nach der Qualifikationsgruppe 4 (statt 5) nach Anlage 13 des SGB VI sowie – für die Zeit vom 01.03.2012 bis 30.04.2013 - unter Berücksichtigung des Hinzuverdienstes auf der Grundlage des bezogenen Arbeitslosengeldes (statt des diesem zu Grunde liegenden Bemessungsentgeltes) zu ermitteln ist. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (st. Rspr. des BSG, vgl. Urteile vom 25.02.2004 – B 5 RJ 62/02 R und vom 31.07.2002 - B 4 RA 113/00 R – juris, m.w.N.). Der Kläger begehrt, wie dies auch in seinem Klageantrag zum Ausdruck kommt, nur die Festsetzung einer höheren Rente mit Blick auf die Qualifikationsgruppe 4 und den Hinzuverdienst (nur) in Höhe des bezogenen Arbeitslosengeldes. Wegen der vom Kläger vorgenommenen Bestimmung des Streitgegenstandes unterliegt der angefochtene Rentenbescheid der Beklagten daher nur insoweit der Nachprüfung im vorliegenden Rechtsstreit.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Die bestandskräftigen Feststellungs-/Vormerkungsbescheide vom 02.05.1996, 13.02.2003 und 17.07.2009 stehen indes entgegen der Auffassung des SG nicht der Überprüfung der von der Beklagten in dem angefochtenen Rentenbescheid vom 11.04.2013 zu Grunde gelegten Qualifikationsgruppe 5 entgegen. Denn die Feststellungen in diesen Vormerkungsbescheiden hinsichtlich der Berücksichtigung der nach dem FRG zurück gelegten Beitragszeiten als solche nach Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI haben sich durch den hier angefochtenen Rentenbescheid vom 11.04.2013, in dem die Beklagte die in den Vormerkungsbescheiden insoweit getroffenen Feststellungen in vollem Umfang zu Grunde gelegt hat, auf andere Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit nicht um identische Regelungsgegenstände. Sie stehen jedoch in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität zueinander (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011 - B 5 R 36/11 R -, juris, Rdnr. 12). Vor dem Zeitpunkt der Feststellung einer Leistung darf der Rentenversicherungsträger nicht über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheiden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI) und den Rentenwert bestimmen. Ab dem Zeitpunkt der Feststellung einer Leistung wiederum erledigen sich Vormerkungsbescheide gemäß § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden (BSG, Urteil vom 14.12.2011, a.a.O., Urteil vom 23.08.2005 - B 4 RA 21/04 R -, juris, Rdnr. 40, 41). Indem die Beklagte die in den Vormerkungsbescheiden hinsichtlich der Qualifikationsgruppe getroffenen Feststellungen im Rentenbescheid in vollem Umfang zu Grunde gelegt hat, hatten sie ihre Funktion als Beweissicherung (BSG, Urteil vom 23.08.2005, a.a.O.) für künftige Leistungsfeststellungsverfahren erfüllt. Nach erfolgter Übernahme aller Feststellungen, auch unter Berücksichtigung der im Prozessvergleich vom 11.10.2002 anerkannten 6/6-Beitragszeiten, ist eine weitere Beweissicherung nicht mehr erforderlich. Die Vormerkungsbescheide hatten damit jegliche rechtliche Bedeutung verloren.

Die Rentenhöhe ergibt sich nach § 64 SGB VI aus der Multiplikation der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Im Berufungsverfahren ist zwischen den Beteiligten insoweit die Höhe der persönlichen Entgeltpunkte für die Zeit ab dem Jahr 1979 bis 25.08.1989 streitig.

Der Kläger hat in dieser Zeit keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt, sondern Beiträge zum Träger der sowjetischen Rentenversicherung. Die Anerkennung der vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten richtet sich nach dem FRG und dem Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz - FANG -. Gemäß Art. 6 § 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 3 FANG kommt eine Anwendung des FRG in seiner bis zum 30.06.1990 geltenden Fassung bei einem Rentenbeginn nach dem 31.12.1995 nicht mehr in Betracht. Da die Rente des Klägers erst am 01.08.2010 begonnen hat, bestimmt sich damit die Bewertung der vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitragszeiten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in der seit 01.01.1992 geltenden Fassung. Der Kläger gehört unstrittig zum Personenkreis, der von § 1 Buchst. a FRG erfasst ist. Damit stehen die in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitragszeiten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG werden Entgeltpunkte für Beitrags- und Beschäftigungszeiten gem. § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI nach Durchschnittsverdiensten ermittelt, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten (Wirtschafts-)Bereiche ergeben. Damit hat der Gesetzgeber für die Versicherten aus den Herkunftsgebieten die Tabellenwerke übernommen, die den Einkommensverhältnissen sowie den Ausbildungs- und Fortbildungsstrukturen der ehemaligen DDR angepasst waren (vgl. BT-Drs. 197/91).

Nach der Anlage 13 zum SGB VI sind Versicherte in eine der Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben (Satz 1). Haben Versicherte auf Grund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Versicherten in einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, sind sie in diese Qualifikationsgruppe einzustufen (Satz 2). In die "Qualifikationsgruppe 4 Facharbeiter" sind Personen eingeordnet, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen auf Grund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind. In die "Qualifikationsgruppe 5 angelernte und ungelernte Tätigkeiten" sind einzuordnen 1.) Personen, die in der Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes abgeschlossen haben und im Besitz eines entsprechenden Zeugnisses sind; 2.) Personen, die in einer produktionstechnischen oder anderen speziellen Schulung für eine bestimmte Tätigkeit angelernt worden sind; 3.) Personen ohne Ausbildung oder spezielle Schulung für die ausgeübte Tätigkeit.

Bei der notwendigen analogen Anwendung der auf die Verhältnisse in der ehemaligen DDR zugeschnittenen Eingruppierungsmerkmale ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 12.11.2003 - B 8 KN 2/03 -, vom 24.07.2003 - B 4 RA 61/02 R - und vom 14.05.2003 - B 4 RA 26/02 R -, juris) zunächst von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems auszugehen. Sodann ist zu fragen, welcher Qualifikationsgruppe - übertragen auf die Verhältnisse in der DDR - diese berufliche Ausbildung und Qualifikation materiell entspricht. Schließlich ist zu prüfen, ob eine diesen Qualifikationsmerkmalen entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wurde.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG genügt es für die Feststellung der nach diesem Gesetz zu berücksichtigenden Beitragszeiten, dass sie glaubhaft gemacht werden. Wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG ergibt, ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Für die Glaubhaftmachung ist es demgemäß ausreichend, wenn bei Würdigung aller Gesamtumstände die gute Möglichkeit besteht, dass sich der Vorgang so, wie es behauptet wird, zugetragen hat, und wenn für das Vorliegen dieser Möglichkeit trotz verbleibender begründeter Zweifel letztlich mehr spricht als dagegen. Der vollständige Beweis (Nachweis) ist demgegenüber regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.1957 - 4 RJ 186/56 - BSGE 6, 144). Sofern nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Qualifikationsgruppen in Betracht kommen, ist in solchen Fällen nach der Zuordnungsvorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 7 FRG im Zweifel die Qualifikationsgruppe mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich.

In Anwendung dieser Bestimmungen kommt eine Einstufung der vom Kläger in der streitigen Zeit ab 1979 bis zum 25.08.1989 ausgeübten Tätigkeit(en) in die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI nicht in Betracht.

Die Qualifikationsgruppe 4 ist nur für Facharbeiter vorgesehen. Hierbei handelt es sich den im Gesetz genannten formellen Qualifikationsmerkmalen zufolge um Personen, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist.

Zur beruflichen Ausbildung in der ehemaligen Sowjetunion gab es seit Mitte der 20er Jahre drei Hauptebenen der Berufsbildung: die Hochschulbildung an Universitäten, Hochschulen/Instituten, Akademien und ähnlichen Einrichtungen, die mittlere Berufsbildung an mittleren Fachschulen sowie die untere Berufsbildung (berufliche Grundbildung), die in ihrer Qualifikationsebene weder nach oben noch nach unten eindeutig abgrenzbar war. Personen dieser beruflichen Grundbildung wurden meist als "qualifizierte Arbeiter" im engeren Sinne und in "wenig qualifizierte Arbeiter" unterteilt. Die "qualifizierten Arbeiter" im engeren Sinne waren Facharbeitern gleichgestellt. Sie verfügten über eine umfassende berufliche Ausbildung für komplizierte bzw. komplexe Berufe und waren im Rahmen des Tarifsystems regelmäßig in die Lohnstufen 3 und 4 eingruppiert. Die "wenig qualifizierten Arbeiter" verfügten (lediglich) über Kenntnisse für eng begrenzte, einfache Tätigkeiten (wenig anspruchsvolle Massenberufe) und waren im Rahmen des Tarifsystems regelmäßig in die Lohnstufen 1 und 2 eingruppiert. Beide Niveaustufen konnten über ähnliche Ausbildungswege erreicht werden, sowohl über schulische als auch über betriebliche Ausbildungen. Die Ausbildung von Facharbeitern erfolgte bis in die siebziger Jahre hinein überwiegend in Form einer betrieblichen (Kurz-) Ausbildung (1958: 74%, 1970: 66%) anstelle einer schulischen Berufsausbildung. Zwischen diesen Ausbildungswegen bestanden gravierende Niveauunterschiede, die sich auch in der Zuerkennung unterschiedlicher Qualifikations- und Lohnstufen niederschlugen. Die betriebliche Aus- und Weiterbildung war – wie die schulische Berufsausbildung – staatlich geregelt und umfasste verschiedene Formen der Aus- und Weiterqualifizierung wie Einzel- und Gruppenausbildung am Arbeitsplatz, betriebliche Lehrgänge oder den Besuch von Abend- und Schichtschulen. Die betriebliche Ausbildung wurde meist in Form von Lehrgängen mit einer Dauer von einem bis zu sechs Monaten durchgeführt. Sie schlossen mit einer Prüfung ab, bei der nicht nur die Berufsqualifikation, sondern auch die Tarifeinstufung bestätigt wurde. Schulische Ausbildungseinrichtungen waren verschiedene Formen der Berufsschulen. Haupttyp war dabei ab Mitte der 20er Jahre die Beruflich-Technische Schule bzw. Berufstechnische Lehranstalt, die Schüler der Grundschule (achtjährige Schulbildung) aufnahmen. Die Ausbildung dort dauerte ein bis drei Jahre. Ab Mitte der 60er Jahre – nach der Bildungsreform 1958 – wurde ein neuer Typ Berufsschule – die Mittlere Beruflich-Technische Schule – eingerichtet, die ebenfalls Absolventen der 8-Klassen-Grund-/Mittelschule aufnahm und während der dreijährigen Ausbildungsdauer eine Berufsausbildung für anspruchsvollere Berufe als auch die Hochschulreife vermittelte. An diesen Mittleren Beruflich-Technischen Schulen fand ausschließlich eine Ausbildung zum qualifizierten Arbeiter im engeren Sinne statt, in den (normalen) Beruflich-Technischen Schulen auch solche für die Niveaustufe "wenig qualifizierter Arbeiter". Im sowjetischen System waren Berufsqualifikation und Tarifeinstufung eng miteinander verzahnt; da aber bei der Eingruppierung neben der Qualifikation im engeren Sine auch andere Faktoren, wie z.B. der Grad der Verantwortung und/oder die konkreten Arbeitsplatzbedingungen mitberücksichtigt werden können, gibt die Lohngruppe nicht immer ein ganz eindeutiges Bild der tatsächlich vorliegenden fachlichen Qualifikation wieder. Weitere "Unschärfen" werden durch eine mitunter sehr großzügige Praxis der Qualifikationskommission verursacht (vgl. zum Ganzen: Müller, Die Qual mit den Qualifikationsgruppen, Bewertung fremder Zeiten mit der Anlage 13 zum SGB VI, DAngV, 1995, 354, 360 ff., Göring, Anerkennung von Aussiedlerzeugnissen - berufliche Bildung und berufliche Qualifizierung in der UdSSR, Sonderveröffentlichung des Bundesinstituts für Berufsbildung 1992, S. 40 f., 147 ff.).

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 12.11.2003, 24.07.2003 und 14.05.2003, a.a.O. und vom 10.07.1985 - 5a RKn 15/84 -, juris) gilt für die Rechtsfrage, ob aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworbene Kenntnisse einer vollwertigen Ausbildung entsprechen, Folgendes: Die höherwertige Tätigkeit muss mindestens für eine Dauer verrichtet werden, die der regelmäßig vorgeschriebenen Dauer der formalen Berufsausbildung entspricht. Wird sie für die doppelte Dauer der vorgesehenen Regelausbildungszeit verrichtet, kann grundsätzlich ohne gesonderte Erhebungen davon ausgegangen werden, dass die vorhandenen und betätigten Fähigkeiten zur vollwertigen Ausübung des höherwertigen Berufs "auf Grund langjähriger Berufserfahrung erworben" wurden (Regelvermutung). Dabei hat stets auch eine individuelle Einzelfallbeurteilung aufgrund der Gesamtschau des beruflichen Werdeganges zu erfolgen. Für die hier in Streit stehende Qualifikationsgruppe 4 ist von einer formalen Regelausbildungszeit von drei Jahren auszugehen. Dies entspricht der durchschnittlichen Ausbildungszeit zum Facharbeiter in der DDR (1,5 bis 4 Jahre, je nach Ausbildungsart und schulischer Vorbildung, vgl. Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 256b SGB VI, Rdnr. 83). Eine Höhergruppierung in die Gruppe 4 kommt nach der Regelvermutung nach sechs Jahren der Ausübung des höherwertigen Berufs in Betracht.

Im Falle des Klägers ist der Erwerb einer förmlichen Qualifikation im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 nach Anlage 13 zum SGB VI indes weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Er selbst hat noch nicht einmal behauptet, im Besitz eines Facharbeiterbriefs zu sein oder die Facharbeiterqualifikation aufgrund langjähriger Berufserfahrung zuerkannt bekommen zu haben. Auch liegen die Voraussetzung für die Höhergruppierung auf Grund langjähriger Berufsausübung im höherwertigen Beruf nicht vor.

Hinsichtlich der ab 15.06.1978 ausgeübten Tätigkeit als Kraftfahrer 2. Klasse ist der Kläger nicht im Besitz eines Facharbeiterbriefs. Er hat diesbezüglich keine formelle Facharbeiterqualifikation, da er keine Berufsschule zur Ausbildung in diesem Beruf besucht hat. Ihm wurde auch nicht die Facharbeiterqualifikation trotz fehlender Berufsausbildung aufgrund langjähriger Berufserfahrung förmlich zuerkannt; ihm wurde nicht der Titel "qualifizierter Arbeiter" verliehen. Als solcher wurde er auch nie im Arbeitsbuch bezeichnet. Der Kläger beruft sich vielmehr lediglich auf die nachgewiesene Qualifizierung als Kraftfahrer der 2. Klasse bzw. als Busfahrer. Der Beruf des Kraftfahrers ist - anders als der des Berufskraftfahrers mit einer Ausbildungsdauer von 2 Jahren und der Zugangsvoraussetzung einer 10jährigen Schulbildung - nach dem Ausbildungssystem der DDR kein Facharbeiterberuf, sondern den angelernten Tätigkeiten im Sinne der Qualifikationsgruppe 5 zuzuordnen (vgl. dazu LSG Bayern, Urteil vom 06.09.2006 - L 13 KN 19/03 -, juris Rdnr. 48). Maßgebend ist, dass die Ausbildung zum Kraftfahrer trotz der möglicherweise von den Anforderungen der Kraftfahrerausbildung in der DDR abweichenden Anforderungen an die Fähigkeit zur Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen nicht als Facharbeiterausbildung klassifiziert worden ist. Eine von der qualifikationsbezogenen Systematik der Berufsausbildung in der ehemaligen Sowjetunion abweichende Zuordnung sieht Anlage 13 zum SGB VI aber gerade nicht vor. Von einer Langjährigkeit der Berufserfahrung ab 15.06.1978 bis zur Aufnahme der Tätigkeit als Traktorist/Chemiker bzw. Schlosser/Elektriker und einer höheren Qualifikation kann jedoch unter Berücksichtigung der vom BSG aufgestellten Grundsätze nicht ausgegangen werden, zumal der Kläger durchgängig bis zur Aufnahme der Tätigkeit als Schlosser/Elektriker nach Lohngruppe 2 bezahlt wurde. Hieran ändern auch die zahlreich erworbenen Fahrerlaubnisse nichts. Insoweit handelt es sich lediglich um Ausbildungen auf Teilgebieten im Sinne der Qualifikationsgruppe 5. Soweit mit dem Führerschein für Busfahrer der Kategorie D (Personenbeförderung) ab 02.02.1981 eine höhere Qualifizierung erreicht wurde, vermag auch dies zu keiner höheren Eingruppierung führen, da sich aus dem Arbeitsbuch schon nicht ergibt und überdies vom Kläger auch nicht vorgetragen wurde, dass er als Busfahrer tätig war. Ungeachtet dessen begann er ab 10.03.1982 – und damit ein gutes Jahr später – die Tätigkeit als Traktorist-Chemiker. Eine Langjährigkeit der Berufserfahrung im ggf. – zu Gunsten des Klägers unterstellten – höherwertigen Beruf als Busfahrer lässt sich damit nicht begründen.

Auch die ca. zweieinhalb Jahre ausgeübte Tätigkeit als Traktorist-Chemiker ist nicht in die Qualifikationsstufe 4 einzugruppieren. Der Kläger hat diesbezüglich keine formelle Facharbeiterqualifikation, da er keine Berufsschule zur Ausbildung in diesem Beruf besucht hat. Ihm wurde auch nicht die Facharbeiterqualifikation trotz fehlender Berufsausbildung förmlich zuerkannt; ihm wurde nicht der Titel "qualifizierter Arbeiter" verliehen. Als solcher wurde er auch nie im Arbeitsbuch bezeichnet. Der Erwerb des Führerscheins "Traktorist-Maschinist" lässt eine solche Eingruppierung nicht zu. Die Bezeichnung "Traktorist-Maschinist" wurde in Verbindung mit einer der drei Qualifikationsstufen (Klasse I, II, III) und der jeweiligen Lohngruppe (1-7) gebraucht. Dabei waren Traktoristen der 1. Klasse solche, die selbstständig alle Arten von Pflege- und Reparaturarbeiten an Traktoren, Landmaschinen usw. ausführen durften, während Traktoristen der 2. Klasse solche Arbeiten nur "ausführen" durften (hier fehlt das Wort "selbstständig") und Traktoristen 3. Klasse dabei nur unter Anleitung tätig werden durften (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 18.03.2016 - L 13 R 196/14 -, juris Rdnr. 40). Nur die von Traktoristen-Maschinisten der 1. Klasse selbständig ausgeführten Arten von Pflege- und Reparaturarbeiten entsprachen die für einen Facharbeiter typischen Tätigkeiten (LSG Bayern, Urteil vom 18.03.2016, a.a.O., Rdnr. 41). Über eine Qualifikation der 1. Klasse verfügte der Kläger indes nicht. Die Facharbeiterqualifikation wurde auch nicht durch die nur ca. zweieinhalbjährige Tätigkeit als Traktorist/Chemiker erworben. Insoweit fehlt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze an einer Langjährigkeit der Berufserfahrung. Dies gilt auch, soweit sich die Tätigkeit auf die eines Chemikers bezog, für die er keine förmliche Facharbeiterqualifikation hatte. Denn die förmliche Ausbildung zum Chemiefacharbeiter dauerte in der DDR – bei 8jähriger Schulbildung – 3 Jahre.

Eine Zuordnung in Qualifikationsgruppe 4 hat auch nicht mit Abschluss der Berufsschule ab 12.07.1984 auf Grund der an dieser ab 01.12.1983 erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zum Schlosser-Elektriker zu erfolgen. Der Kläger hat ab diesem Zeitpunkt die technische Berufsschule – nicht die sog. Mittlere Beruflich-Technische Schule – besucht. Die Ausbildung zum Schlosser-Elektriker an dieser Berufsschule dauerte lt. Zeugnis vom 12.07.1978 indes nur acht Monate und erfolgte nach Angaben des Klägers abends nach seiner normalen Arbeitszeit, mithin nebenberuflich und nicht im Vollzeitunterricht. Da der Kläger somit schon nicht die Mindestausbildungszeit an der technischen Berufsschule von 12 Monaten in Vollzeit absolviert hat, ist der Senat davon überzeugt, dass diese schulische Berufsausbildung ihn nur zu einem "wenig qualifizierten Arbeiter" ausgebildet hat, der nur in die Qualifikationsgruppe 5 einzuordnen ist. Dem Kläger wurde überdies nicht der Titel "qualifizierter Arbeiter" verliehen. Auch mit Blick auf die Ausbildungsstrukturen in der DDR ist keine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 vorzunehmen. Denn dort dauerte eine Ausbildung zum Schlosser-Elektriker 2 Jahre und hatte als Zugangsvoraussetzung eine 10jährige Schulausbildung. Eine Vergleichbarkeit der Ausbildung des Klägers zum Schlosser/Elektriker in der ehemaligen Sowjetunion mit den Ausbildungen in der DDR ist damit nicht gegeben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der mit dem Ausbildungsabschluss verliehenen Lohnstufe 3, da der Kläger zum Zeitpunkt deren Erwerbs keinesfalls über eine langjährige Berufserfahrung als Schlosser-Elektriker verfügte, die eine solche Lohngruppe gerechtfertigt hätte. Vielmehr war er vor Beginn dieser Berufsschulausbildung als Traktorist-Chemiker und davor als Kraftfahrer tätig. Seine Tätigkeit als Schlosser-Elektriker mit der Lohnstufe 3 übte er zwar vom 31.08.1984 bis 23.02.1987, also ca. zweieinhalb Jahre und damit länger aus, als die Berufsausbildung in der DDR (2 Jahre) dauerte. Sie führt unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände indes zu keiner Langjährigkeit der Berufserfahrung, da insoweit zu berücksichtigen ist, dass der Kläger nur eine 8jährige Schulbildung hatte, Zugangsvoraussetzung für die Ausbildung in der DDR aber eine 10jährige Schulbildung war. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tätigkeit als Schlosser-Installateur in Lohngruppe 4 für weitere zweieinhalb Jahre vom 24.02.1987 bis 25.08.1989. Die Lohngruppe ist überdies nur ein Indiz und relativiert vor dem Hintergrund der oben dargestellten Grundsätze nicht das Erfordernis der einem Facharbeiter vergleichbaren fachlichen Qualifikation durch eine formale Ausbildung oder auf Grund langjähriger Berufserfahrung. Insofern verbleibt es auch bei wohlwollender Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Zuordnungsvorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 7 FRG bei der Einordnung der Tätigkeit in die niedrigere Qualifikationsgruppe 5.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine höhere Rente unter Berücksichtigung des Hinzuverdienstes. Die Beklagte hat der Berechnung des zu berücksichtigenden Hinzuverdienstes zu Recht das dem Arbeitslosengeld zu Grunde liegende Bemessungsentgelt zu Grunde gelegt. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt – wie das SG – der Begründung des Widerspruchsbescheides (§ 136 Abs. 3 SGG). Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch der erkennende Senat die Zugrundelegung des Bemessungsentgelts nach § 96a abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht für verfassungswidrig hält. Insoweit schließt er sich der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG in seinen Urteilen vom 31.01.2008 (B 13 R 23/07 R) und vom 20.11.2003 (B 13 RJ 43/02 R) angesichts der Zielsetzung dieser Regelung – eine Besserstellung von Rentenbeziehern bei Bezug von kurzfristigen Lohnersatzleistungen kurz vor Rentenbeginn zu verhindern (vgl. BT-Drs. 13/8671, S. 118) – nach eigenen Überzeugungsbildung an.

Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung des Hinzuverdienstes und der Hinzuverdienstgrenzen im angefochtenen Bescheid zu Lasten des Klägers aus anderen Gründen fehlerhaft ist, bestehen nicht und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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