L 10 KO 2806/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 KO 2806/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Sachverständige hat nach dem JVEG keinen generellen Anspruch auf Erstattung von Sachkosten nach dem einfachen Satz der Anlage zur GOÄ, auch dann nicht, wenn dem Sachverständigen vom Praxisinhaber für die Nutzung der Praxis bei der Gutachtenserstellung Kosten in Rechnung gestellt werden.
Die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 18.07.2018 wird auf 1.148,90 EUR festgesetzt.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

In dem beim Landesozialgericht Baden-Württemberg (LSG) anhängigen Berufungsverfahren L 3 U 4015/16 geht es um die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit. Im Juli 2018 hat der Antragsteller, mit der der Antragsgegner im Oktober 2013 eine Vereinbarung über die Vergütung als Sachverständiger in sozialgerichtlichen Verfahren geschlossen hat, ein hals-nasen-ohrenärztliches Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet, für das er einen Gesamtbetrag von 1.326,53 EUR in Rechnung stellt (Pauschale 1.100 EUR, zur Abgeltung von Sachkosten diverse Abrechnungsnummern nach der Anlage Gebührenverzeichnis für ärztliche Leistungen zur Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ - aus dem Abschnitt J Hals-Nasen-Ohrenheilkunde mit dem einfachen Satz sowie Porto und Schreibauslagen). Die Kostenbeamtin hat lediglich 1.148,90 EUR vergütet (Pauschale 1.100 EUR sowie Porto und die Schreibauslagen wie geltend gemacht).

Mit seinem Antrag auf richterliche Festsetzung der Vergütung macht der Antragsteller weiterhin die Abrechnungsnummern nach GOÄ als Ersatz von Sachkosten, die ihm für die Nutzung der Praxiseinrichtung seines Kollegen in Rechnung gestellt würden, geltend. Im Zusammenhang mit der Vergütungsvereinbarung sei ihm bestätigt worden, dass die Sachkosten mit dem einfachen GOÄ-Satz abrechenbar seien.

II.

Nach der auf der Grundlage von § 14 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) getroffenen Vereinbarung, die die Ansprüche des Antragstellers im Zusammenhang mit der Erstattung schriftlicher Gutachten auch auf Grund ambulanter Untersuchung (vgl. Vereinbarung unter I.) umfassend regelt, hat der Antragsteller gemäß Teil V Nr. 2 der Vereinbarung einen Anspruch auf richterliche Festsetzung seiner Vergütung unter Anwendung von § 4 JVEG. Gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kostensachen zuständige 10. Senat durch den Einzelrichter. Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor

Der Zeitaufwand des Antragstellers für die Erstattung des Gutachtens ist in Höhe von 1.100,00 EUR zu vergüten. Dies ist der von den Beteiligten vereinbarte Höchstsatz. Hierin sind sich die Beteiligten auch einig und der Antragsteller begehrt im Antrag auf richterliche Festsetzung auch keine höhere Vergütung für Zeitaufwand.

In Bezug auf die Schreibgebühren und das Porto vergütet der Senat den Antragsteller in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin antragsgemäß.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind die ihm nach seinem Vortrag vom Praxisinhaber für die Nutzung der Praxis in Rechnung gestellten Kosten nicht nach GOÄ, auch nicht mit dem einfachen Satz, und auch sonst nicht erstattungsfähig.

Nach Teil IV Abs. 1 Buchst. a der Vereinbarung werden allerdings neben dem Pauschbetrag die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens aufgewendeten erforderlichen Kosten einschließlich der notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte sowie die für eine Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge ersetzt. Dabei wird in dieser Textpassage auf die nahezu wortgleiche Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG Bezug genommen. Im Ergebnis stehen dem Antragsteller somit die gesetzlich geregelten Ansprüche auf Ersatz besonderer Aufwendungen nach § 12 Abs. 1 JVEG zu.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG sind mit der Vergütung nach § 9 JVEG die üblichen Gemeinkosten sowie der mit der Erstattung des Gutachtens üblicherweise verbundene Aufwand abgegolten. Dies bedeutet, dass die allgemeinen Praxiskosten (Miete, Personal- und Gerätekosten) mit dem Honorar, hier also mit der Pauschale von 1.100 EUR abgegolten sind. Entsprechend der Regelung in Satz 2 Nr. 1 - nahezu wortgleich mit der Regelung in der Vergütungsvereinbarung - können daher als besondere Kosten neben fremdbeschafften Leistungen (z.B. Laboruntersuchungen) in der Regel nur Verbrauchsmaterialien und Aufwendungen für Hilfskräfte ersetzt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass tatsächlich Materialien verbraucht oder Hilfskräfte eingesetzt worden sind. Dies kann hier nicht festgestellt werden.

Der Antragsteller hat sich auf die entsprechenden Hinweise des Senats, es dürften angesichts der eingesetzten Untersuchungsmethoden (ausweislich der Abrechnung Untersuchungen nach GOÄ Nrn. 1403, 1404, 1407, 1408, 1409, 1415, 1530) keine messbaren Verbrauchsmaterialien angefallen sein und der Einsatz von Hilfskräften sei nicht erkennbar, mit der ihm eingeräumten Möglichkeit, zu Verbrauchsmaterialien und den Einsatz von Hilfskräften vorzutragen, nicht reagiert. Der Senat geht daher davon aus, dass keine derartigen besonderen Kosten entstanden sind. Sind solche Kosten nicht entstanden, können Kosten auch nicht ersetzt werden.

Soweit der Antragsteller darauf hinweist, dass ihm vom Praxisinhaber Kosten in Rechnung gestellt werden, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn in diesen Kosten sind dann jene allgemeinen Praxisunkosten enthalten, deren Erstattung § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG gerade ausschließt. Sie können daher nicht deshalb erstattet werden, weil der Antragsteller keine eigene Praxis führt und ihm diese Unkosten von einem Dritten in Rechnung gestellt werden (vgl. Meyer/Höver/Bach/Overlack/Jahnke, JVEG, 27. Auflage, § 12 Rdnr. 8 und Schneider, JVEG, § 12 Rdnr. 4 f., jeweils m.w.N.). Gleiches gilt, soweit in diesen Kosten auch pauschal Kosten für Verbrauchsmaterialien oder Hilfskräfte enthalten wären. Denn diese Kosten sind für die Erstellung des vorliegend zu vergütenden Gutachtens gerade nicht entstanden (s.o.) und erstattungsfähig sind nur tatsächlich entstandene Kosten.

Soweit sich der Antragsteller auf die ihm im Zusammenhang mit der Vergütungsvereinbarung zur Kenntnis gebrachte Rechtsprechung des für Kostensachen früher zuständigen 12. Senats (Beschluss vom 11.03.2008, L 12 R 1573/07 KO-A) beruft, führt auch dies nicht weiter. Soweit der Beschluss dahin zu verstehen sein sollte, dass der einfache Satz der GOÄ dann abrechenbar sein soll, wenn solche Leistungen von Hilfskräften bzw. unter Einsatz von Verbrauchsmaterialien erbracht werden, scheidet ein Anspruch schon deshalb aus, weil keine Hilfskräfte eingesetzt und keine Materialien verbraucht wurden. Soweit der Beschluss dahingehend zu interpretieren sein sollte, dass bei von der GOÄ erfassten technischen Leistungen (dort nach Abschnitt F der Anlage zur GOÄ) generell eine Abrechnung des einfachen Satzes möglich sei, hat der 12. Senat hieran - zu Recht - nicht festgehalten, sondern mit Beschluss vom 31.05.2017, L 12 SF 3137/15 E, ausdrücklich entschieden, dass § 10 JVEG abschließend regelt, wann die GOÄ zur Anwendung kommt (nämlich nach § 10 Abs. 2 JVEG nur für Leistungen nach Abschnitt O der Anlage zur GOÄ, so wortlautgleich auch Teil IV Abs. 2 Satz 2 der Vergütungsvereinbarung) und dass damit eine entsprechende oder analoge Anwendung der GOÄ ausscheidet (ebenso Beschluss vom 11.12.2017, L 12 KO 2217/17 B). Die hier in Rede stehenden Abrechnungspositionen sind keine Leistungen nach Abschnitt O, sondern nach Abschnitt J der GOÄ.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers wurde die Abrechnung von Gebührenpositionen der GOÄ als pauschale Unkosten auch nicht Bestandteil der Vergütungsvereinbarung. Aus dem vor Vertragsschluss erfolgten Schriftwechsel mit dem seitens des Erinnerungsgegners erteilten Hinweis auf den Beschluss des Kostensenats vom 11.03.2008 ist nicht zu schließen, dass diese Rechtsprechung in Vertragsform gegossen werden sollte. Insbesondere kam es nicht zu einer entsprechenden Vertragsklausel. Vielmehr ist der Schluss zu ziehen, dass die Vertragsparteien angesichts dieser Rechtsprechung von einer weitergehenden Regelung über die Erstattung von Sachkosten, als sie in Abschnitt IV enthalten ist, gerade absahen. Damit gingen die Beteiligten von der damaligen Rechtsprechung zwar aus, allerdings ist dieser Annahme dann auch ein jederzeit möglicher Wandel der Rechtsprechung immanent, der hier - wie dargelegt - erfolgt ist.

Soweit der Antragsteller geltend macht, in der Vergangenheit diese Gebührenpositionen vergütet erhalten zu haben, kann hieraus kein Anspruch für die Zukunft abgeleitet werden.

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die geltend gemachten Nummern der GOÄ auch nicht über Abschnitt IV Abs. 2 Satz 1 der Vergütungsvereinbarung, der auf die Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG verweist, gesondert abrechenbar sind. Denn es handelt sich schon nicht um Leistungen nach dieser Anlage, insbesondere nicht um elektrophysiologische Untersuchungen (s. hierzu Beschluss des Senats vom 21.06.2018, L 10 KO 1935/18). Auch der Antragsteller behauptet nichts Anderes.

Es bleibt somit bei der Berechnung der Kostenbeamtin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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