Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 6318/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4676/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Bescheid der Krankenkasse über die Beendigung der Familienversicherung (§ 10 SGB V) zu einem bestimmten Zeitpunkt wegen Nichtvorlage von Einkommensnachweisen ist grundsätzlich ein (ausschließlich) belastender Verwaltungsakt. Als (auch) begünstigender (Status-)Verwaltungsakt (Verwaltungsakt mit belastender und begünstigender Mischwirkung, BVerwG, Urteil vom 11.07.2013, - 5 C 24/12 -, in juris) kann er für die Zeit vor dem festgelegten Beendigungszeitpunkt nur bei Vorliegen besonderer Umstände eingestuft werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03.11.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt der Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen.
Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Ihr Ehemann ist als Beamter (Konrektor einer Werkrealschule) nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Die Beklagte führte für die 2000 bzw. 2004 geborenen Beigeladenen, Kinder der Klägerin und ihres Ehemannes, über die Klägerin als Stammversicherte (antragsgemäß) die Familienversicherung durch. Seit 01.09.2015 sind die Beigeladenen privat krankenversichert.
Mit Schreiben vom 17.12.2014, 14.01.2015 und 04.02.2015 forderte die Beklagte bei der Klägerin (Einkommens-)Unterlagen zur Prüfung der Voraussetzungen für die (weitere) Durchführung der Familienversicherung der Beigeladenen an. In einem Aktenvermerk über ein Telefongespräch mit dem Ehemann der Klägerin vom 16.03.2015 heißt es, der Ehemann der Klägerin habe mitgeteilt, die Steuererklärung für 2012 liege dem Finanzamt seit Mitte Dezember vor; er rechne innerhalb der nächsten 3 Wochen mit dem Ergehen eines Steuerbescheids und werde der Beklagten alle Unterlagen sodann gesammelt vorlegen.
Mit (an die Klägerin gerichteten) Bescheiden vom 09.06.2015 beendete die Beklagte die Familienversicherung der Beigeladenen zum 05.12.2014; die Familienversicherung ende, weil die zur Prüfung der Versicherungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen bisher nicht vorgelegt worden seien.
Die Klägerin legte einen (ausgefüllten) Fragebogen vom 13.06.2015, den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts E. für 2013 vom 29.04.2015 (Einkünfte des Ehemannes der Klägerin bzw. der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit 59.739,00 EUR bzw. 26.792,00 EUR) und die Bezügemitteilung ihres Ehemannes für Januar 2015 (Grundgehalt 4.709,35 EUR) vor.
Auf Anforderung der Beklagten (Schreiben vom 18.06.2015) wurde der Einkommensteuerbescheid des Finanzamts E. für 2012 vom 28.03.2014 vorgelegt (Einkünfte des Ehemannes der Klägerin bzw. der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit 59.301,00 EUR bzw. 27.152,00 EUR).
Bei einem Telefongespräch vom 14.07.2015 gab der Ehemann der Klägerin an, er habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 bereits im vergangenen Jahr vorgelegt.
Mit (an die Klägerin gerichtetem) Bescheid vom 14.07.2015 beendete die Beklagte die Familienversicherung der Beigeladenen (schon) zum 31.03.2014. Der Ehemann der Klägerin sei nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse und sein Einkommen übersteige durchschnittlich 1/12 der Jahresarbeitsentgeltgrenze und sei auch höher als das Einkommen der Klägerin.
Bei einem Telefongespräch vom 21.07.2015 gab der Ehemann der Klägerin an, er habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 bereits im Lauf des Jahres vorgelegt. Er habe auf den Einkommensteuerbescheid für 2013 gewartet und nicht gewusst, dass der Einkommensteuerbescheid für 2012 zwingend notwendig sei.
Am 10.08.2015 erhob die Klägerin Widerspruch; man könne die Beendigung der Familienversicherung zum Dezember 2014 akzeptieren.
Mit Bescheid vom 16.09.2015 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab; die (auf der Grundlage einer als Verwaltungsakt einzustufenden Bestätigung durchgeführte) Familienversicherung der Beigeladenen werde (erst) zum 30.04.2014 beendet. Es sei davon auszugehen, dass der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 28.03.2014 am 01.04.2014 zugestellt worden sei. Das im genannten Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Gesamteinkommen von 57.531,00 EUR übersteige die Jahresarbeitsentgeltgrenze für 2014 von 53.550,00 EUR. Deswegen könne die Familienversicherung der Beigeladenen nach Ablauf des April 2014 (Monat der Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids für 2012) nicht mehr durchgeführt werden. Der Einkommensteuerbescheid für 2012 sei bei ihr, der Beklagten, erst am 02.07.2015 eingegangen. Damit seien die Mitteilungspflichten aus § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verletzt worden; die Familienversicherung werde nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rückwirkend beendet.
Mit an die Beigeladenen gerichteten Bescheiden vom 12.11.2015 stellte die Beklagte (u.a.) die Durchführung der freiwilligen Krankenversicherung vom 01.05.2014 bis 31.08.2015 fest.
Mit (an die Klägerin gerichtetem) Bescheid vom 12.11.2015 ergänzte die Beklagte die Begründung des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 16.09.2015. Das Vertrauen auf den Fortbestand der Bescheide vom 09.06.2015 (Ende der Familienversicherung der Beigeladenen erst zum 05.12.2014) sei nicht schutzwürdig; Vermögensdispositionen seien insoweit nicht geltend gemacht worden. Demgegenüber habe die Versichertengemeinschaft ein erhöhtes Interesse an der Korrektur rechtswidriger Dauerverwaltungsakte. Bei der Ermessensausübung habe man berücksichtigt, dass die Versichertengemeinschaft die ordnungsgemäße Anwendung des geltenden Rechts erwarten dürfe. Die Unterlagen zur Prüfung der Familienversicherung der Beigeladenen seien erst nach dem 05.12.2014 vorgelegt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wies die Beklagte den Widerspruch (soweit ihm nicht abgeholfen worden war) zurück. Die Familienversicherung der Beigeladenen sei ab 01.05.2014 nicht mehr durchzuführen, da das durch den Einkommensteuerbescheid für 2012 nachgewiesene Gesamteinkommen des nicht gesetzlich krankenversicherten Ehemannes der Klägerin regelmäßig im Monat 1/12 der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteige und regelmäßig höher sei als das Gesamteinkommen der Klägerin (§ 10 Abs. 3 SGB V). Die Bescheide vom 09.06.2015 (Ende der Familienversicherung der Beigeladenen erst zum 05.12.2014) könnten als rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte nach Maßgabe des § 45 SGB X zurückgenommen werden. Da Einkommensnachweise nicht vorgelegt worden seien, habe man nicht wissen können, dass das Gesamteinkommen des Ehegatten der Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt (vor dem 05.12.2014) die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen habe. Mit den Bescheiden vom 14.07.2015, 16.09.2015 und 12.11.2015 habe man die Bescheide vom 09.06.2015 geändert und die Familienversicherung der Beigeladenen schon zum 30.04.2014 beendet. Sowohl im Familienversicherungsantrag wie in der Bestätigung der Durchführung der Familienversicherung sei darauf hingewiesen worden, dass alle Änderungen, die Auswirkungen auf die Durchführung der Familienversicherung haben könnten, u.a. Änderungen der Einkommensverhältnisse, mitzuteilen seien. Nähere Informationen hätten dem (beigefügten) Beratungsblatt zur Familienversicherung entnommen werden können. Außerdem werde in ihrem Mitteilungsblatt (Mitgliederzeitschrift) die Höhe der neuen Gesamteinkommensgrenze jeweils zum Jahreswechsel veröffentlicht. Es treffe nicht zu, dass der Einkommensteuerbescheid für 2012 nach dessen Erlass vorgelegt worden sei. Ein entsprechender Eingang finde sich in den Verwaltungsakten nicht.
Am 29.12.2015 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Ihr Ehemann habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 unverzüglich nach Erhalt, offenbar Anfang April 2014, an die Beklagte abgesandt. Das Telefongespräch vom 16.03.2015 habe die Einkommensteuererklärung für 2013 (nicht für 2012) zum Gegenstand gehabt; der über das Telefongespräch angefertigte Aktenvermerk der Beklagten sei insoweit unrichtig. Mitteilungspflichten seien nicht grob fahrlässig verletzt worden. Ihr Ehemann habe nach dem Telefongespräch vom 16.03.2015 angenommen, es gehe nur noch um die Einkommensunterlagen für 2013. Das Jahr 2012 sei für ihn abgeschlossen gewesen, weil er den Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr bereits im April 2014 an die Beklagte abgesandt habe. Die Familienversicherung der Beigeladenen dürfe erst ab Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2013 (vom 29.04.2015) beendet werden; bis dahin sei das Vertrauen auf den Fortbestand der Familienversicherung schutzwürdig. Im Hinblick auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2012 im April 2014 habe die Beklagte auch die einjährige Rücknahmefrist versäumt.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen. Sie habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 erst im Juli 2015 erhalten. Die Klägerin habe angesichts der Hinweise in den ihr übergebenen Beratungs- und Mitteilungsblättern gewusst, dass das maßgebliche Gesamteinkommen die Einkommensgrenze für die Familienversicherung übersteige. Die Verwaltungsakten würden in digitalisierter Form geführt. Alle Schreiben seien chronologisch geordnet. Der Einkommensteuerbescheid für 2012 sei bei ihr per Post am 02.07.2015 eingegangen.
Mit Beschluss vom 04.05.2016 lud das SG die Beigeladenen zum Verfahren bei.
Am 03.11.2016 fand die mündliche Verhandlung des SG statt. Der Vertreter der Beklagten gab an, man habe die Familienversicherung der Beigeladenen zunächst zum 05.12.2014 beendet, weil das letzte Formular zur Bestandsprüfung am 05.12.2013 ausgefüllt worden sei. Unter Zugrundelegung der damaligen Verhältnisse, vorgelegt worden sei auch der Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 21.03.2013, hätten die Voraussetzungen für die weitere Durchführung der Familienversicherung noch vorgelegen.
Mit Urteil vom 03.11.2016 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 14.07.2015 in der Fassung des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 16.09.2015 und des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 auf und stellte fest, dass die Familienversicherung der Beigeladenen zum 05.12.2014 geendet hat. Die Bescheide vom 09.06.2015, mit denen die Familienversicherung der Beigeladenen zum 05.12.2014 und nicht zu einem früheren Zeitpunkt beendet worden sei, stellten (insoweit) rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte dar. Die (Rücknahme-)Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 - 3 SGB X seien nicht erfüllt. Bis zum Ergehen des Rücknahmebescheids vom 14.07.2015 seien keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), sondern gar keine Angaben gemacht worden. Die Beklagte habe das Ende der Familienversicherung der Beigeladenen fiktiv auf den 05.12.2014 festgelegt und hierfür an den 05.12. des Vorjahres (2013) angeknüpft, das Datum der letzten Vorlage eines Auskunftsbogens. Sie habe sich die Feststellung eines früheren Endzeitpunkts nach Vorlage der Einkommensunterlagen nicht vorbehalten. Es sei auch nicht erkennbar gewesen, dass sie nach wie vor auf der Vorlage der angeforderten Einkommensunterlagen bestehe. Die Klägerin habe annehmen dürfen, die Familienversicherung der Beigeladenen sei wegen Nichtvorlage von Unterlagen zum 05.12.2014 beendet worden. Die Beklagte habe auch nicht darauf hingewiesen, der festgelegte (fiktive) Endzeitpunkt könne unrichtig sein, sollte aus den Einkommensteuerbescheiden der frühere Wegfall der Voraussetzungen für die Durchführung der Familienversicherung hervorgehen. Deswegen habe die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 09.06.2015 auch nicht erkennen können. Es bleibe daher bei dem in diesen Bescheiden festgelegten Zeitpunkt für die Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen.
Gegen das ihr am 28.11.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.12.2016 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat (Anschluss-)Berufung nicht eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, unrichtige Angaben i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X könnten auch durch das Verschweigen von Tatsachen unter Verletzung einer Mitteilungspflicht gemacht werden. Der Klägerin sei angesichts der Hinweise auf die Pflicht zur Mitteilung aller Änderungen in den Einkommensverhältnissen und der ihr übergebenen Mitteilungsblätter auch bewusst gewesen, dass die Einkommensgrenze für die weitere Durchführung der Familienversicherung der Beigeladenen schon ab 01.05.2014 überstiegen gewesen sei.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03.11.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In den Bescheiden vom 09.06.2015 sei auf die Pflicht zur Vorlage weiterer Einkommensunterlagen zur Prüfung eines früheren Endzeitpunkts der Familienversicherung der Beigeladenen nicht hingewiesen worden. Auf Ausführungen in der Mitgliederzeitschrift der Beklagten komme es nicht an; sie sei zur Lektüre dieser Zeitschrift nicht verpflichtet.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und Anträge nicht gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 14.07.2015 in der Gestalt des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 16.09.2015 (sowie des Bescheids vom 12.11.2015 und des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015), mit dem die Beklagte die Familienversicherung der Beigeladenen abweichend von der in den Bescheiden vom 09.06.2015 getroffenen Regelung schon zum 30.04.2014 und nicht erst zum 05.12.2014 beendet hat. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig. Sie ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.
Die Beteiligten streiten nicht darüber, dass die Beigeladenen gemäß § 10 Abs. 3 SGB V zum 30.04.2014 nicht mehr familienversichert gewesen sind, weil ihr Vater, der mit ihnen verwandte Ehegatte der Klägerin (§ 10 Abs. 3 SGB V), als Beamter nicht Mitglied einer Krankenkasse ist, sein Gesamteinkommen die in § 10 Abs. 3 SGB V festgelegte Einkommensgrenze für 2014 ausweislich des Einkommensteuerbescheids des Finanzamts E. für 2012 vom 28.03.2014 überstiegen hat und auch regelmäßig höher gewesen ist als das Gesamteinkommen der Klägerin; hierfür wird auf die Begründung der Bescheide vom 14.07.2015 und 16.09.2015 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 Bezug genommen (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG).
Die Klägerin wendet sich ersichtlich auch nicht gegen die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen als solche. (Anschluss-)Berufung hat sie nicht eingelegt und damit die im Urteil des SG festgestellte rückwirkende Beendigung der Familienversicherung zum 05.12.2014, wie schon im Widerspruchsverfahren zum Ausdruck gebracht, akzeptiert; die Rechtmäßigkeit der hier streitigen rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung schon zum 30.04.2014 steht deswegen freilich nicht rechtskräftig fest. Die Beklagte hat die Familienversicherung der Beigeladenen aber rückwirkend beenden dürfen. Wie insbesondere aus dem (Teilabhilfe-)Bescheid vom 16.09.2015 hervorgeht, ist die Durchführung der (beantragten) Familienversicherung (hier) durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X (als Entscheidung über den Versicherungsstatus der Beigeladenen, vgl. dazu Noftz, in: Hauck/Noftz SGB V § 10 Rdnr. 199; auch Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.10.2007, - L 11 KR 92/06 -, in juris) festgestellt worden, weshalb (anders als bei Durchführung der Familienversicherung ohne Statusentscheidung allein kraft Gesetzes, vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.12.2000, - B 10 KR 3/99 R -, in juris) die Maßgaben des § 48 SGB X (Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung) zu beachten sind. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (rückwirkend) aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X); das ist der Fall, wenn der Betroffene bei Anwendung eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss (dazu jurisPK-SGB X/Padé § 45 Rdnr. 91 m.N. zur Rspr. des BSG). Der unter dem 28.03.2014 ergangene Einkommensteuerbescheid des Finanzamts E. für 2012 mit der darin ausgewiesenen Änderung der für die Durchführung der Familienversicherung maßgeblichen Einkommensverhältnisse ist der Beklagten entgegen der in § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V festgelegten Mitteilungspflicht (vgl. auch die Mitteilungspflicht aus § 10 Abs. 6 Satz 1 SGB V) nicht unverzüglich vorgelegt worden; der Einkommensteuerbescheid ist bei der Beklagten per Post erst am 02.07.2015 eingegangen. Die im Klageverfahren aufgestellte Behauptung, man habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 (wohl) nach Erhalt im April 2014 an die Beklagte abgesandt, überzeugt nicht, zumal der Ehemann der Klägerin bei einem (weiteren) Telefongespräch vom 21.07.2015 (nach dem ersten, nach Ansicht der Klägerin nicht zutreffend dokumentierten, Telefongespräch vom 16.03.2015) angegeben hat, er habe den im Juli 2014 erhaltenen Einkommensteuerbescheid für 2012 im "Laufe des Jahres" (2015) vorgelegt; er habe auf den Einkommensteuerbescheid für 2013 (vom 29.04.2015) gewartet und nicht gewusst, dass der Einkommensteuerbescheid für 2012 zwingend notwendig sei. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, zumal die maßgebliche Einkommensgrenze (53.550,00 EUR) mit dem Gesamteinkommen des Ehemannes der Klägerin (57.531,00 EUR) nicht nur unerheblich überschritten worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach ihrer persönlichen Einsichts- und Kritikfähigkeit nicht in der Lage gewesen ist, die Reichweite der Mitteilungsverpflichtung zu erfassen, sind nicht ersichtlich. Ermessen ist im Bescheid vom 12.11.2015 bzw. im Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 ausgeübt worden. Die Jahresfrist (§§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) ist gewahrt.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen nur noch darüber, ob der mit den angefochtenen Bescheiden verfügten Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen schon zum 30.04.2014 Vertrauensschutz wegen des in den Bescheiden vom 09.06.2015 genannten Beendigungszeitpunkts 05.12.2014 entgegensteht. Das ist nicht der Fall.
Die Bescheide vom 09.06.2015, auf die das SG für die Gewährung von Vertrauensschutz abgestellt hat, beenden die Familienversicherung der Beigeladenen zum 05.12.2014. Darin erschöpft sich ihr Regelungsgehalt. Sie sind daher i.S.d. § 45 SGB X keine begünstigenden, sondern allein belastende Verwaltungsakte. Als Verwaltungsakte mit sowohl belastender wie begünstigender Mischwirkung (dazu etwa Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11.07.2013, - 5 C 24/12 -, in juris Rdnr. 31 ff.; auch Senatsurteil vom 13.04.2011, - L 5 R 1004/10 -, in juris Rdnr. 38) können sie (entgegen der im Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung der Beklagten) auch im Wege der (nach Maßgabe der entsprechend anzuwendenden §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durchzuführenden) Auslegung nicht eingestuft werden. Die genannten Bescheide treffen neben der (als Verfügungssatz) ausdrücklich ausgesprochenen belastenden Beendigung der Familienversicherung zum hierfür genannten (End-)Zeitpunkt keine schlüssig ausgesprochene begünstigende Statusfeststellung für die Zeit davor. Das folgt schon aus der den Bescheiden beigefügten Begründung. Die Beklagte stellt darin auf die Nichtvorlage der mehrfach (unter dem 17.12.2014, 14.01.2015 und 04.02.2015) angeforderten Einkommensunterlagen und damit auf die Unmöglichkeit, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für den Fortbestand des Versicherungsstatus der Beigeladenen als Familienversicherte zu prüfen, ab. Einem Bescheid, der den Versicherungsstatus (hier: Familienversicherung) mangels Mitwirkung des Versicherten ohne inhaltliche Prüfung beendet, kann der Bescheidadressat eine begünstigende Statusregelung grundsätzlich nicht entnehmen. Hierfür wären, hier nicht vorliegende, besondere Umstände notwendig; die Angabe eines (auch mehrere Monate) in der Zukunft liegenden Beendigungszeitpunkts für sich allein genügt nicht. Die Krankenkasse muss sich auch nicht vorbehalten, den Versicherungsstatus nach durchgeführter inhaltlicher Prüfung zu einem anderen (früheren) Zeitpunkt zu beenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt der Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen.
Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Ihr Ehemann ist als Beamter (Konrektor einer Werkrealschule) nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Die Beklagte führte für die 2000 bzw. 2004 geborenen Beigeladenen, Kinder der Klägerin und ihres Ehemannes, über die Klägerin als Stammversicherte (antragsgemäß) die Familienversicherung durch. Seit 01.09.2015 sind die Beigeladenen privat krankenversichert.
Mit Schreiben vom 17.12.2014, 14.01.2015 und 04.02.2015 forderte die Beklagte bei der Klägerin (Einkommens-)Unterlagen zur Prüfung der Voraussetzungen für die (weitere) Durchführung der Familienversicherung der Beigeladenen an. In einem Aktenvermerk über ein Telefongespräch mit dem Ehemann der Klägerin vom 16.03.2015 heißt es, der Ehemann der Klägerin habe mitgeteilt, die Steuererklärung für 2012 liege dem Finanzamt seit Mitte Dezember vor; er rechne innerhalb der nächsten 3 Wochen mit dem Ergehen eines Steuerbescheids und werde der Beklagten alle Unterlagen sodann gesammelt vorlegen.
Mit (an die Klägerin gerichteten) Bescheiden vom 09.06.2015 beendete die Beklagte die Familienversicherung der Beigeladenen zum 05.12.2014; die Familienversicherung ende, weil die zur Prüfung der Versicherungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen bisher nicht vorgelegt worden seien.
Die Klägerin legte einen (ausgefüllten) Fragebogen vom 13.06.2015, den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts E. für 2013 vom 29.04.2015 (Einkünfte des Ehemannes der Klägerin bzw. der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit 59.739,00 EUR bzw. 26.792,00 EUR) und die Bezügemitteilung ihres Ehemannes für Januar 2015 (Grundgehalt 4.709,35 EUR) vor.
Auf Anforderung der Beklagten (Schreiben vom 18.06.2015) wurde der Einkommensteuerbescheid des Finanzamts E. für 2012 vom 28.03.2014 vorgelegt (Einkünfte des Ehemannes der Klägerin bzw. der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit 59.301,00 EUR bzw. 27.152,00 EUR).
Bei einem Telefongespräch vom 14.07.2015 gab der Ehemann der Klägerin an, er habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 bereits im vergangenen Jahr vorgelegt.
Mit (an die Klägerin gerichtetem) Bescheid vom 14.07.2015 beendete die Beklagte die Familienversicherung der Beigeladenen (schon) zum 31.03.2014. Der Ehemann der Klägerin sei nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse und sein Einkommen übersteige durchschnittlich 1/12 der Jahresarbeitsentgeltgrenze und sei auch höher als das Einkommen der Klägerin.
Bei einem Telefongespräch vom 21.07.2015 gab der Ehemann der Klägerin an, er habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 bereits im Lauf des Jahres vorgelegt. Er habe auf den Einkommensteuerbescheid für 2013 gewartet und nicht gewusst, dass der Einkommensteuerbescheid für 2012 zwingend notwendig sei.
Am 10.08.2015 erhob die Klägerin Widerspruch; man könne die Beendigung der Familienversicherung zum Dezember 2014 akzeptieren.
Mit Bescheid vom 16.09.2015 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab; die (auf der Grundlage einer als Verwaltungsakt einzustufenden Bestätigung durchgeführte) Familienversicherung der Beigeladenen werde (erst) zum 30.04.2014 beendet. Es sei davon auszugehen, dass der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 28.03.2014 am 01.04.2014 zugestellt worden sei. Das im genannten Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Gesamteinkommen von 57.531,00 EUR übersteige die Jahresarbeitsentgeltgrenze für 2014 von 53.550,00 EUR. Deswegen könne die Familienversicherung der Beigeladenen nach Ablauf des April 2014 (Monat der Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids für 2012) nicht mehr durchgeführt werden. Der Einkommensteuerbescheid für 2012 sei bei ihr, der Beklagten, erst am 02.07.2015 eingegangen. Damit seien die Mitteilungspflichten aus § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verletzt worden; die Familienversicherung werde nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) rückwirkend beendet.
Mit an die Beigeladenen gerichteten Bescheiden vom 12.11.2015 stellte die Beklagte (u.a.) die Durchführung der freiwilligen Krankenversicherung vom 01.05.2014 bis 31.08.2015 fest.
Mit (an die Klägerin gerichtetem) Bescheid vom 12.11.2015 ergänzte die Beklagte die Begründung des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 16.09.2015. Das Vertrauen auf den Fortbestand der Bescheide vom 09.06.2015 (Ende der Familienversicherung der Beigeladenen erst zum 05.12.2014) sei nicht schutzwürdig; Vermögensdispositionen seien insoweit nicht geltend gemacht worden. Demgegenüber habe die Versichertengemeinschaft ein erhöhtes Interesse an der Korrektur rechtswidriger Dauerverwaltungsakte. Bei der Ermessensausübung habe man berücksichtigt, dass die Versichertengemeinschaft die ordnungsgemäße Anwendung des geltenden Rechts erwarten dürfe. Die Unterlagen zur Prüfung der Familienversicherung der Beigeladenen seien erst nach dem 05.12.2014 vorgelegt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wies die Beklagte den Widerspruch (soweit ihm nicht abgeholfen worden war) zurück. Die Familienversicherung der Beigeladenen sei ab 01.05.2014 nicht mehr durchzuführen, da das durch den Einkommensteuerbescheid für 2012 nachgewiesene Gesamteinkommen des nicht gesetzlich krankenversicherten Ehemannes der Klägerin regelmäßig im Monat 1/12 der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteige und regelmäßig höher sei als das Gesamteinkommen der Klägerin (§ 10 Abs. 3 SGB V). Die Bescheide vom 09.06.2015 (Ende der Familienversicherung der Beigeladenen erst zum 05.12.2014) könnten als rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte nach Maßgabe des § 45 SGB X zurückgenommen werden. Da Einkommensnachweise nicht vorgelegt worden seien, habe man nicht wissen können, dass das Gesamteinkommen des Ehegatten der Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt (vor dem 05.12.2014) die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen habe. Mit den Bescheiden vom 14.07.2015, 16.09.2015 und 12.11.2015 habe man die Bescheide vom 09.06.2015 geändert und die Familienversicherung der Beigeladenen schon zum 30.04.2014 beendet. Sowohl im Familienversicherungsantrag wie in der Bestätigung der Durchführung der Familienversicherung sei darauf hingewiesen worden, dass alle Änderungen, die Auswirkungen auf die Durchführung der Familienversicherung haben könnten, u.a. Änderungen der Einkommensverhältnisse, mitzuteilen seien. Nähere Informationen hätten dem (beigefügten) Beratungsblatt zur Familienversicherung entnommen werden können. Außerdem werde in ihrem Mitteilungsblatt (Mitgliederzeitschrift) die Höhe der neuen Gesamteinkommensgrenze jeweils zum Jahreswechsel veröffentlicht. Es treffe nicht zu, dass der Einkommensteuerbescheid für 2012 nach dessen Erlass vorgelegt worden sei. Ein entsprechender Eingang finde sich in den Verwaltungsakten nicht.
Am 29.12.2015 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Ihr Ehemann habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 unverzüglich nach Erhalt, offenbar Anfang April 2014, an die Beklagte abgesandt. Das Telefongespräch vom 16.03.2015 habe die Einkommensteuererklärung für 2013 (nicht für 2012) zum Gegenstand gehabt; der über das Telefongespräch angefertigte Aktenvermerk der Beklagten sei insoweit unrichtig. Mitteilungspflichten seien nicht grob fahrlässig verletzt worden. Ihr Ehemann habe nach dem Telefongespräch vom 16.03.2015 angenommen, es gehe nur noch um die Einkommensunterlagen für 2013. Das Jahr 2012 sei für ihn abgeschlossen gewesen, weil er den Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr bereits im April 2014 an die Beklagte abgesandt habe. Die Familienversicherung der Beigeladenen dürfe erst ab Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2013 (vom 29.04.2015) beendet werden; bis dahin sei das Vertrauen auf den Fortbestand der Familienversicherung schutzwürdig. Im Hinblick auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2012 im April 2014 habe die Beklagte auch die einjährige Rücknahmefrist versäumt.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen. Sie habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 erst im Juli 2015 erhalten. Die Klägerin habe angesichts der Hinweise in den ihr übergebenen Beratungs- und Mitteilungsblättern gewusst, dass das maßgebliche Gesamteinkommen die Einkommensgrenze für die Familienversicherung übersteige. Die Verwaltungsakten würden in digitalisierter Form geführt. Alle Schreiben seien chronologisch geordnet. Der Einkommensteuerbescheid für 2012 sei bei ihr per Post am 02.07.2015 eingegangen.
Mit Beschluss vom 04.05.2016 lud das SG die Beigeladenen zum Verfahren bei.
Am 03.11.2016 fand die mündliche Verhandlung des SG statt. Der Vertreter der Beklagten gab an, man habe die Familienversicherung der Beigeladenen zunächst zum 05.12.2014 beendet, weil das letzte Formular zur Bestandsprüfung am 05.12.2013 ausgefüllt worden sei. Unter Zugrundelegung der damaligen Verhältnisse, vorgelegt worden sei auch der Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 21.03.2013, hätten die Voraussetzungen für die weitere Durchführung der Familienversicherung noch vorgelegen.
Mit Urteil vom 03.11.2016 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 14.07.2015 in der Fassung des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 16.09.2015 und des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 auf und stellte fest, dass die Familienversicherung der Beigeladenen zum 05.12.2014 geendet hat. Die Bescheide vom 09.06.2015, mit denen die Familienversicherung der Beigeladenen zum 05.12.2014 und nicht zu einem früheren Zeitpunkt beendet worden sei, stellten (insoweit) rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte dar. Die (Rücknahme-)Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 - 3 SGB X seien nicht erfüllt. Bis zum Ergehen des Rücknahmebescheids vom 14.07.2015 seien keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), sondern gar keine Angaben gemacht worden. Die Beklagte habe das Ende der Familienversicherung der Beigeladenen fiktiv auf den 05.12.2014 festgelegt und hierfür an den 05.12. des Vorjahres (2013) angeknüpft, das Datum der letzten Vorlage eines Auskunftsbogens. Sie habe sich die Feststellung eines früheren Endzeitpunkts nach Vorlage der Einkommensunterlagen nicht vorbehalten. Es sei auch nicht erkennbar gewesen, dass sie nach wie vor auf der Vorlage der angeforderten Einkommensunterlagen bestehe. Die Klägerin habe annehmen dürfen, die Familienversicherung der Beigeladenen sei wegen Nichtvorlage von Unterlagen zum 05.12.2014 beendet worden. Die Beklagte habe auch nicht darauf hingewiesen, der festgelegte (fiktive) Endzeitpunkt könne unrichtig sein, sollte aus den Einkommensteuerbescheiden der frühere Wegfall der Voraussetzungen für die Durchführung der Familienversicherung hervorgehen. Deswegen habe die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 09.06.2015 auch nicht erkennen können. Es bleibe daher bei dem in diesen Bescheiden festgelegten Zeitpunkt für die Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen.
Gegen das ihr am 28.11.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.12.2016 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat (Anschluss-)Berufung nicht eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, unrichtige Angaben i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X könnten auch durch das Verschweigen von Tatsachen unter Verletzung einer Mitteilungspflicht gemacht werden. Der Klägerin sei angesichts der Hinweise auf die Pflicht zur Mitteilung aller Änderungen in den Einkommensverhältnissen und der ihr übergebenen Mitteilungsblätter auch bewusst gewesen, dass die Einkommensgrenze für die weitere Durchführung der Familienversicherung der Beigeladenen schon ab 01.05.2014 überstiegen gewesen sei.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 03.11.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In den Bescheiden vom 09.06.2015 sei auf die Pflicht zur Vorlage weiterer Einkommensunterlagen zur Prüfung eines früheren Endzeitpunkts der Familienversicherung der Beigeladenen nicht hingewiesen worden. Auf Ausführungen in der Mitgliederzeitschrift der Beklagten komme es nicht an; sie sei zur Lektüre dieser Zeitschrift nicht verpflichtet.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und Anträge nicht gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 14.07.2015 in der Gestalt des (Teilabhilfe-)Bescheids vom 16.09.2015 (sowie des Bescheids vom 12.11.2015 und des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015), mit dem die Beklagte die Familienversicherung der Beigeladenen abweichend von der in den Bescheiden vom 09.06.2015 getroffenen Regelung schon zum 30.04.2014 und nicht erst zum 05.12.2014 beendet hat. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig. Sie ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.
Die Beteiligten streiten nicht darüber, dass die Beigeladenen gemäß § 10 Abs. 3 SGB V zum 30.04.2014 nicht mehr familienversichert gewesen sind, weil ihr Vater, der mit ihnen verwandte Ehegatte der Klägerin (§ 10 Abs. 3 SGB V), als Beamter nicht Mitglied einer Krankenkasse ist, sein Gesamteinkommen die in § 10 Abs. 3 SGB V festgelegte Einkommensgrenze für 2014 ausweislich des Einkommensteuerbescheids des Finanzamts E. für 2012 vom 28.03.2014 überstiegen hat und auch regelmäßig höher gewesen ist als das Gesamteinkommen der Klägerin; hierfür wird auf die Begründung der Bescheide vom 14.07.2015 und 16.09.2015 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 Bezug genommen (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG).
Die Klägerin wendet sich ersichtlich auch nicht gegen die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen als solche. (Anschluss-)Berufung hat sie nicht eingelegt und damit die im Urteil des SG festgestellte rückwirkende Beendigung der Familienversicherung zum 05.12.2014, wie schon im Widerspruchsverfahren zum Ausdruck gebracht, akzeptiert; die Rechtmäßigkeit der hier streitigen rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung schon zum 30.04.2014 steht deswegen freilich nicht rechtskräftig fest. Die Beklagte hat die Familienversicherung der Beigeladenen aber rückwirkend beenden dürfen. Wie insbesondere aus dem (Teilabhilfe-)Bescheid vom 16.09.2015 hervorgeht, ist die Durchführung der (beantragten) Familienversicherung (hier) durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X (als Entscheidung über den Versicherungsstatus der Beigeladenen, vgl. dazu Noftz, in: Hauck/Noftz SGB V § 10 Rdnr. 199; auch Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.10.2007, - L 11 KR 92/06 -, in juris) festgestellt worden, weshalb (anders als bei Durchführung der Familienversicherung ohne Statusentscheidung allein kraft Gesetzes, vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.12.2000, - B 10 KR 3/99 R -, in juris) die Maßgaben des § 48 SGB X (Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung) zu beachten sind. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (rückwirkend) aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X); das ist der Fall, wenn der Betroffene bei Anwendung eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss (dazu jurisPK-SGB X/Padé § 45 Rdnr. 91 m.N. zur Rspr. des BSG). Der unter dem 28.03.2014 ergangene Einkommensteuerbescheid des Finanzamts E. für 2012 mit der darin ausgewiesenen Änderung der für die Durchführung der Familienversicherung maßgeblichen Einkommensverhältnisse ist der Beklagten entgegen der in § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V festgelegten Mitteilungspflicht (vgl. auch die Mitteilungspflicht aus § 10 Abs. 6 Satz 1 SGB V) nicht unverzüglich vorgelegt worden; der Einkommensteuerbescheid ist bei der Beklagten per Post erst am 02.07.2015 eingegangen. Die im Klageverfahren aufgestellte Behauptung, man habe den Einkommensteuerbescheid für 2012 (wohl) nach Erhalt im April 2014 an die Beklagte abgesandt, überzeugt nicht, zumal der Ehemann der Klägerin bei einem (weiteren) Telefongespräch vom 21.07.2015 (nach dem ersten, nach Ansicht der Klägerin nicht zutreffend dokumentierten, Telefongespräch vom 16.03.2015) angegeben hat, er habe den im Juli 2014 erhaltenen Einkommensteuerbescheid für 2012 im "Laufe des Jahres" (2015) vorgelegt; er habe auf den Einkommensteuerbescheid für 2013 (vom 29.04.2015) gewartet und nicht gewusst, dass der Einkommensteuerbescheid für 2012 zwingend notwendig sei. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, zumal die maßgebliche Einkommensgrenze (53.550,00 EUR) mit dem Gesamteinkommen des Ehemannes der Klägerin (57.531,00 EUR) nicht nur unerheblich überschritten worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach ihrer persönlichen Einsichts- und Kritikfähigkeit nicht in der Lage gewesen ist, die Reichweite der Mitteilungsverpflichtung zu erfassen, sind nicht ersichtlich. Ermessen ist im Bescheid vom 12.11.2015 bzw. im Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 ausgeübt worden. Die Jahresfrist (§§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) ist gewahrt.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen nur noch darüber, ob der mit den angefochtenen Bescheiden verfügten Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen schon zum 30.04.2014 Vertrauensschutz wegen des in den Bescheiden vom 09.06.2015 genannten Beendigungszeitpunkts 05.12.2014 entgegensteht. Das ist nicht der Fall.
Die Bescheide vom 09.06.2015, auf die das SG für die Gewährung von Vertrauensschutz abgestellt hat, beenden die Familienversicherung der Beigeladenen zum 05.12.2014. Darin erschöpft sich ihr Regelungsgehalt. Sie sind daher i.S.d. § 45 SGB X keine begünstigenden, sondern allein belastende Verwaltungsakte. Als Verwaltungsakte mit sowohl belastender wie begünstigender Mischwirkung (dazu etwa Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11.07.2013, - 5 C 24/12 -, in juris Rdnr. 31 ff.; auch Senatsurteil vom 13.04.2011, - L 5 R 1004/10 -, in juris Rdnr. 38) können sie (entgegen der im Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung der Beklagten) auch im Wege der (nach Maßgabe der entsprechend anzuwendenden §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durchzuführenden) Auslegung nicht eingestuft werden. Die genannten Bescheide treffen neben der (als Verfügungssatz) ausdrücklich ausgesprochenen belastenden Beendigung der Familienversicherung zum hierfür genannten (End-)Zeitpunkt keine schlüssig ausgesprochene begünstigende Statusfeststellung für die Zeit davor. Das folgt schon aus der den Bescheiden beigefügten Begründung. Die Beklagte stellt darin auf die Nichtvorlage der mehrfach (unter dem 17.12.2014, 14.01.2015 und 04.02.2015) angeforderten Einkommensunterlagen und damit auf die Unmöglichkeit, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für den Fortbestand des Versicherungsstatus der Beigeladenen als Familienversicherte zu prüfen, ab. Einem Bescheid, der den Versicherungsstatus (hier: Familienversicherung) mangels Mitwirkung des Versicherten ohne inhaltliche Prüfung beendet, kann der Bescheidadressat eine begünstigende Statusregelung grundsätzlich nicht entnehmen. Hierfür wären, hier nicht vorliegende, besondere Umstände notwendig; die Angabe eines (auch mehrere Monate) in der Zukunft liegenden Beendigungszeitpunkts für sich allein genügt nicht. Die Krankenkasse muss sich auch nicht vorbehalten, den Versicherungsstatus nach durchgeführter inhaltlicher Prüfung zu einem anderen (früheren) Zeitpunkt zu beenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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