L 6 VG 2878/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 VG 95/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 2878/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine leichtfertige und sozial missbilligenswerte Selbstgefährdung liegt auch dann vor, wenn das Opfer im Rahmen eines langfristigen innerfamiliären Streits (hier um das Sorgerecht über ein Kind) und nach der Beendigung einer bereits gewalttätig gewordenen Auseinandersetzung die Kontrahenten erneut aufsucht, um „dem Streit ein Ende zu machen“, dabei potenzielle Schlagwerkzeuge mit sich führt und sich damit in die erneute Auseinandersetzung begibt, nachdem diese von verbalen Anwürfen zu Gewalttätigkeiten übergegangen ist.

2. Welche Verhaltensweisen sozial missbilligenswert sind, bestimmt die Rechtsordnung. Hierzu gehört das staatliche Gewaltmonopol. Es verlangt, laufende, auch innerfamiliäre Konflikte mit Hilfe der staatlichen Instanzen (hier: Jugendamt, Familiengericht, Polizei) zu beenden und nicht durch verbale oder körperliche Auseinandersetzungen. Dies gilt auch dann, wenn innerhalb der Familie oder Gruppe des Gewaltopfers möglicherweise abweichende kulturelle oder soziale Vorstellungen oder Verhaltensmuster bestehen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. April 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren von dem beklagten Land Witwenrente und Bestattungsgeld nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen des Todes ihres Ehemannes im Jahre 2012.

Die 1967 geborene Klägerin, M. W., ist deutsche Staatsangehörige und wohnt im Inland. Sie war seit 1985 mit dem 1957 geborenen G. W., dem Geschädigten und später Verstorbenen, verheiratet. Die Ehe war vor dem Standesbeamten geschlossen worden (vgl. Heiratsurkunde Nr .../1985 des Standesamts S.-Z.). Aus der Ehe sind fünf Kinder entstanden, darunter der 1991 geborene J. D. W ... Dieser war mit der 1983 geborenen G. K. nach der Tradition der Bevölkerungsgruppe der Sinti "verheiratet" (vgl. zu den Rechtswirkungen einer Ehe nach Sinti-Art Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 2. Februar 1993 - 2 BvR 1491/91 -, juris, Rz. 2 ff.) und hatte mit ihr einen zur Tatzeit fünf Monate alten Sohn. G. K. hatte bereits zwei Kinder aus einer früheren Ehe nach Sinti-Art mit S. B ... Die damals 10-jährige Tochter aus dieser Beziehung lebte bei ihr und J. W. in R.-N., während der Sohn bei seinem Vater bzw. den Großeltern väterlicherseits wohnte. Die Mitglieder der Familie W. mit Ausnahme des J. wohnten in K ... Die Familie B. war in S.-Z. wohnhaft.

Die Familien W./K. einer- und B. andererseits gehören der Bevölkerungsgruppe der Sinti an. Sie sind weitläufig miteinander verwandt und kannten sich seit mehreren Jahren bzw. Jahrzehnten, wobei man sich auf Familienfesten bzw. Beerdigungen traf. Zumindest bis mehrere Jahre vor der hier angeschuldigten Tat war das Verhältnis freundschaftlich, die Kinder beider Familien trafen sich und gingen bis ins Erwachsenalter miteinander aus. Jedenfalls mindestens seit 2010 hatte es aber innerfamiliäre Auseinandersetzungen wegen des Wohnorts bzw. des Umgangsrechts über die 10-jährige Tochter des S. B. und der G. K. gegeben. So hatte S. B. Ende 2011 über das Netzwerk "Facebook" Kontakt zu seiner Tochter aufgenommen, dieser Kontakt riss aber wieder ab, wobei nicht geklärt werden konnte, ob dafür G. K. verantwortlich war. Das Jugendamt war nicht involviert und auch familiengerichtliche Verfahren wurden nach Aktenlage nicht angestrengt.

Die Vorgeschichte, der Ablauf der Tat und die weiteren Ereignisse stellen sich nach den Feststellungen in dem - rechtskräftigen - Urteil des Landgerichts Stuttgart (LG) in dem Verfahren 9 Ks 112 Js 45573/12 vom 5. Februar 2014 und nach den darüber hinaus reichenden Ausführungen in den Ermittlungsberichten des Polizeipräsidiums S. (ZU/0037011/2012 und ST/0036027/2012) wie folgt dar:

Am Sonntag, dem 8. Januar 2012, gegen 14.00 Uhr, begaben sich M. B. und R. R., die Mutter und eine Schwester des S. B., zu der Wohnung von G. K. und J. W. in N ... Sie forderten G. K. auf, einen regelmäßigen Umgang zwischen S. B. und seiner 10-jährigen Tochter zu ermöglichen. R. R. war außerdem wütend, weil ihnen zugetragen worden war, dass G. K. sie kurz vor der Tat auf "Facebook" beleidigt habe. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen auf der Straße und den Bewohnern, vor allem G. K., die am Fenster standen. Nach den Angaben der Bewohner hätten die Frauen auf der Straße auch gedroht, ihr die Tochter wegzunehmen, entweder durch eine gerichtliche Entscheidung oder durch Entführung. Ferner hätten sie Baseballschläger und Schlagringe gezeigt. Festgestellt wurde, dass die Frauen auf der Straße eine Bürste gegen die Haustür warfen, die dabei beschädigt wurde.

Unbeteiligte Zeugen für diesen Vorfall wurden später nicht ermittelt. Nach Aktenlage riefen G. K. oder J. W. die Polizei, die auch vor Ort erschien, allerdings waren M. B. und R. R. zu diesem Zeitpunkt schon wieder gefahren. Strafanzeige wurde - von den Betroffenen - nicht erstattet und Strafantrag (wegen Sachbeschädigung) nicht gestellt.

Unmittelbar nach diesem Vorfall riefen G. K. und J. W. die Klägerin und den Geschädigten an, diese kamen daraufhin nach R. und sprachen über den Vorfall.

Weniger als eine Stunde später, kurz nach 15.00 Uhr, suchten mindestens fünf Mitglieder der Familie W./K. das Haus der Familie B. in Z. auf. Dies waren zumindest die Klägerin, der Geschädigte, ihr Sohn J. mit seiner Verlobten sowie eine Tochter der Klägerin, M. W. (die frühere Klägerin zu 2). Die Familie benutzte das Auto des Geschädigten. Sie hatte vor, den aus ihrer Sicht durch den vorangegangenen Besuch von M. B. und R. R. zur Eskalation gebrachten Streit weiter auszutragen - nach den Einlassungen auch der Klägerin wollte man "über die Sache reden und allem ein Ende machen". Den Beteiligten aus der Familie W./K. war klar, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen konnte. Ihnen allen war insbesondere bekannt, dass S. B., der Vater der 10-jährigen Tochter der G. K., als aggressiv bekannt und auch schon wegen Körperverletzung bestraft worden war. Einstweilen stiegen nur die Frauen aus dem Auto und lieferten sich eine zunächst verbale Auseinandersetzung mit mehreren Mitgliedern der Familie B., die an den Fenstern ihrer Wohnung standen. Die Klägerin führte hierbei ein Schlagwerkzeug, das als hölzerner Stock beschrieben wurde, mit sich, mit dem sie mehrfach gegen die Hauswand schlug und den sie zumindest einmal auch in Richtung eines Fensters der Wohnung warf. Die Mitglieder der Familie B. warfen Gegenstände auf die Straße, darunter zwei bis drei Handys, welche die Klägerin, ihre Tochter und G. K. wieder nach oben warfen. Sodann stiegen J. W., bewaffnet mit einer Duschstange, und der Geschädigte, der einen hölzernen Gehstock mit gebogenem Griff dabei hatte, aus dem Auto aus und beteiligten sich an der Auseinandersetzung. Auch die männlichen Mitglieder der Familie B. bewaffneten sich und kamen auf die Straße. Es handelte sich um S. B., seinen Vater D. B. und kurze Zeit später auch um seinen Bruder J. B ... Es kam zunächst zu einer Auseinandersetzung zwischen S. B. und J. W., wobei unterschiedlich berichtet wurde, ob S. B. mit einem Totschläger oder einem 71 cm langen Baseballschläger bewaffnet war. Jedenfalls erlitt J. W. eine blutende Platzwunde an der rechten Schläfe, woraufhin er die Duschstange verlor. S. B. nahm ihn in den Schwitzkasten. Der Geschädigte erkannte, dass sein Sohn dem S. B. unterlegen war und eilte dazu. Nach den Feststellungen des LG tat er dies auch, um "seiner Seite zum Sieg zu verhelfen". Er zog S. B. mit einem der Stöcke von seinem Sohn weg. S. B. schlug daraufhin den Geschädigten mit einem Gegenstand, wahrscheinlich dem Baseballschläger, wuchtig auf den Kopf und traf ihn im linksseitigen Schädelbereich. Der Geschädigte war benommen, taumelte rückwärts und sank schließlich zu Boden. Danach schlug D. B. mit einer etwa 90 cm langen Holzlatte mehrere Male auf den Geschädigten ein, als dieser versuchte aufzustehen, und traf ihn hierbei wenigstens einmal am Hinterkopf. S. B. feuerte seinen Vater dabei an.

Bei dieser Auseinandersetzung erlitten der Geschädigte, die Klägerin und J. W. Verletzungen im Kopfbereich. Alle drei wurden im R.-B.-Krankenhaus in S. stationär behandelt, wobei J. W. und die Klägerin das Krankenhaus noch am selben Tage wieder verlassen konnten, während sich die Verletzungen des Geschädigten als schwerer herausstellten und er deshalb noch am selben Abend in das K.-Hospital S. verlegt wurde.

Noch am selben Tag zeigten Mitglieder der Familie B. an, sie hätten mehrere telefonische Drohungen erhalten, sie würden den heutigen Tag nicht überleben und man werde Schusswaffen mitnehmen. Die Polizei ermittelte, dass ein Bruder des Geschädigten, G. W., legalerweise im Besitz zweier Schusswaffen war. Dieser teilte um 20.00 Uhr der Polizei telefonisch mit, er sei nicht in S. und werde sich in die Angelegenheit auch nicht einmischen.

Bei einem Einsatz der Polizei am selben Abend gegen 20.45 Uhr vor dem K.-Hospital in S. wurde eine größere Gruppe von Mitgliedern der Familie W./K. festgestellt, überwiegend Männer. Unter ihnen befand sich auch G. W ... Wegen seines Schusswaffenbesitzes wurde eine Gefährderansprache durchgeführt. Freiwillig fuhr er sodann mit zwei Polizeibeamten zu seiner Wohnung in K. und händigte seine Schusswaffen aus.

Der Geschädigte hatte bei der Auseinandersetzung Frakturen des linken Felsenbeins, des linken Orbitabogens, ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Platzwunde hinten rechts erlitten. Es kam zu Kontusionsblutungen, einem Epiduralhämatom an der rechten Schläfe, einer traumatischen Subarachnoidalblutung und einer Hirnstammeinblutung rechts. Es trat eine rechtsseitige periphere Gesichtslähmung ein. Er wurde bis zum 8. Februar 2012 intensivmedizinisch behandelt und absolvierte ab dem 9. Februar 2012 eine neurologische Frührehabilitation in der S.-Klinik N ... Während des Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik verschlechterten sich die Leber- und Nierenwerte erheblich. Es wurden eine Leberzirrhose und eine Autoimmunhepatitis festgestellt. Die behandelnden Ärzte hielten eine Lebertransplantation für notwendig, weswegen G. W. bei "Eurotransplant" erfasst wurde. In der Folgezeit verschlechterte sich sein Gesundheitszustand weiter. Er wurde ab dem 21. Februar im Universitätsklinikum H. und ab dem 26. April 2012 erneut im K.-Hospital intensivmedizinisch behandelt. Am 2. Mai 2012 wurde er in die Klinik für Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums E. verlegt. Eine Transplantation wurde nicht mehr durchgeführt, nach Aktenlage lehnten sie die dort behandelnden Ärzte ab, weil die Vorerkrankungen zu ausgeprägt waren. Der Geschädigte erlitt ein akutes Nierenversagen und zog sich auf Grund einer Infektion mit resistenten Krankenhauskeimen eine Sepsis zu. Er starb am 20. Mai 2012 nach einem septischen Schock an einem Multiorganversagen.

Die Staatsanwaltschaft E. ordnete die Obduktion des Leichnams des Geschädigten an, auch wegen der gewalttätigen Auseinandersetzung am 8. Januar 2012. Es wurden Prellungsherde am Schläfenhirn rechts mit Hirndefekt und weitere Prellungsherde am rechten Kleinhirn und am linken Schläfenhirn festgestellt. Eindeutig abgrenzbare Frakturen der Schädelkalotte lagen nicht vor (vgl. Obduktionsprotokoll Nr. 203/12, Dr. T., vom 29. Mai 2012).

Die Staatsanwaltschaft S. stellte das gegen die Klägerin, J. W., M. W. und G. K. geführte Ermittlungsverfahren wegen Beteiligung an einer Schlägerei (112 Js 45573/12) mit Verfügung vom 7. August 2012 ein. Sie stützte sich dabei auf § 153b Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) i.V.m. § 60 Satz 1 Strafgesetzbuch (StGB). Sie führte aus, es sei zwar davon auszugehen, dass sie zumindest einen Teil der Schlagwerkzeuge mit zum Tatort gebracht hätten. Sie seien aber durch den Tod ihres Mannes, Vaters bzw. Schwiegervaters, des Ernährers der Familie, und die zum Teil selbst erlittenen Verletzungen selbst stark getroffen. Es sei daher von Strafe abzusehen.

Hinsichtlich der Beschuldigten auf Seite der Familie B. stellte sich die Staatsanwaltschaft auf den Standpunkt, ein hinreichender Tatverdacht wegen eines vollenden oder versuchten Tötungsdelikts oder auch nur wegen Körperverletzung bestehe nicht. Der Angriff sei von dem Geschädigten und von J. W. ausgegangen. Auch S. und D. B. seien angegriffen worden. Ihre Taten seien anfangs durch Notwehr gerechtfertigt gewesen und erst im Laufe der weiteren Auseinandersetzungen, insbesondere nachdem der Geschädigte zu Boden gegangen sei, in "Trutzwehr" übergegangen. Ferner sei nicht aufklärbar, welcher der Schläge - der des S. B. mit dem Knüppel oder jener des D. B. mit der Holzlatte - letztlich tödlich gewesen sei. Nachweisbar sei insoweit nur die Beteiligung an einer Schlägerei nach § 231 StGB (vgl. Aktenvermerk zur Abschlussverfügung vom 27. Juli 2012).

Insoweit beantragte die Staatsanwaltschaft am 30. Juli 2012 bei dem AG S.-B. C. (AG) den Erlass von Strafbefehlen wegen Beteiligung an einer Schlägerei gegen fünf Mitglieder der Familie B ... Sie beantragte dabei Geldstrafen zwischen 50 Tagessätzen und 120 (D. B.) bzw. 180 Tagessätzen (S. B.) mit unterschiedlichen Tagessatzhöhen. In dem Antrag legte sie D. und S. B. die in einzelnen genannten Schläge mit gefährlichen Werkzeugen auf den Kopf des Geschädigten zur Last.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2013 lehnte das AG den Erlass der beantragten Strafbefehle ab. Es sei sachlich unzuständig. Bezüglich der Angeschuldigten S., D. und J. B. komme eine Strafbarkeit wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge bzw. wegen gemeinschaftlichen Totschlags in Betracht, bezüglich der übrigen Angeschuldigten die Beihilfe zu dieser Tat. Es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass keine Notwehrsituation mehr vorgelegen habe bzw. der Angriff beendet gewesen sei, als der Geschädigte zu Boden gegangen sei. Dann aber seien die Schläge des D. B. mit der Holzlatte nicht mehr gerechtfertigt gewesen. Diese seien auch todesursächlich gewesen. An dieser Tat hätten sich die beiden Söhne des D. B. als Mittäter beteiligt.

Hinsichtlich der Angeschuldigten M. B., R. R. und J. B. legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. Juli 2013 ein. Insoweit erging eine Abhilfeentscheidung des AG, die beantragten Strafbefehle wurden erlassen.

Bezüglich des D. und des S. B. erhob die Staatsanwaltschaft am 5. September 2014 Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung mit Todesfolge und wegen Beteiligung an einer Schlägerei zum Landgericht Stuttgart (Schwurgerichtskammer). Zugleich wurde Haftbefehlsantrag wegen Fluchtgefahr gestellt. D. B. wurde am 5. November 2013 festgenommen, S. B. stellte sich am 6. November 2013 selbst der Polizei. Das LG ließ die Klägerin und ihre Kinder als Nebenklägerinnen und Nebenkläger zu. Sie ließen sich in der Hauptverhandlung durch Rechtsanwälte vertreten.

Mit dem genannten Urteil vom 5. Februar 2014 verurteilte die Schwurgerichtskammer des LG den S. B. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren neun Monaten und den D. B. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten. Die Vollstreckung der Strafe des D. B. wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Rahmen der Strafzumessung legte das LG zu Gunsten der beiden Angeklagten zu Grunde, dass der Geschädigte den Tatort aufgesucht habe, obwohl er eine körperliche Auseinandersetzung für möglich gehalten und auch gewusst habe, dass das Auftreten vor der Wohnung in Z. nach der vorangegangenen Auseinandersetzung in N. als Provokation aufgefasst würde, dass es sich bei der Auseinandersetzung, die zu seinem Tod geführt habe, um gegenseitige Körperverletzungen gehandelt habe, dass der Geschädigte - und auch die anderen Mitglieder der Familie W./K. - bewaffnet gewesen seien, als sie vor dem Haus in Z. aufgetaucht seien, und dass der Geschädigte aus eigenem Antrieb in das Kampfgeschehen eingegriffen habe, nicht nur, um seinem Sohn zu helfen, sondern - wie ausgeführt - auch, um seiner Seite zum Sieg zu verhelfen. Insgesamt sei von einem Mitverschulden des Geschädigten an der Entstehung der Auseinandersetzung auszugehen (S. 22 Urteilsumdruck).

Das Urteil in dem Strafverfahren wurde am 13. Februar 2014 rechtskräftig, nachdem kein Beteiligter Rechtsmittel eingelegt hatte.

Bereits am 14. Juni 2012 hatte die Klägerin bei dem Landratsamt L. (LRA) Bestattungsgeld sowie für sich und ihren minderjährigen Sohn M. W. Hinterbliebenenversorgung beantragt. Sie legte die Rechnung des Bestatters R. vom 21. Mai 2012 über insgesamt EUR 6.526,00 vor. Ferner beantragten M. W., J. W. und die Tochter der Klägerin, M. W., die frühere Klägerin zu 2, auch eine Beschädigtenversorgung (aus eigenem Recht), wobei sie geltend machten, sie hätten jeweils einen Schockschaden erlitten.

Das LRA holte den Abschlussbericht der Klinik für Transplantationschirurgie des Klinikums E. vom 20. Mai 2012 ein. Darin führte Dr. R. aus, zusammenfassend sei es bei dem Geschädigten auf Grund des am 8. Januar 2012 erlittenen Schädel-Hirn-Traumas, das eine Langzeitbeatmung erforderlich gemacht habe, zu einer sekundären sklerosierenden Cholangitis (Entzündung der Gallengänge) gekommen. Auf Grund der Besiedlung mit resistenten Keimen, die rezidivierend zu einer Sepsis mit septischem Schock geführt habe, der viermonatigen Langzeitbeatmung und des seit acht Wochen andauernden Nierenversagens sei es zum Tode gekommen.

Mit Schreiben vom 16. August 2012 wies das LRA darauf hin, dass - auch - unfallversicherungsrechtliche Ansprüche gegen die Unfallkasse Baden-Württemberg geltend gemacht werden könnten, wenn der Geschädigte im Rahmen einer Nothilfe zu Gunsten seines angegriffenen Sohnes geschädigt worden sei. Nach Aktenlage erstattete die Klägerin daraufhin mit Schreiben eines bevollmächtigten Mitglieds des Vereins "Weißer Ring e.V." vom 5. Dezember 2013 Unfallanzeige. Der weitere Ablauf jenes Verfahrens ist nicht bekannt.

Nach einer Rücksprache mit dem Regierungspräsidium S. als Landesversorgungsamt (RP) lehnte das LRA mit Bescheid vom 7. Mai 2014 zunächst den Antrag der Klägerin auf Bestattungsgeld ab. Ihr Ehemann sei zwar in Folge eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs gestorben. Leistungen nach dem OEG seien aber wegen Unbilligkeit ausgeschlossen. Der Geschädigte habe die Tat, die zu seinem Tod geführt habe, leichtfertig maßgeblich gefördert. Er habe sich bewusst in die Gefahr des Todes begeben, indem er zu der Wohnung der Familie B. gefahren sei, um die begonnene Auseinandersetzung fortzusetzen, wobei es ihm klar gewesen sei, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen könne, da insbesondere beide Familien mit Schlagwerkzeugen bewaffnet gewesen seien, und indem er, nachdem er den Raufhändel zunächst nur durch seine Anwesenheit psychisch unterstützt habe, in das Geschehen aktiv eingegriffen habe, um seiner Seite zum Sieg zu verhelfen. Mit weiterem Bescheid vom 8. Mai 2014 lehnte das LRA mit etwas verkürzter Begründung auch die Anträge der Klägerin und ihres Sohnes M. auf Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung ab.

Parallel lehnte das LRA die Anträge der früheren Klägerin zu 2, M. W., und ihres Bruders J. auf Bewilligung einer Beschädigtenversorgung wegen eines Schockschadens mit Bescheiden vom 7. oder 8. Mai 2014 ab. Zu dem entsprechenden Antrag M. W. erging zunächst kein Bescheid.

Die Klägerin und die betroffenen Kinder erhoben jeweils Widersprüche. Sie trugen vor, der Geschädigte habe bei der Fahrt nach S. nicht mit einer gewalttätigen Auseinandersetzung rechnen müssen. Es sei lediglich darum gegangen zu klären, dass die Tochter der G. K. auch weiterhin bei ihrer Mutter wohnen solle. Es sei nicht richtig, dass sich der Geschädigte mit einem Stock bewaffnet habe, er sei vielmehr wegen der vorbestehenden multiplen Erkrankungen auf eine Gehhilfe angewiesen gewesen. Auch habe sich der Geschädigte vor Ort aus der Auseinandersetzung herausgehalten. Er habe erst eingegriffen, als sein Sohn, J. W., in den Schwitzkasten genommen und verprügelt worden sei. Für den Sohn habe in diesem Augenblick eine reale Gefahr für Leib und Leben bestanden. Er habe dabei nur seinen Sohn vor Verletzungen schützen, aber niemandem "zum Sieg verhelfen" wollen. Deshalb habe er S. B. auch nur von seinem Sohn weggezogen, ihn aber nicht geschlagen. Es sei von Nothilfe zu Gunsten des Sohnes auszugehen.

Den Widerspruch der M. W. wegen eines Schockschadens wies das Regierungspräsidium S. als Landesversorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2014 zurück, die Widersprüche der Klägerin und ihres Sohnes M. W. wegen Bestattungsgeldes und Hinterbliebenenversorgung wurden mit zwei im Wesentlichen gleichlautenden Widerspruchsbescheiden vom 11. Dezember 2014 zurückgewiesen. Ob auch der Widerspruch des J. W. zurückgewiesen worden ist, kann den Akten nicht entnommen werden.

Am 8. Januar 2015 haben die Klägerin wegen der Witwenversorgung für sich (S 2 VG 95/15) und wegen des Bestattungsgeldes (S 2 VG 97/15), ihr Sohn M. wegen der Halbwaisenrente (S 2 VG 97/15) sowie ihre Tochter M. wegen einer Beschädigtenversorgung nach einem Schockschaden (S 2 VG 94/15) vier Klagen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Sie haben ihr Vorbringen vertieft, insbesondere erneut darauf hingewiesen, dass der Geschädigte als Nothelfer in das Geschehen eingegriffen habe, um seinem Sohn J. zu helfen.

Mit Beschluss vom 12. März 2015 hat das SG die vier Verfahren unter dem Aktenzeichen S 2 VG 95/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Ferner hat das SG mit Beschluss vom 16. Februar 2016 den zwischenzeitlich gestellten Antrag der Klägerin und ihrer Kinder M. und M. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Verstorbene nach der beendeten Auseinandersetzung am frühen Nachmittag in N. an der Fahrt nach Z. teilgenommen und nicht stattdessen die Familie von der Auseinandersetzung abgehalten habe. Ebenso sei unverständlich, warum er, obwohl der vorherige Vorfall bereits angezeigt worden sei, die Sache nicht in den Händen der Polizei habe ruhen lassen. Sein Verhalten sei eher auf Eskalation als auf Eindämmung des Konflikts gerichtet gewesen.

Nach einem Anwaltswechsel haben die Klägerin und ihre Kinder erneut PKH beantragt. Sie haben eine Zusage der Organisation "Weißer Ring" über die Übernahme einiger Kosten des Klageverfahrens vorgelegt. Das SG hat das neuerliche PKH-Gesuch mit Beschluss vom 2. Juni 2016 als unzulässig verworfen.

Mit "Erstanerkennungsbescheid" vom 25. Oktober 2016 bewilligte der Beklagte dem Sohn der Klägerin, M. W., wegen eines am 8. Januar 2012 erlittenen "Schockschadens mit psychovegetativen Reaktionen" und eines daraus folgenden Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von 40 von Januar 2012 bis Januar 2013 und von 30 ab Februar 2013 eine Beschädigtengrundrente sowie Heilbehandlung für die Schädigungsfolgen. Die Klägerin hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 11. April 2017 die Klage ihres Sohnes M. wegen einer Halbwaisenrente im Hinblick auf die bewilligte Beschädigtenversorgung zurückgenommen. Zu dem Antrag der Tochter M. W. sind in der Verhandlung keine Erklärungen abgegeben worden.

Mit Urteil vom selben Tage hat das SG die - drei - Klagen der Klägerin und ihrer Tochter abgewiesen. Ausweislich des Tatbestandes ist das SG davon ausgegangen, dass auch die Klage der M. W. auf eine Hinterbliebenenversorgung (und nicht auf eine Beschädigtenversorgung wegen eines Schockschadens) gerichtet war. Das SG hat ausgeführt, die Klagen seien unbegründet. Die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung und Bestattungsgeld sei unbillig, weil der Geschädigte die Schädigung mitverursacht habe. Er habe sich leichtfertig in die Auseinandersetzung begeben. Er sei nicht als unschuldiges Opfer eines Angriffs anzusehen, sondern habe in hohem Maße vernunftwidrig gehandelt. Dabei könne dahin gestellt bleiben, ob er, als er in den laufenden Raufhandel mit der Familie B. eingegriffen habe, nur seinem Sohn habe helfen wollen. Bereits die Anfahrt der Familie W./K. nach Z. habe vor dem Hintergrund der vorherigen Auseinandersetzung in N. das Gepräge eines "Rachefeldzugs" gehabt. Der Geschädigte habe weder die Polizei von der Fahrt seiner Familie nach S. unterrichtet noch deeskalierend auf die Beteiligten eingewirkt.

Gegen dieses Urteil, das am 21. Juni 2017 zugestellt worden ist, hat am 21. Juli 2017 - nur - die Klägerin Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Sie begehrt weiterhin eine Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Witwenrente und Bestattungsgeld an sich. Das Verfahren ihrer Tochter M. W. ist nicht weiterverfolgt worden.

Die Klägerin trägt vor, es könne nicht mehr festgestellt werden, ob der Geschädigte bei der Fahrt nach Z. damit gerechnet habe, bei einer körperlichen Auseinandersetzung verletzt oder gar getötet zu werden. Insoweit dürfe nicht auf die Feststellungen des Strafurteils zurückgegriffen werden. Diese Unaufklärbarkeit könne nicht zu ihren Lasten gehen. Gegen die Unterstellung, der Verstorbene habe mit einer Gefährdung gerechnet, spreche auch, dass er seine Frau und die Tochter M. mit nach S. genommen habe. Vielmehr seien alle Mitglieder der Familie der Klägerin davon ausgegangen, dass sich die Angelegenheit verbal werde klären lassen. Im Übrigen habe zwischen den Familien W./K. und B. eine langjährige Freundschaft bestanden, weswegen ebenfalls nicht mit Gewalt habe gerechnet werden müssen. Nichts Anderes ergebe sich aus der Auseinandersetzung in N., bei der die beiden weiblichen Mitglieder der Familie B. lediglich geschrien und Gegenstände auf das Haus der G. K. und des J. W. geworfen hätten, nicht aber gewalttätig geworden seien. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass dem Sohn M. eine Versorgung gewährt worden sei, sie aber der Klägerin verweigert werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. April 2014 teilweise aufzuheben, den Bescheid vom 7. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Bestattungsgeld zu gewähren, den Bescheid vom 8. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Witwenversorgung nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, bereits die Fahrt nach Z. sei als leichtfertige Selbstgefährdung einzustufen. Eine etwaige langjährige Freundschaft zwischen den Familien spiele für die konkrete Auseinandersetzung keine Rolle. Dem Sohn M. W. sei eine eigene Versorgung bewilligt worden, da er selbst an der Auseinandersetzung nicht beteiligt gewesen sei.

Mit Beschluss vom 12. Januar 2018 hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH und Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. Auf die Begründung jenes Beschlusses wird Bezug genommen.

Auf Antrag der Klägerin hat der Berichterstatter des Senats die Klägerin persönlich angehört und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Dabei hat die Klägerin ergänzend mitgeteilt, ihr Mann habe noch zwei Tage vor der Auseinandersetzung mit D. B. telefoniert und beide seien sich einig gewesen, dass die Streitigkeiten wegen der Tochter der G. K. nicht weitergehen sollten bzw. die Sache nicht "hoch gehängt werden" solle. Die Frage des Berichterstatters, ob sie von einem weiteren Anruf bei der Familie B. vor der Fahrt nach Z., bei dem etwa mit dem Einsatz von Schusswaffen gedroht worden sei, wisse, hat die Klägerin verneint. Wegen ihrer weiteren Angaben wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung am 16. März 2018 verwiesen.

In dem Erörterungstermin und erneut schriftlich am 23. August 2018 hat der Senat angekündigt, über die Berufung durch Beschluss ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden zu wollen. Gelegenheit zur Stellungnahme hat zuletzt bis zum 27. September 2018 bestanden. Die Klägerin hat am 6. September 2018 erneut eine mündliche Verhandlung angeregt, um ihre Sichtweise nochmals persönlich darstellen zu können.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Darüber hinaus ist die Klägerin in dem Erörterungstermin am 16. März 2018 auch persönlich angehört worden. Ihr geäußerter, aber nicht näher begründeter Wunsch, - erneut - mündlich angehört zu werden, schließt eine Entscheidung durch Beschluss nicht aus. Dies gilt umso mehr, als für die Entscheidung über die Frage einer vorwerfbaren Selbstgefährdung im Wesentlichen die inneren Vorstellungen und Erwartungen des Geschädigten und eine objektive Bewertung seines Verhaltens nach normativen Kriterien notwendig sind. Hierzu kann die Klägerin keine weiteren Angaben machen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind nur noch die Anträge der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente (§ 1 Abs. 8 Satz 1 OEG i.V.m. §§ 38 ff. Bundesversorgungsgesetz [BVG]) und Zahlung eines Bestattungsgeldes (§ 1 Abs. 1 OEG i.V.m. 36 Abs. 1 Satz 1 BVG). Einen Antrag auf eine eigene Beschädigtenrente hatte die Klägerin schon im Verwaltungsverfahren nicht gestellt. Und die weitere Klage ihrer Tochter M., der früheren Klägerin zu 2, ist im Berufungsverfahren nicht aufrechterhalten worden. Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob auch sie auf die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung geklagt hatte, wie es das SG in dem angegriffenen Urteil angenommen hat, oder ob ihre Klage entsprechend ihren Anträgen im Verwaltungsverfahren auf eine Beschädigtenversorgung aus eigenem Recht gerichtet war.

Die Berufung der verbliebenen Klägerin ist zwar statthaft (§ 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG). Die Rentenklage ist schon nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulassungsfrei, weil sie auf laufende Sozialleistungen für mehr als ein Jahr gerichtet ist. Aber auch hinsichtlich des Antrags auf Gewährung eines Bestattungsgeldes greift die Zulassungsschranke einer Mindestbeschwer von EUR 750,00 aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht ein. Das - pauschalierte - Bestattungsgeld nach § 36 Abs. 1 Satz 2 BVG betrug nach der zur Tatzeit geltenden Fassung mindestens EUR 789,00 und in Fällen wie hier, in denen der Geschädigte an Schädigungsfolgen verstorben ist, sogar EUR 1.575,00.

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie die Klägerin form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben.

Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat die Anfechtungs- und Leistungsklagen zu Recht abgewiesen.

Allerdings sind die Klagen zulässig. Insbesondere kann die Klägerin zulässigerweise Leistung verlangen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG). Der Beklagte hat in den angegriffenen Bescheiden über die geltend gemachten Leistungsansprüche entschieden. Er hat nicht etwa durch einen isolieren Feststellungsbescheid das Vorliegen einer Schädigung im Ganzen verneint oder das Eingreifen der Ausschlussgründe aus § 2 Abs. 1 OEG bejaht. Es kann daher offen bleiben, ob und mit welchen Inhalten ein solcher Bescheid über die Feststellung nur einzelner Elemente eines Leistungsanspruchs im Recht des BVG oder des OEG zulässig wäre (vgl. zu dieser Frage jüngst Urteil des Senats vom 7. Dezember 2017 – L 6 VG 4996/15 –, juris, Rz. 74).

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die geltend gemachten Leistungsansprüche bestehen nicht. Auch nach der weiteren Anhörung der Klägerin im Berufungsverfahren beurteilt der Senat die Sach- und Rechtslage ebenso wie das SG.

Dabei ist die Klägerin für die geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. Das Bestattungsgeld steht nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BVG primär demjenigen zu, der die Bestattung "besorgt" hat. Dies war die Klägerin, wie sich aus der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Rechnung des Bestattungsunternehmens R. ergibt. Und eine Hinterbliebenenversorgung steht nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG unter anderem der "Witwe" eines verstorbenen Geschädigten zu. Dies ist die Frau, die zurzeit des Todes in zivilrechtlich wirksamer Ehe (vgl. §§ 1303 ff. Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) mit dem oder der Verstorbenen (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.). verheiratet war. Dies war bei der Klägerin der Fall, denn sie war mit dem Geschädigten nicht nur nach Sinti-Art verheiratet, wie es bei ihren Kindern der Fall war, sondern die Ehe war gemäß § 1310 Abs. 1 BGB vor dem staatlichen Standesbeamten geschlossen worden.

Die Passivlegitimation des Beklagten folgt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 OEG aus dem Tatortprinzip.

Die grundlegenden Voraussetzungen der beiden Ansprüche, die die Klägerin erhebt, aus § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG liegen vor.

Der allgemeine Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG besteht aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Bei der Auslegung des Begriffs eines rechtswidrigen vorsätzlichen tätlichen Angriffs ist entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, juris, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Danach setzt ein tätlicher Angriff grundsätzlich eine unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung voraus, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, juris, Rz. 25 m.w.N.), während die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung hierfür nicht ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, juris, Rz. 23 ff.). Kein rechtswidriger vorsätzlicher Angriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG liegt - nur - dann vor, wenn die Tat durch einen geschriebenen oder gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrund gedeckt ist. Zu diesen zählen zumindest die strafrechtlich kodifizierten Rechtfertigungsgründe, darunter Notwehr und Nothilfe (§ 32 Abs. 1 StGB) und der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB (vgl. Rademacker, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 1 OEG Rz. 67).

Der Geschädigte ist in diesem Sinne Opfer eines vorsätzlichen und auch rechtswidrigen gewaltsamen Angriffs im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden. Dass der Täter, S. B., in Notwehr gehandelt habe (§ 32 Abs. 1 Strafgesetzbuch [StGB]) oder aus anderen Gründen gerechtfertigt gewesen sei, kann nach den Feststellungen des LG Stuttgart in dem Strafurteil nicht angenommen werden. Auch der Beklagte hat in den Begründungen der angegriffenen Bescheide nicht auf ein Notwehrrecht der beiden Angreifer rekurriert. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an. Zwar kann offen bleiben, ob sich S. und D. B. insgesamt einem rechtswidrigen Angriff des Geschädigten und seines Sohnes J. gegenüber sahen und daher am Anfang der Auseinandersetzung gerechtfertigt handelten. Es kann nicht abschließend aufgeklärt werden, welche Seite die körperliche Auseinandersetzung in dem Augenblick begann, als S. und D. B. vor die Tür ihres Hauses getreten und dort auf den Geschädigten und seinen Sohn getroffen waren. Zumindest in dem Augenblick, als der Geschädigte die hier relevanten Schläge mit der Stange durch S. und sodann mit der Holzlatte durch D. B. erlitt, waren diese nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigt. Selbst wenn der Geschädigte die beiden zuvor angegriffen haben sollte - was auch durch eine mittäterschaftliche Beteiligung an einem Angriff seines Sohnes J. geschehen sein kann (§ 25 Abs. 2 StGB) -, so war dieser Angriff in der konkreten Situation beendet. Wie schon das LG festgestellt hat, wollte der Geschädigte in diesem Augenblick den S. B. wegziehen und dadurch weitere Verletzungen seines Sohnes J. verhindern. Erst recht war ein etwaiger Angriff durch den Geschädigten beendet, als dieser am Boden lag und D. B. mit der Holzlatte auf seinen Kopf einschlug.

Der Geschädigte ist auch an den Folgen dieser Tat gestorben, wie es § 36 Abs. 1 Satz 2 BVG für das erhöhte Bestattungsgeld und § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG für eine Hinterbliebenenversorgung verlangt. Dies ergibt sich aus dem Obduktionsprotokoll Nr. 203/12 des Dr. T. vom 29. Mai 2012 und vor allem aus dem Abschlussbericht der Klinik für Transplantationschirurgie des Klinikums E. vom 20. Mai 2012 ein, in dem Dr. R. überzeugend ausgeführt hat, dass das bei der Tat erlittene Schädel-Hirn-Trauma die Langzeitbeatmung erforderlich gemacht hat und dass daraus die später entstandenen septischen Schäden an Gallengängen und Leber entstanden sind, die ihrerseits zum Tode geführt haben. Auch das LG hat in dem Urteil vom 5. Februar 2014 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tat und dem Tod des Geschädigten angenommen und die beiden Angeklagten dementsprechend wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.

Die Ansprüche der Klägerin sind jedoch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift sind Leistungen nach dem OEG zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers, liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Dieser Anspruchsausschluss greift auch dann ein, wenn der Anspruchsteller nicht der Geschädigte selbst ist, sondern ein Hinterbliebener. In diesem Falle kann sich die Unbilligkeit auch aus einem Verhalten des Geschädigten ergeben. Dies deutet der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG an, der sowohl den Geschädigten als auch den Anspruchsteller nennt. Es entspricht auch einem allgemeinen Rechtsgrundsatz (vgl. § 846 i.V.m. §§ 844, 845 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), dass sich der Ausschluss oder die Minderung der Ansprüche eines Dritten wegen einer Tötung nach einem Mitverschulden bzw. einer Mitverursachung durch den Getöteten selbst richtet. Dieser Einwand steht neben einem etwaigen Mitverschulden durch den Dritten selbst, der den allgemeinen Vorschriften folgt. Dass einem Anspruch nach dem OEG daher eine Unbilligkeit in der Person des Geschädigten ebenso wie eine Unbilligkeit auf Seiten des Hinterbliebenen entgegenstehen kann, zeigt sich deutlich in der weiteren Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 OEG, in der auf den "Geschädigten oder Antragsteller" abgestellt wird.

Die materielle Beweislast für die tatsächlichen Grundlagen einer Versagung trägt, da es sich bei § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG um eine anspruchshindernde Einwendung handelt, grundsätzlich der Träger der Versorgungsverwaltung (BSG, Urteil vom 18. Juni 1996 – 9 RVg 7/94 –, juris, Rz. 14). Allerdings können in diesem Rahmen - auch wenn dies letzten Endes zu Lasten des Geschädigten geht - die üblichen Grundsätze des Indizienbeweises und u.U. sogar des Anscheinsbeweises herangezogen werden (Hessisches LSG, Urteil vom 24. September 2002 – L 4 VG 1055/99 –, juris, Rz. 23) und es ist denkbar, dass es aus bestimmten Gründen zu einer Umkehr der Beweislast - also zurück auf den Geschädigten - kommt (Bayerisches LSG, Urteil vom 17. August 2011 – L 15 VG 21/10 –, juris, Rz. 57). Nur die Beweiserleichterungen des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), wonach statt eines Vollbeweises eine Glaubhaftmachung ausreicht, können nicht im Rahmen des § 2 Abs. 1 OEG der Versorgungsverwaltung zu Gute kommen, sie gelten allein zu Gunsten des Geschädigten.

Bei der Feststellung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 OEG kann der Senat maßgeblich auf die aktenkundigen Unterlagen, insbesondere das Urteil des LG Stuttgart, abstellen. Zwar besteht in einem sozialgerichtlichen Verfahren keine rechtliche Bindung an die Feststellungen anderer Gerichte, etwa der Strafgerichte (Urteil des BSG vom 25. Juni 1986 – 9a RVg 2/84 –, juris). Es ist vielmehr eine unabhängige Beweiswürdigung geboten. In diesem Rahmen können aber zum Beispiel die Feststellungen anderer Gerichte als Urkunden (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff. ZPO) verwertet werden, insbesondere die darin enthaltenen Aussagen von Zeugen (LSG Hamburg, Urteil vom 31. Mai 2016 – L 3 VE 6/14 –, juris, Rz. 31). Eine erneute Einvernahme von Zeugen ist allenfalls dann notwendig, wenn ihre Glaubwürdigkeit anders beurteilt werden soll (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Lei¬therer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 103 Rz. 11d).

Wie schon in dem Beschluss vom 12. Januar 2018 ausgeführt, ist der Senat im Sinne eines Vollbeweises überzeugt, dass hier die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 OEG vorlagen, der Geschädigte also seinen Tod im rechtlichen Sinne mit verursacht hat.

Als Sonderfall der Unbilligkeit ist die 1. Alternative der Vorschrift - Mitverursachung - stets zuerst zu prüfen. Eine Mitverursachung in diesem Sinne kann nur angenommen werden, wenn das Verhalten des Opfers nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm nicht nur einen nicht hinweg zu denkenden Teil der Ursachenkette, sondern eine wesentliche Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers darstellt (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 6/97 R –, juris, Rz. 18). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der entschädigungsrechtliche Kausalitätsmaßstab nicht mit dem der gesetzlichen Unfallversicherung identisch ist. Während dort nur ein gegenüber den betrieblichen Gefahren deutlich überwiegendes selbstgeschaffenes Risiko den Versicherungsschutz ausschließt, führt auf dem Gebiet des OEG bereits eine etwa gleichwertige Mitverursachung zur Versagung der Entschädigung. Ein Leistungsausschluss ist unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung ist dabei nicht nur dann anzunehmen, wenn das Opfer in der konkreten Situation in ähnlich schwerer Weise wie der Täter gegen die Rechtsordnung verstoßen hat (vgl. BSG, Urteil vom 25. März 1999 – B 9 VG 1/98 R –, juris, Rz. 26, 27). Nötig ist auch nicht ein bewusstes, aktives Verhalten wie etwa eine Provokation des Täters (Urteil des Senats vom 23. Februar 2012 – L 6 VG 286/09 –, juris, Rz. 30 ff.). Es reicht vielmehr aus, dass sich der Geschädigte leichtfertig, durch eine unmittelbare, mit dem eigentlichen Tatgeschehen zeitlich eng zusammenhängende Förderung der Tat selbst gefährdet hat (Rademacker, a.a.O., § 2 OEG, Rz. 13 ff. m.w.N.), ohne dass dieses Verhalten sozial nützlich oder sogar sozial erwünscht gewesen wäre. Das heißt aber nicht, dass die Beteiligung des Opfers in demselben Maße missbilligt werden müsste wie die Beteiligung des Täters. Auf der Grundlage einer solchen Meinung wäre die Selbstgefährdung des Opfers im Vergleich mit der gegen ihn gerichteten vorsätzlichen Straftat des Täters nie gleichwertig. Denn zwangsläufig wird die Straftat von der Rechtsordnung stärker missbilligt als eine Selbstgefährdung des Opfers (BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 5/95 - juris Rz. 14 ff.). Ein Hauptzweck des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG ist es gerade, diejenigen von der Versorgung auszuschließen, die sich selbst bewusst oder leichtfertig in hohem Maße gefährden und dadurch einen Schaden erleiden. Das Versorgungsrecht erwartet von einem Geschädigten die Einhaltung von Obliegenheiten, die über die Frage der eigenen Strafbarkeit hinausreichen, auch bei der Vermeidung gefährlicher Situationen (Rademacker, a.a.O., Rz. 14). Bei der Überprüfung dieser Voraussetzungen einer leichtfertigen, missbilligenswerten Selbstgefährdung ist unter anderem zu berücksichtigen, ob der Täter bekanntermaßen gewalttätig war oder ob es bereits im Vorfeld zu anderen, ggfs. abgeschlossenen Gewalttätigkeiten gekommen war (Urteil des Senats vom 23. Februar 2012 - L 6 VG 286/09 - juris, Rz. 34). Dafür ist die gesamte tatnahe Situation, wie sie sich nach natürlicher Betrachtungsweise darstellt, zu würdigen. Ergänzend sind die individuellen Beziehungen zwischen Täter und Opfer zu berücksichtigen, etwa ob sie seit langem miteinander Umgang hatten und welcher Art der Umgang war, ferner das frühere Verhalten von Täter und Opfer in vergleichbaren Situationen (BSG, Urteil vom 18. April 2001 – B 9 VG 3/00 R –, juris, Rz. 23; Hessisches LSG, Urteil vom 15. Februar 2006 – L 4 VG 14/04 –, juris, Rz. 21). Nötig ist aber in jedem Falle, dass das Verhalten des Geschädigten sachlich und zeitlich unmittelbar mit der Tat zusammenhängt, um eine wesentliche Ursache dafür sein zu können. Verhaltensweisen, die deutlich vor einer Tat gezeigt wurden oder die nur aus allgemeinen tatfördernden Umständen bestehen, können allenfalls die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 OEG erfüllen.

Vor diesem Hintergrund geht der Senat allerdings nicht davon aus, dass die unmittelbare Handlung des Geschädigten vor der Tat eine rechtswidrige oder missbilligenswerte Mitverursachung in diesem Sinne war. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er in dem Augenblick rechtmäßig und sozial billigenswert handelte, als er versuchte, mit dem Gehstock den S. B. von seinem Sohn J. wegzuziehen. Dem äußeren Erscheinungsbild nach entsprach dieses Handeln eher einer Nothilfe für seinen Sohn denn einem - weiteren - Angriff auf die Familie B ... Und es spricht Einiges dafür, dass der Geschädigte in diesem konkreten Augenblick mit Nothilfe- und nicht mit Angriffswillen handelte. Zwar hat das LG in dem Strafurteil ausgeführt, der Geschädigte habe - auch - mit dem Willen gehandelt, "seiner Seite zum Sieg zu verhelfen". Worauf diese konkrete Feststellung beruhte und ob dieser Wille des Geschädigten auch in der konkreten Tatsituation noch vorlag, hat das LG indes nicht deutlich gemacht.

Jedoch ist der Senat der Überzeugung, dass die Fahrt des Geschädigten nach Z., sein Aussteigen aus dem Wagen und der Beginn der Auseinandersetzung mit der Familie B. eine Mitverursachung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 OEG darstellte, da dieses Verhalten einen annähernd gleichwertigen Beitrag gesetzt hat, weil es eine leichtfertige bzw. bewusste Selbstgefährdung war, sozial nicht gebilligt werden konnte und es noch in einem ausreichend engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zur Tat stand (vgl. auch Urteil des Senats vom 21. März 2013 – L 6 VG 4354/12 –, juris, Rz. 38).

Ohne die gewaltsame Auseinandersetzung vor dem Haus der Familie B. in Z. wäre es nicht zu der Tat gekommen. Der Angriff durch S. und D. B. geschah nicht plötzlich und unerwartet, sondern gleichermaßen, weil sie der Geschädigte und seine Familie durch ihre Fahrt dorthin - gerade auch im Hinblick auf die vorangegangene Auseinandersetzung in N. - gefördert und genau genommen auch provoziert hatten. Vor allem aber war es eine gleichwertige Ursache, dass der Geschädigte mit seinem Gehstock ausstieg und auf das Haus der Familie B. zuging. Dadurch wurde deutlich, dass die bislang verbal und nur zwischen den Frauen laufende Auseinandersetzung nunmehr von den Männern mit Gewalt fortgesetzt werden sollte. Hierdurch begab sich der Geschädigte unmittelbar in Gefahr, auch in Lebensgefahr.

Subjektiv lag zumindest Leichtfertigkeit vor.

Der Senat verkennt nicht, dass hier ein Maßstab subjektiver Fahrlässigkeit - und nicht die objektive Fahrlässigkeit aus § 276 Abs. 1 BGB - anzulegen ist und dass das Fahrlässigkeitsmaß erhöht ist. Leichtfertigkeit liegt aber danach zumindest in den Fällen vor, in denen selbst die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nicht beachtet wird. Daher schließt mindestens grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 277 BGB Ansprüche aus (so auch BSG, Urteil vom 18. April 2001 – B 9 VG 3/00, juris, Rz. 15; jüngst ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 7 VE 19/13 –, juris, Rz. 59). Ebenso verkennt der Senat nicht die Beweisschwierigkeiten bei der Feststellung einer inneren Tatsache wie der Leichtfertigkeit. Wenn der Betroffene nicht mehr gehört werden kann, kann ein Gericht auf eine solche innere Tatsache nur auf Grund äußerer Umstände schließen, zum Teil muss es dabei auf allgemeine Erfahrungssätze über die Gründe menschlichen Verhaltens abstellen. Es handelt sich um einen Indizien- und in Teilen um einen Anscheinsbeweis, der im Rahmen einer Entscheidung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG, wie ausgeführt, zulässig ist.

Wie bereits das SG ausgeführt hat, ist vor diesem Hintergrund bereits die Fahrt der gesamten Familie W./K. nach Z. als Selbstgefährdung einzustufen. Sie geschah im Rahmen einer laufenden, grundsätzlich nicht geklärten Auseinandersetzung um das Sorge- bzw. Umgangsrecht der 10-jährigen Tochter der G. K ... Die konkrete Auseinandersetzung etwa eine Stunde zuvor in N. hatte einen gewalttätigen Verlauf genommen, dort hatten Mitglieder der Familie B. mit Gegenständen geworfen und das Haus beschädigt, in dem G. K. und J. W. wohnten. Von dieser ersten gewalttätigen Auseinandersetzung war die Polizei unterrichtet. Den Beteiligten, auch dem Geschädigten, war auch bekannt, dass S. B. zu Gewalt neigte und deswegen schon bestraft worden war. In einer solchen Situation zum Wohnort der Kontrahenten zu fahren, um - wie die Klägerin selbst ausgeführt hat - "über die Sache zu reden und allem - also dem Konflikt - ein Ende zu machen", begründet eine Selbstgefährdung. Ein solches Verhalten schaukelt einen Konflikt unweigerlich hoch. Auch für den Geschädigten waren keine objektiven Umstände ersichtlich, wie etwa ein einvernehmliches Gespräch in der Wohnung der Familie B. den schwelenden familiären Konflikt plötzlich hätte - friedlich - lösen können. Für ein Gespräch hätte man nicht vor Ort fahren müssen, und es war auch nicht nötig, sofort zu fahren, anstatt zu warten, bis sich die Beteiligten wieder beruhigt hätten.

Ein deutlich vorwerfbares Verhalten war es vor allem, dass die Mitglieder der Familie W./K. mit Waffen bzw. gefährlichen Werkzeugen nach Z. fuhren, mindestens den hölzernen Stöcken der Klägerin und des Geschädigten sowie der Duschstange, die nach den Feststellungen des LG zunächst im Kofferraum lag. Da es sich um den Wagen des Geschädigten handelte, geht der Senat davon aus, dass er wusste, dass diese gefährlichen Werkzeuge im Auto waren. Unter diesen Umständen war es eine vorwerfbare Selbstgefährdung, nicht zu Hause zu bleiben, sondern sogar noch einen Tatbeitrag dadurch zu leisten, die gesamte Familie zu dem späteren Tatort zu fahren. Zu der hieraus folgenden Feststellung, dass der Geschädigte mit einer Gewalttat zu seinen Lasten rechnen musste, ist auch das LG in dem Strafurteil gekommen, das den Umstand, dass der Geschädigte und seine Familie bewaffnet waren, zu Gunsten des S. und des D. B. strafmildernd berücksichtigt hat.

Beim Aussteigen aus dem Wagen letztlich hat sich das selbstgefährdende Verhalten des Geschädigten fortgesetzt und verstärkt. Die Auseinandersetzung war bislang mit Worten geführt, außerdem waren anscheinend Gegenstände geworfen worden. Sie hatte bislang der vorigen Auseinandersetzung in N. geähnelt. Mit dem Aussteigen mit Waffen - Stock und Duschstange - zeigten der Geschädigte und sein Sohn, dass sie sich einmischen wollten. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass der Geschädigte in diesem Augenblick davon ausgegangen ist, sich in der anstehenden Schlägerei nicht selbst zu gefährden.

Der Senat sieht für das gesamte Verhalten des Geschädigten, das hier als Mitverursachung eingestuft wird, keine soziale Billigung. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die oben beschriebenen rechtlichen Obliegenheiten, private Auseinandersetzungen mit Hilfe der Behörden und der Gerichte und ggfs. der Polizei zu führen, aber nicht selbst mit Gewalt klären zu wollen, möglicherweise sozial nicht in allen Teilen der Bevölkerung anerkannt sind. Der Begriff der "sozialen" Missbilligung ist indessen ein Rechtsbegriff. Es kann nicht auf die etwaigen sozialen Anschauungen einer Gruppe abgestellt werden, soweit diese mit der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen sind. Selbsthilfe ist nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig (vgl. neben den strafrechtlichen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen vor allem §§ 229 ff. BGB). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

Der Senat geht davon aus, dass dieses Verhalten des Geschädigten noch in einem engen zeitlichen und räumlichen Umfeld zu der späteren Tat lag und daher als Mitverursachung nach der ersten Variante des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG einzustufen ist. Es erfüllt aber gleichzeitig die Voraussetzungen einer Versagung wegen Unbilligkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 OEG.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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