Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2660/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3393/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgericht Konstanz vom 7. Juli 2016 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 30. November 2013 im Rahmen eines sog. Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Die 1977 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2004 geborenen Klägerin zu 2 und des 2011 geborenen Klägers zu 3. Die Klägerin zu 1 hat das alleinige Sorgerecht für die Klägerin zu 2 inne. Für den Kläger zu 3 hat die Klägerin zu 1 ein gemeinsames Sorgerecht mit dem in Österreich lebenden Vater des Klägers zu 3 inne. Die Kläger wohnen zusammen in einer Wohnung in H ... Die Klägerin zu 1 hatte hierfür im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 340,00 Euro, Nebenkosten in Höhe von 59,71 Euro, Heizkosten in Höhe von 123,85 Euro, im März 2013 zusätzliche einmalig verbrauchsunabhängige Nebenkosten in Höhe von 232,02 Euro zu zahlen. Die Klägerin zu 1 bezog für die Kläger zu 2 und 3 Kindergeld in Höhe von monatlich je 184,00 Euro. Der Kläger zu 3 erhielt von seinem Vater monatlich Unterhalt in Höhe von 250,00 Euro.
Der Beklagte bewilligte den Klägerinnen zu 1 und 2 mit Bescheid vom 14. November 2012 Leistungen für die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. März 2013 (allerdings unter Beifügung auch eines Berechnungsbogens für April 2013) sowie mit Bescheid vom 22. März 2013 für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis 30. November 2013. Dabei berücksichtigte er das seinen Bedarf übersteigende Einkommen des Klägers zu 3 als Einkommen der Klägerinnen zu 1 und 2. Mehrbedarfe wurden nicht berücksichtigt.
Auch für die Zeit nach dem 30. November 2013 wurden den Klägerinnen zu 1 und 2 wiederholt Leistungen bewilligt (unter anderem Bescheid vom 15. Oktober 2013 für Dezember 2013 bis Mai 2014; Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2013 für Januar bis Mai 2014; vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 6. März 2014 für April und Mai 2014; Bescheid vom 17. Juli 2014).
Mit auf den 6. September 2014 datiertem Schreiben haben die Kläger am 10. September 2014 (Eingang beim Beklagten) Widerspruch gegen zwei – hier nicht streitgegenständliche – Bescheide vom 19. August 2014 erhoben und zugleich beantragt, "sämtliche Bescheide ab dem 01.11.2012 über die monatlichen Leistungen aufzuheben und mittels Bescheid [ ] neu zu entscheiden". Es sei zwingend erforderlich, dass der gesamte Leistungszeitraum seit dem 1. November 2012 neu aufgerollt werde. Es sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zu berücksichtigen. Außerdem gehöre der Kläger zu 3 seit dem 1. November 2012 nicht zur Bedarfsgemeinschaft, da sein Einkommen seinen Bedarf decke. Weiterhin seien die Unterkunftskosten nicht nach Kopfteilen, sondern nach dem individuellen Bedarf aufzuteilen. Eine bedarfsgerechte und angemessene Verteilung ergebe gemäß der intern getroffenen Vereinbarung einen Anteil von 35 Prozent für die Klägerin zu 1, von 40 Prozent für die Klägerin zu 2 und von 25 Prozent für den Kläger zu 3 an den Unterkunftskosten.
Mit Bescheiden vom 11. September 2014 ("Änderung zum Bescheid vom 14.11.2012" bzw. "Änderung zum Bescheid vom 22.03.2013") änderte der Beklagte seine Bewilligung für Januar bis April 2013 bzw. für Mai bis November 2013; er gewährte nun einen Mehrbedarf für Alleinerziehende und berücksichtigte die Versicherungspauschale beim Einkommen. Für März 2013 wurden auch Leistungen an den Kläger zu 3 bewilligt.
Die Kläger erhoben mit Schreiben vom 26. September 2014 (Eingang bei dem Beklagten: 30. September 2014) unter anderem gegen die Bescheide vom 11. September 2014 Widerspruch. Es sei auch der Zeitraum vor dem 1. Januar 2013 zu überprüfen, da überhaupt keine rechtskräftigen Bescheide vorlägen, bereits ab September 2013 wiederholt auf die Unrichtigkeit insistiert worden sei und zudem eine vierjährige Frist gelte.
Der Beklagte wies die Widersprüche "wegen der teilweisen Ablehnung des Überprüfungsantrags" bzgl. des Bescheides vom 14. November 2012 mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2014 zurück. Zu Recht sei nur der Zeitraum ab Januar 2013 neu berechnet worden, da der Überprüfungsantrag erst im Jahr 2014 gestellt worden sei. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei ab Januar 2013 bewilligt worden. Überschüssiges Kindergeld des Klägers zu 3 sei im Januar, Februar und April 2013 angerechnet worden. Für März 2013 ergebe sich kein Einkommensüberhang, weil wegen verbrauchsunabhängiger Nebenkosten der Bedarf höher gewesen sei. Schließlich seien die Kosten für Unterkunft und Heizung richtig nach dem Kopfteilprinzip berechnet worden.
Der Beklagte wies mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2014 die Widersprüche "wegen der teilweisen Ablehnung des Überprüfungsantrags" bzgl. des Bescheides vom 22. März 2013 zurück. Zu Recht sei nur der Bescheid vom 22. März 2013 überprüft worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Prüfanliegen "im Einzelfall" nur zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt werde. Vorliegend sei nur der Bescheid vom 22. März 2013 überprüft worden, da dies der einzige Bescheid im streitgegenständlichen Zeitraum sei, der auf das Vorbringen der Klägerin zu 1 zutreffe. Nur in diesem Bescheid seien die Regelleistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt worden. Alle übrigen Bescheide beträfen den Bereich Bildung und Teilhabe. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei bewilligt worden. Überschüssiges Kindergeld des Klägers zu 3 sei zu Recht angerechnet worden. Schließlich seien die Kosten für Unterkunft und Heizung richtig nach dem Kopfteilprinzip berechnet worden.
Am 20. Oktober 2014 haben die Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage unter anderem gegen die Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2014 erhoben. Der Kläger zu 3 sei vor allem deshalb beschwert, weil der Beklagte willkürlich und entgegen der ihm längst bekannten Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ihm seinen monatlichen "Einkommensüberhang" rechtsgrundlos wegnehme, ihn insoweit entschädigungslos enteigne und den Einkommensüberhang den Klägerinnen zu 1 und 2 als Einkommen zuschlage. Der Kläger zu 3 gehöre nicht zu der nur zwischen der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 gebildeten Bedarfsgemeinschaft, da er seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen habe beschaffen können. Sowohl beim Unterhaltsgeld als auch beim Kindergeld handle es sich um sein eigenes Einkommen. Das für ihn bestimmte Kindergeld und die väterlichen Unterhaltszahlungen dürften keinesfalls – auch nicht teilweise – für die Klägerinnen zu 1 und 2 verwendet werden, was sich zweifelsfrei aus der Entscheidung des BVerfG vom 14. Juli 2011 (1 BvR 932/10 – juris Rdnr. 48) ergebe. Außerdem seien die Unterkunftskosten nicht nach Kopfteilen, sondern nach dem individuellen Bedarf aufzuteilen. Eine bedarfsgerechte und angemessene Verteilung ergebe gemäß der intern getroffenen Vereinbarung einen Anteil von 35 Prozent für die Klägerin zu 1, von 40 Prozent für die Klägerin zu 2 und von 25 Prozent für den Kläger zu 3 an den Unterkunftskosten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 7. Juli 2016 haben die Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 11. September 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2014 zu verurteilen, ihnen für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 30. November 2013 weitere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte ist den Klagen unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten.
Mit Urteil vom 7. Juli 2016 hat das SG die Klage(n) abgewiesen. Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide sei § 44 SGB X. Der Beklagte habe zu Recht nur die Bescheide für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 überprüft, da für davor liegende Zeiträume die Jahresfrist des § 40 Abs. 1 SGB II am 10. September 2014 bereits abgelaufen gewesen sei. Der Beklagte habe auch zu Recht nur die Bewilligungsbescheide vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 überprüft. Es könne dahinstehen, ob der Beklagte die Bescheide überhaupt hätte überprüfen müssen oder ob der Überprüfungsantrag nicht bereits wegen Unbestimmtheit hätte abgelehnt werden können. Jedenfalls hätten weitere Bescheide als die genannten Bescheide für den laufenden Bewilligungszeitraum nicht überprüft werden müssen. Weder im Verwaltungsverfahren noch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hätten die Kläger benannt, welche weiteren Bescheide hätten überprüft werden sollen. Die Kläger hätten keine höheren Leistungsansprüche gegen den Beklagten als von diesem in den Bescheiden vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 11. September 2014 bewilligt. Der Kläger zu 3 habe gar keinen Leistungsanspruch, da er nicht hilfebedürftig gewesen sei. Das übersteigende Einkommen des Klägers zu 3 aus Kindergeld habe der Beklagte zu Recht als Einkommen der Klägerin zu 1 angerechnet. Der Kindergeldüberhang habe nach Abzug der Versicherungspauschale monatlich 5,49 Euro - außer im März 2013 – betragen. Zu Recht seien auch die Unterkunftskosten bei der Berechnung der Bedarfe kopfteilig auf die Kläger verteilt worden.
Gegen das ihnen nach eigenen Angaben am 5. und 10. August 2016 zugestellte Urteil haben die Kläger am 4. September 2016 beim SG Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil im Sinne des in erster Instanz geltend gemachten Begehrens abzuändern. Der Kläger zu 3 trägt vor, er werde keinesfalls – "dem absurden und durch nichts gerechtfertigten Ansinnen des Erstgerichts und der beklagten Partei entsprechend" – Personen, die nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihm lebten (und zwar schon deshalb nicht, weil er seinen gesamten Unterhalt aus seinen eigenen Einkünften selbst bestreite), ausschließlich zur "budgetären Entlastung des Etats verschiedener Institutionen Deutschlands" von seinem ihm von seinem Vater zur Verfügung gestellten Geldunterhalts und seinem Kindergeld mit einem einzigen Cent "unter die Arme" greifen. Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 7. Juli 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 11. September 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2014 zu verurteilen, den Klägern zu 1 und 2 unter teilweiser Rücknahme seiner Bescheide vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis 30. November 2013 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufungen ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger zu 3 hat darauf vorgebracht, er müsse zunächst die vollständigen Gründe erfahren, die dem zugrunde lägen. Die beabsichtigte Vorgehensweise verstoße gegen Art. 6 EMRK. Die Kläger zu 1 und 2 sowie der Beklagte haben sich nicht geäußert.
Der Senat hat ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter Ablehnungsgesuche des Klägers zu 3 gegen die zur Entscheidung berufenen Richter mit Beschluss vom 28. Mai 2018 zurückgewiesen (L 7 SF 1377/18 AB).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufungen der Kläger gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichts (SGG) durch Beschluss, da er die Berufungen der Kläger einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das fehlende Einverständnis des Klägers zu 3 mit einer Entscheidung durch Beschluss steht dieser Verfahrensweise nicht entgegen. Er hat keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine mündliche Verhandlung angezeigt erscheinen lassen. Entgegen der Auffassung des Klägers zu 3 war der Senat auch nicht verpflichtet, vorab seine Rechtsauffassung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. November 1986 – 1 BvR 706/85 – juris Rdnr. 15 f. – BVerfGE 74, 1 [5 f.]; BSG, Beschluss vom 4. Mai 2017 – B 5 R 8/17 B – juris Rdnr. 19).
2. Die gemäß § 143 SGG statthaften und gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger sind auch im Übrigen zulässig. Sie bedurften insbesondere gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht der Zulassung, da die Kläger höhere Leistungen für die Zeit vom 1. November 2012 bis 30. November 2013 und damit für mehr als ein Jahr begehren. Dieser streitige Zeitraum ergibt sich jedenfalls aus der entsprechenden Antragstellung der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2016 vor dem SG, an die sie in ihrer Berufungsschrift angeknüpft haben.
3. Die Berufungen der Kläger sind indes unbegründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die Klage des Klägers zu 3 ist bereits unzulässig (dazu unter a), die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 sind unbegründet (dazu unter b).
a) Die Klage des Klägers zu 3 ist unzulässig, denn er ist nicht klagebefugt. Mit den Klagen werden lediglich höhere Leistungen für die Klägerinnen zu 1 und 2 begehrt, nicht aber für den Kläger zu 3 und zwar auch nicht für März 2013, wie insbesondere der Klagebegründung entnommen werden kann. Der Kläger zu 3 kann aber nicht zulässigerweise Rechte der Klägerinnen zu 1 und 2 in eigenem Namen geltend machen.
b) Die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 sind unbegründet. Sie haben keinen Anspruch auf Abänderung der Überprüfungsbescheide vom 11. September 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2014 und – unter Rücknahme der Bescheide vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 – Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2012 bis zum 30. November 2012.
aa) Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X). Im Anwendungsbereich des SGB II tritt seit dem 1. April 2011 gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II an die Stelle des Zeitraumes von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr.
Die Verwaltung hat schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung keine Wirkungen mehr entfalten kann, also ausschließlich Leistungen für Zeiten betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallsfrist liegen (BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R – juris Rdnr. 23). Die Unanwendbarkeit der Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X, also die nicht mehr vorhandene Möglichkeit einer rückwirkenden Erbringung von Sozialleistungen, steht dann auch einer isolierten Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides nach § 44 Abs. 1 SGB X entgegen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 6/12 R – juris Rdnr. 10; BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R – juris Rdnr. 23 m.w.N.; Urteil des Senats vom 29. Juni 2017 – L 7 SO 4603/16 – n.v.; Urteil des Senats vom 18. Juli 2018 – L 7 AY 2834/15 – n.v.).
bb) Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte – unabhängig davon, ob die Kläger für eine Sachentscheidung des Beklagten ausreichende Überprüfungsanträge gestellt haben (vgl. zu den Anforderungen etwa BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R – juris Rdnr. 15) – es in den streitgegenständlichen Bescheiden zu Recht abgelehnt, die Leistungsbescheide für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2012 zurückzunehmen, da die Kläger ihren Antrag auf Überprüfung dieser Bescheide erst am 10. September 2014 gestellt haben, eine rückwirkende Leistungsgewährung also gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit dem 1. April 2011 geltenden Fassung i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X erst ab dem 1. Januar 2013 möglich ist.
Für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. November 2013 liegen die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X schon deswegen nicht vor, weil den Klägerinnen zu 1 und 2 für den streitigen Zeitraum alle ihnen zustehenden Leistungen für den Regelbedarf und für die Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt worden sind.
(1) Für Januar und Februar sowie April bis November 2013 gilt Folgendes:
Auf Bedarfsseite war bei der Klägerin zu 1 ein Regelbedarf von monatlich 382,00 Euro (Nr. 1 der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2013 vom 18. Oktober 2012 [im Folgenden: Bekanntmachung vom 18. Oktober 2012], BGBl. I S. 2175) sowie ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von monatlich 137,52 Euro (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) zu berücksichtigen, bei der Klägerin zu 2 ein Regelbedarf von monatlich 255,00 Euro (Nr. 6 der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2012). Als Bedarf für Unterkunft und Heizung waren die tatsächlichen Aufwendungen für die Kaltmiete in Höhe von 340,00 Euro, für die Nebenkosten in Höhe von 59,71 Euro sowie für die Heizkosten in Höhe von 123,85 Euro zu berücksichtigen; dieser Bedarf war – da die Wohnung von drei Personen bewohnt wird – zu je einem Drittel (113,33 Euro + 19,90 Euro + 41,28 Euro = 174,51 Euro) bei der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 zu berücksichtigen. Aufwendungen für eine gemeinsam bewohnte Unterkunft sind unabhängig von Alter und Nutzungsintensität regelmäßig nach dem Kopfteilprinzip zu verteilen, auch wenn die Unterkunft gemeinsam mit Personen genutzt wird, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 13/06 R – juris Rdnr. 13 m.w.N.; BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R – juris Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 17/17 R – juris Rdnr. 13 ff.; Karl in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 9 Rdnr. 110). Eine Konstellation, die eine Ausnahme hiervon gebietet (dazu Piepenstock in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22 Rdnr. 76 f. m.w.N.), liegt nicht vor. Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip und die aus ihr folgende Erhöhung der Einzelansprüche auf Leistungen für Unterkunft und Heizung setzt voraus, dass sie aus bedarfsbezogenen Gründen geboten ist (BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 17/17 R – juris Rdnr. 18 m.w.N.). Verfügt – wie hier – ein Mitbewohner, für den Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nicht erbracht werden, über Einkommen oder Vermögen, aus dem es seinen Kopfteil bestreiten kann, ist insoweit eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen nicht geboten (BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 17/17 R – juris Rdnr. 18 m.w.N.).
Bei der Klägerin zu 2 war vorab bedarfsmindernd das Einkommen in Gestalt des Kindergeldes in Höhe von monatlich 184,00 Euro zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung), so dass die Klägerin zu 2 noch einen monatlichen Bedarf in Höhe von 245,52 Euro hatte. Dieses Einkommen nimmt nicht Teil an der Horizontalberechnung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II.
Außerdem war das Kindergeld für den Kläger zu 3 als Einkommen der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen, soweit es bei ihm nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28 SGB II, benötigt wurde (§ 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung; siehe bereits BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – juris Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 55/07 R – juris Rdnr. 34). Der Bedarf des Klägers zu 3 setzte sich aus dem Regelsatz von Höhe von 224,00 Euro (Nr. 5 der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2012) sowie dem kopfteiligen Anteil an den Unterkunfts- und Heizungskosten in Höhe von 174,51 Euro zusammen. Diesem Gesamtbedarf von 398,51 Euro stand Einkommen in Form des väterlichen Unterhalts in Höhe von 250,00 Euro sowie des Kindergeldes in Höhe von 184,00 Euro gegenüber (insgesamt 434,00 Euro), so dass sich ein Einkommensüberhang in Höhe von 35,49 Euro ergab. Der Kläger zu 3 war damit im Januar und Februar sowie April bis November 2013 nicht hilfebedürftig und daher gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, so dass er auch nicht an der Horizontalberechnung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II teilnimmt (vgl. Peters in Estelmann, SGB II, § 9 Rdnr. 58 [März 2016]).
In der dargestellten Höhe von 35,49 Euro ist das Kindergeld des Klägers zu 3 nicht als dessen Einkommen, sondern als Einkommen der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen, weil insofern die Zuordnung des Kindergeldes zum Kind durch § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung nicht mehr greift. Nach Abzug der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung; vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 55/07 R – juris Rdnr. 34) verblieb ein Einkommensüberhang von 5,48 Euro.
Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers zu 3 der Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 14. Juli 2011 (1 BvR 932/10 – juris) nicht entgegen (so bereits Beschluss des Senats vom 28. September 2017 – L 7 AS 374/15 – juris Rdnr. 47 – auch zum Folgenden). Zwar wird dort ausgeführt, dass § 1612b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung das Kindergeld nicht mehr den Eltern, sondern dem Kind zuordne (a.a.O., Rdnr. 37). Der Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen des SGB II steht dies indes nicht entgegen (dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2013 – L 7 AS 1795/12 – juris Rdnr. 41 ff.). Bei § 1612b BGB handelt es sich um eine allein unterhaltsrechtliche Fragen regelnde Norm, die weder der Sache nach noch normhierarchisch die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II derogiert. Für die Frage der Anrechnung von Einkommen sind allein die bereichsspezifischen Regelungen des SGB II maßgeblich. Unterhalts- und Grundsicherungsrecht muss nicht deckungsgleich sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 371/11 – juris Rn. 60 ff. – BVerfGE 142, 353 [380 ff.]). Das BVerfG hat in dem genannten Beschluss vom 14. Juli 2011 im Übrigen nur Ausführungen zur einfachrechtlichen unterhaltsrechtlichen Lage gemacht, aber insofern keine verfassungsrechtliche Wertung vorgenommen. Abgesehen davon handelt es sich bei dem Beschluss des BVerfG um einen Nichtannahmebeschluss, der nicht die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG erzeugt (vgl. Heusch in Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 31 Rdnr. 53 m.w.N.)
Dieses Einkommen der Klägerin zu 1 war allerdings entsprechend der durch § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II vorgegebenen horizontalen Bedarfsanteilsmethode nicht vollständig bei der Klägerin zu 1, sondern im Umfang des Anteils an der Gesamtbedürftigkeit auch bei der Klägerin zu 2 zu berücksichtigen.
Der Gesamtbedarf der aus der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 bestehenden Bedarfsgemeinschaft beträgt 939,56 Euro, wobei hiervon wiederum das Kindergeld für die Klägerin zu 2 vorab abzuziehen ist (siehe oben; vgl. Peters in Estelmann, SGB II, § 9 Rdnr. 58 [März 2016]). Hiervon hat die Klägerin zu 1 mit 694,04 Euro einen Anteil von 73,87 Prozent. Das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 5,49 Euro ist also in Höhe von 4,06 Euro als bedarfsdeckend bei der Klägerin zu 1 und in Höhe von 1,43 Euro als bedarfsdeckend bei der Klägerin zu 2 zu berücksichtigen.
Damit ergibt sich ein monatlicher Leistungsanspruch der Klägerin zu 1 in Höhe von 690,00 Euro. Der Beklagte hat der Klägerin zu 1 in den Bescheiden vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 in der Fassung der Bescheide vom 11. September 2014 jeweils 690,00 Euro bewilligt.
Außerdem ergibt sich ein monatlicher Leistungsanspruch der Klägerin zu 2 in Höhe von 244,08 Euro. Der Beklagte hat der Klägerin zu 2 in den Bescheiden vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 in der Fassung der Bescheide vom 11. September 2014 jeweils 244,08 Euro bewilligt.
(2) Für März 2013 gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend, wobei der Beklagte bei den Kosten für Unterkunft und Heizung zusätzliche Nebenkosten in Höhe von 232,02 Euro berücksichtigt hat, so dass sich der Bedarf aller Kläger um jeweils 77,34 Euro erhöht hat. Dies führt dazu, dass der Kläger zu 3 in diesem Monat hilfebedürftig war und daher der Bedarfsgemeinschaft angehörte, sein Kindergeldeinkommen vollständig zur eigenen Bedarfsdeckung benötigte und der Leistungsanspruch der Klägerinnen zu 1 und 2 nicht durch einen Einkommensüberhang gemindert wurde. Hinsichtlich der Berechnungen im einzelnen wird auf die entsprechende Anlage zum Bescheid des Beklagten vom 11. September 2014 verwiesen. Auch für diesen Monat entsprechen die zuletzt bewilligten Beträge den nach den gesetzlichen Vorschriften bestehenden Ansprüchen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
6. Es ist ausschließlich über die Monatsfrist für die Erhebung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 160a Abs. 1 Satz 2 SGG zu belehren. Zwar gilt § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die Klagefrist bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate beträgt, nach der Rechtsprechung des BSG auch im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 4. Juni 1975 – 11 BA 4/75 – juris Rdnr. 3; BSG, Beschluss vom 14. März 2013 – B 13 R 188/12 B – juris Rdnr. 9). Der Beschluss des Senats ist indes nicht im Ausland bekannt zu machen. Der Kläger zu 3 wird ausweislich der Berufungsschrift sowohl von der Klägerin zu 1 als auch seinem Vater vertreten, die beide das gemeinsame Sorgerecht (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch) haben. Sind aber mehrere Bevollmächtigte vorhanden, reicht die Zustellung (vgl. § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG) an einen Bevollmächtigten gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 84 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) aus (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 1983 – 1 B 152/83 – juris Rdnr. 3; Landessozialgericht Thüringen, Urteil vom 12. November 2013 – L 6 P 826/09 – juris Rdnr. 12 m.w.N.; Althammer in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 84 Rdnr. 3 m.w.N.; Arndt in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 73 Rdnr. 27; Weth in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 84 Rdnr. 5). Das Gleiche gilt in der hier vorliegenden Konstellation einer gesetzlichen Vertretung aufgrund eines gemeinsamen Sorgerechts (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 170 Abs. 3 ZPO; vgl. BSG, Beschluss vom 25. Januar 2017 – B 3 P 23/16 B – juris Rdnr. 10; Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 170 Rdnr. 5; Wittschler in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 170 Rdr. 4), so dass die Zustellung des Beschlusses an den Kläger zu 3 durch die Zustellung an die Klägerin zu 1 bewirkt wird; einer Zustellung an den Vater des Klägers zu 3 bedarf es nicht.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 30. November 2013 im Rahmen eines sog. Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Die 1977 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2004 geborenen Klägerin zu 2 und des 2011 geborenen Klägers zu 3. Die Klägerin zu 1 hat das alleinige Sorgerecht für die Klägerin zu 2 inne. Für den Kläger zu 3 hat die Klägerin zu 1 ein gemeinsames Sorgerecht mit dem in Österreich lebenden Vater des Klägers zu 3 inne. Die Kläger wohnen zusammen in einer Wohnung in H ... Die Klägerin zu 1 hatte hierfür im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 340,00 Euro, Nebenkosten in Höhe von 59,71 Euro, Heizkosten in Höhe von 123,85 Euro, im März 2013 zusätzliche einmalig verbrauchsunabhängige Nebenkosten in Höhe von 232,02 Euro zu zahlen. Die Klägerin zu 1 bezog für die Kläger zu 2 und 3 Kindergeld in Höhe von monatlich je 184,00 Euro. Der Kläger zu 3 erhielt von seinem Vater monatlich Unterhalt in Höhe von 250,00 Euro.
Der Beklagte bewilligte den Klägerinnen zu 1 und 2 mit Bescheid vom 14. November 2012 Leistungen für die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. März 2013 (allerdings unter Beifügung auch eines Berechnungsbogens für April 2013) sowie mit Bescheid vom 22. März 2013 für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis 30. November 2013. Dabei berücksichtigte er das seinen Bedarf übersteigende Einkommen des Klägers zu 3 als Einkommen der Klägerinnen zu 1 und 2. Mehrbedarfe wurden nicht berücksichtigt.
Auch für die Zeit nach dem 30. November 2013 wurden den Klägerinnen zu 1 und 2 wiederholt Leistungen bewilligt (unter anderem Bescheid vom 15. Oktober 2013 für Dezember 2013 bis Mai 2014; Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2013 für Januar bis Mai 2014; vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 6. März 2014 für April und Mai 2014; Bescheid vom 17. Juli 2014).
Mit auf den 6. September 2014 datiertem Schreiben haben die Kläger am 10. September 2014 (Eingang beim Beklagten) Widerspruch gegen zwei – hier nicht streitgegenständliche – Bescheide vom 19. August 2014 erhoben und zugleich beantragt, "sämtliche Bescheide ab dem 01.11.2012 über die monatlichen Leistungen aufzuheben und mittels Bescheid [ ] neu zu entscheiden". Es sei zwingend erforderlich, dass der gesamte Leistungszeitraum seit dem 1. November 2012 neu aufgerollt werde. Es sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zu berücksichtigen. Außerdem gehöre der Kläger zu 3 seit dem 1. November 2012 nicht zur Bedarfsgemeinschaft, da sein Einkommen seinen Bedarf decke. Weiterhin seien die Unterkunftskosten nicht nach Kopfteilen, sondern nach dem individuellen Bedarf aufzuteilen. Eine bedarfsgerechte und angemessene Verteilung ergebe gemäß der intern getroffenen Vereinbarung einen Anteil von 35 Prozent für die Klägerin zu 1, von 40 Prozent für die Klägerin zu 2 und von 25 Prozent für den Kläger zu 3 an den Unterkunftskosten.
Mit Bescheiden vom 11. September 2014 ("Änderung zum Bescheid vom 14.11.2012" bzw. "Änderung zum Bescheid vom 22.03.2013") änderte der Beklagte seine Bewilligung für Januar bis April 2013 bzw. für Mai bis November 2013; er gewährte nun einen Mehrbedarf für Alleinerziehende und berücksichtigte die Versicherungspauschale beim Einkommen. Für März 2013 wurden auch Leistungen an den Kläger zu 3 bewilligt.
Die Kläger erhoben mit Schreiben vom 26. September 2014 (Eingang bei dem Beklagten: 30. September 2014) unter anderem gegen die Bescheide vom 11. September 2014 Widerspruch. Es sei auch der Zeitraum vor dem 1. Januar 2013 zu überprüfen, da überhaupt keine rechtskräftigen Bescheide vorlägen, bereits ab September 2013 wiederholt auf die Unrichtigkeit insistiert worden sei und zudem eine vierjährige Frist gelte.
Der Beklagte wies die Widersprüche "wegen der teilweisen Ablehnung des Überprüfungsantrags" bzgl. des Bescheides vom 14. November 2012 mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2014 zurück. Zu Recht sei nur der Zeitraum ab Januar 2013 neu berechnet worden, da der Überprüfungsantrag erst im Jahr 2014 gestellt worden sei. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei ab Januar 2013 bewilligt worden. Überschüssiges Kindergeld des Klägers zu 3 sei im Januar, Februar und April 2013 angerechnet worden. Für März 2013 ergebe sich kein Einkommensüberhang, weil wegen verbrauchsunabhängiger Nebenkosten der Bedarf höher gewesen sei. Schließlich seien die Kosten für Unterkunft und Heizung richtig nach dem Kopfteilprinzip berechnet worden.
Der Beklagte wies mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2014 die Widersprüche "wegen der teilweisen Ablehnung des Überprüfungsantrags" bzgl. des Bescheides vom 22. März 2013 zurück. Zu Recht sei nur der Bescheid vom 22. März 2013 überprüft worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Prüfanliegen "im Einzelfall" nur zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt werde. Vorliegend sei nur der Bescheid vom 22. März 2013 überprüft worden, da dies der einzige Bescheid im streitgegenständlichen Zeitraum sei, der auf das Vorbringen der Klägerin zu 1 zutreffe. Nur in diesem Bescheid seien die Regelleistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt worden. Alle übrigen Bescheide beträfen den Bereich Bildung und Teilhabe. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei bewilligt worden. Überschüssiges Kindergeld des Klägers zu 3 sei zu Recht angerechnet worden. Schließlich seien die Kosten für Unterkunft und Heizung richtig nach dem Kopfteilprinzip berechnet worden.
Am 20. Oktober 2014 haben die Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage unter anderem gegen die Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2014 erhoben. Der Kläger zu 3 sei vor allem deshalb beschwert, weil der Beklagte willkürlich und entgegen der ihm längst bekannten Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ihm seinen monatlichen "Einkommensüberhang" rechtsgrundlos wegnehme, ihn insoweit entschädigungslos enteigne und den Einkommensüberhang den Klägerinnen zu 1 und 2 als Einkommen zuschlage. Der Kläger zu 3 gehöre nicht zu der nur zwischen der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 gebildeten Bedarfsgemeinschaft, da er seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen habe beschaffen können. Sowohl beim Unterhaltsgeld als auch beim Kindergeld handle es sich um sein eigenes Einkommen. Das für ihn bestimmte Kindergeld und die väterlichen Unterhaltszahlungen dürften keinesfalls – auch nicht teilweise – für die Klägerinnen zu 1 und 2 verwendet werden, was sich zweifelsfrei aus der Entscheidung des BVerfG vom 14. Juli 2011 (1 BvR 932/10 – juris Rdnr. 48) ergebe. Außerdem seien die Unterkunftskosten nicht nach Kopfteilen, sondern nach dem individuellen Bedarf aufzuteilen. Eine bedarfsgerechte und angemessene Verteilung ergebe gemäß der intern getroffenen Vereinbarung einen Anteil von 35 Prozent für die Klägerin zu 1, von 40 Prozent für die Klägerin zu 2 und von 25 Prozent für den Kläger zu 3 an den Unterkunftskosten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 7. Juli 2016 haben die Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 11. September 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2014 zu verurteilen, ihnen für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 30. November 2013 weitere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte ist den Klagen unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten.
Mit Urteil vom 7. Juli 2016 hat das SG die Klage(n) abgewiesen. Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide sei § 44 SGB X. Der Beklagte habe zu Recht nur die Bescheide für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 überprüft, da für davor liegende Zeiträume die Jahresfrist des § 40 Abs. 1 SGB II am 10. September 2014 bereits abgelaufen gewesen sei. Der Beklagte habe auch zu Recht nur die Bewilligungsbescheide vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 überprüft. Es könne dahinstehen, ob der Beklagte die Bescheide überhaupt hätte überprüfen müssen oder ob der Überprüfungsantrag nicht bereits wegen Unbestimmtheit hätte abgelehnt werden können. Jedenfalls hätten weitere Bescheide als die genannten Bescheide für den laufenden Bewilligungszeitraum nicht überprüft werden müssen. Weder im Verwaltungsverfahren noch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hätten die Kläger benannt, welche weiteren Bescheide hätten überprüft werden sollen. Die Kläger hätten keine höheren Leistungsansprüche gegen den Beklagten als von diesem in den Bescheiden vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 11. September 2014 bewilligt. Der Kläger zu 3 habe gar keinen Leistungsanspruch, da er nicht hilfebedürftig gewesen sei. Das übersteigende Einkommen des Klägers zu 3 aus Kindergeld habe der Beklagte zu Recht als Einkommen der Klägerin zu 1 angerechnet. Der Kindergeldüberhang habe nach Abzug der Versicherungspauschale monatlich 5,49 Euro - außer im März 2013 – betragen. Zu Recht seien auch die Unterkunftskosten bei der Berechnung der Bedarfe kopfteilig auf die Kläger verteilt worden.
Gegen das ihnen nach eigenen Angaben am 5. und 10. August 2016 zugestellte Urteil haben die Kläger am 4. September 2016 beim SG Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil im Sinne des in erster Instanz geltend gemachten Begehrens abzuändern. Der Kläger zu 3 trägt vor, er werde keinesfalls – "dem absurden und durch nichts gerechtfertigten Ansinnen des Erstgerichts und der beklagten Partei entsprechend" – Personen, die nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihm lebten (und zwar schon deshalb nicht, weil er seinen gesamten Unterhalt aus seinen eigenen Einkünften selbst bestreite), ausschließlich zur "budgetären Entlastung des Etats verschiedener Institutionen Deutschlands" von seinem ihm von seinem Vater zur Verfügung gestellten Geldunterhalts und seinem Kindergeld mit einem einzigen Cent "unter die Arme" greifen. Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 7. Juli 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide vom 11. September 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2014 zu verurteilen, den Klägern zu 1 und 2 unter teilweiser Rücknahme seiner Bescheide vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis 30. November 2013 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufungen ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger zu 3 hat darauf vorgebracht, er müsse zunächst die vollständigen Gründe erfahren, die dem zugrunde lägen. Die beabsichtigte Vorgehensweise verstoße gegen Art. 6 EMRK. Die Kläger zu 1 und 2 sowie der Beklagte haben sich nicht geäußert.
Der Senat hat ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter Ablehnungsgesuche des Klägers zu 3 gegen die zur Entscheidung berufenen Richter mit Beschluss vom 28. Mai 2018 zurückgewiesen (L 7 SF 1377/18 AB).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufungen der Kläger gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichts (SGG) durch Beschluss, da er die Berufungen der Kläger einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das fehlende Einverständnis des Klägers zu 3 mit einer Entscheidung durch Beschluss steht dieser Verfahrensweise nicht entgegen. Er hat keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine mündliche Verhandlung angezeigt erscheinen lassen. Entgegen der Auffassung des Klägers zu 3 war der Senat auch nicht verpflichtet, vorab seine Rechtsauffassung darzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. November 1986 – 1 BvR 706/85 – juris Rdnr. 15 f. – BVerfGE 74, 1 [5 f.]; BSG, Beschluss vom 4. Mai 2017 – B 5 R 8/17 B – juris Rdnr. 19).
2. Die gemäß § 143 SGG statthaften und gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger sind auch im Übrigen zulässig. Sie bedurften insbesondere gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht der Zulassung, da die Kläger höhere Leistungen für die Zeit vom 1. November 2012 bis 30. November 2013 und damit für mehr als ein Jahr begehren. Dieser streitige Zeitraum ergibt sich jedenfalls aus der entsprechenden Antragstellung der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2016 vor dem SG, an die sie in ihrer Berufungsschrift angeknüpft haben.
3. Die Berufungen der Kläger sind indes unbegründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die Klage des Klägers zu 3 ist bereits unzulässig (dazu unter a), die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 sind unbegründet (dazu unter b).
a) Die Klage des Klägers zu 3 ist unzulässig, denn er ist nicht klagebefugt. Mit den Klagen werden lediglich höhere Leistungen für die Klägerinnen zu 1 und 2 begehrt, nicht aber für den Kläger zu 3 und zwar auch nicht für März 2013, wie insbesondere der Klagebegründung entnommen werden kann. Der Kläger zu 3 kann aber nicht zulässigerweise Rechte der Klägerinnen zu 1 und 2 in eigenem Namen geltend machen.
b) Die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 sind unbegründet. Sie haben keinen Anspruch auf Abänderung der Überprüfungsbescheide vom 11. September 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2014 und – unter Rücknahme der Bescheide vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 – Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2012 bis zum 30. November 2012.
aa) Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X). Im Anwendungsbereich des SGB II tritt seit dem 1. April 2011 gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II an die Stelle des Zeitraumes von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr.
Die Verwaltung hat schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung keine Wirkungen mehr entfalten kann, also ausschließlich Leistungen für Zeiten betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallsfrist liegen (BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R – juris Rdnr. 23). Die Unanwendbarkeit der Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X, also die nicht mehr vorhandene Möglichkeit einer rückwirkenden Erbringung von Sozialleistungen, steht dann auch einer isolierten Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides nach § 44 Abs. 1 SGB X entgegen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 6/12 R – juris Rdnr. 10; BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R – juris Rdnr. 23 m.w.N.; Urteil des Senats vom 29. Juni 2017 – L 7 SO 4603/16 – n.v.; Urteil des Senats vom 18. Juli 2018 – L 7 AY 2834/15 – n.v.).
bb) Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte – unabhängig davon, ob die Kläger für eine Sachentscheidung des Beklagten ausreichende Überprüfungsanträge gestellt haben (vgl. zu den Anforderungen etwa BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R – juris Rdnr. 15) – es in den streitgegenständlichen Bescheiden zu Recht abgelehnt, die Leistungsbescheide für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2012 zurückzunehmen, da die Kläger ihren Antrag auf Überprüfung dieser Bescheide erst am 10. September 2014 gestellt haben, eine rückwirkende Leistungsgewährung also gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit dem 1. April 2011 geltenden Fassung i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X erst ab dem 1. Januar 2013 möglich ist.
Für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. November 2013 liegen die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X schon deswegen nicht vor, weil den Klägerinnen zu 1 und 2 für den streitigen Zeitraum alle ihnen zustehenden Leistungen für den Regelbedarf und für die Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt worden sind.
(1) Für Januar und Februar sowie April bis November 2013 gilt Folgendes:
Auf Bedarfsseite war bei der Klägerin zu 1 ein Regelbedarf von monatlich 382,00 Euro (Nr. 1 der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2013 vom 18. Oktober 2012 [im Folgenden: Bekanntmachung vom 18. Oktober 2012], BGBl. I S. 2175) sowie ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von monatlich 137,52 Euro (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) zu berücksichtigen, bei der Klägerin zu 2 ein Regelbedarf von monatlich 255,00 Euro (Nr. 6 der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2012). Als Bedarf für Unterkunft und Heizung waren die tatsächlichen Aufwendungen für die Kaltmiete in Höhe von 340,00 Euro, für die Nebenkosten in Höhe von 59,71 Euro sowie für die Heizkosten in Höhe von 123,85 Euro zu berücksichtigen; dieser Bedarf war – da die Wohnung von drei Personen bewohnt wird – zu je einem Drittel (113,33 Euro + 19,90 Euro + 41,28 Euro = 174,51 Euro) bei der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 zu berücksichtigen. Aufwendungen für eine gemeinsam bewohnte Unterkunft sind unabhängig von Alter und Nutzungsintensität regelmäßig nach dem Kopfteilprinzip zu verteilen, auch wenn die Unterkunft gemeinsam mit Personen genutzt wird, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 13/06 R – juris Rdnr. 13 m.w.N.; BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R – juris Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 17/17 R – juris Rdnr. 13 ff.; Karl in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 9 Rdnr. 110). Eine Konstellation, die eine Ausnahme hiervon gebietet (dazu Piepenstock in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22 Rdnr. 76 f. m.w.N.), liegt nicht vor. Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip und die aus ihr folgende Erhöhung der Einzelansprüche auf Leistungen für Unterkunft und Heizung setzt voraus, dass sie aus bedarfsbezogenen Gründen geboten ist (BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 17/17 R – juris Rdnr. 18 m.w.N.). Verfügt – wie hier – ein Mitbewohner, für den Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nicht erbracht werden, über Einkommen oder Vermögen, aus dem es seinen Kopfteil bestreiten kann, ist insoweit eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen nicht geboten (BSG, Urteil vom 14. Februar 2018 – B 14 AS 17/17 R – juris Rdnr. 18 m.w.N.).
Bei der Klägerin zu 2 war vorab bedarfsmindernd das Einkommen in Gestalt des Kindergeldes in Höhe von monatlich 184,00 Euro zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung), so dass die Klägerin zu 2 noch einen monatlichen Bedarf in Höhe von 245,52 Euro hatte. Dieses Einkommen nimmt nicht Teil an der Horizontalberechnung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II.
Außerdem war das Kindergeld für den Kläger zu 3 als Einkommen der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen, soweit es bei ihm nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28 SGB II, benötigt wurde (§ 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung; siehe bereits BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – juris Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 55/07 R – juris Rdnr. 34). Der Bedarf des Klägers zu 3 setzte sich aus dem Regelsatz von Höhe von 224,00 Euro (Nr. 5 der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2012) sowie dem kopfteiligen Anteil an den Unterkunfts- und Heizungskosten in Höhe von 174,51 Euro zusammen. Diesem Gesamtbedarf von 398,51 Euro stand Einkommen in Form des väterlichen Unterhalts in Höhe von 250,00 Euro sowie des Kindergeldes in Höhe von 184,00 Euro gegenüber (insgesamt 434,00 Euro), so dass sich ein Einkommensüberhang in Höhe von 35,49 Euro ergab. Der Kläger zu 3 war damit im Januar und Februar sowie April bis November 2013 nicht hilfebedürftig und daher gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, so dass er auch nicht an der Horizontalberechnung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II teilnimmt (vgl. Peters in Estelmann, SGB II, § 9 Rdnr. 58 [März 2016]).
In der dargestellten Höhe von 35,49 Euro ist das Kindergeld des Klägers zu 3 nicht als dessen Einkommen, sondern als Einkommen der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen, weil insofern die Zuordnung des Kindergeldes zum Kind durch § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung nicht mehr greift. Nach Abzug der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung; vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 55/07 R – juris Rdnr. 34) verblieb ein Einkommensüberhang von 5,48 Euro.
Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers zu 3 der Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 14. Juli 2011 (1 BvR 932/10 – juris) nicht entgegen (so bereits Beschluss des Senats vom 28. September 2017 – L 7 AS 374/15 – juris Rdnr. 47 – auch zum Folgenden). Zwar wird dort ausgeführt, dass § 1612b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung das Kindergeld nicht mehr den Eltern, sondern dem Kind zuordne (a.a.O., Rdnr. 37). Der Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen des SGB II steht dies indes nicht entgegen (dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2013 – L 7 AS 1795/12 – juris Rdnr. 41 ff.). Bei § 1612b BGB handelt es sich um eine allein unterhaltsrechtliche Fragen regelnde Norm, die weder der Sache nach noch normhierarchisch die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II derogiert. Für die Frage der Anrechnung von Einkommen sind allein die bereichsspezifischen Regelungen des SGB II maßgeblich. Unterhalts- und Grundsicherungsrecht muss nicht deckungsgleich sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 371/11 – juris Rn. 60 ff. – BVerfGE 142, 353 [380 ff.]). Das BVerfG hat in dem genannten Beschluss vom 14. Juli 2011 im Übrigen nur Ausführungen zur einfachrechtlichen unterhaltsrechtlichen Lage gemacht, aber insofern keine verfassungsrechtliche Wertung vorgenommen. Abgesehen davon handelt es sich bei dem Beschluss des BVerfG um einen Nichtannahmebeschluss, der nicht die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG erzeugt (vgl. Heusch in Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 31 Rdnr. 53 m.w.N.)
Dieses Einkommen der Klägerin zu 1 war allerdings entsprechend der durch § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II vorgegebenen horizontalen Bedarfsanteilsmethode nicht vollständig bei der Klägerin zu 1, sondern im Umfang des Anteils an der Gesamtbedürftigkeit auch bei der Klägerin zu 2 zu berücksichtigen.
Der Gesamtbedarf der aus der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 bestehenden Bedarfsgemeinschaft beträgt 939,56 Euro, wobei hiervon wiederum das Kindergeld für die Klägerin zu 2 vorab abzuziehen ist (siehe oben; vgl. Peters in Estelmann, SGB II, § 9 Rdnr. 58 [März 2016]). Hiervon hat die Klägerin zu 1 mit 694,04 Euro einen Anteil von 73,87 Prozent. Das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 5,49 Euro ist also in Höhe von 4,06 Euro als bedarfsdeckend bei der Klägerin zu 1 und in Höhe von 1,43 Euro als bedarfsdeckend bei der Klägerin zu 2 zu berücksichtigen.
Damit ergibt sich ein monatlicher Leistungsanspruch der Klägerin zu 1 in Höhe von 690,00 Euro. Der Beklagte hat der Klägerin zu 1 in den Bescheiden vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 in der Fassung der Bescheide vom 11. September 2014 jeweils 690,00 Euro bewilligt.
Außerdem ergibt sich ein monatlicher Leistungsanspruch der Klägerin zu 2 in Höhe von 244,08 Euro. Der Beklagte hat der Klägerin zu 2 in den Bescheiden vom 14. November 2012 und vom 22. März 2013 in der Fassung der Bescheide vom 11. September 2014 jeweils 244,08 Euro bewilligt.
(2) Für März 2013 gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend, wobei der Beklagte bei den Kosten für Unterkunft und Heizung zusätzliche Nebenkosten in Höhe von 232,02 Euro berücksichtigt hat, so dass sich der Bedarf aller Kläger um jeweils 77,34 Euro erhöht hat. Dies führt dazu, dass der Kläger zu 3 in diesem Monat hilfebedürftig war und daher der Bedarfsgemeinschaft angehörte, sein Kindergeldeinkommen vollständig zur eigenen Bedarfsdeckung benötigte und der Leistungsanspruch der Klägerinnen zu 1 und 2 nicht durch einen Einkommensüberhang gemindert wurde. Hinsichtlich der Berechnungen im einzelnen wird auf die entsprechende Anlage zum Bescheid des Beklagten vom 11. September 2014 verwiesen. Auch für diesen Monat entsprechen die zuletzt bewilligten Beträge den nach den gesetzlichen Vorschriften bestehenden Ansprüchen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
6. Es ist ausschließlich über die Monatsfrist für die Erhebung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 160a Abs. 1 Satz 2 SGG zu belehren. Zwar gilt § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die Klagefrist bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate beträgt, nach der Rechtsprechung des BSG auch im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BSG, Beschluss vom 4. Juni 1975 – 11 BA 4/75 – juris Rdnr. 3; BSG, Beschluss vom 14. März 2013 – B 13 R 188/12 B – juris Rdnr. 9). Der Beschluss des Senats ist indes nicht im Ausland bekannt zu machen. Der Kläger zu 3 wird ausweislich der Berufungsschrift sowohl von der Klägerin zu 1 als auch seinem Vater vertreten, die beide das gemeinsame Sorgerecht (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch) haben. Sind aber mehrere Bevollmächtigte vorhanden, reicht die Zustellung (vgl. § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG) an einen Bevollmächtigten gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 84 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) aus (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 1983 – 1 B 152/83 – juris Rdnr. 3; Landessozialgericht Thüringen, Urteil vom 12. November 2013 – L 6 P 826/09 – juris Rdnr. 12 m.w.N.; Althammer in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 84 Rdnr. 3 m.w.N.; Arndt in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 73 Rdnr. 27; Weth in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 84 Rdnr. 5). Das Gleiche gilt in der hier vorliegenden Konstellation einer gesetzlichen Vertretung aufgrund eines gemeinsamen Sorgerechts (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 170 Abs. 3 ZPO; vgl. BSG, Beschluss vom 25. Januar 2017 – B 3 P 23/16 B – juris Rdnr. 10; Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 170 Rdnr. 5; Wittschler in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 170 Rdr. 4), so dass die Zustellung des Beschlusses an den Kläger zu 3 durch die Zustellung an die Klägerin zu 1 bewirkt wird; einer Zustellung an den Vater des Klägers zu 3 bedarf es nicht.
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