L 11 KR 2686/18 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 12 KR 1145/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2686/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 32/13 R; Richter in: Schlegel/Voelzke, jur
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Beitragsforderung fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich die Antragsgegnerin bereit erklärt hat, den Vollzug der Beitragsforderung auszusetzen.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung suspendiert nur die
Vollziehbarkeit, aber nicht die Fälligkeit der Beitragsforderung.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 10.07.2018 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:
I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage bezüglich Beitragsforderungen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Antragsteller erhält eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung sowie eine polnische Altersrente. Mit Bescheid vom 18.10.2017, geändert durch die Bescheide vom 11.12.2017 und 25.04.2018, setzten die Antragsgegnerinnen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum ab Dezember 2012 unter Berücksichtigung der polnischen Altersrente fest.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 22.03.2018 und 17.04.2018 wiesen die Antragsgegner Widersprüche hiergegen zurück.

Am 27.04.2018 erhob der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) gegen die Widerspruchsbescheide.

Mit Schreiben vom 08.05.2018 teilte die Vollstreckungsbehörde der Antragsgegnerinnen dem Antragsteller mit, dass das Landratsamt K. ab 01.03.2018 die laufenden Beiträge zahle und ein Vollstreckungsaufschub bis zu Klärung im Widerspruchs-/Klageverfahren, längstens jedoch bis zum 31.10.2019 gewährt werde. Im Schreiben wurde ausgeführt, dass der gewährte Vollstreckungsaufschub sich ausschließlich auf die Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen beziehe und keine Stundung im Hinblick auf die Beitragszahlungspflichten beinhalte. Auf rückständige Beiträge würden weiterhin Säumniszuschläge gemäß § 24 SGB IV berechnet.

Am 24.05.2018 hat der Antragsteller beim SG einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Das SG hat die Sach- und Rechtslage in einem Erörterungstermin am 28.06.2018 mit den Beteiligten erörtert und mit Beschluss vom 10.07.2018 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig sei. Die Antragsgegnerinnen hätten mit Schreiben vom 08.05.2018 erklärt, den Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe auszusetzen. Mithin drohe aktuell kein Vollzug des streitgegenständlichen Beitragsbescheides. Neben der durch die Antragsgegnerinnen erfolgten Aussetzung der Vollziehung bleibe damit für eine inhaltsgleiche Entscheidung des Gerichts kein Raum mehr. Denn auch durch die aufschiebende Wirkung werde - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - die Fälligkeit der Forderung nicht berührt, sondern lediglich die Vollziehbarkeit. Damit könnte auch die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Beitragsbescheide an deren Fälligkeit und damit am Anfall von Säumniszuschlägen nichts ändern. Soweit der Antragsteller im Hinweis auf die Säumniszuschläge selbst eine ein Rechtsschutzbedürfnis rechtfertigende Beschwer sehe, sei dem gleichfalls nicht zu folgen. Derzeit sei weder absehbar, ob die Klage Erfolg habe, noch ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe Säumniszuschläge durch die Antragsgegnerinnen gefordert würden. Der Hinweis auf Säumniszuschläge würde diese weder festsetzen noch würden solche bestandskräftig.

Gegen den dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 11.07.2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20.07.2018 beim SG eingegangene Beschwerde.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zulässig und begründet sei. Säumniszuschläge seien während des Klageverfahrens nur dann nicht zu zahlen, wenn das Gericht die aufschiebende Wirkung anordne. Die Beitragsnachforderung sei rechtswidrig.

Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 20.07.2018 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27.04.2018 gegen die Bescheide der Antragsgegnerinnen vom 18.10.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2018 sowie vom 11.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2018 anzuordnen, sowie dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat verweist auf die zutreffenden Gründe im Beschluss des SG vom 10.07.2018. Aus der Beschwerdebegründung ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen.

Für die hier vom Antragsteller begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Beitragsbescheide der Antragsgegnerinnen nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG fehlt es zumindest derzeit am Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragsgegnerinnen haben sich mit Schreiben vom 08.05.2018 bereit erklärt, den Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zu Klärung im Widerspruchs-/Klageverfahren, längstens jedoch bis zum 31.10.2019, auszusetzen. Mithin droht aktuell und auch für die nähere Zukunft kein Vollzug der streitgegenständlichen Beitragsforderungen und der Säumniszuschläge (sa Senatsbeschluss vom 31.07.2015 – L 11 R 2693/15 ER-B).

Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 20.11.2008 – 3 C 13/08, BVerwGE 132, 250 und vom 20.04.2004 – 9 B 109/03) an. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung verschiebt die Fälligkeit der Beitragsforderung nicht. Die Fälligkeit beruht auf dem Gesetz und wird nicht erst durch den Beitragsbescheid herbeigeführt (sa Senatsbeschluss vom 04.09.2013 – L 11 R 2315/13 ER-B). Vielmehr wird durch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung lediglich die Vollziehbarkeit der Forderung suspendiert. Da die Säumniszuschläge gemäß § 24 Abs 1 S 1 SGB IV jedoch von der Fälligkeit der Beitragsforderung abhängen, fallen diese grundsätzlich auch an, wenn eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs besteht. Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung, wenn die Rechtsfolge des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung mit Eintritt der Rechtskraft betrachtet wird. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Auffassung fällt die aufschiebende Wirkung mit Rechtskraft einer Entscheidung ex tunc weg. Die aufschiebende Wirkung wird mit der Folge beseitigt, dass der angefochtene Verwaltungsakt als von Anfang an wirksam zu behandeln ist (ua BSG 16.12.2014 - B 1 KR 32/13 R; Richter in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 86a SGG, Rn 27). Damit würden, unterstellt man mit dem Antragsteller die Suspendierung des Anfalls der Säumniszuschläge bei aufschiebender Wirkung des Rechtsbehelfs, rückwirkend Säumniszuschläge für die gesamte Zeit fällig werden. Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann demnach kein Rechtsvorteil gegenüber dem Vollzugsverzicht erreicht werden.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt, da aus obigen Gründen keine Erfolgsaussichten bestehen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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