Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 833/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 203/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15.12.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt, im Wege des Überprüfungsverfahrens, die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Der 1964 geborene Kläger beantragte bei dem Landratsamt N. (LRA) am 08.10.2015 (Blatt 4 VA) erstmals die Feststellung eines GdB unter Vorlage folgender Unterlagen: - Ärztliches Attest des Internisten Dr. G. vom 12.03.2007 (Diagnose: schwer therapierbarer Bluthochdruck – Blatt 19 VA) - Berichte der Kardiologie im E. B. vom 15.06. und 16.07.2008 (Diagnosen: arterielle Hypertonie, leichte Mitralklappeninsuffizienz, Aortenklappeninsuffizienz – Blatt 20, 22 VA) - Nervenärztliches Attest Dr. B. vom 11.11.2008 (Diagnose: arterielle Hypertonie, Kopfschmerzen unklarer Genese – Blatt 21 VA) - Ärztliches Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. A. vom 20.04.2010 (Diagnose: chronisch arterielle Hypertonie – Blatt 23 VA) - Ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 27.08.2012 (Diagnose: Hypertonie, Anzeichen einer ausgeprägten akuten Belastungsstörung – Blatt 24 VA) - Psychologisches Attest/Bescheinigung der psychologischen Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene S. vom 12.10.2012 und 12.12.2012 (Diagnose: Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen, undifferenzierte Somatisierungsstörung – Blatt 25, 26 VA) - Befundberichte kardiologische Praxis M. vom 14.01.2013 (Diagnose: linksventrikuläre Hypertrophie mit erhaltener guter systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion, arterielle Hypertonie – Blatt 28, 34 VA) - Bericht der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie Klinikum A. vom 26.06.2013 (Kein Nachweis einer Belastungsischämie, keine myokardialen Narben, normal weiter linker Ventrikel, linksventrikuläre Hypertrophie wie bei hypertensiver Herzerkrankung - Blatt 29 VA) - Befundbericht der Neurologischen Gemeinschaftspraxis M. vom 06.02.2015 (Diagnosen: Spannungskopfschmerz, Kopfschmerz -Blatt 35 VA) - Radiologische Befundberichte des Dr. H. vom 17.04.2015 (Keine cerebri anterioi- oder media-Hauptstammstenose, kein Nachweis eines Aneurysmas des basalen arteriellen Gefäßkranzes – Blatt 36 VA) und 17.04.2015 (Gering ausgeprägte Mikroangiopathie, im Übrigen unauffälliges Neurokranium, Bl. 37 VA).
Das LRA holte den Befundschein des Augenarztes G. vom 25.11.2015 (Blatt 47 VA) ein, der eine korrigierte Sehschärfe von beidseits 0,8 mitteilte.
Dr. M. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 15.12.2015 (Blatt 48 VA) und empfahl die Feststellung eines GdB von 30 seit dem 08.10.2015 unter Berücksichtigung folgender Funktionseinschränkungen: - Bluthochdruck, Herzklappenfehler (Einzel-GdB 20) - Seelische Störung, Funktionelle Organbeschwerden, Kopfschmerzsyndrom (Einzel-GdB 20). Gestützt hierauf stellte das LRA mit Bescheid vom 17.12.2015 (Blatt 51 VA) einen GdB von 30 seit dem 08.10.2015 fest und verneinte das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 29.12.2015 (Blatt 56 VA) Widerspruch.
Mit Schreiben vom 26.01.2016 (Blatt 59 VA) forderte das LRA den Kläger zur Mitteilung auf, durch welchen Arzt eine Behandlung wegen der geltend gemachten psychischen Erkrankung stattfinde. Hierzu teilte der Kläger mit (Schreiben vom 28.01.2016 – Blatt 61 VA), dass sein früherer Hausarzt ihn nicht zu einer weiteren Behandlung überwiesen habe, die Gesundheitsstörung sei aber immer noch da. Sodann legte der Kläger die Befundberichte des Kardiologen Dr. A. vom 23.12.2015 (Blatt 69 VA) und des Urologen Dr. V. vom 12.02.2016 (Diagnose: Prostatahypertrophie - Blatt 71 VA) vor.
Dr. M. schätzte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.03.2016 (Blatt 73 VA) den GdB weiterhin auf 30 ein.
Mit (am 21.03.2016 abgesandtem – Absendevermerk Blatt 75 VA) Widerspruchsbescheid vom 21.03.2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, da die Feststellung eines höheren GdB als 30 nicht beansprucht werden könne.
Mit am 07.11.2016 (Blatt 96 VA) bei dem LRA eingegangenem Schreiben machte der Kläger unter dem Vorwurf der Manipulation und Fälschung unter anderem geltend, dass er nochmals Einspruch gegen die Feststellung des GdB mit 30 erhebe. Der Bluthochdruck und der Herzklappenfehler bedingten einen GdB von 50 bis 100, da eine schwere Form vorliege. Der GdB für die seelische Störung betrage 20, unter Berücksichtigung der schweren Form des Bluthochdrucks sei der Gesamt-GdB 50. Dem Schreiben war als Anlage eine Kopie des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2016 (Blatt 90 VA) beigefügt.
Mit Schreiben vom 09.11.2016 übersandte der Beklagte dem Kläger ein Antragsformular "Änderungsantrag" (Blatt 100 VA), welches dieser am 24.11.2016 dem Beklagten vorlegte (Blatt 102 VA).
Mit Schreiben vom 24.11.2016 (Blatt 107 VA) teilte der Kläger mit, dass er keinen Bescheid von dem Landesversorgungsamt H. bekommen habe, worauf hin das LRA darauf hinwies (Schreiben vom 29.11.2016 – Blatt 110 VA), dass zunächst davon ausgegangen worden sei, dass eine Neufeststellung begehrt werde, das Schreiben vom 24.11.2016 jedoch nahelege, dass eine Überprüfung beantragt werden solle.
Aufgrund der weiteren Stellungnahme des Klägers vom 06.12.2016 (Blatt 114 VA) ging das LRA ausweislich der Aktennotiz vom 12.12.2016 (Blatt 113 VA) davon aus, dass die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises begehrt werde und die Feststellung nur im Rahmen von § 44 SGB X erfolgen könne.
Dr. M. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 15.12.2016 (Blatt 115 VA) und legte dar, dass die bestehenden Funktionseinschränkungen vollständig erfasst und ausreichend bewertet seien, wobei es sich im Punkt 1.02 um eine großzügige Bewertung handele. Über 2012 hinaus würden keine Befunde vorliegen.
Mit Bescheid vom 04.01.2017 (Blatt 121 VA) lehnte das LRA die Rücknahme des Bescheides vom 17.12.2015 ab, da die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen richtig bezeichnet und bewertet worden seien.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 20.01.2017 (Blatt 126 VA) Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2017 zurückwies (Blatt 136 VA).
Am 17.03.2017 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) und legte Befundberichte vor. Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. S. vom 28.04.2017 (Innere Medizin - Blatt 49 ff. SG-Akte), des Dr. A. vom 08.05.2017 (Blatt 74 VA) und des Dr. W. vom 10.05.2017 (Blatt 68 ff. SG-Akte) ein.
Das SG beauftragte Dr. B. mit der Erstellung eines internistischen Sachverständigengutachtens, die Wahrnehmung des Untersuchungstermins verweigerte der Kläger (Blatt 89 ff. SG-Akte).
Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 17.10.2017 (Blatt 101 SG-Akte) vor. Mit Verfügung vom 02.11.2017 (Blatt 104 SG-Akte), dem Kläger zugestellt am 04.11.2017 (Blatt 104 a SG-Akte), hörte das SG die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an und gab ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.12.2017 ab und führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht vorliegen würden. Der Beklagte habe weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei er von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Bezüglich des Herz- Kreislaufsystems sei ein Einzel-GdB von 20 festzusetzen. Soweit eine chronische Gastritis und ein Schmerzsyndrom bestehe, habe Dr. S. mitgeteilt, dass insoweit keine objektivierbaren Befunde zu erheben seien. Bezüglich des Funktionssystems "Gehirn einschließlich Psyche" liege ebenfalls keine unrichtige Beurteilung vor, nachdem das am 17.04.2015 durchgeführte MRT keinen krankhaften Befund ergeben habe. Dass beim Kläger seelische Störungen von einem relevanten Ausprägungsgrad vorgelegen hätten, sei nicht objektiviert. Aktuelle Befundberichte über eine kontinuierliche fachpsychiatrische Behandlung oder auch eine Psychotherapie seien nicht vorliegend. Im Vordruck über die Entbindung von der Schweigepflicht sei weder ein Psychiater noch ein Psychologe angegeben worden. Ein Einzel-GdB von 20 für die Kopfschmerzen und von 20 für die seelische Störung sei bezüglich dieses Funktionssystems zu einem Teil-GdB von 20 zusammenzufassen. Beide Störungen seien nur als "leicht" objektivierbar, weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen nicht nachgewiesen. Die Sehstörung bedinge keinen Teil-GdB von 10, nachdem eine Sehfähigkeit beidseitig von 0,8 bestehe. Ausgehend von einem Einzel-GdB von 20 für die Herzerkrankung bzw. dem Bluthochdruck und einem Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche sei insgesamt wohlwollend von einem Gesamt-GdB von 30 auszugehen.
Gegen den am 20.12.2017 (Blatt 125a SG-Akte) zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.01.2018 unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg eingelegt. Er habe kein Einverständnis zum Erlass eines Gerichtsbescheids erteilt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er erneut unter Hinweis auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. M. vom 15.12.2015 vorgetragen, die beiden ausgewiesenen GdB-Werte von 20 für "Bluthochdruck/Herzklappenfehler" und "seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden und Kopfschmerzsyndrom" seien fehlerhaft und absichtlich auf einen Gesamt-GdB von 30 addiert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15.12.2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 04.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung/Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2016 einen GdB von 50 ab 08.10.2015 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 04.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger kann weder die Rücknahme des Bescheides vom 17.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2016 gemäß § 44 SGB X noch die Feststellung deren Nichtigkeiten wegen Manipulation gemäß § 40 Abs. 5 SGB X beanspruchen.
Der Senat konnte feststellen, dass das Sozialgericht die Voraussetzungen des § 105 Absatz 1 SGG zu Recht angenommen hat. Dieser bestimmt, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden kann, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die gemäß § 105 Absatz 1 Satz 2 SGG erforderliche Anhörung der Beteiligten ist mit der dem Kläger am 20.12.2017 zugestellten Verfügung erfolgt, die dem Kläger ermöglicht hat, zur beabsichtigten Verfahrensweise Stellung zu nehmen. Damit ist die erforderliche Anhörung erfolgt. Eines Einverständnisses der Beteiligten bedarf es für die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht. Eine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art konnte der Senat nicht feststellen, sodass die Ermessensentscheidung, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, die nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann (B.Schmidt in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 105 Rn. 25), nicht zu beanstanden ist. Eine Besorgnis der Befangenheit, wie der Kläger meint, ergibt sich weder aus der Entscheidung durch Gerichtsbescheid selbst, noch daraus, dass dem Rechtsstandpunkt des Klägers nicht gefolgt worden ist. Abgesehen davon, geht die Geltendmachung von Befangenheit nach Abschluss des Verfahrens ins Leere.
Die Klageabweisung durch das SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das SG hat rechtlich zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid vom 17.12.2015/Widerspruchsbescheid vom 21.03.2016 nicht rechtswidrig war, somit auch nicht nichtig, denn Nichtigkeit ist eine spezielle Form der Rechtswidrigkeit (Nichtigkeit als qualifizierte Rechtswidrigkeit, vgl. u.a. Siewert/Waschull in Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl., § 40 Rn. 3), mit der gesonderten Rechtsfolge, dass ein nichtiger Verwaltungsakt nicht bestandskräftig wird. Der Kläger hat bereits im Verwaltungsverfahren eine betrügerische Manipulation geltend gemacht, die dem Bescheid vom 17.12.2015 zugrunde gelegen habe. Er hat ausdrücklich der Annahme des Landratsamts widersprochen, einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt zu haben und seine anderslautende vorhergehende Erklärung widerrufen (Schreiben vom 06.12.2016, Bl. 112 und 113/114 der Verwaltungsakte) und in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf § 160 StPO in dem von ihm als Manipulation beschriebenen Verwaltungshandeln eine strafbare Handlung gesehen, was einen gravierenden Rechtsfehler eines Verwaltungsakts darstellt, der dessen Nichtigkeit zur Folge hätte. Hierauf hat der Kläger auch sinngemäß abgestellt, da er in seinem Widerspruch vom 20.01.2017 ausdrücklich ausgeführt hat, dass die Rechtsmittelbelehrung in den von der Beklagten als bestandskräftig beurteilten Bescheiden keine Rolle spiele. Die Vorwürfe der Manipulation und behördlichen Willkür hat der Kläger auch gegenüber dem SG aufrechterhalten (Schreiben des Klägers vom 24.04.2017) und seine Weigerung, sich einer Begutachtung durch einen Sachverständigen zu unterziehen, hat er mit dem Hinweis darauf, dass sein Klageverfahren um Manipulation gehe und neue Gesichtspunkte nicht erforderlich seien, begründet (Schreiben des Klägers vom 09.11.2017). Soweit der Kläger daher die Feststellung der Nichtigkeit, gegebenenfalls durch formelle Aufhebung des Bescheids, begehrt hat, ist über dieses Begehren durch die Verwaltung und das SG mitentschieden worden.
Der Beklagte und das SG haben mit der Prüfung der Rechtswidrigkeit nach § 44 SGB X auch konkludent die Nichtigkeit wegen "Manipulation" geprüft, denn wenn die weitergehende, "einfache" Rechtswidrigkeit der Bescheide verneint wird, ist damit auch naturgemäß über einen zur Nichtigkeit führenden schweren Verfahrensmangel ablehnend entschieden worden. Das Landratsamt hatte bereits im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 29.11.2016 den Kläger darauf hingewiesen, dass der Vorwurf der Fälschung oder Manipulation beweiserheblicher Daten nicht verfahrensdienlich sei und auch nicht zutreffe. Diese Einwendungen des Klägers sind daher von der Verwaltung auch ausdrücklich zur Kenntnis genommen worden.
Auch der Senat hat keine Nichtigkeit des Bescheids vom 17.12.2015/Widerspruchsbescheid vom 21.03.2016 feststellen können. Die Auswertung der vorgelegten medizinischen Unterlagen nach Vorgabe der VG lässt keine Manipulation erkennen. Solche hat der Kläger auch nicht aufgezeigt. Vielmehr hat sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung unter anderem ergeben, dass die von ihm gerügte offensichtliche Unrichtigkeit auf der rechtlich unzutreffenden Annahme beruht, dass Einzel-GdB-Werte addiert werden dürften. Auch eine grobe Fehleinschätzung der Schwere der durch medizinische Befunde nachgewiesenen Gesundheitsstörungen ist weder ersichtlich noch vom Kläger substantiiert geltend gemacht worden. Die Bescheide unterliegen daher grundsätzlich der Bestandskraft.
Auch eine bloße Rechtswidrigkeit der somit bestandskräftigen Bescheide hat der Senat nicht feststellen können. Die von der Beklagten und vom SG vorgenommene Prüfung nach § 44 SGB X verletzt den Kläger auch insoweit nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 44 Abs. 2 SGBX. § 44 Abs. 1 SGB X ist vorliegend nicht anwendbar, da es bei der Feststellung des Grades der Behinderung nicht um Sozialleistungen geht (vgl. BSGE 69, 14 bis 20; SozR 3-1300 § 44 Nr. 3 S. 8 f.). Nach § 44 Abs. 2 SGB X ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Dabei ist innerhalb des Zugunstenverfahrens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides der Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44, RdNr. 24). Zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des Bescheids vom 22.07.2015 kommt es im Übrigen nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung an. Erforderlich ist dazu eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer - eventuell geläuterten - Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes geltenden Sach- und Rechtslage. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtswidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (vgl. Schütze, a.a.O., Rdnr. 10 mwN.). Der Senat konnte feststellen, dass der Beklagte zu Recht ein Verfahren nach § 44 SGB X durchgeführt hat, nachdem das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17.12.2015 mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2016 abgeschlossen und dieser – mangels Nichtigkeit, wie dargelegt – damit bestandskräftig geworden ist. Der Widerspruchsbescheid wurde ausweislich des Absendevermerks am 21.03.2016 zur Post aufgegeben, dass der Kläger diesen auch erhalten hat, ergibt sich daraus, dass er eine Kopie des Widerspruchsbescheides dem Beklagten vorgelegt hat. Die inhaltlichen Ausführungen des Klägers lassen den Schluss zu, dass er sich auch gegen die Richtigkeit der Entscheidung vom 17.12.2015 wendet, sodass sein Begehren auch auf eine Überprüfung des Bescheides und damit ein Verfahren nach § 44 SGB X gerichtet ist. Unabhängig davon, hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nur eine, auch von Amts wegen mögliche, Entscheidung nach § 44 SGB X getroffen, sodass auch diese Gegenstand des Verfahrens ist.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB sind die Vorschriften des SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung, da im Verfahren nach § 44 SGB X maßgebend die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der zu überprüfenden Entscheidung ist. Nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX (jeweils aF) stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder ein anderer Wert - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktions-behinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet konnte der Senat keine Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einen höheren Einzel-GdB als 20 bedingen.
Zwar entnimmt der Senat der ärztlichen Bescheinigung der Dr. S. vom 27.08.2012 (Blatt 24 VA), dass sich zunehmende Zeichen einer ausgeprägten akuten Belastungsstörung gezeigt hätten und der psychologischen Bescheinigung von der psychologischen Beratungsstelle vom 12.12.2012 (Blatt 26 VA), dass eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung diagnostiziert worden ist, jedoch kann der Senat eine hierdurch bedingte dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit nicht feststellen; dass eine weitergehende Behandlung wegen einer psychischen Erkrankung nicht erfolgt ist, hat der Kläger auf ausdrückliche Nachfrage des Beklagten mit Rückantwort vom 28.01.2016 (Blatt 67 VA) bestätigt.
Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 – L 8 SB 1549/10, juris RdNr. 31) kann bei fehlender ärztliche Behandlung nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden über eine leichtere psychische Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze hinausgegangen ist. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, besteht nicht. Dementsprechend kommt ein höherer Einzel-GdB als 20 nicht in Betracht.
Im Bereich Herz und Kreislauf konnte der Senat keine Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einen höheren GdB als 20 bedingen.
VG Teil B Nr. 9 bestimmt zu Herz und Kreislauf, dass für die Bemessung des GdB weniger die Art einer Herz- oder Kreislauferkrankung maßgeblich ist, als die Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdB ist zunächst von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen ist. Ergometerdaten und andere Parameter stellen Richtwerte dar, die das klinische Bild ergänzen. Elektrokardiographische Abweichungen allein gestatten keinen Rückschluss auf die Leistungseinbuße.
Unter VG Teil B Nr. 9.1. ist zu Krankheiten des Herzens bestimmt:
9.1.1. Einschränkungen der Herzleistung: 1. keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (z.B. sehr schnelles Gehen, schwere körperliche Arbeit), keine Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung; 0 – 10 2. Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen, mittelschwere körperliche Arbeiten), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten); 20 – 40 3. Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) mit gelegentlich auftretenden, vorübergehenden schweren Dekompensationserscheinungen 50 – 70 9.3. Hypertonie (Bluthochdruck)
leichte Form keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) 0 – 10 mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen – Fundus hypertonicus I – II – und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung 20 – 40 schwere Form mit Beteiligung mehrerer Organe (schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung) je nach Art und Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung 50 – 100
maligne Form diastolischer Blutdruck konstant über 130 mm Hg, fundus hypertonicus III – IV (Papillenödem, Venenstauung, Exsudate, Blutungen, schwerste arterielle Gefäßveränderungen); unter Einschluss der Organbeteiligung (Herz, Nieren, Gehirn) 100
Gestützt auf den kardiologischen Befundbericht des Dr. A. vom 23.12.2015 (Blatt 69 VA) konnte der Senat das Bestehen einer linksventrikulären Hypertrophie mit erhaltener guter systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion sowie eine arterielle Hypertonie feststellen. Die Herzhöhlen werden als normal groß bei linksventrikulärer Hypertrophie mit erhaltener systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion ohne regionale Wandbewegungsstörungen in Ruhe beschrieben. Es bestand eine diastolische Relaxationsstörung bei grenzwertig erhöhten linksventrikulären Füllungsdrucken sowie eine Aortenklappensklerosierung mit Insuffizienz Grad I. Das Ruhe-EKG zeigte einen Sinusrhythmus, eine Frequenz von 56/min, bei unauffälliger Repolarisation. Im Belastungs-EKG erfolgte eine Belastung in 25 Watt Stufen, beginnend mit 50 Watt bis 125 Watt angetreten und sodann Abbruch wegen Beinermüdung. Die Herzfrequenz stieg auf 110/min an, der Blutdruck von 135/95 mm Hg auf 180/100 mm Hg, zusätzliche Veränderungen bei Linkshypertrophiezeichen ergaben sich nicht. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Befundbericht vom 13.01.2015 (Blatt 34 VA), in dem der Blutdruck rechts mit 125/80 mm HG und links mit 120/80 mm HG angegeben wird, im EKG zeigten sich bei Abbruch des Belastungs-EKG bei 125 Watt wegen Beinmuskelermüdung keine ischämietypischen Veränderungen (so auch schon im Befundbericht vom 14.01.2013, Blatt 28 VA). Eine Belastungsischämie und myokardiale Narben konnten aufgrund der Magnetresonanztomografie des Herzens ausgeschlossen werden (Befundbericht Prof. Dr. F. vom 26.06.2013, Blatt 29 VA).
Eine Augenhintergrunduntersuchung sowie eine Messung der Augeninnendruckwerte hat nach dem Befundschein des Dr. G. vom 25.11.2015 (Blatt 47 VA) nicht stattgefunden, sodass Augenhintergrundveränderungen nicht dokumentiert sind.
Eine Einschränkung der Herzleistung auf eine Leistungsfähigkeit von nur noch 75 Watt lässt sich somit nicht feststellen, insbesondere erfolgte der Abbruch (auch schon 2013) wegen muskulärer Erschöpfung, pathologische Messwerte werden keine beschrieben. Eine mittelschwere Form des Bluthochdrucks kann schon deshalb nicht angenommen werden, da diastolische Blutdruckwerte trotz Behandlung von mehrfach über 100 mm Hg nicht dokumentiert sind, vielmehr liegen die dokumentierten diastolischen Werte, wie oben dargelegt, zwischen 80 und 95 mm Hg. Im Befundbericht vom 13.01.2015 (Blatt 26 SG-Akte) werden dementsprechend auch gute Blutdruckverhältnisse beschrieben und die Medikation daher nicht angepasst. Ein höherer Einzel-GdB für die internistischen Erkrankungen als 20 kommt somit nicht in Betracht. Der Einschätzung des Dr. A. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 08.05.2017 (Blatt 74 SG-Akte) vermag der Senat nicht zu folgen, da dieser keine Befunde mitteilt, die seine Einschätzung tragen. Im Übrigen legt der sachverständige Zeuge zu Unrecht zu Grunde, dass sich eine subjektive Beschwerdesymptomatik – der keine pathologische Ursache zugrunde liegt – erhöhend auf den GdB auswirken kann, worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat. Vielmehr bedarf es objektivierter Funktionseinschränkungen. Im Übrigen ist eine krankheitswertige Beschwerdeverarbeitung in der GdB-Bewertung für die einbezogene Anpassungsstörung bereits berücksichtigt.
Lediglich ergänzend ist, ohne dass es hierauf im Hinblick auf den Streitgegenstand ankommt, darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Befundbericht des Dr. A. vom 07.03.2017 (Blatt 50 SG-Akte) weiterhin ein Blutdruck von 160/90 mm Hg und eine Belastbarkeit im Belastungs-EKG von 100 Watt ergibt, wobei der Abbruch erneut wegen muskulärer Erschöpfung erfolgte und pathologische Messwerte nicht zu erheben waren.
Hinsichtlich der geklagten Kopfschmerzen konnte der Senat gestützt auf den radiologischen Befundbericht des Dr. H. vom 17.04.2015 (Blatt 37 VA) feststellen, dass sich kein Tumorödem und kein sub- oder epidurales Hämatom zeigten. Eine Bluthirnschrankenstörung war nicht nachzuweisen, auch kein intraaxialer, kontrastmittelaufnehmender, hirneigener Tumor. Beschrieben wird eine gering ausgeprägte Mikroangiopathie bei ansonsten unauffälligem Neurokranium. Weiterhin konnte kein Aneurysma des basalen arteriellen Gefäßkranzes nachgewiesen werden (Befundbericht Blatt 36 VA). Auch in dem Befundbericht des Neurologen W. vom 08.05.2015 (Blatt 59 SG-Akte) wird nur ein fraglich hypertensiver Kopfschmerz beschrieben, ein gesicherter Befund ist dem Bericht nicht zu entnehmen. Ein Einzel-GdB kommt hierfür nicht in Betracht, insbesondere kein solcher von 30, wie Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.10.2017 (Blatt 101 SG-Akte) für den Senat überzeugend dargelegt hat.
Hinsichtlich der chronischen Gastritis und dem Schmerzsyndrom entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. S. vom 28.04.2017 (Blatt 49 SG-Akte), dass zwar immer wieder Vorstellungen wegen geminderter Leistungsfähigkeit erfolgten, jedoch keine objektiven Befunde zu erheben waren, sodass sich hieraus ebenfalls kein Einzel-GdB ergibt.
Die von Dr. G. im Befundschein vom 25.11.2015 (Blatt 47 VA) beschriebene korrigierte Sehschärfe von beidseits 0,8 bedingt nach der Tabelle VG Teil B Nr. 4.3. keinen Einzel-GdB.
Letztlich sind den Befundberichten des Urologen Dr. V. vom 16.11.2015 (Blatt 60 SG-Akte) und vom 15.09.2016 (Blatt 52 SG-Akte) keine Diagnosen oder Funktionseinschränkungen zu entnehmen, die einen Einzel-GdB rechtfertigen.
Aus den somit anzunehmenden Einzel-GdB von 20 für die Psyche und 20 für Herz und Kreislauf ergibt sich kein höherer Gesamt-GdB als 30, wie ihn der Beklagte mit dem überprüften Bescheid bereits festgestellt hat, insbesondere sind die Einzel-GdB Werte nicht zu addieren, was sich aus den VG Teil A 3a) ergibt.
Weiterer Ermittlungsbedarf bestand nicht. Die ärztlichen Untersuchungsberichte mit den dort mitgeteilten Werten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Anknüpfungstatsachen geliefert, insbesondere bedurfte es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht, sodass auch dahinstehen kann, dass der Kläger keinen Grund hatte, die vom SG zunächst beauftragte Begutachtung abzulehnen und damit seinen prozessualen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt, im Wege des Überprüfungsverfahrens, die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Der 1964 geborene Kläger beantragte bei dem Landratsamt N. (LRA) am 08.10.2015 (Blatt 4 VA) erstmals die Feststellung eines GdB unter Vorlage folgender Unterlagen: - Ärztliches Attest des Internisten Dr. G. vom 12.03.2007 (Diagnose: schwer therapierbarer Bluthochdruck – Blatt 19 VA) - Berichte der Kardiologie im E. B. vom 15.06. und 16.07.2008 (Diagnosen: arterielle Hypertonie, leichte Mitralklappeninsuffizienz, Aortenklappeninsuffizienz – Blatt 20, 22 VA) - Nervenärztliches Attest Dr. B. vom 11.11.2008 (Diagnose: arterielle Hypertonie, Kopfschmerzen unklarer Genese – Blatt 21 VA) - Ärztliches Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. A. vom 20.04.2010 (Diagnose: chronisch arterielle Hypertonie – Blatt 23 VA) - Ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 27.08.2012 (Diagnose: Hypertonie, Anzeichen einer ausgeprägten akuten Belastungsstörung – Blatt 24 VA) - Psychologisches Attest/Bescheinigung der psychologischen Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene S. vom 12.10.2012 und 12.12.2012 (Diagnose: Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen, undifferenzierte Somatisierungsstörung – Blatt 25, 26 VA) - Befundberichte kardiologische Praxis M. vom 14.01.2013 (Diagnose: linksventrikuläre Hypertrophie mit erhaltener guter systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion, arterielle Hypertonie – Blatt 28, 34 VA) - Bericht der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie Klinikum A. vom 26.06.2013 (Kein Nachweis einer Belastungsischämie, keine myokardialen Narben, normal weiter linker Ventrikel, linksventrikuläre Hypertrophie wie bei hypertensiver Herzerkrankung - Blatt 29 VA) - Befundbericht der Neurologischen Gemeinschaftspraxis M. vom 06.02.2015 (Diagnosen: Spannungskopfschmerz, Kopfschmerz -Blatt 35 VA) - Radiologische Befundberichte des Dr. H. vom 17.04.2015 (Keine cerebri anterioi- oder media-Hauptstammstenose, kein Nachweis eines Aneurysmas des basalen arteriellen Gefäßkranzes – Blatt 36 VA) und 17.04.2015 (Gering ausgeprägte Mikroangiopathie, im Übrigen unauffälliges Neurokranium, Bl. 37 VA).
Das LRA holte den Befundschein des Augenarztes G. vom 25.11.2015 (Blatt 47 VA) ein, der eine korrigierte Sehschärfe von beidseits 0,8 mitteilte.
Dr. M. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 15.12.2015 (Blatt 48 VA) und empfahl die Feststellung eines GdB von 30 seit dem 08.10.2015 unter Berücksichtigung folgender Funktionseinschränkungen: - Bluthochdruck, Herzklappenfehler (Einzel-GdB 20) - Seelische Störung, Funktionelle Organbeschwerden, Kopfschmerzsyndrom (Einzel-GdB 20). Gestützt hierauf stellte das LRA mit Bescheid vom 17.12.2015 (Blatt 51 VA) einen GdB von 30 seit dem 08.10.2015 fest und verneinte das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 29.12.2015 (Blatt 56 VA) Widerspruch.
Mit Schreiben vom 26.01.2016 (Blatt 59 VA) forderte das LRA den Kläger zur Mitteilung auf, durch welchen Arzt eine Behandlung wegen der geltend gemachten psychischen Erkrankung stattfinde. Hierzu teilte der Kläger mit (Schreiben vom 28.01.2016 – Blatt 61 VA), dass sein früherer Hausarzt ihn nicht zu einer weiteren Behandlung überwiesen habe, die Gesundheitsstörung sei aber immer noch da. Sodann legte der Kläger die Befundberichte des Kardiologen Dr. A. vom 23.12.2015 (Blatt 69 VA) und des Urologen Dr. V. vom 12.02.2016 (Diagnose: Prostatahypertrophie - Blatt 71 VA) vor.
Dr. M. schätzte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.03.2016 (Blatt 73 VA) den GdB weiterhin auf 30 ein.
Mit (am 21.03.2016 abgesandtem – Absendevermerk Blatt 75 VA) Widerspruchsbescheid vom 21.03.2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, da die Feststellung eines höheren GdB als 30 nicht beansprucht werden könne.
Mit am 07.11.2016 (Blatt 96 VA) bei dem LRA eingegangenem Schreiben machte der Kläger unter dem Vorwurf der Manipulation und Fälschung unter anderem geltend, dass er nochmals Einspruch gegen die Feststellung des GdB mit 30 erhebe. Der Bluthochdruck und der Herzklappenfehler bedingten einen GdB von 50 bis 100, da eine schwere Form vorliege. Der GdB für die seelische Störung betrage 20, unter Berücksichtigung der schweren Form des Bluthochdrucks sei der Gesamt-GdB 50. Dem Schreiben war als Anlage eine Kopie des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2016 (Blatt 90 VA) beigefügt.
Mit Schreiben vom 09.11.2016 übersandte der Beklagte dem Kläger ein Antragsformular "Änderungsantrag" (Blatt 100 VA), welches dieser am 24.11.2016 dem Beklagten vorlegte (Blatt 102 VA).
Mit Schreiben vom 24.11.2016 (Blatt 107 VA) teilte der Kläger mit, dass er keinen Bescheid von dem Landesversorgungsamt H. bekommen habe, worauf hin das LRA darauf hinwies (Schreiben vom 29.11.2016 – Blatt 110 VA), dass zunächst davon ausgegangen worden sei, dass eine Neufeststellung begehrt werde, das Schreiben vom 24.11.2016 jedoch nahelege, dass eine Überprüfung beantragt werden solle.
Aufgrund der weiteren Stellungnahme des Klägers vom 06.12.2016 (Blatt 114 VA) ging das LRA ausweislich der Aktennotiz vom 12.12.2016 (Blatt 113 VA) davon aus, dass die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises begehrt werde und die Feststellung nur im Rahmen von § 44 SGB X erfolgen könne.
Dr. M. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 15.12.2016 (Blatt 115 VA) und legte dar, dass die bestehenden Funktionseinschränkungen vollständig erfasst und ausreichend bewertet seien, wobei es sich im Punkt 1.02 um eine großzügige Bewertung handele. Über 2012 hinaus würden keine Befunde vorliegen.
Mit Bescheid vom 04.01.2017 (Blatt 121 VA) lehnte das LRA die Rücknahme des Bescheides vom 17.12.2015 ab, da die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen richtig bezeichnet und bewertet worden seien.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 20.01.2017 (Blatt 126 VA) Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2017 zurückwies (Blatt 136 VA).
Am 17.03.2017 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) und legte Befundberichte vor. Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. S. vom 28.04.2017 (Innere Medizin - Blatt 49 ff. SG-Akte), des Dr. A. vom 08.05.2017 (Blatt 74 VA) und des Dr. W. vom 10.05.2017 (Blatt 68 ff. SG-Akte) ein.
Das SG beauftragte Dr. B. mit der Erstellung eines internistischen Sachverständigengutachtens, die Wahrnehmung des Untersuchungstermins verweigerte der Kläger (Blatt 89 ff. SG-Akte).
Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 17.10.2017 (Blatt 101 SG-Akte) vor. Mit Verfügung vom 02.11.2017 (Blatt 104 SG-Akte), dem Kläger zugestellt am 04.11.2017 (Blatt 104 a SG-Akte), hörte das SG die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an und gab ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.12.2017 ab und führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht vorliegen würden. Der Beklagte habe weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei er von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Bezüglich des Herz- Kreislaufsystems sei ein Einzel-GdB von 20 festzusetzen. Soweit eine chronische Gastritis und ein Schmerzsyndrom bestehe, habe Dr. S. mitgeteilt, dass insoweit keine objektivierbaren Befunde zu erheben seien. Bezüglich des Funktionssystems "Gehirn einschließlich Psyche" liege ebenfalls keine unrichtige Beurteilung vor, nachdem das am 17.04.2015 durchgeführte MRT keinen krankhaften Befund ergeben habe. Dass beim Kläger seelische Störungen von einem relevanten Ausprägungsgrad vorgelegen hätten, sei nicht objektiviert. Aktuelle Befundberichte über eine kontinuierliche fachpsychiatrische Behandlung oder auch eine Psychotherapie seien nicht vorliegend. Im Vordruck über die Entbindung von der Schweigepflicht sei weder ein Psychiater noch ein Psychologe angegeben worden. Ein Einzel-GdB von 20 für die Kopfschmerzen und von 20 für die seelische Störung sei bezüglich dieses Funktionssystems zu einem Teil-GdB von 20 zusammenzufassen. Beide Störungen seien nur als "leicht" objektivierbar, weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen nicht nachgewiesen. Die Sehstörung bedinge keinen Teil-GdB von 10, nachdem eine Sehfähigkeit beidseitig von 0,8 bestehe. Ausgehend von einem Einzel-GdB von 20 für die Herzerkrankung bzw. dem Bluthochdruck und einem Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche sei insgesamt wohlwollend von einem Gesamt-GdB von 30 auszugehen.
Gegen den am 20.12.2017 (Blatt 125a SG-Akte) zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.01.2018 unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg eingelegt. Er habe kein Einverständnis zum Erlass eines Gerichtsbescheids erteilt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er erneut unter Hinweis auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. M. vom 15.12.2015 vorgetragen, die beiden ausgewiesenen GdB-Werte von 20 für "Bluthochdruck/Herzklappenfehler" und "seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden und Kopfschmerzsyndrom" seien fehlerhaft und absichtlich auf einen Gesamt-GdB von 30 addiert worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15.12.2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 04.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung/Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2016 einen GdB von 50 ab 08.10.2015 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 04.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger kann weder die Rücknahme des Bescheides vom 17.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2016 gemäß § 44 SGB X noch die Feststellung deren Nichtigkeiten wegen Manipulation gemäß § 40 Abs. 5 SGB X beanspruchen.
Der Senat konnte feststellen, dass das Sozialgericht die Voraussetzungen des § 105 Absatz 1 SGG zu Recht angenommen hat. Dieser bestimmt, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden kann, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die gemäß § 105 Absatz 1 Satz 2 SGG erforderliche Anhörung der Beteiligten ist mit der dem Kläger am 20.12.2017 zugestellten Verfügung erfolgt, die dem Kläger ermöglicht hat, zur beabsichtigten Verfahrensweise Stellung zu nehmen. Damit ist die erforderliche Anhörung erfolgt. Eines Einverständnisses der Beteiligten bedarf es für die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht. Eine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art konnte der Senat nicht feststellen, sodass die Ermessensentscheidung, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, die nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann (B.Schmidt in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 105 Rn. 25), nicht zu beanstanden ist. Eine Besorgnis der Befangenheit, wie der Kläger meint, ergibt sich weder aus der Entscheidung durch Gerichtsbescheid selbst, noch daraus, dass dem Rechtsstandpunkt des Klägers nicht gefolgt worden ist. Abgesehen davon, geht die Geltendmachung von Befangenheit nach Abschluss des Verfahrens ins Leere.
Die Klageabweisung durch das SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das SG hat rechtlich zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid vom 17.12.2015/Widerspruchsbescheid vom 21.03.2016 nicht rechtswidrig war, somit auch nicht nichtig, denn Nichtigkeit ist eine spezielle Form der Rechtswidrigkeit (Nichtigkeit als qualifizierte Rechtswidrigkeit, vgl. u.a. Siewert/Waschull in Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl., § 40 Rn. 3), mit der gesonderten Rechtsfolge, dass ein nichtiger Verwaltungsakt nicht bestandskräftig wird. Der Kläger hat bereits im Verwaltungsverfahren eine betrügerische Manipulation geltend gemacht, die dem Bescheid vom 17.12.2015 zugrunde gelegen habe. Er hat ausdrücklich der Annahme des Landratsamts widersprochen, einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt zu haben und seine anderslautende vorhergehende Erklärung widerrufen (Schreiben vom 06.12.2016, Bl. 112 und 113/114 der Verwaltungsakte) und in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf § 160 StPO in dem von ihm als Manipulation beschriebenen Verwaltungshandeln eine strafbare Handlung gesehen, was einen gravierenden Rechtsfehler eines Verwaltungsakts darstellt, der dessen Nichtigkeit zur Folge hätte. Hierauf hat der Kläger auch sinngemäß abgestellt, da er in seinem Widerspruch vom 20.01.2017 ausdrücklich ausgeführt hat, dass die Rechtsmittelbelehrung in den von der Beklagten als bestandskräftig beurteilten Bescheiden keine Rolle spiele. Die Vorwürfe der Manipulation und behördlichen Willkür hat der Kläger auch gegenüber dem SG aufrechterhalten (Schreiben des Klägers vom 24.04.2017) und seine Weigerung, sich einer Begutachtung durch einen Sachverständigen zu unterziehen, hat er mit dem Hinweis darauf, dass sein Klageverfahren um Manipulation gehe und neue Gesichtspunkte nicht erforderlich seien, begründet (Schreiben des Klägers vom 09.11.2017). Soweit der Kläger daher die Feststellung der Nichtigkeit, gegebenenfalls durch formelle Aufhebung des Bescheids, begehrt hat, ist über dieses Begehren durch die Verwaltung und das SG mitentschieden worden.
Der Beklagte und das SG haben mit der Prüfung der Rechtswidrigkeit nach § 44 SGB X auch konkludent die Nichtigkeit wegen "Manipulation" geprüft, denn wenn die weitergehende, "einfache" Rechtswidrigkeit der Bescheide verneint wird, ist damit auch naturgemäß über einen zur Nichtigkeit führenden schweren Verfahrensmangel ablehnend entschieden worden. Das Landratsamt hatte bereits im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 29.11.2016 den Kläger darauf hingewiesen, dass der Vorwurf der Fälschung oder Manipulation beweiserheblicher Daten nicht verfahrensdienlich sei und auch nicht zutreffe. Diese Einwendungen des Klägers sind daher von der Verwaltung auch ausdrücklich zur Kenntnis genommen worden.
Auch der Senat hat keine Nichtigkeit des Bescheids vom 17.12.2015/Widerspruchsbescheid vom 21.03.2016 feststellen können. Die Auswertung der vorgelegten medizinischen Unterlagen nach Vorgabe der VG lässt keine Manipulation erkennen. Solche hat der Kläger auch nicht aufgezeigt. Vielmehr hat sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung unter anderem ergeben, dass die von ihm gerügte offensichtliche Unrichtigkeit auf der rechtlich unzutreffenden Annahme beruht, dass Einzel-GdB-Werte addiert werden dürften. Auch eine grobe Fehleinschätzung der Schwere der durch medizinische Befunde nachgewiesenen Gesundheitsstörungen ist weder ersichtlich noch vom Kläger substantiiert geltend gemacht worden. Die Bescheide unterliegen daher grundsätzlich der Bestandskraft.
Auch eine bloße Rechtswidrigkeit der somit bestandskräftigen Bescheide hat der Senat nicht feststellen können. Die von der Beklagten und vom SG vorgenommene Prüfung nach § 44 SGB X verletzt den Kläger auch insoweit nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 44 Abs. 2 SGBX. § 44 Abs. 1 SGB X ist vorliegend nicht anwendbar, da es bei der Feststellung des Grades der Behinderung nicht um Sozialleistungen geht (vgl. BSGE 69, 14 bis 20; SozR 3-1300 § 44 Nr. 3 S. 8 f.). Nach § 44 Abs. 2 SGB X ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Dabei ist innerhalb des Zugunstenverfahrens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides der Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44, RdNr. 24). Zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des Bescheids vom 22.07.2015 kommt es im Übrigen nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung an. Erforderlich ist dazu eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer - eventuell geläuterten - Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes geltenden Sach- und Rechtslage. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtswidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (vgl. Schütze, a.a.O., Rdnr. 10 mwN.). Der Senat konnte feststellen, dass der Beklagte zu Recht ein Verfahren nach § 44 SGB X durchgeführt hat, nachdem das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17.12.2015 mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2016 abgeschlossen und dieser – mangels Nichtigkeit, wie dargelegt – damit bestandskräftig geworden ist. Der Widerspruchsbescheid wurde ausweislich des Absendevermerks am 21.03.2016 zur Post aufgegeben, dass der Kläger diesen auch erhalten hat, ergibt sich daraus, dass er eine Kopie des Widerspruchsbescheides dem Beklagten vorgelegt hat. Die inhaltlichen Ausführungen des Klägers lassen den Schluss zu, dass er sich auch gegen die Richtigkeit der Entscheidung vom 17.12.2015 wendet, sodass sein Begehren auch auf eine Überprüfung des Bescheides und damit ein Verfahren nach § 44 SGB X gerichtet ist. Unabhängig davon, hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nur eine, auch von Amts wegen mögliche, Entscheidung nach § 44 SGB X getroffen, sodass auch diese Gegenstand des Verfahrens ist.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB sind die Vorschriften des SGB IX in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung, da im Verfahren nach § 44 SGB X maßgebend die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der zu überprüfenden Entscheidung ist. Nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX (jeweils aF) stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder ein anderer Wert - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktions-behinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet konnte der Senat keine Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einen höheren Einzel-GdB als 20 bedingen.
Zwar entnimmt der Senat der ärztlichen Bescheinigung der Dr. S. vom 27.08.2012 (Blatt 24 VA), dass sich zunehmende Zeichen einer ausgeprägten akuten Belastungsstörung gezeigt hätten und der psychologischen Bescheinigung von der psychologischen Beratungsstelle vom 12.12.2012 (Blatt 26 VA), dass eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung diagnostiziert worden ist, jedoch kann der Senat eine hierdurch bedingte dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit nicht feststellen; dass eine weitergehende Behandlung wegen einer psychischen Erkrankung nicht erfolgt ist, hat der Kläger auf ausdrückliche Nachfrage des Beklagten mit Rückantwort vom 28.01.2016 (Blatt 67 VA) bestätigt.
Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 – L 8 SB 1549/10, juris RdNr. 31) kann bei fehlender ärztliche Behandlung nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden über eine leichtere psychische Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze hinausgegangen ist. Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, besteht nicht. Dementsprechend kommt ein höherer Einzel-GdB als 20 nicht in Betracht.
Im Bereich Herz und Kreislauf konnte der Senat keine Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einen höheren GdB als 20 bedingen.
VG Teil B Nr. 9 bestimmt zu Herz und Kreislauf, dass für die Bemessung des GdB weniger die Art einer Herz- oder Kreislauferkrankung maßgeblich ist, als die Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdB ist zunächst von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen ist. Ergometerdaten und andere Parameter stellen Richtwerte dar, die das klinische Bild ergänzen. Elektrokardiographische Abweichungen allein gestatten keinen Rückschluss auf die Leistungseinbuße.
Unter VG Teil B Nr. 9.1. ist zu Krankheiten des Herzens bestimmt:
9.1.1. Einschränkungen der Herzleistung: 1. keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (z.B. sehr schnelles Gehen, schwere körperliche Arbeit), keine Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung; 0 – 10 2. Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen, mittelschwere körperliche Arbeiten), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten); 20 – 40 3. Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) mit gelegentlich auftretenden, vorübergehenden schweren Dekompensationserscheinungen 50 – 70 9.3. Hypertonie (Bluthochdruck)
leichte Form keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) 0 – 10 mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen – Fundus hypertonicus I – II – und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung 20 – 40 schwere Form mit Beteiligung mehrerer Organe (schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung) je nach Art und Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung 50 – 100
maligne Form diastolischer Blutdruck konstant über 130 mm Hg, fundus hypertonicus III – IV (Papillenödem, Venenstauung, Exsudate, Blutungen, schwerste arterielle Gefäßveränderungen); unter Einschluss der Organbeteiligung (Herz, Nieren, Gehirn) 100
Gestützt auf den kardiologischen Befundbericht des Dr. A. vom 23.12.2015 (Blatt 69 VA) konnte der Senat das Bestehen einer linksventrikulären Hypertrophie mit erhaltener guter systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion sowie eine arterielle Hypertonie feststellen. Die Herzhöhlen werden als normal groß bei linksventrikulärer Hypertrophie mit erhaltener systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion ohne regionale Wandbewegungsstörungen in Ruhe beschrieben. Es bestand eine diastolische Relaxationsstörung bei grenzwertig erhöhten linksventrikulären Füllungsdrucken sowie eine Aortenklappensklerosierung mit Insuffizienz Grad I. Das Ruhe-EKG zeigte einen Sinusrhythmus, eine Frequenz von 56/min, bei unauffälliger Repolarisation. Im Belastungs-EKG erfolgte eine Belastung in 25 Watt Stufen, beginnend mit 50 Watt bis 125 Watt angetreten und sodann Abbruch wegen Beinermüdung. Die Herzfrequenz stieg auf 110/min an, der Blutdruck von 135/95 mm Hg auf 180/100 mm Hg, zusätzliche Veränderungen bei Linkshypertrophiezeichen ergaben sich nicht. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Befundbericht vom 13.01.2015 (Blatt 34 VA), in dem der Blutdruck rechts mit 125/80 mm HG und links mit 120/80 mm HG angegeben wird, im EKG zeigten sich bei Abbruch des Belastungs-EKG bei 125 Watt wegen Beinmuskelermüdung keine ischämietypischen Veränderungen (so auch schon im Befundbericht vom 14.01.2013, Blatt 28 VA). Eine Belastungsischämie und myokardiale Narben konnten aufgrund der Magnetresonanztomografie des Herzens ausgeschlossen werden (Befundbericht Prof. Dr. F. vom 26.06.2013, Blatt 29 VA).
Eine Augenhintergrunduntersuchung sowie eine Messung der Augeninnendruckwerte hat nach dem Befundschein des Dr. G. vom 25.11.2015 (Blatt 47 VA) nicht stattgefunden, sodass Augenhintergrundveränderungen nicht dokumentiert sind.
Eine Einschränkung der Herzleistung auf eine Leistungsfähigkeit von nur noch 75 Watt lässt sich somit nicht feststellen, insbesondere erfolgte der Abbruch (auch schon 2013) wegen muskulärer Erschöpfung, pathologische Messwerte werden keine beschrieben. Eine mittelschwere Form des Bluthochdrucks kann schon deshalb nicht angenommen werden, da diastolische Blutdruckwerte trotz Behandlung von mehrfach über 100 mm Hg nicht dokumentiert sind, vielmehr liegen die dokumentierten diastolischen Werte, wie oben dargelegt, zwischen 80 und 95 mm Hg. Im Befundbericht vom 13.01.2015 (Blatt 26 SG-Akte) werden dementsprechend auch gute Blutdruckverhältnisse beschrieben und die Medikation daher nicht angepasst. Ein höherer Einzel-GdB für die internistischen Erkrankungen als 20 kommt somit nicht in Betracht. Der Einschätzung des Dr. A. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 08.05.2017 (Blatt 74 SG-Akte) vermag der Senat nicht zu folgen, da dieser keine Befunde mitteilt, die seine Einschätzung tragen. Im Übrigen legt der sachverständige Zeuge zu Unrecht zu Grunde, dass sich eine subjektive Beschwerdesymptomatik – der keine pathologische Ursache zugrunde liegt – erhöhend auf den GdB auswirken kann, worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat. Vielmehr bedarf es objektivierter Funktionseinschränkungen. Im Übrigen ist eine krankheitswertige Beschwerdeverarbeitung in der GdB-Bewertung für die einbezogene Anpassungsstörung bereits berücksichtigt.
Lediglich ergänzend ist, ohne dass es hierauf im Hinblick auf den Streitgegenstand ankommt, darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Befundbericht des Dr. A. vom 07.03.2017 (Blatt 50 SG-Akte) weiterhin ein Blutdruck von 160/90 mm Hg und eine Belastbarkeit im Belastungs-EKG von 100 Watt ergibt, wobei der Abbruch erneut wegen muskulärer Erschöpfung erfolgte und pathologische Messwerte nicht zu erheben waren.
Hinsichtlich der geklagten Kopfschmerzen konnte der Senat gestützt auf den radiologischen Befundbericht des Dr. H. vom 17.04.2015 (Blatt 37 VA) feststellen, dass sich kein Tumorödem und kein sub- oder epidurales Hämatom zeigten. Eine Bluthirnschrankenstörung war nicht nachzuweisen, auch kein intraaxialer, kontrastmittelaufnehmender, hirneigener Tumor. Beschrieben wird eine gering ausgeprägte Mikroangiopathie bei ansonsten unauffälligem Neurokranium. Weiterhin konnte kein Aneurysma des basalen arteriellen Gefäßkranzes nachgewiesen werden (Befundbericht Blatt 36 VA). Auch in dem Befundbericht des Neurologen W. vom 08.05.2015 (Blatt 59 SG-Akte) wird nur ein fraglich hypertensiver Kopfschmerz beschrieben, ein gesicherter Befund ist dem Bericht nicht zu entnehmen. Ein Einzel-GdB kommt hierfür nicht in Betracht, insbesondere kein solcher von 30, wie Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.10.2017 (Blatt 101 SG-Akte) für den Senat überzeugend dargelegt hat.
Hinsichtlich der chronischen Gastritis und dem Schmerzsyndrom entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. S. vom 28.04.2017 (Blatt 49 SG-Akte), dass zwar immer wieder Vorstellungen wegen geminderter Leistungsfähigkeit erfolgten, jedoch keine objektiven Befunde zu erheben waren, sodass sich hieraus ebenfalls kein Einzel-GdB ergibt.
Die von Dr. G. im Befundschein vom 25.11.2015 (Blatt 47 VA) beschriebene korrigierte Sehschärfe von beidseits 0,8 bedingt nach der Tabelle VG Teil B Nr. 4.3. keinen Einzel-GdB.
Letztlich sind den Befundberichten des Urologen Dr. V. vom 16.11.2015 (Blatt 60 SG-Akte) und vom 15.09.2016 (Blatt 52 SG-Akte) keine Diagnosen oder Funktionseinschränkungen zu entnehmen, die einen Einzel-GdB rechtfertigen.
Aus den somit anzunehmenden Einzel-GdB von 20 für die Psyche und 20 für Herz und Kreislauf ergibt sich kein höherer Gesamt-GdB als 30, wie ihn der Beklagte mit dem überprüften Bescheid bereits festgestellt hat, insbesondere sind die Einzel-GdB Werte nicht zu addieren, was sich aus den VG Teil A 3a) ergibt.
Weiterer Ermittlungsbedarf bestand nicht. Die ärztlichen Untersuchungsberichte mit den dort mitgeteilten Werten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Anknüpfungstatsachen geliefert, insbesondere bedurfte es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht, sodass auch dahinstehen kann, dass der Kläger keinen Grund hatte, die vom SG zunächst beauftragte Begutachtung abzulehnen und damit seinen prozessualen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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