L 3 AS 4856/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 1584/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4856/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Beklagten hin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Oktober 2015 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - (Arbeitslosengeld II) unter Berufung auf einen höheren Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung für den Zeitraum von April 2015 bis einschließlich Mai 2016.

Der 1962 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 anerkannt ist, wohnte bis Oktober 2012 zusammen mit Frau A. A. in B. und bezog dort vom Jobcenter B., Arbeitsgemeinschaft für Arbeit und Integration, Arbeitslosengeld II; auch Frau A. bezieht seit 2005 durchgehend Arbeitslosengeld II bei angenommener Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger. Der Kläger leidet an einer psychischen Zwangsstörung, aufgrund derer er ein bestimmtes Ernährungsverhalten entwickelt hat. Er nimmt weitgehend bestimmte Bioprodukte von bestimmten Herstellern nach einem individuellen, zeitaufwändigen Vorkostverfahren zu sich. Seinen wesentlichen Energiebedarf deckt er durch mit "Kaba" angerührte Milch. Körperliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten ließen sich nicht feststellen. Nachdem das Jobcenter B. bzw. dessen Rechtsvorgänger von 2005 bis einschließlich 2010 einen monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 25,56 EUR anerkannt hatte, war ein solcher in den Leistungsbewilligungen ab Januar 2011 nicht mehr enthalten. Der Kläger setzte sich hiergegen zuletzt mit einer Klage beim Sozialgericht Kiel (S 30 AS 811/11) zur Wehr und machte einen durchschnittlichen monatlichen (Mehr-)Bedarf an Nahrungsmitteln in Höhe von 292,00 EUR geltend.

Das Sozialgericht Kiel verurteilte nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C.-C. vom 27.07.2011 (Diagnosen: anankastische und ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung in schwerer Ausprägung, generalisierte Angststörung, ausgeprägte soziale Phobie, Schlafstörungen, anhaltende affektive Störung, Nahrungsmittelintoleranzen, Allergien nicht näher bezeichnet) das Jobcenter B., dem Kläger wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs von insgesamt 42,82 EUR monatlich weitere Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum zu zahlen. Der Kläger könne aufgrund seiner Erkrankung nur bestimmte Lebensmittel zu sich nehmen und es sei nicht möglich, dies kurzfristig zu ändern. Die nur vom Kläger eingelegte Berufung, mit der er einen Mehrbedarf in Höhe von insgesamt 180,00 EUR monatlich begehrte, wies das Landessozialgericht Schleswig-Holstein zurück (Urteil vom 22.09.2014, L 6 AS 115/12, juris). Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Notwendigkeit, sich in bestimmter Weise zu ernähren, sei bei einer Zwangserkrankung nicht herstellbar. Ob andere Erkrankungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten einen höheren Mehrbedarf rechtfertigen würden, könne nicht entschieden werden. Aufgrund der gutachterlichen Ausführungen lasse sich keine bestimmte Kostform ermitteln, die der Kläger zur Vermeidung negativer organischer Reaktionen einhalten müsse. Eine weitere Sachverhaltsermittlung sei nicht möglich, da der Kläger jegliche Untersuchung verweigere. Das Bundessozialgericht (BSG) wies mit Urteil vom 20.01.2016 (B 14 AS 8/15, juris) die Revision des Klägers zurück. Dieser habe keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II wegen eines höheren Mehrbedarfs. Es bestehe beim Kläger kein objektiver Bedarf an einer bestimmten Ernährung. Die Mehrausgaben des Klägers für Lebensmittel würden sich nicht aus einem objektiven Erfordernis einer bestimmten Ernährung, sondern aus seinem Kaufverhalten und seinem Umgang mit Lebensmitteln ergeben. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II aufgrund eines Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II. Es fehle jedenfalls an dem Merkmal der Unabweisbarkeit des Bedarfs. Angesichts der psychischen Erkrankung des Klägers sei eine Krankenbehandlung eine vorrangige und zumutbare Alternative. Es fehle auch an einer Objektivierung der Höhe des Bedarfs des Klägers, was entsprechende wissenschaftliche Erkenntnis über die Erkrankung des Klägers und deren Auswirkungen voraussetze. Gegen die Unabweisbarkeit spreche im Übrigen auch der Umstand, dass der Kläger von 2005 bis 2010 einen monatlichen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von 25,56 EUR erhalten habe, der anscheinend jahrelang ausgereicht habe, so dass nicht nachvollziehbar sei, warum der vom Sozialgericht Kiel zugesprochene höhere Bedarf von 42,82 EUR nun nicht genügen solle.

Am 16.10.2012 beantragte der Kläger erstmals beim Beklagten für sich und Frau A., mit der er, so seine Angaben im Antrag, in Bedarfsgemeinschaft lebe, Arbeitslosengeld II. Er legte einen Nutzungsvertrag über eine Wohnung im Gebäude D.straße 6, E. ab 01.10.2012 mit einer "Grundnutzungsgebühr" in Höhe von 264,00 EUR und Vorauszahlungen für Betriebskosten von 87,00 EUR, insgesamt 351,00 EUR, monatlich, vor. Die monatliche "Grundnutzungsgebühr" erhöhte sich zum 01.12.2014 um insgesamt 14,50 EUR auf 278,50 EUR.

Der Kläger verneinte Einkommen und Vermögen, sowohl was ihn anging, wie auch im Hinblick auf Frau A., und machte zusätzlich einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 180,00 EUR monatlich geltend.

Mit Bescheid vom 24.10.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld II für Oktober 2012 unter Anrechnung der bereits vom Jobcenter B. erbrachten Leistungen sowie für November 2012 bis März 2013. Er legte dabei die anteiligen Kosten der Unterkunft in voller Höhe zugrunde und berücksichtigte zu Gunsten des Klägers einen Mehrbedarf von 43,67 EUR monatlich. Dabei vereinbarte der Beklagte mit dem Kläger eine vorläufige Bewilligung bis zu einer endgültigen Klärung des zu übernehmenden Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung im zu dieser Zeit noch anhängigen Verfahren vor dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein.

Frau A. nahm zum 21.01.2013 eine Beschäftigung als Bäckereiverkäuferin auf, aus der sie Einkommen in monatlich wechselnder Höhe bezog. Nach einem längeren Schriftwechsel vereinbarte der Kläger mit dem Beklagten, dass der Bedarfsgemeinschaft auch künftig dessen ungeachtet die vollen Leistungen vorläufig gewährt und ausbezahlt würden und er nach Erhalt der Lohnabrechnungen im monatlichen Nachgang die sich hieraus ergebenden, überzahlten Beträge an den Beklagten zurücküberweisen werde. Unter dem 20.02.2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, nach Vorlage der Entgeltabrechnung für den Monat Januar 2013 (netto 387,14 EUR, ausbezahlt im Februar 2013) ergebe sich unter Bezugnahme auf den beigefügten Berechnungsbogen eine Überzahlung in Höhe von 200,88 EUR, um dessen Überweisung der Kläger gebeten werden.

In der Folgezeit legte der Kläger jeweils im Folgemonat die Lohnabrechnung für den vorhergehenden Monat aus der Tätigkeit der Frau A. vor, aus welchem diese – auch im hier streitigen Zeitraum - ein Einkommen in wechselnder Höhe, in der Regel zwischen 1.000,00 EUR und 1.100,00 EUR netto bezog, woraufhin der Beklagte jeweils, Monat für Monat, unter Bezugnahme auf die beigefügten Berechnungsbögen um Überweisung des errechneten Überzahlungsbetrags ersuchte.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger vorläufig mit Bescheid vom 04.03.2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15.07.2013 für April bis September 2013 Arbeitslosengeld II, wobei jeweils kein Einkommen und beim Kläger ein Mehrbedarf in Höhe von 43,67 EUR berücksichtigt wurde. Mit weiteren Bescheiden vom 28.08.2013 und vom 27.02.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 07.07.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig für Oktober 2013 bis September 2014 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs des Klägers in unveränderter Höhe, wobei wiederum kein Einkommen angerechnet wurde.

Der Kläger sprach am 02.07.2014 persönlich beim Beklagten vor und bat um nochmalige Überprüfung der Anerkennung eines höheren Mehrbedarfs für Ernährung. Der Beklagte nahm mit Bescheid vom 07.08.2014 die Bescheide ab 24.10.2012 teilweise zurück. Aufgrund der Erhöhung der Regelsätze 2013 und 2014 habe sich auch der prozentuale Anteil von Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken als Berechnungsgrundlage für den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von bislang 43,67 EUR monatlich erhöht. Danach stünden dem Kläger für 2013 ein Mehrbedarf von monatlich 45,21 EUR und für 2014 von monatlich 46,27 EUR zu.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 26.08.2014 hin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 10.09.2014 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.02.2015 und vom 24. Juni 2015 dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld II auch für Oktober 2014 bis März 2015.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 07.08.2014 zurück. Dem Kläger stehe ein Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 1/3 des Betrags, der für Lebensmittel im Regelbedarf enthalten sei, zu. Einen weitergehenden Mehrbedarf sehe man nicht. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 20.10.2014 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 10.09.2014 mit im wesentlichen gleicher Begründung zurück.

Am 16.10.2014 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 (S 13 AS 3454/14). Mit weiterer Klage vom 14.11.2014 wandte sich der Kläger auch gegen den Widerspruchsbescheid vom 20.10.2014 (S 13 AS 3837/14). Das SG hat die beiden Klagen unter dem Aktenzeichen S 13 AS 3454/14 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Zur Begründung der Klagen führte der Kläger an, ihm stehe durchgehend ein höherer Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu, da er aus gesundheitlichen Gründen lediglich imstande sei, sich von biologisch erzeugten Lebensmittel zu ernähren. Das SG vernahm die Hausärztin des Klägers, die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Homöopathie F., schriftlich als sachverständige Zeugin (vergleiche hierzu die schriftliche Stellungnahme vom 20.01.2015). Es beauftragte weiterhin die Ernährungswissenschaftlerin Dr. G. mit der Erstattung eines ernährungswissenschaftlichen Gutachtens. Dr. G. führte in ihrem Gutachten vom 30.04.2015 aus, beim Kläger sei von mehreren Ärzten ein Multiple Chemical Sensitivity (MCS)-Syndrom bescheinigt worden. Auslöser hierfür seien chemische Stoffe in der Umwelt, z.B. Desinfektionsmittel, Abgase, usw. Ob der Verzehr biologisch erzeugter Nahrungsmittel die Symptome sicher verbessern könne, sei nicht bekannt. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sei es wichtig, durch Blutuntersuchungen und Auslassdiät mit anschließender Provokation Ängste vor Fremdstoffen in Lebensmitteln von Unverträglichkeiten zu trennen. Bestimmte Erwartungen und Ängste allein könnten bereits nach dem Verzehr bestimmte Krankheitssymptome auslösen. Um die Unverträglichkeiten und Allergien einmal genau zu benennen und daraus Schlüsse für einen Mehrbedarf zu ermitteln, empfehle sie ein medizinisches Gutachten. Dessen ungeachtet betrage der Mehrbedarf für Wasser, Salat, Obst, Obstsaft, Mehl, Eier und Mineralwasser ca. 46,50 EUR und sollte aufgrund von Preisschwankungen auf 50,00 EUR monatlich aufgerundet werden.

Das SG beauftragte weiterhin den Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens. Nachdem der Kläger einen ersten Untersuchungstermin ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen hat, wies das SG diesen auf seine Obliegenheiten zur Mitwirkung hin. Hierauf bezichtigte der Kläger das SG der Rechtsbeugung und der Parteinahme, da dieses den "Unsinn aus I." (Wohnort der Dr. G.) berücksichtige, obgleich man wissen müsse, dass sich die Sachverständige durch ihr Gutachten strafbar gemacht habe. Das Gutachten, welches sich das SG von Dr. H. erhoffe, liege in Gestalt des Gutachtens von Dr. C.-C. bereits vor. Die Beauftragung von Dr. H. sei willkürlich und völlig unnütz. Ergänzend teilte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass dieser keiner weiteren Untersuchung durch Dr. H. zustimme. Die Praxis des Sachverständigen befinde sich in K ... Aus psychischen Gründen sei es dem Kläger aber nicht möglich, diese Stadt zu betreten, da er aufgrund eines dort erlittenen Zusammenbruchs eine Phobie gegen die Stadt K. entwickelt habe. Mit weiterem Schreiben untersagte der Kläger dem SG, mit dessen Ärzten in Kontakt zu treten.

Nach Anhörung der Beteiligten verurteilte das SG mit Gerichtsbescheid vom 21.10.2015 die Beklagte dem Kläger zusätzlich monatlich 6,33 EUR für Oktober bis Dezember 2012, 4,71 EUR für Januar bis Dezember 2013 und 3,73 EUR für Januar bis September 2014 zu gewähren. Das SG verurteilte weiterhin den Beklagten, dem Kläger für den Bedarfszeitraum Oktober 2014 bis März 2015 zusätzlich monatlich 3,73 EUR zu gewähren. Im Übrigen wies das SG die Klage ab. In der Begründung schloss sich das SG den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Dr. G. an.

Gegen den dem Kläger am 23.10.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser, vertreten durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten, am 23.11.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen L 3 AS 4855/15 – die dort noch anhängige - Berufung eingelegt und beantragt, ihm weitere Leistungen in Höhe von mindestens 150,00 EUR monatlich wegen seines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung zuzusprechen.

Was den hier streitigen Zeitraum angeht, beantragte der auch in diesem Zeitraum einkommens- und vermögenslose Kläger am 19.02.2015 die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II und machte neuerlich einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung geltend. Unter Berücksichtigung der Jahresabrechnung der Stadtwerke E. vom Juni 2014, aus der sich ein Abschlag ab August 2014 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe von 93,00 EUR monatlich ergab, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 23.02.2015 dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2015 bis 30.06.2015 monatlich vorläufig 635,80 EUR und für die Zeit vom 01.07.2015 bis einschließlich 31.03.2016 monatlich vorläufig 589,30 EUR. Eine Anrechnung von Einkommen unterblieb. Auf den Widerspruch des Klägers hin hob der Beklagte mit Bescheid vom 12.03.2015 den Bescheid vom 23.02.2015 auf. Mit Bescheid vom 25.03.2015 bewilligte der Beklagte stattdessen dem Kläger vorläufig für April 2015 bis Juni 2015 monatlich 636,47 EUR und für Juli 2015 589,97 EUR. Dabei berücksichtigte der Beklagte einen höheren Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung beim Kläger in Höhe von 47,22 EUR monatlich und sah entsprechend der bisherigen Praxis weiterhin von einer Anrechnung des von Frau A. erzielten Einkommens ab. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den er mit Verweis auf das anhängige Gerichtsverfahren und mit dem Umstand, dass der Leistungsbescheid unzulässiger Weise nur über 4 Monate erstellt worden sei, begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die zeitliche Begrenzung sei gerechtfertigt, weil im Sommer 2015 eine neue Verbrauchsabrechnung erstellt und ab August 2015 sich ein neuer monatlicher Abschlagsbetrag ergeben werde.

Hiergegen hat der Kläger am 18.05.2015 Klage beim SG erhoben und zur Begründung unter anderem ausgeführt, ihm stehe durchgehend ein höherer Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu, da er aus gesundheitlichen Gründen lediglich imstande sei, sich von biologisch erzeugten Lebensmitteln zu ernähren. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II seien die Leistungen jeweils für 6 Monate zu bewilligen. Eine für die kurze Bewilligungsdauer von 4 Monaten erforderliche Atypik liege nicht vor. Der Bewilligungszeitraum sei daher um die Monate August 2015 und September 2015 zu erweitern. Im Übrigen verweise er auf sein Vorbringen im beim SG bereits anhängigen Verfahren S 13 AS 3454/14.

Wie bereits im Parallelverfahren vor dem SG hat sich der Kläger auch im hier streitgegenständlichen Verfahren trotz Hinweises des SG auf seine Obliegenheiten zur Mitwirkung geweigert, sich einer Untersuchung durch Dr. H. zu unterziehen und hat dem SG insgesamt untersagt, mit dem ihn behandelnden Diplom-Psychologen L. sowie den ihn behandelnden Ärzten in Kontakt zu treten.

Mit Weiterbewilligungsantrag vom 16.06.2015 hat der Kläger die Jahresabrechnung der Stadtwerke E. vom Juni 2015 vorgelegt, aus welcher sich ein Guthaben in Höhe von 98,48 EUR mit Auszahlung im Juli 2015 und ein monatlicher Abschlag in Höhe von 92,00 EUR ab August 2015 ergeben hat. Mit Bescheid vom 25.06.2015 hat der Beklagte dem Kläger daraufhin für August 2015 586,73 EUR und für September 2015 bis einschließlich Januar 2016 monatlich 635,97 EUR bewilligt. Der Kläger hat auch hiergegen Widerspruch eingelegt und angeregt, mit einer Entscheidung über diesen Widerspruch abzuwarten, bis die bereits anhängigen Gerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen seien. Hiermit hat sich der Beklagte mit Schreiben vom 31.07.2015 einverstanden erklärt und angekündigt, die Widerspruchsangelegenheit bis zum rechtskräftigen Abschluss der aktuell anhängigen sozialgerichtlichen Verfahren zurückzustellen. Mit Änderungsbescheid vom 11.12.2015 hat der Beklagte dem Kläger für Januar 2016 Arbeitslosengeld II in Höhe von 640,56 EUR bewilligt und dies mit einer Erhöhung des Mehrbedarfs entsprechend des erhöhten Regelbedarfs ab 01.01.2016 begründet.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.10.2015 die Beklagte "unter Abänderung des Bescheides vom 25.03.2015 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.04.2015 verurteilt, dem Kläger im Bedarfszeitraum April 2015 bis März 2016 zusätzlich zu dem bereits bewilligten Mehrbedarf für die kostenaufwändige Ernährung monatlich 3,73 EUR" zu gewähren. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass ihm ein Mehrbedarf für die Kosten einer aufwändigen Ernährung von monatlich 50,00 EUR für den streitigen Zeitraum gewährt werde. Das SG sei überzeugt, dass der Kläger an einer schwerwiegenden Erkrankung leide, die ursächlich für einen erhöhten Ernährungsbedarf sei. Hinsichtlich der Höhe des zu gewährenden Mehrbedarfs schließe man sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Dr. G. an.

Gegen den dem Kläger am 23.10.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser, vertreten durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten, am 23.11.2015 beim LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt und beantragt, ihm "für den Bedarfszeitraum April 2015 bis Mai 2016" weitere Leistungen in Höhe von mindestens 196,27 EUR monatlich wegen seines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung zuzusprechen. Das SG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Es hätte prüfen müssen, ob angesichts der Verweigerung des Klägers nicht zumindest ein Gutachten nach Aktenlage einzuholen gewesen wäre. Das Urteil des BSG vom 20.01.2016 stehe seinem Anspruch nicht entgegen, denn es sei "auf absolut kriminelle Weise" zustande gekommen und der Inhalt des Urteils "fast ausschließlich gelogen" und es erfülle Straftatbestände.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Oktober 2015 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2015, beide in Gestalt des Bescheides vom 25. Juni 2015 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 11. Dezember 2015 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum von April 2015 bis einschließlich Mai 2016 höheres Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich mindestens 196,27 EUR zusätzlich zu gewähren

sowie die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Oktober 2015 abzuändern, soweit er darin zur Zahlung von höherem Arbeitslosengeld II verurteilt worden ist, die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte hat auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. G. verwiesen. Der dort ermittelte Mehrbedarf in Höhe von 45,60 EUR würde durch die von ihm bewilligten Mehrbedarfsbeträge überschritten.

Im Oktober 2016 hat der Kläger gegenüber dem Beklagten erstmalig geltend gemacht, mit Frau A. keine Bedarfsgemeinschaft, sondern eine Wohngemeinschaft zu bilden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge und auf die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben worden. Sie ist indes unbegründet. Die zulässige unselbständige Anschlussberufung des Beklagten, für die keine Mindestbeschwer erforderlich ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 143 Rn. 5a) und die auch an keine Frist gebunden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 143 Rn. 5f), ist dagegen begründet.

Streitgegenständlich ist (zulässigerweise) der Bescheid vom 25.03.2015, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2015, sowie der Bescheid vom 25.06.2015, soweit er die Leistungsgewährung für die Monate August und September 2015 regelt. Zwar hat sich die Klage ursprünglich nur gegen den Bescheid vom 25.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2015 gerichtet und haben die Beteiligten bezüglich des weiteren Bescheides vom 25.06.2015, der den anschließenden Zeitraum ab August 2015 geregelt hat, ausdrücklich vereinbart, das Widerspruchsverfahren insoweit ruhen zu lassen. Allerdings hat sich der Kläger bereits in seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.03.2015 nicht nur gegen die Höhe der vorläufigen Bewilligung, sondern auch gegen deren zeitliche Begrenzung auf nur 4 Monate gewehrt, nachdem die ursprüngliche, mit bestandskräftigem Bescheid vom 12.03.2015 aufgehobene, Bewilligung vom 23.02.2015 sich auf den Zeitraum bis einschließlich März 2016 erstreckt hatte. Gegenstand der Widerspruchsentscheidung vom 13.04.2015 war dementsprechend, auch nach deren ausdrücklicher Begründung, nicht nur die Ablehnung höherer, sondern auch längerer Leistungen. Der Kläger hat mit der hier streitgegenständlichen Klage dieses Begehren insoweit weiterverfolgt, als er zugleich auch Arbeitslosengeld II für einen längeren Zeitraum, nämlich für die Monate August und September 2015 und damit für insgesamt 6 Monate begehrt hat, weshalb der nach Klageerhebung ergangene Bescheid vom 25.06.2015 die angefochtene ursprüngliche Bewilligung vom 25.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2015 abgeändert hat und daher kraft Gesetzes gemäß § 96 Abs. 1 SGG insoweit Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, als darin auch für August und September 2015 Arbeitslosengeld II bewilligt worden ist.

Soweit das SG - ohne jede weitere Begründung, ohne vorher die Beteiligten insoweit anzuhören und ohne Miteinbeziehung der insoweit maßgeblichen Bescheide - im angefochtenen Gerichtsbescheid auch eine Entscheidung für den Zeitraum ab Oktober 2015 bis einschließlich März 2016 getroffen hat, hat es unter Verstoß gegen § 123 SGG (ne ultra petita) mehr zugesprochen als der rechtskundig vertretene Kläger verlangt hat. Der Verstoß gegen § 123 SGG ist auch nicht da¬durch geheilt worden, dass der Kläger im Berufungsverfahren beantragt hat, die Berufung zurückzuweisen, sich den (antragsüberschreitenden) Urteilsausspruch des SG damit zu eigen gemacht und sein Klagebegehren entsprechend erweitert hat. Dabei fällt diese Erweiterung nicht unter § 99 Abs. 3 SGG, da insbesondere nicht lediglich eine Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache vorliegt (vgl. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG). Selbst wenn die danach gegebene Klageänderung prozessual zulässig geworden sein sollte, weil sich der Beklagte auf die neue Klage rügelos eingelassen hätte (§ 99 Abs. 2 SGG), wäre der Senat nicht befugt, entgegen § 29 SGG in der Sache zu entscheiden (BSG, Urteil vom 23.04.2015, B 5 RE 23/14 R, juris, auch zum Nachfolgenden). Denn eine zulässige Klageänderung entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen. Infolgedessen müssen für die geänderte Klage sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, mithin auch die Zuständigkeit des LSG gegeben sein. Da ein Ausnahmetatbestand für eine erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG hier nicht vorliegt, wäre die geänderte Klage unzulässig. Bereits aus diesem Grund bleibt die Berufung des Klägers daher für den Zeitraum ab Oktober 2015 ohne Erfolg und war auf die Anschlussberufung des Beklagten hin der Gerichtsbescheid insoweit aufzuheben.

Aber auch für die Zeit davor bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Soweit der Kläger für den Zeitraum April 2015 bis einschließlich September 2015 höheres Arbeitslosengeld II begehrt, ist statthafte Klageart die Anfechtungs- und Leistungsklage.

Zwar ist bei nur vorläufigen Bewilligungen stets zu prüfen, ob die spezifischen Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung (noch) erfüllt sind, weil andernfalls kein Grund für eine gerichtliche Entscheidung über vorläufige Leistungen anstelle einer endgültigen Klärung des Streits vorliegt (BSG, Urteil vom 19.08.2015, B 14 AS 13/14 R, juris). Dies folgt schon aus allgemeinen Gründen der Prozessökonomie sowie dem Interesse der Beteiligten an einer möglichst baldigen, endgültigen Klärung ihrer Rechtsbeziehung. Allerdings beruhte im vorliegenden Fall die vorläufige Leistungsgewährung auf dem Wunsch des bis in das Berufungsverfahren hinein anwaltlich vertretenen Klägers, mit einer endgültigen Bewilligung bis zu einem rechtskräftigen Abschluss seines parallel betriebenen, gegen das Jobcenter B. gerichteten, Verfahrens abzuwarten. Dieses Verfahren hat indes nach Auffassung des Klägers auch durch die genannte Entscheidung des BSG vom 20.01.2016 keinen Abschluss gefunden, da dieses aus seiner Sicht auf "absolut kriminelle Weise" zustande gekommene Urteil nicht rechtskräftig sei, so der Kläger im Berufungsverfahren. Ungeachtet dessen, ob der Ausgang des gegen das Jobcenter B. geführten sozialgerichtlichen Verfahrens wegen der Höhe des zuzuerkennenden Mehrbedarfs - neben dem Umstand des in wechselnder Höhe bezogenen Einkommens von Frau A., der aber mit der Vorlage der Einkommensnachweise jeweils spätestens einen Monat nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts keine darüber hinausgehende Vorläufigkeit rechtfertigen konnte - überhaupt jemals eine ausreichende gesetzliche Rechtfertigung für eine vorläufige Bewilligung darstellte, entspricht sie indes bis zum heutigen Tage dem Klägerbegehren. Eine Auslegung des Klägerbegehrens dahingehend, dass neben höheren (vorläufigen) Leistungen zugleich auch eine endgültige Leistungsbewilligung begehrt wird, ist daher nicht statthaft.

Nachdem der Kläger eine endgültige Bewilligung nicht begehrt, kann es der Senat dahingestellt lassen, ob die vorläufigen Bewilligungen gemäß § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II als abschließend festgesetzt gelten oder das Begehren des Klägers auf Gewährung höherer Leistungen als Antrag im Sinne des § 41a Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 SGB II zu werten ist. Denn höhere (vorläufige) Leistungen als einziges Klägerbegehren stehen dem Kläger nicht zu.

Nicht streitgegenständlich sind dagegen die im hier streitigen Zeitraum monatlich an den Kläger ergangenen Mitteilungen des Beklagten über Überzahlungen aufgrund des von Frau A. erzielten Einkommens. Diese sind auf die Höhe der hier streitigen Bewilligungsentscheidungen ohne Einfluss, da sie weder eine endgültige (niedrigere) Festsetzung noch eine teilweise Aufhebung geregelt haben. Vielmehr enthielten sie jeweils lediglich einen Hinweis auf den beigefügten "Berechnungsbogen", ohne eine eigenständige Verfügung über die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II zu treffen. Wenn überhaupt kann diesen Mitteilungen des Beklagten allenfalls Verfügungscharakter in Hinblick auf eine Feststellung einer erfolgten Überzahlung und deren Geltendmachung entnommen werden; dies kann indes dahingestellt bleiben, da die hier streitige Frage der Höhe des zu gewährenden Arbeitslosengeldes II im streitgegenständlichen Zeitraum hiervon unberührt bliebe.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, denn er hat im genannten Zeitraum keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II.

Für den (zulässigerweise) streitgegenständlichen Zeitraum sind der Bescheid vom 25.03.2015 sowie der Bescheid vom 25.06.2015, was die Höhe des bewilligten Arbeitslosengeldes II angeht, nicht zu beanstanden; dem Kläger stehen keine höheren (vorläufigen) Leistungen zu.

Gem. § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vor und stehen zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 SGB II umfasst das Arbeitslosengeld II als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung.

Der Regelbedarf bemisst sich beim Kläger im streitigen Zeitraum durchgehend nach § 20 Abs. 1, Abs. 4 SGB II, da der Kläger zusammen mit Frau A. eine Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II bildet. Dies entspricht seinen Angaben gegenüber dem Beklagten in sämtlichen dem hier streitigen Zeitraum zu Grunde liegenden Anträgen auf Leistungsgewährung und dem Umstand, dass der Kläger im Antragsverfahren stets auch für Frau A. aufgetreten ist. Auch hat der Kläger mit Frau A. gemeinsam den Mietvertrag für die jetzige Wohnung abgeschlossen, in welcher man in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, wobei der Kläger mit Frau A., die er bereits seit 1996 kennt, und mit der er nach eigenen Angaben mindestens seit 2003 zusammenwohnt, bereits 2003 von E. nach B. und im Oktober 2012 aufgrund derer gesundheitlichen Probleme aus der gemeinsamen Wohnung in B. wieder nach E. umgezogen ist. Der Kläger und Frau A. haben weiterhin ein gemeinsames Konto in E. eröffnet, auf das sie unter anderem auch die Einzahlung der gemeinsamen Arbeitslosengeld II-Leistungen erbeten haben. Bereits im Gutachten des Dr. C.-C. im Juli 2011 hat der Kläger ausführlich über das zwar problembehaftete, aber doch langjährige Zusammenleben mit Frau A., die er als seine Freundin bezeichnet, berichtet. So müsse der Prozess beim Einkauf und bei der Zubereitung von Speisen unbedingt durch eine zusätzliche Beurteilung und Einschätzung seiner Freundin erfolgen. Insgesamt, so hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen ausgeführt, gehe ohne deren Einschätzung gar nichts, könne er ohne ihre Hilfe nicht mehr zu seinem Recht kommen und müsste er ohne deren Unterstützung "in ein betreutes Wohnen gehen". Der nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II erforderliche wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird im Übrigen gemäß § 7 Abs. 3 Buchst. a Nr. 1 SGB II bereits aufgrund des langjährigen Zusammenlebens des Klägers mit Frau A., mindestens seit 2003, vermutet. Die bloße, unsubstantiierte und erstmalig im Oktober 2016 aufgestellte Behauptung des Klägers, mit Frau A. keine Bedarfsgemeinschaft, sondern lediglich eine Wohngemeinschaft zu bilden, kann vor diesem Hintergrund keine abweichende Beurteilung rechtfertigen.

Der maßgebliche monatliche Regelsatz betrug damit für das Jahr 2015 360,00 EUR. Die tatsächlichen Kosten der vom Kläger und Frau A. bewohnten Unterkunft sind kopfteilig aufzuteilen und beliefen sich monatlich für April bis Juni 2015 anteilig für den Kläger auf 229,25 EUR (Grundmiete 139,25 EUR, Erdgas für Heizzwecke 46,50 EUR, Nebenkosten 43,50 EUR), für Juli 2015 auf 182,75 EUR (Grundmiete 139,25 EUR, Nebenkosten 43,50 EUR), für August 2015 auf 179,51 EUR (Grundmiete 139,25 EUR, Erdgas für Heizzwecke 46,00 EUR, Nebenkosten 43,50 EUR abzüglich der hälftigen Gutschrift für Juli 2015 in Höhe von dann 49,24 EUR, § 22 Abs. 3 SGB II) und für September 2015 auf 228,75 EUR (Grundmiete 139,25 EUR, Erdgas für Heizzwecke 46,00 EUR, Nebenkosten 43,50 EUR). Hieraus errechnet sich ein klägerischer Bedarf für April bis Juni 2015 in Höhe von 589,25 monatlich, für Juli 2015 in Höhe von 542,75 EUR, für August 2015 in Höhe von 539,51 EUR und für September 2015 in Höhe von 588,75 EUR.

Ein weitergehender Bedarf bestand im hier interessierenden Zeitraum beim Kläger nicht. Insbesondere lag beim Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum kein Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 5 oder 6 SGB II vor.

Dem Kläger steht zunächst kein höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II zu (so bereits das BSG, Urteil vom 20.01.2016, a.a.O.). Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

Kostenaufwändig im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II ist eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt wird (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Voraussetzung für diesen Mehrbedarf ist ein medizinisch begründetes, besonderes Ernährungsbedürfnis. Ein solches liegt vor, wenn mit der Regelernährung bestimmte Inhaltsstoffe nicht vermieden werden können, sodass aus physiologischen Gründen ein objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingt ist, die auf einer spezifischen Ernährungsempfehlung beruht. Das objektive Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen ist zu unterscheiden von einem bestimmten Ernährungsverhalten oder einem Umgang mit Lebensmitteln, dem keine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform, zugrunde liegt.

Ausgehend hiervon besteht beim Kläger kein objektiver Bedarf an einer bestimmten Ernährung, weshalb ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB II ausscheidet (BSG, a.a.O.). Wie bereits das LSG Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 22.09.2014 ausgeführt hat, ist beim Kläger eine körperliche Nahrungsmittelunverträglichkeit nämlich nicht nachgewiesen. Er leidet vielmehr nach den insoweit überzeugenden gutachtlichen Äußerungen des Sachverständigen Dr. C.-C., die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, an einer psychischen Erkrankung in Gestalt einer anankastischen und ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstörung in schwerer Ausprägung, verbunden mit einer generalisierten Angststörung, ausgeprägten sozialen Phobie und anhaltenden affektiven Störung. Der Sachverständige hat die Problematik des Klägers als ein Mischbild beschrieben, bei dem tatsächlich erlebte, körperlich funktionelle Reaktionen auf Nahrungsmittel mit stark Angst besetzten Vorstellungen zusammentreffen, die der Kläger aus seiner Persönlichkeit heraus entwickelt hat, wobei die Angststörung prozesshaft im Laufe der Zeit zusehends in den Vordergrund getreten ist.

Die Mehrausgaben für Lebensmittel, die teils daraus resultieren, dass der Kläger hochpreisige Biolebensmittel insbesondere der Marken "Demeter" und "Bioland" einkauft, teils aber auch daraus, dass er aufgrund der Angststörung ihm schadhaft erscheinende Lebensmittel in größerem Umfang ungenutzt wegwirft, ergeben sich somit nicht aus einem objektiven Erfordernis an einer bestimmten Ernährung, sondern aus seinem Kaufverhalten und seinem Umgang mit Lebensmitteln (BSG, a.a.O.).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II aufgrund eines Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht; der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend beim Kläger nicht erfüllt. Das BSG (a.a.O.) hat hierzu wie folgt ausgeführt:

"Unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts kann wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer Bedarf grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind Angesichts der psychischen Erkrankung des Klägers ist eine Krankenbehandlung nach § 11 Abs. 1 Nr. 4, § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eine vorrangige und zumutbare Alternative, sodass es an der Unabweisbarkeit fehlt. Das gilt selbst dann, falls für die Erkrankung des Klägers organische Ursachen vorliegen sollten, denn solange er sich nicht untersuchen oder behandeln lässt, unterbindet er eine mögliche Hilfe durch Dritte.

Selbst wenn von der von dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. C.-C. bejahten Angst- und Zwangssymptomatik des Klägers und von einer Übergangszeit während einer Behandlung ausgegangen wird , scheidet ein feststellbarer, unabweisbarer Bedarf des Klägers hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für seine Lebensmitteleinkäufe in der strittigen Zeit aus. Denn der Bedarf des Klägers müsste nämlich nicht nur hinsichtlich seines Grundes, sondern auch seiner Höhe nach objektiviert werden, was entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Erkrankung des Klägers und deren Auswirkungen voraussetzt. Zudem müssten Erkenntnisse über mögliche Behandlungen solcher Erkrankungen in die Beurteilung einfließen, ehe eine Unabweisbarkeit der entstehenden Kosten zu bejahen ist."

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen aus eigener Überzeugung in vollem Umfang an und verneint demzufolge gleichfalls die Unabweisbarkeit als eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II. Selbst wenn man im Rahmen einer initialen Übergangszeit bei Aufnahme einer adäquaten nervenärztlichen Behandlung von einem Mehrbedarf ausgehen würde, was indessen zur Überzeugung des Senats, auch hier dem BSG folgend, nicht nachgewiesen ist, war eine Objektivierung eines solchen Mehrbedarfs der Höhe nach aufgrund den der Klägersphäre zuzuordnenden Umständen im hier streitgegenständlichen Verfahren nicht möglich. Zunächst kann eine solche Objektivierung entgegen der Auffassung des SG nicht dem Gutachten von Dr. G. entnommen werden. Diese ist, gestützt auf die Ausführungen "mehrerer Ärzte" von einem MCS-Syndrom ausgegangen, wobei ein solches seitens des Dr. C.-C. gerade nicht diagnostiziert worden ist und die Sachverständige selbst als Ernährungswissenschaftlerin zu entsprechenden Diagnosestellungen nicht befugt ist. Wie die Sachverständige dann weiter ausgeführt hat, ist ein wissenschaftlicher Nachweis für eine Ernährungstherapie mit biologisch erzeugten Lebensmitteln bei MCS fraglich und besteht aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ein erhebliches Informationsdefizit, ob und welche Unverträglichkeiten genau den Kläger gesundheitlich beeinträchtigen. Zutreffend hat die Sachverständige dann auch ausgeführt, dass ein internistisch-nervenärztliches Gutachten geboten sei, um die Unverträglichkeiten und Allergien einmal genau zu benennen und daraus Schlüsse für einen Mehrbedarf zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund stellen die weiteren Ausführungen der Sachverständigen, die in einem "Mehrbedarf für Wasser, Salat, Obst, Obstsalat, Mehl, Eier und Mineralwasser" mit 46,50 EUR, aufgerundet auf 50,00 EUR enden, möglicherweise eine Empfehlung für eine strengen biologischen und ökologischen Gesichtspunkten genügende Ernährungsweise dar, die insbesondere auch der Neigung des Klägers, sich sein Brot selbst zu backen, Rechnung tragen mag; hieraus kann aber keinesfalls ein objektivierter Mehrbedarf gefolgert werden.

Die zur Objektivierung eines möglichen Mehrbedarfs danach gebotene Sachverhaltsermittlung auf medizinischem Gebiet hat der Kläger indes, wie bereits im vorangegangenen Rechtsstreit, durch seine Weigerung, sich einer medizinischen Begutachtung zu unterziehen, verhindert. Der Kläger ist nicht zur vom SG im parallel geführten Rechtsstreit S 13 AS 3454/14 angeordneten Begutachtung durch den Internisten und Nervenarzt Dr. H. erschienen. Die Einlassungen des damaligen Prozessbevollmächtigten, der Kläger habe eine Phobie gegen die Stadt K. (Praxissitz des Dr. H.) entwickelt und könne diese Stadt nicht mehr betreten, können, zumal bar eines ärztlichen Attests, umso weniger überzeugen, als der Kläger nachfolgend selbst auch für das hiesige Verfahren vorgetragen hat, dass es keiner Begutachtung bedürfe, diese völlig willkürlich und unnütz sei und vom SG nur angeordnet werde, weil das Gutachten des Dr. C.-C. nicht akzeptiert werde. Der Kläger hat unzweifelhaft und endgültig, unabhängig von der Person des Sachverständigen und dessen Praxissitz, seine Bereitschaft, sich einer Begutachtung zu unterziehen und an der gebotenen Sachverhaltsermittlung mitzuwirken, auch im hiesigen Verfahren verweigert, zumal er zugleich dem SG jedweden weiteren Kontakt mit den behandelnden Ärzten untersagt hat. Für die in der Berufung seitens des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragte Begutachtung nach Aktenlage fehlen ausreichende medizinische Befundunterlagen, wie ja bereits Dr. G. festgestellt hat - und im Übrigen auch der Kläger geltend macht, wenn er selbst auf der Notwendigkeit weiterer medizinischer Sachverhaltsermittlung beharrt. Denn Ziel der vom SG beauftragten Begutachtung sollte ja gerade die erstmalige Gewinnung objektiver und konkreter wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Erkrankung des Klägers und deren Auswirkungen sein.

Unter Berücksichtigung des solcherart ermittelten Bedarfs hat der Kläger bereits ohne die nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II gebotene, bedarfsmindernde Berücksichtigung des Einkommens von Frau A. im Rahmen der §§ 11 ff. SGB II im Zeitraum von April bis September 2015 höheres Arbeitslosengeld II erhalten, als ihm zustand, nämlich für April bis Juni 2015 in Höhe von monatlich 636,47 EUR (Bedarf: 589,25), für Juli 2015 in Höhe von 589,97 EUR (Bedarf: 542,75 EUR), für August 2015 in Höhe von 586,73 EUR (Bedarf: 539,51 EUR) und für September 2015 in Höhe von 635,97 EUR (Bedarf: 588,75 EUR).

Nachdem sich damit insgesamt kein höherer Anspruch des Klägers als vom Beklagten bewilligt ergibt, war die Berufung des Klägers zurückzuweisen und auf die Anschlussberufung des Beklagten das Urteil des SG dahingehend abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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