L 9 R 4403/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 1756/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4403/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 10. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.11.2013 hinaus streitig.

Der 1968 geborene Kläger kroatischer Staatsagenhörigkeit lebt seit 1991 in der Bundesrepublik Deutschland. Er war zuletzt bis Juni 2010 als angelernter Industrielackierer versicherungspflichtig beschäftigt.

Auf dessen Antrag vom 06.08.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger vom 20.09.2010 bis 12.10.2010 eine ganztägig ambulante Rehabilitationsmaßnahme in der R. gGmbH in U. Am 14.12.2011 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte Gutachten bei dem Facharzt für Chirurgie Dr. J. und dem Facharzt für Nervenheilkunde S. ein. Dr. J. gab in seinem Gutachten vom 06.02.2012 die Diagnosen rezidivierende Lumbalgie trotz zweimaligem Eingriff mit Dekompression und mehrmaliger Facettenblockade bei leichter Retrolisthese L4 über 5 mit deutlicher Minderbelastbarkeit und degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Funktionseinschränkung trotz Operation im Jahr 2008 an. Leichte bis nur gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten seien leidensgerecht und mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar. Der Facharzt für Nervenheilkunde S. diagnostizierte sonstige Reaktionen auf schwere Belastung und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Er führte in seinem Gutachten vom 26.02.2012 aus, zusammenfassend fänden sich keine objektiven Zeichen, die das Leistungsvermögen reduziert erscheinen ließen. In psychiatrischer Hinsicht liege allerdings eine abnorme Erlebnisverarbeitung im Hinblick auf einen am 02.06.2010 erlittenen Unfall vor, die das Schmerzgeschehen und damit die Prognose in wesentlichem Ausmaß bestimme. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe infolge der abnormen psychischen Reaktion ein deutlich reduziertes Leistungsvermögen auf drei bis unter sechs Stunden. Ausgehend von einem Leistungsfall am 02.06.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger unter Umdeutung eines Rehabilitationsantrags vom 06.08.2010 mit Bescheid vom 07.03.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.01.2011 befristet bis zum 30.09.2013.

Am 06.05.2013 stellte der Kläger einen Antrag auf Weitergewährung der Rente über den Wegfallzeitpunkt hinaus. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 08.08.2013 darauf hin, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Vorrang vor der Gewährung einer Rente hätten. Nachdem sich der Kläger mit der Durchführung von Leistungen zur Teilhabe einverstanden erklärt hatte, gewährte die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 26.09.2013 bis zum 30.11.2013 weiter. Die stationäre Rehabilitationsmaßnahme wurde vom 09.10.2013 bis zum 06.11.2013 in der Z.-Klinik, St. B., durchgeführt. Der Kläger wurde ausweislich des Entlassungsberichts vom 13.11.2013 aus psychotherapeutischer Sicht arbeitsunfähig entlassen, da die geistig/psychische Belastbarkeit noch stark beeinträchtigt sei. Unter ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung könne eine Stabilisierung und damit Arbeitsfähigkeit erreicht werden. Durch die Veränderungen auf orthopädischem Gebiet sei die Belastbarkeit reduziert; Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen von Lasten sollten unterbleiben. Der Kläger stehe dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit diesen Einschränkungen vollschichtig zur Verfügung. Zu dem Entlassungsbericht nahm der sozialmedizinische Dienst der Beklagten durch Dr. G. am 15.11.2013 Stellung.

Mit Bescheid vom 21.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung ab. Diesem könne nicht entsprochen werden, weil der Kläger die medizinischen Voraussetzungen für diese Rente nicht mehr erfülle. Er sei wieder in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Zur Begründung seines hiergegen am 09.12.2013 eingelegten Widerspruchs legte der Kläger in dem vor dem Sozialgericht Ulm (SG) geführten Verfahren wegen der Feststellung eines Grades der Behinderung (S 8 SB 4233/11) bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R. und dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. eingeholte Gutachten vor und führte aus, aus diesen ergebe sich, dass er nicht in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Hierzu nahm der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten durch Dr. J./Dr. G. unter dem 11.03.2014 dahingehend Stellung, dass sich aus den Gutachten keine neuen Erkenntnisse ergeben und es bei der Einschätzung von Dr. G. verbleibe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2014 zurück. Der sozialmedizinische Dienst sei nach Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger auch unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen oder Behinderungen seit dem 01.12.2013 zumindest körperlich leichte Tätigkeiten wieder mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien.

Am 19.05.2014 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Am 30.05.2014 hat der Kläger Klage beim SG erhoben, zu deren Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und erneut auf die Gutachten von Dr. L. und Dr. R. Bezug genommen. Darüber hinaus hat er u.a. Befundberichte der S. Kliniken Landkreis B. vom 16.06.2015 und 28.06.2015 vorgelegt.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG den Facharzt für Allgemeinmedizin R. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört und die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Allgemeinarzt R. hat unter dem 30.01.2015 die Behandlungsdaten mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass das Beschwerdebild an der Lendenwirbelsäule seit der dritten Operation im Jahr 2012 relativ stabil sei, im Bereich der Halswirbelsäule hätten die Beschwerden seit Herbst 2014 wieder zugenommen. Die laufenden juristischen Verfahren zerrten immens an der Konstitution des Klägers, die Komplexität, die anhaltenden Widrigkeiten in der Prozessentwicklung und die Vielzahl der Termine lösten eine deutliche Belastungswirkung aus.

Dr. M. hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers in ihrem Gutachten vom 05.10.2015 ausgeführt, bei dem Kläger bestünden ein Karpaltunnelsyndrom sowie Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Zustand nach mehrfachen Operationen; eine Radikulopathie sei auszuschließen. Darüber hinaus lasse sich eine als leicht einzustufende depressive Störung feststellen. Der Krankheitsverlauf sei als leicht einzustufen; deutliche Hinweise auf Inkonsistenzen, Tendenzverhalten und möglicherweise Aggravation seien festzustellen. Aufgrund der Schmerzsituation und dem Zustand nach Wirbelsäulenoperation seien Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ohne Hilfsmittel nicht zumutbar. Tätigkeiten mit über das normale Maß hinausgehendem Stress und Druck seien ebenfalls nicht möglich. Bezüglich der Schmerzsituation komme eine Eskalation der Behandlung in Betracht. Tätigkeiten leichter, zeitweilig mittelschwerer Art könnten sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden.

Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.10.2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die – näher dargelegten – Voraussetzungen für die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung lägen nicht vor. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass bei dem Kläger für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes kein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen (mehr) bestehe und daher weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderungsrente in Betracht komme.

Gegen den ihm am 14.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.11.2016 Berufung eingelegt und an seinem bisherigen Vortrag festgehalten. Das Gutachten von Dr. M. sei für ihn nicht nachvollziehbar. Er verweise vielmehr auf die Ausführungen des Allgemeinmediziners R. Durch die durchgeführten Versteifungsoperationen an der Wirbelsäule sei es ihm nicht mehr möglich, über ein bis zwei Stunden auch leichten Belastungen körperlicher Art standzuhalten. Er bekomme dann Beschwerden in den Armen und Beinen neurologischer Art. Betroffen seien auch die Hand- und Kniegelenke. Selbst leichte Haushaltstätigkeiten könne er nur sehr langsam bzw. mit sehr langsamen Bewegungen und regelmäßigen Pausen und alle zwei Stunden mit längeren Pausen ausüben. Wegen der chronischen Schmerzen und der Depressionen müsse er sehr starke Tabletten einnehmen. Alle Tabletten verursachten starke Müdigkeit bzw. körperlichen Kraftverlust verbunden mit neurologisch-psychiatrischen Effekten. Er habe Ellenbogenschmerzen und links wie rechts eine Lähmung im kleinen Finger. An den Fußsohlen bekomme er nach zwei Stunden Sitzen Krämpfe. Er könne auch nachts nicht mehr durchschlafen. Er hat Befundberichte u.a. des Neurologen und Psychiaters R. vom 23.03.2017 und der S. Kliniken Landkreis B. vom 20.03.2017 sowie ein fachärztliches unfallchirurgisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage vom 07.10.2016, das auf Veranlassung der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft durch den Ärztlichen Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) M. und den dortigen leitenden Oberarzt der Wirbelsäulen-Chirurgie Dr. G. erstellt wurde, und ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N., BGU M., vom 16.12.2016 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 10. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. November 2013 hinaus auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung des SG und eine sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. vom 30.05.2018.

Der Senat hat im Rahmen der Beweisaufnahme den Facharzt für Neurologie und Facharzt für Psychiatrie Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach Untersuchung des Klägers am 13.10.2017 hat er in seinem Gutachten vom 03.11.2017 die Diagnosen chronisches Cervicalsyndrom mit Funktionseinschränkung nach Spondylodese HW 5 bis 7 im Jahr 2008 ohne radikuläre Symptomatik, chronisches Lumbalsyndrom mit Funktionseinschränkung bei Spondylodese LW 4/5 im Jahr 2012 ohne radikuläre Symptomatik, Epikondylopathia medialis humeri, links mehr als rechts und chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren angegeben. Es sei von einer mäßigen Funktionseinschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule auszugehen, obgleich das tatsächliche Bewegungsausmaß durch muskelkräftige Gegeninnervation bei der Untersuchung nicht bestimmbar gewesen sei. Motorische oder sensible Ausfälle im Bereich der Extremitäten bestünden nicht. Eine schwerwiegende, eigenständige seelische Krankheit liege nicht vor. Unzumutbar seien körperliche Schwerarbeiten, ständig mittelschwere Arbeiten, Über-Kopf-Arbeiten, ständiges Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel, Tätigkeiten überwiegend im Freien unter Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft sowie Zwangshaltungen. Zumutbar seien leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne einseitige Belastung in einer täglichen Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden. Eine zeitliche Leistungseinschränkung sei nicht begründbar.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat dann den Neurologen und Psychiater Dr. Lang mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat Dr. Lang in seinem Gutachten vom 01.05.2018 ausgeführt, auf nervenärztlichem Fachgebiet bestünden ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden, aktuell mit Wurzelreizerscheinungen in L5 links und mit glaubhaft vertebragenen Kopfschmerzen, eine Epikondylitis medialis beidseits am Ellenbogen und eine rezidivierend depressive Störung und Angst, gegenwärtig leicht bis mittelgradig ausgeprägt. Die Einschätzung einer somatoformen Schmerzstörung, einer chronifizierten Schmerzstörung mit somatischen psychischen Faktoren sei nicht gerechtfertigt, vielmehr sei als Hauptdiagnose von einer rezidivierend depressiven Störung auszugehen. Eine quantitative Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit sei in erster Linie vor dem Hintergrund der depressiven Störung festzustellen, hier sei die Belastbarkeit auf eine Tätigkeit von drei bis unter sechs Stunden begrenzt. Das schmerzhafte Wirbelsäulensyndrom und die Epikondylitis begründeten keine zeitliche Einschränkung. Leichte aufsichtführende Arbeiten seien möglich. Der festgestellte Zustand bestehe seit Jahren bzw. seit Antragstellung, die Leistungsfähigkeit habe sich im Laufe des Verfahrens nicht geändert. Es sei durchaus möglich, dass es unter einer angepassten Therapie zu einer Besserung des Gesundheitszustandes dahingehend kommen könne, dass eine volle Leistungsfähigkeit wieder erreicht werde. Die Feststellung, eine volle Leistungsfähigkeit für leidensgerechte Arbeiten liege vor, sei hinsichtlich der Schwere der Depressivität nicht gerechtfertigt. Weitergehende Untersuchungen seien nicht notwendig; die weitergehende Einordnung der Epikondylitis werde nicht zu gravierenden Änderungen der Einschätzung der beruflichen Belastbarkeit führen. Zu der Stellungnahme von Dr. E. vom 30.05.2018 hat Dr. L. nochmals unter dem 23.06.2018 ergänzend Stellung genommen und an seiner Leistungseinschätzung festgehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 10.10.2016 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2014 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.11.2013 hinaus hat.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juli 2017, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).

An diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, ist der Kläger zur Überzeugung des Senats nicht voll erwerbsgemindert. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen oder körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Gutachten von Dr. M. und Dr. H. sowie der im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Verwaltungsgutachten der Sachverständigen Dr. J. und S. Nicht zu folgen vermochte der Senat im Ergebnis der Leistungseinschätzung von Dr. L.

Der Senat stellt zunächst fest, dass der Kläger ausweislich der eingeholten Gutachten unter einem chronischen Cervicalsyndrom mit Funktionseinschränkung nach Spondylodese HW 5-7 im Jahr 2008 ohne radikuläre Symptomatik, einem chronischen Lumbalsyndrom mit Funktionseinschränkung bei Spondylodese LW 4/5 ohne radikuläre Symptomatik und Epikondylopathia medialis humeri links mehr als rechts leidet. Darüber hinaus besteht bei dem Kläger eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.

Die Erkrankungen auf orthopädischem und auf psychiatrischem Fachgebiet führen weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau dazu, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter sechs Stunden arbeitstäglich eingeschränkt ist.

Die Veränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule ergeben sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen, u.a. aus den Gutachten von Dr. J. und Dr. H., den durch den Kläger vorgelegten Gutachten des Dr. G. vom 07.10.2016 und des Dr. R. vom 23.11.2013 sowie den Befundberichten der Sana Kliniken Landkreis B. vom 20.03.2017. Die Gutachter gehen übereinstimmend davon aus, dass bei dem Kläger vor dem Hintergrund degenerativer Veränderungen und mehrfacher operativer Interventionen ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom besteht. Zuletzt konnte Dr. L. aktuell zwar Wurzelreiz-erscheinungen in L5 links und glaubhaft vorgetragene vertebragene Kopfschmerzen im Zusammenhang mit der Wirbelsäulenerkrankung feststellen. Die Gutachter sind aber im Ergebnis übereinstimmend zu der Einschätzung gelangt, dass durch die Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule zwar eine qualitative, aber keine zeitliche Leistungseinschränkung bedingt ist. Dies wurde zuletzt überzeugend auch durch Dr. L. bestätigt, der ausdrücklich keine Beeinträchtigung der zeitlichen Belastbarkeit aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung annimmt. So sind dem Kläger aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule schweres Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Nässe und Kälte, Überkopfarbeiten und Arbeiten in Zwangshaltungen nicht mehr möglich, eine Tätigkeit im zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden aber zumutbar.

Ebenfalls lediglich zu einer qualitativen, aber nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens führt die chronische Epikondylitis medialis beidseits. Das Vorliegen dieser Erkrankung ist den vorliegenden Gutachten sowie u.a. den Berichten der S. Kliniken Landkreis B. vom 20.03.2017, des Dr. D. vom 15.09.2017 und des Dr. B. vom 23.03.2017 zu entnehmen, der zugleich ein Sulcus-ulnaris-Syndrom ausgeschlossen hat. Zuletzt hat Dr. L. zwar einen Druckschmerz im Bereich der Ellenbogen beidseits im Sinne einer Epikondylitis medialis festgestellt, in diesem Zusammenhang allerdings keine Beeinträchtigung neuraler Strukturen. Nachvollziehbar führt Dr. L. aus, dass sich die Beurteilung des Leistungsvermögens aufgrund der Epikondylitis medialis aufgrund der fehlenden Beeinträchtigungen neuraler Strukturen nicht aus dem neurologischen, sondern aus dem chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet ergibt. Zugleich ist die von ihm getroffene Einschätzung, wonach auch eine weitergehende – fachspezifische – Einordnung der Epikondylitis nicht zu einer weitergehenden Einschränkung des Leistungsvermögens führt, für den Senat überzeugend. Wie bereits die Vorgutachter geht auch Dr. L. überzeugend davon aus, dass die Erkrankung am Ellenbogen zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens für schwere Arbeiten führt, nicht aber zu einer auch zeitlichen Einschränkung.

Zur Überzeugung der Kammer führen auch die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Kläger, wie Dr. H. in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgutachter S., dem behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B., den S. Kliniken B. (zuletzt Entlassbericht vom 20.03.2017) und dem Entlassungsbericht der Z.-Klinik St. B. vom 13.11.2013 annimmt, unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren oder – so die von Dr. L. und Dr. M. angenommene Diagnose – unter einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leicht bis mittel ausgeprägt leidet, oder entsprechend der Einschätzung des Dr. N. in dem für die BG Bau erstellten Gutachten vom 16.12.2016 die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit einer depressiven Begleitsymptomatik, teils im Sinne einer Anpassungsstörung, teils auch in der Ausprägung einer mittelgradigen depressiven Episode zu stellen ist und erhebliche anankastisch-paranoide Persönlichkeitsanteile vorliegen. Maßgeblich sind die sich aus den jeweiligen Befunden abzuleitenden funktionellen Beeinträchtigungen, die zur Überzeugung des Senats die Annahme einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens im Falle des Klägers nicht rechtfertigen.

Dr. H. ist nach umfangreicher Befunderhebung für den Senat schlüssig und nachvollziehbar zu der Auffassung gelangt, dass dem Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt trotz der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet noch zumutbar sind. Er hat sich ausführlich mit der Krankheitsgeschichte des Klägers auseinandergesetzt, hat – unter Einbeziehung testpsychologischer Untersuchungen – gründlich Befunde erhoben, aus denen er seine Leistungseinschätzung für den Senat überzeugend ableitet. Dr. H. beschreibt den Kläger im psychischen Befund als bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ voll orientiert, ausgesprochen lebhaft in Gestik und Mimik, im Gespräch gut zugewandt, kontaktbereit und durchaus wendig. Der Kläger war nicht schwerwiegend depressiv herabgestimmt und affektiv gut schwingungsfähig. Es fand sich eine ausgeprägte Vorwurfshaltung bezogen auf Arbeitgeber und Behandler. Hinweise auf Interessenverlust oder Freudlosigkeit konnte der Gutachter nicht feststellen. Das Selbstwertgefühl war keinesfalls gemindert, Schuldgefühle oder Gefühle der Wertlosigkeit, negative Zukunftsperspektiven, Lebensüberdruss oder Suizidgedanken stellte der Gutachter nicht fest. Darüber hinaus fanden sich keine Appetitminderung, keine Schlafstörungen, keine psychotischen Elemente. Formale oder inhaltliche Denkstörungen, Perseverationen, Sinnestäuschungen, Wahnwahrnehmungen oder Auffassungsstörungen waren nicht festzustellen. Der Denkablauf war geordnet, die Konzentrations- und Merkfähigkeit nicht beeinträchtigt, Gedächtnisstörungen, kognitive Leistungseinbußen, Antriebstörungen oder Ich-Störungen konnte der Gutachter nicht feststellen. Seine Einschätzung, wonach sich kein Nachweis für eine tiefergehende depressive Verstimmung, eine Psychose oder ein hirnorganisches Psychosyndrom von Krankheitswert fand, ist aufgrund dieser Befunde auch für den Senat nachvollziehbar. Die bei den Selbstbeurteilungsskalen und in der HADS-D-Skala durch den Kläger angegebenen Werte korrelierten nach der Einschätzung des Gutachters nicht mit dem klinischen Befund und sind aufgrund der in den Beschwerdevalidierungstests festgestellten deutlichen Hinweise auf ein nicht authentisches Verhalten nicht aussagekräftig. Die auf Grundlage der Befunde getroffene Leistungseinschätzung, wonach der Kläger jedenfalls leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, ist daher auch für den Senat überzeugend. Sie steht in Übereinstimmung mit den Vorgutachten des Verwaltungsgutachters S. und der durch das SG beauftragten Dr. M.

Nicht zu folgen vermochte der Senat der Leistungseinschätzung des Dr. L ... Unabhängig davon, ob die von Dr. L. angenommene Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leicht bis mittel ausgeprägt, zutreffend ist, rechtfertigen die durch ihn mitgeteilten Befunde die Annahme einer Leistungseinschränkung auf drei bis unter sechs Stunden zur Überzeugung des Senats nicht. Dr. L. beschreibt den Kläger im psychiatrischen Befund als freundlich, zugewandt und kooperativ. Das Krankheitsverständnis wird als eher somatisch beschrieben, die Introspektionsfähigkeit als gering. Die Stimmung wird als subdepressiv ausgelenkt angegeben, Angst und Perspektivstörungen lagen vor. Die Psychomotorik war gebunden, die Schwingungsfähigkeit eingeschränkt. Glaubhaft seien Einschlaf- und Durchschlafstörungen geschildert worden. Eine innere Unruhe und inzwischen auch eine Reizbarkeit war auch während der Untersuchungssituation festzustellen. Formale oder inhaltliche weitergehende Denkstörungen lagen nicht vor. Zwar ergeben sich aus diesem Befund und in Zusammenschau mit den durch Dr. L. durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen Einschränkungen für das Leistungsvermögen des Klägers, die durch Dr. L. angenommene zeitliche Einschränkung auf unter sechs Stunden ist für den Senat allerdings nicht nachvollziehbar. Der Senat schließt sich insoweit den Einwänden von Dr. E. in ihrer Stellungnahme vom 30.05.2018 an, die Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.06.2018 nicht entkräften konnte. Dr. E. weist zutreffend darauf hin, dass der von Dr. L. erhobene psychopathologische Befund nicht schwerwiegend ausfällt. Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber Dr. L. – wie bereits gegenüber Dr. H. und Dr. N. – über einen ausgefüllten Tagesablauf berichtet. Der Kläger steht regelmäßig gegen 6:30 Uhr auf, bringt die Kinder zur Schule, macht Hausarbeiten, kocht, holt die Kinder von der Schule, erledigt den Einkauf, staubsaugt und macht die Wäsche. Hieraus lässt sich ein geregelter und strukturierter Tagesablauf entnehmen, der gegen die durch Dr. L. angenommene Schwere der Symptomatik spricht. Soweit Dr. L. einwendet, die Tagesstruktur gehorche eher der notwendigen Versorgung der Familie, nachdem die Ehefrau vollschichtig arbeite, als dass sie tatsächlich Ausdruck von Leistungsfähigkeit wäre, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Allein der Umstand, dass es dem Kläger möglich ist, eine gewisse Tagesstruktur einzuhalten und den Haushalt der Familie zu versorgen, spricht für ein noch vorhandenes Leistungsvermögen trotz der psychiatrischen Erkrankung. Soweit Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme auf das schwere schmerzhafte Wirbelsäulensyndrom verweist, das einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 rechtfertige und geeignet sei, über die bestehenden Schmerzen hinaus die Depressivität zu verstärken, vermag dies den Senat ebenfalls nicht von einer anderen Leistungsbeurteilung zu überzeugen. Zum einen ist der GdB nicht geeignet, das Leistungsvermögen zu bemessen. Denn die Beurteilung nach dem Schwerbehindertenrecht besitzt für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Rahmen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung keine anspruchsbegründende Bedeutung (BSG, Beschluss vom 09.12.1987 – 5b BJ 156/87 –, Juris) und die Voraussetzungen für die Beurteilung des GdB unterscheiden sich maßgeblich (vgl. § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch: Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft) von jenen für die Beurteilung einer Erwerbsminderung (vgl. z.B. § 43 Abs. 3 SGB VI: Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten). Zum anderen hat Dr. L. in seinem Gutachten selbst ausgeführt, dass das Wirbelsäulensyndrom für sich genommen nicht geeignet ist, eine zeitliche Leistungsminderung zu begründen und bei dem Kläger gerade keine Schmerzerkrankung zu diagnostizieren sei, so dass für den Senat nicht nachvollziehbar ist, warum der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme zur Begründung seiner Leistungseinschätzung auch auf die durch die Wirbelsäulenerkrankung bedingten Schmerzen abstellt. Zweifel an der Leistungseinschätzung des Dr. L. bestehen für den Senat auch deshalb, weil er in seinem Gutachten vom 01.05.2018 ausführt, der festgestellte Zustand bestehe seines Erachtens schon seit Jahren bzw. seit der Antragstellung und die Leistungsfähigkeit habe sich im Laufe des Verfahrens nicht geändert, andererseits in seinem Gutachten vom 29.11.2013 auf psychiatrischem Fachgebiet lediglich eine subdepressive Verstimmung angenommen und ausgeführt hatte, die rezidivierende Depression sei derzeitig unter einer entsprechend antidepressiven Medikation und niederfrequenter psychotherapeutischer Behandlung weitgehend kompensiert. Eine durchgehende Einschränkung des Leistungsvermögens ist daher für den Senat aufgrund der durch Dr. L. erstellten Gutachten in keiner Weise nachvollziehbar.

Nicht entscheidungserheblich kommt es darauf an, ob die durch alle Gutachter festgestellte Überbetonung von Beschwerden als Simulation anzusehen ist oder – wie Dr. L. annimmt – aus dem Gefühl herrührt, sonst nicht verstanden zu werden. Dr. E. weist insofern allerdings zutreffend darauf hin, dass die durch Dr. L. durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen Hinweise auf Aggravation und Simulation ergaben. In der Schmerz-Simulationsskala zeigte sich ein Hinweis auf Aggravation, beim strukturierten Fragebogen simulierter Symptome ergaben sich Hinweise auf Simulation. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der durch Dr. H. und Dr. M. durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen; bei beiden Gutachtern wurde bei dem strukturierten Fragebogen simulierter Symptome (SFSS) ein auffälliger Wert erreicht. Jedenfalls wurden deutliche Hinweise auf nicht authentisches Verhalten und erhebliche Verdeutlichungstendenzen durch alle Gerichtsgutachter festgestellt.

Aufgrund der bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen sind, wie sich aus den eingeholten Gutachten ergibt, qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zu berücksichtigen. Dem Kläger sind Tätigkeiten, die mit schwerem Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Nässe und Kälte, Überkopfarbeiten und Arbeiten in Zwangshaltungen nicht mehr zumutbar. Darüber hinaus sind Arbeiten überwiegend unter Zeitdruck, unter hoher Verantwortung und mit besonderer Anforderung an das Auffassungs- und Umstellungsvermögen, an die Konzentration und an Eigeninitiative nicht leidensgerecht. Nur begrenzt möglich sind Tätigkeiten im Kundenverkehr.

Die vorliegenden Einschränkungen können damit zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Ein Rentenanspruch kann vorliegend somit auch nicht auf die Grundsätze einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1983 – 5a RKn 28/82 –, Juris). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. Eine Verweisungstätigkeit braucht erst dann benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen daher entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG, Urteile vom 20.08.1997 – 13 RJ 39/96 –, vom 11.05.1999 – B 13 RJ 71/97 –, vom 24.02.1999 – B 5 RJ 30/98 – und vom 09.09.1998 – B 13 RJ 35/97 R –, Juris). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.04.1982 – 1 RJ 132/80 –, Juris) jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen von Gegenständen, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Ausgehend hiervon liegt bei dem Kläger unter Berücksichtigung der bereits beschriebenen qualitativen Einschränkungen weder eine besondere spezifische Leistungsbeeinträchtigung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, nachdem dem Kläger noch weite Teile des Arbeitsmarktes für leichte Tätigkeiten offenstehen. Unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen sind dem Kläger körperlich leichte Tätigkeiten in Produktion, Logistik und Dienstleistung, etwa das Verpacken leichter Industrie- oder Handelserzeugnisse, Montier- oder Sortierarbeiten oder vergleichbare Hilfsarbeiten zumutbar. Derartige Tätigkeiten sind dem Kläger körperlich zumutbar und auch unter Berücksichtigung der psychiatrischen Einschränkungen noch leidensgerecht. Zu vermeiden sind insoweit lediglich Tätigkeiten unter Zeitdruck, unter hoher Verantwortung und mit besonderer Anforderung an Auffassungs- und Umstellungsvermögen, Konzentration und Eigeninitiative. Diese Einschränkungen schränken das Leistungsvermögen für die durch das BSG beispielhaft genannten Tätigkeiten nicht ein. Auch leichte aufsichtsführende Arbeiten sind dem Kläger nach Einschätzung von Dr. L. noch möglich.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, einen Arbeitsplatz aufzusuchen, bestehen nicht; bei dem Kläger liegen keine Erkrankungen vor, die sich auf die Gehfähigkeit derart auswirken, dass es ihr nicht mehr möglich wäre, viermal täglich eine Strecke von 500 Metern in einem zumutbaren Zeitaufwand zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Wegefähigkeit des Klägers ist nach der Einlassung aller gehörten Gutachter nicht beeinträchtigt, so dass auch aus diesem Grund keine volle Erwerbsminderung resultiert.

Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenfolge beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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