Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1208/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 388/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Um die monatlichen Einkünfte eines hauptberuflich selbstständig Tätigen, der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, festzustellen, darf die Krankenkasse nicht die Zeiten eines Bezugs von Krankengeld herausrechnen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016.
Der Kläger, hauptberuflich Selbständiger, war im streitgegenständlichen Zeitraum bei den Beklagten freiwillig kranken- (mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit) und pflegeversichert. Die Beklagte zu 1 setzte zuletzt mit Bescheid vom 18. März 2013 für die Zeit ab März 2013 die Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 610,31 und – im Namen der Beklagten zu 2 – zur Pflegeversicherung in Höhe von EUR 80,72 nach der Beitragsbemessungsgrundlage (EUR 3.937,50) fest. Der Einkommensteuerbescheid für 2011 hatte Einkünfte des Klägers in Höhe von EUR 56.902,00 ausgewiesen.
Wegen ab 17. Januar 2014 bestehender Arbeitsunfähigkeit zahlte die Beklagte zu 1 vom 28. Februar bis 9. Juli 2014 Krankengeld. Vom 28. Februar bis 20. Juni 2014 war der Kläger aufgrund des Bezugs von Krankengeld beitragsfrei in der Krankenversicherung. Er absolvierte vom 21. Juni bis zum 6. Juli 2014 eine stufenweise Wiedereingliederung. Mit Bescheid vom 7. Mai 2015 forderte die Beklagte zu 1 auf das erzielte Teilarbeitseinkommen in Höhe von EUR 1.345,32 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 21. Juni bis 6. Juli 2014 von EUR 236,10. Vom 7. bis 9. Juli 2014 erhielt der Kläger wieder ausschließlich Krankengeld. Nach dem Einkommensteuerbescheid vom 15. September 2015 (der Beklagten zugegangen am 23. September 2015) hatte der Kläger im Jahr 2014 zu versteuernde Einkünfte in Höhe von insgesamt EUR 26.152,00.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2015 berechnete die Beklagte zu 1 auf Grundlage des Einkommensteuerbescheids für 2014 die Beiträge ab dem 1. Oktober 2015 neu. Sie setzte den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 498,29 und – im Namen der Beklagten zu 2 – den monatlichen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von EUR 76,04 fest. Dabei ging sie von einem monatlichen Arbeitseinkommen von EUR 3.235,65 aus, weil sie die Zeit des Krankengeldbezugs vom 28. Februar bis 9. Juli 2014 (130 Tage) nicht in die Berechnung einbezog. Sie zog von dem im Einkommensteuerbescheid genannten Einkünften das während des Krankengeldbezuges erzieltes Teilarbeitseinkommen für die Zeit vom 21. Juni bis 9. Juli 2014 von EUR 1.345,32 ab und verteilte den verbleibenden Betrag von EUR 24.806,68 auf die verbleibenden 230 Tage des Jahres 2014, in welchen der Kläger nicht arbeitsunfähig war. Bei der Berechnung des Teilarbeitseinkommens von EUR 1.345,32 ging sie von einem kalendertäglichen Teilentgelt für die Zeit vom 21. bis 27. Juni 2014 von EUR 65,63 und für die Zeit vom 28. Juni bis 6. Juli 2014 von EUR 98,44 aus.
Hiergegen legte der Kläger am 16. November 2015 Widerspruch ein und trug vor, die Beklagte zu 1 habe zu Unrecht ein anderes Jahreseinkommen zugrunde gelegt als im Einkommensteuerbescheid ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2016 setzte die Beklagte zu 1 die Beiträge ab dem 1. Januar 2016 zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 517,70 und zur Pflegeversicherung – im Namen der Beklagten zu 2 – in Höhe von EUR 76,04 fest. Dabei ging sie weiterhin von einem Arbeitseinkommen von EUR 3.235,65 aus.
Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein (eingegangen am 1. Februar 2016).
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche des Klägers zurück. Zur Begründung verwies er auf § 5 Abs. 2 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrdS), wonach u.a. Zeiten der Beitragsfreiheit – wie beim Bezug von Krankengeld vom 28. Februar bis 20. Juni 2014 – bei der Berechnung der Beitragshöhe zu berücksichtigen seien. Außerdem nahm er Bezug auf ein Besprechungsergebnis der GKV-Fachkonferenz vom 15. Dezember 2009 und das Gemeinsame Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 17. Februar 2010, wonach es sachgerecht sei, die beitragsfreien Zeiten herauszurechnen. Denn mit der Beitragsfreiheit von hauptberuflich Selbständigen während des Krankengeldbezugs werde eine krankheitsbedingte Minderung des Arbeitseinkommens (quasi im Vorgriff auf den künftigen Einkommensteuerbescheid) bereits zeitnah beachtet. Vom Jahresarbeitseinkommen sei daher das während des Krankengeldbezugs erzielte Einkommen abzuziehen und durch 230 (360 minus 130) Tage zu teilen und mit 30 Tagen zu multiplizieren, um das zutreffende Monatseinkommen zu errechnen.
Zum 31. März 2016 kündigte der Kläger die Mitgliedschaft bei den Beklagten.
Am 12. April 2016 erhob der Kläger zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage und trug zur Begründung vor, die Ausklammerung der Zeiten des Krankengeldbezugs sei nicht deshalb geboten, weil während des Krankengeldbezugs Beitragsfreiheit bestehe. Die Auffassung der Beklagte finde im Gesetz keine Stütze. Nach § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) könnten fiktive Einnahmen bei der Beitragsberechnung nicht berücksichtigt werden. Nichts Anderes täten jedoch die Beklagten. Dass dieses Ergebnis nicht zutreffend sei, ergebe sich auch daraus, dass bei einem Selbständigen kein gleichmäßiges Einkommen unterstellt werden könne. Es sei auch kein Grund ersichtlich, warum seine Mindereinnahmen während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit anders als bei Versicherten ohne Krankengeldanspruch keine Berücksichtigung finden sollten.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 20. Dezember 2016 hob das SG die Bescheide der Beklagten vom 22. Oktober 2015 und 21. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2016 auf, soweit Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016 auf der Grundlage eines höheren Einkommens als monatlich EUR 2.179,33 festgesetzt worden sind. Zur Begründung führte das SG aus, die angefochtenen Bescheide seien im tenorierten Umfang rechtswidrig. Zutreffend hätten die Beklagten nach § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V das durch den Einkommensteuerbescheid für 2014 ausgewiesene Einkommen der Berechnung der Beitragshöhe zugrunde gelegt. Zu Unrecht hätten sie jedoch zur Ermittlung der monatlichen Einkünfte das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen nicht durch 12 geteilt, sondern die beitragsfreien Krankengeldbezugszeiten ausgeklammert. Es schließe sich den Ausführungen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 18. Februar 2016 (L 16 KR 293/15, juris) an.
Gegen das ihnen am 5. Januar 2017 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 30. Januar 2017 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG stütze sich allein auf die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18. Februar 2016. Es verkenne die Regelungen in den BeitrVerfGrdS sowie das Besprechungsergebnis der GKV-Fachkonferenz Beiträge vom 15. Dezember 2009. Durch die Beitragsfreiheit während des Krankengeldbezugs würden die Mindereinnahmen des hauptberuflich Selbständigen schon zeitnah berücksichtigt. Eine weitere Berücksichtigung bei der Festsetzung der Beiträge in den Folgejahren würde zu einer doppelten Begünstigung führen.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zur Begründung wiederholt er seine bisherige Argumentation. Ergänzend trägt er vor, § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS stelle keine wirksame Rechtsgrundlage dar, um von der gesetzlich vorgesehenen Zwölftelung des Jahresarbeitseinkommens abzuweichen. Die Vorgehensweise der Beklagten führe zu einer fiktiven Einkommensanrechnung, die von der Ermächtigungsgrundlage in § 240 SGB V nicht gedeckt sei. Das SG habe sich zu Recht der Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfahlen vom 18. Februar 2016 angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Beklagte ist in Höhe von EUR 1.144,02 (Beiträge aus EUR 2.179,33 statt EUR 3.235,65 für sechs Monate) beschwert.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide vom 22. Oktober 2015 und 21. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2016 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten, soweit Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016 auf der Grundlage eines höheren Einkommens als monatlich EUR 2.179,33 festgesetzt worden sind.
a) Rechtsgrundlage für die Änderung der bisherigen, durch den Bescheid vom 18. März 2013 erfolgten Beitragsfestsetzung ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Aufhebung soll unter den weiteren Voraussetzungen des Satzes 2 mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen.
aa) Eine wesentliche Änderung in den der Beitragsfestsetzung zugrundeliegenden Umstände ist durch den Erlass des Einkommensteuerbescheides 2014 vom 15. September 2015 eingetreten.
Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 54 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) werden die Mittel der Krankenversicherung und für die Pflegeversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (Satz 1). Für die Berechnung ist die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen (Satz 2). Beitragspflichtige Einnahmen sind nach § 223 Abs. 3 SGB V bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze; Satz 1). Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz, soweit das SGB V nichts Abweichendes bestimmt (Satz 2). Die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder werden in § 240 SGB V bestimmt, der nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI für die Erhebung der Beiträge der sozialen Pflegeversicherung bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend gilt. Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt, der hierzu die BeitrVerfGrdS erlassen hat. Diese sind als untergesetzliche Normen eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, die als solche im Einklang mit höherrangigem Recht stehen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 – B 12 KR 15/11 – juris, Rn. 13). Bei der Beitragsbemessung ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB V in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Art. 1 Gesundheits-Reformgesetzes [GRG] vom 20. Dezember 1988 [BGBl. I, S. 2477]). Für hauptberuflich Selbständige gilt gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung des Art. 8 Nr. 3 Buchst. b Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]) als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder eine entsprechende Leistung nach § 16b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße.
Für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige wie den Kläger sind die Beiträge daher grundsätzlich aus der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen, also Höchstbeiträge festzusetzen, solange dieser keine niedrigeren Einnahmen nachweist. Dieser Nachweis kann nur durch einen Einkommensteuerbescheid erfolgen (BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 15 ff.). Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines solchen Nachweises können nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (§ 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung). Da der Einkommensteuerbescheid 2011 Einkünfte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (EUR 3.937,50) ausgewiesen hatte, wurden die Beiträge auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrundlage festgesetzt. Mit dem Einkommensteuerbescheid 2014 vom 15. September 2015, den Beklagten am 23. September 2015 zugegangen, hat der Kläger ein niedrigeres Einkommen in Höhe von insgesamt EUR 26.152,00 nachgewiesen. Dieses Einkommen war damit von den Beklagten ab dem 1. Oktober 2015 der Beitragsfestsetzung zugrunde zu legen.
Dabei durfte die Beklagte zur Feststellung der monatlichen Einkünfte nicht die Zeit des Krankengeldbezugs herausrechnen. § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS bildet für diese Vorgehensweise keine wirksame Rechtsgrundlage.
In § 5 BeitrVerfGrdS ist die Zuordnung der beitragspflichtigen Einnahmen geregelt. Nach Abs. 1 sind die beitragspflichtigen Einnahmen jeweils dem Monat der Mitgliedschaft, für den Beiträge zu zahlen sind, zuzuordnen (Beitragsmonat). Nach Abs. 2 Satz 1 sind laufende beitragspflichtige Einnahmen dem Beitragsmonat zuzuordnen, in dem der Anspruch auf sie entsteht oder in dem sie zufließen, sofern nicht eine typisierende Zuordnung bei der Beitragsbemessung der einzelnen Personengruppen vorgeschrieben ist. Hiervon abweichend regelt § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS, dass das Arbeitseinkommen (im Sinne von § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden Jahresbetrags zuzuordnen ist; Zeiten der Beitragsfreiheit nach § 8 Abs. 3 (BeitrVerfGrdS) sind zu berücksichtigen. § 8 Abs. 3 BeitrVerfGrdS bestimmt, dass der Bezug von Krankengeld Beitragsfreiheit für vor dem Leistungsbezug beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen begründet, solange und soweit dieses entfällt (Satz 1 1. HS). § 57 Abs. 2 SGB XI, d.h. die Beitragspflicht zur Pflegeversicherung, bleibt hiervon unberührt (Satz 2).
Es ist bereits fraglich, ob dem § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS der von den Beklagten beigemessene Sinngehalt überhaupt zukommt. Schließlich geht es in § 5 BeitrVerfGrdS nicht um die Berechnung der Beitragshöhe, sondern lediglich um die Zuordnung zum Beitragsmonat. Zur Beitragsbemessung hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger regelt § 7 Abs. 7 Satz 2 BeitrVerfGrdS ohne Ausnahme, dass das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Arbeitseinkommen maßgeblich ist. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung hat aber eine Hochrechnung des Betrags zur Folge und unterstellt, dass der Versicherte auch in der Zeit des Krankengeldbezugs Einkommen in derselben Höhe gehabt hätte, wenn er nicht erkrankt wäre. Kommt demnach § 5 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BeitrVerfGrdS allein bei der Zuordnung zum Beitragsmonat zur Anwendung, erschöpft sich der Sinngehalt der Regelung darin, dass den beitragsfreien Monaten kein Arbeitseinkommen zugeordnet werden kann. Die Beitragsbemessung bleibt hiervon aber unberührt.
Die von den Beklagten unter Hinweis auf das Besprechungsergebnis der GKV-Fachkonferenz vom 15. Dezember 2009 und das Gemeinsame Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 17. Februar 2010 vertretene Auslegung von § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS verstößt aber jedenfalls gegen § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Denn die Herausrechnung der beitragsfreien Zeit, die sich während des Krankengeldbezugs wegen § 57 Abs. 2 SGB XI ohnehin nur auf den Krankenversicherungsbeitrag bezieht, hätte zur Folge, dass der Beitragsberechnung nicht die tatsächliche, sondern eine fiktive Leistungsfähigkeit des Versicherten zugrundgelegt würde (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Februar 2016 – L 16 KR 293/15 – juris, Rn. 34). Zudem ist zu beachten, dass die Zuordnung der Einnahmen zu den Beitragsmonaten und die Berechnung der Beitragshöhe pauschaliert erfolgen muss, weil gleichbleibende, regelmäßige Einkünfte gerade nicht gegeben sind. Die 1/12-Regel ist dabei eine bloße Rechengröße, die durch eine Herausrechnung beitragsfreier Tage verfälscht würde.
Die Berechnung der Beiträge durch die Beklagten widerspricht außerdem den Grundsätzen der Berechnung von Beiträgen aus Arbeitseinkommen. Für die Bemessung der Beiträge hauptberuflich selbständig Tätiger in der freiwilligen Versicherung ist der Gewinn aus selbständiger Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts (ständige Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 14; BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – B 12 KR 2/12 R – juris, Rn. 20), also das Arbeitseinkommen. Die jahresweise Betrachtung folgt für das Arbeitseinkommen schon aus § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, wonach das Arbeitseinkommen dem nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn entspricht (BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – B 12 KR 2/12 R – juris, Rn. 20). Zudem sind Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit (ebenso wie solche aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung) dadurch gekennzeichnet, dass sie im Jahresverlauf oder über Jahre hinweg erheblichen Schwankungen unterliegen können. Daher ist – kongruent zum einkommensteuerrechtlichen Veranlagungszeitraum – eine jahresweise beitragsrechtliche Betrachtung angezeigt. Der Umfang dieser Einnahmen lässt sich zuverlässig allein dem die Person des Versicherten betreffenden Einkommensteuerbescheid entnehmen (BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 KR 12/13 R – juris, Rn. 21). Die Gewinnermittlung erfolgt auf Basis des Wirtschaftsjahres (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz [EStG]). Anders als bei monatlich abgerechneten Arbeitsentgelten aus abhängiger Beschäftigung wird bei einer Gewinnermittlung auf Jahresbasis ein konkreter Gewinn für einzelne Monate im Wege der Division des Jahreseinkommens durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, ermittelt, d.h. als ein durchschnittliches Monatseinkommen (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2017 – B 13 R 21/15 R – juris, Rn. 56). Danach ist es bei selbstständig Tätigen unbeachtlich, wann sie die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht auch keine "doppelte Begünstigung". Die Beitragsfreiheit in der Krankenversicherung und die Steuerfreiheit des Krankengeldes sind gesetzlich angeordnete Privilegierungen, die mit der Vorgehensweise der Beklagten wieder eingeschränkt würden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, nachdem seit 1. Januar 2018 die Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheids vorläufig festgesetzt werden und für die endgültige Festsetzung die tatsächlich erzielten Einnahmen maßgeblich sind (§ 240 Abs. 4a SGB V i.d.F. des Art. 1 Nr. 16b Buchst. b Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung [HHVG] vom 4. April 2017, BGBl. I, S. 778).
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016.
Der Kläger, hauptberuflich Selbständiger, war im streitgegenständlichen Zeitraum bei den Beklagten freiwillig kranken- (mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit) und pflegeversichert. Die Beklagte zu 1 setzte zuletzt mit Bescheid vom 18. März 2013 für die Zeit ab März 2013 die Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 610,31 und – im Namen der Beklagten zu 2 – zur Pflegeversicherung in Höhe von EUR 80,72 nach der Beitragsbemessungsgrundlage (EUR 3.937,50) fest. Der Einkommensteuerbescheid für 2011 hatte Einkünfte des Klägers in Höhe von EUR 56.902,00 ausgewiesen.
Wegen ab 17. Januar 2014 bestehender Arbeitsunfähigkeit zahlte die Beklagte zu 1 vom 28. Februar bis 9. Juli 2014 Krankengeld. Vom 28. Februar bis 20. Juni 2014 war der Kläger aufgrund des Bezugs von Krankengeld beitragsfrei in der Krankenversicherung. Er absolvierte vom 21. Juni bis zum 6. Juli 2014 eine stufenweise Wiedereingliederung. Mit Bescheid vom 7. Mai 2015 forderte die Beklagte zu 1 auf das erzielte Teilarbeitseinkommen in Höhe von EUR 1.345,32 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 21. Juni bis 6. Juli 2014 von EUR 236,10. Vom 7. bis 9. Juli 2014 erhielt der Kläger wieder ausschließlich Krankengeld. Nach dem Einkommensteuerbescheid vom 15. September 2015 (der Beklagten zugegangen am 23. September 2015) hatte der Kläger im Jahr 2014 zu versteuernde Einkünfte in Höhe von insgesamt EUR 26.152,00.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2015 berechnete die Beklagte zu 1 auf Grundlage des Einkommensteuerbescheids für 2014 die Beiträge ab dem 1. Oktober 2015 neu. Sie setzte den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 498,29 und – im Namen der Beklagten zu 2 – den monatlichen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von EUR 76,04 fest. Dabei ging sie von einem monatlichen Arbeitseinkommen von EUR 3.235,65 aus, weil sie die Zeit des Krankengeldbezugs vom 28. Februar bis 9. Juli 2014 (130 Tage) nicht in die Berechnung einbezog. Sie zog von dem im Einkommensteuerbescheid genannten Einkünften das während des Krankengeldbezuges erzieltes Teilarbeitseinkommen für die Zeit vom 21. Juni bis 9. Juli 2014 von EUR 1.345,32 ab und verteilte den verbleibenden Betrag von EUR 24.806,68 auf die verbleibenden 230 Tage des Jahres 2014, in welchen der Kläger nicht arbeitsunfähig war. Bei der Berechnung des Teilarbeitseinkommens von EUR 1.345,32 ging sie von einem kalendertäglichen Teilentgelt für die Zeit vom 21. bis 27. Juni 2014 von EUR 65,63 und für die Zeit vom 28. Juni bis 6. Juli 2014 von EUR 98,44 aus.
Hiergegen legte der Kläger am 16. November 2015 Widerspruch ein und trug vor, die Beklagte zu 1 habe zu Unrecht ein anderes Jahreseinkommen zugrunde gelegt als im Einkommensteuerbescheid ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2016 setzte die Beklagte zu 1 die Beiträge ab dem 1. Januar 2016 zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 517,70 und zur Pflegeversicherung – im Namen der Beklagten zu 2 – in Höhe von EUR 76,04 fest. Dabei ging sie weiterhin von einem Arbeitseinkommen von EUR 3.235,65 aus.
Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein (eingegangen am 1. Februar 2016).
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche des Klägers zurück. Zur Begründung verwies er auf § 5 Abs. 2 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrdS), wonach u.a. Zeiten der Beitragsfreiheit – wie beim Bezug von Krankengeld vom 28. Februar bis 20. Juni 2014 – bei der Berechnung der Beitragshöhe zu berücksichtigen seien. Außerdem nahm er Bezug auf ein Besprechungsergebnis der GKV-Fachkonferenz vom 15. Dezember 2009 und das Gemeinsame Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 17. Februar 2010, wonach es sachgerecht sei, die beitragsfreien Zeiten herauszurechnen. Denn mit der Beitragsfreiheit von hauptberuflich Selbständigen während des Krankengeldbezugs werde eine krankheitsbedingte Minderung des Arbeitseinkommens (quasi im Vorgriff auf den künftigen Einkommensteuerbescheid) bereits zeitnah beachtet. Vom Jahresarbeitseinkommen sei daher das während des Krankengeldbezugs erzielte Einkommen abzuziehen und durch 230 (360 minus 130) Tage zu teilen und mit 30 Tagen zu multiplizieren, um das zutreffende Monatseinkommen zu errechnen.
Zum 31. März 2016 kündigte der Kläger die Mitgliedschaft bei den Beklagten.
Am 12. April 2016 erhob der Kläger zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage und trug zur Begründung vor, die Ausklammerung der Zeiten des Krankengeldbezugs sei nicht deshalb geboten, weil während des Krankengeldbezugs Beitragsfreiheit bestehe. Die Auffassung der Beklagte finde im Gesetz keine Stütze. Nach § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) könnten fiktive Einnahmen bei der Beitragsberechnung nicht berücksichtigt werden. Nichts Anderes täten jedoch die Beklagten. Dass dieses Ergebnis nicht zutreffend sei, ergebe sich auch daraus, dass bei einem Selbständigen kein gleichmäßiges Einkommen unterstellt werden könne. Es sei auch kein Grund ersichtlich, warum seine Mindereinnahmen während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit anders als bei Versicherten ohne Krankengeldanspruch keine Berücksichtigung finden sollten.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 20. Dezember 2016 hob das SG die Bescheide der Beklagten vom 22. Oktober 2015 und 21. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2016 auf, soweit Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016 auf der Grundlage eines höheren Einkommens als monatlich EUR 2.179,33 festgesetzt worden sind. Zur Begründung führte das SG aus, die angefochtenen Bescheide seien im tenorierten Umfang rechtswidrig. Zutreffend hätten die Beklagten nach § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V das durch den Einkommensteuerbescheid für 2014 ausgewiesene Einkommen der Berechnung der Beitragshöhe zugrunde gelegt. Zu Unrecht hätten sie jedoch zur Ermittlung der monatlichen Einkünfte das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen nicht durch 12 geteilt, sondern die beitragsfreien Krankengeldbezugszeiten ausgeklammert. Es schließe sich den Ausführungen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 18. Februar 2016 (L 16 KR 293/15, juris) an.
Gegen das ihnen am 5. Januar 2017 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 30. Januar 2017 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG stütze sich allein auf die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18. Februar 2016. Es verkenne die Regelungen in den BeitrVerfGrdS sowie das Besprechungsergebnis der GKV-Fachkonferenz Beiträge vom 15. Dezember 2009. Durch die Beitragsfreiheit während des Krankengeldbezugs würden die Mindereinnahmen des hauptberuflich Selbständigen schon zeitnah berücksichtigt. Eine weitere Berücksichtigung bei der Festsetzung der Beiträge in den Folgejahren würde zu einer doppelten Begünstigung führen.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zur Begründung wiederholt er seine bisherige Argumentation. Ergänzend trägt er vor, § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS stelle keine wirksame Rechtsgrundlage dar, um von der gesetzlich vorgesehenen Zwölftelung des Jahresarbeitseinkommens abzuweichen. Die Vorgehensweise der Beklagten führe zu einer fiktiven Einkommensanrechnung, die von der Ermächtigungsgrundlage in § 240 SGB V nicht gedeckt sei. Das SG habe sich zu Recht der Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfahlen vom 18. Februar 2016 angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Beklagte ist in Höhe von EUR 1.144,02 (Beiträge aus EUR 2.179,33 statt EUR 3.235,65 für sechs Monate) beschwert.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide vom 22. Oktober 2015 und 21. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2016 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten, soweit Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 31. März 2016 auf der Grundlage eines höheren Einkommens als monatlich EUR 2.179,33 festgesetzt worden sind.
a) Rechtsgrundlage für die Änderung der bisherigen, durch den Bescheid vom 18. März 2013 erfolgten Beitragsfestsetzung ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Aufhebung soll unter den weiteren Voraussetzungen des Satzes 2 mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen.
aa) Eine wesentliche Änderung in den der Beitragsfestsetzung zugrundeliegenden Umstände ist durch den Erlass des Einkommensteuerbescheides 2014 vom 15. September 2015 eingetreten.
Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 54 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) werden die Mittel der Krankenversicherung und für die Pflegeversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (Satz 1). Für die Berechnung ist die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen (Satz 2). Beitragspflichtige Einnahmen sind nach § 223 Abs. 3 SGB V bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze; Satz 1). Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz, soweit das SGB V nichts Abweichendes bestimmt (Satz 2). Die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder werden in § 240 SGB V bestimmt, der nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI für die Erhebung der Beiträge der sozialen Pflegeversicherung bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend gilt. Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt, der hierzu die BeitrVerfGrdS erlassen hat. Diese sind als untergesetzliche Normen eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, die als solche im Einklang mit höherrangigem Recht stehen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 – B 12 KR 15/11 – juris, Rn. 13). Bei der Beitragsbemessung ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB V in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Art. 1 Gesundheits-Reformgesetzes [GRG] vom 20. Dezember 1988 [BGBl. I, S. 2477]). Für hauptberuflich Selbständige gilt gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung des Art. 8 Nr. 3 Buchst. b Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]) als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder eine entsprechende Leistung nach § 16b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße.
Für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige wie den Kläger sind die Beiträge daher grundsätzlich aus der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen, also Höchstbeiträge festzusetzen, solange dieser keine niedrigeren Einnahmen nachweist. Dieser Nachweis kann nur durch einen Einkommensteuerbescheid erfolgen (BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 15 ff.). Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines solchen Nachweises können nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (§ 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung). Da der Einkommensteuerbescheid 2011 Einkünfte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (EUR 3.937,50) ausgewiesen hatte, wurden die Beiträge auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrundlage festgesetzt. Mit dem Einkommensteuerbescheid 2014 vom 15. September 2015, den Beklagten am 23. September 2015 zugegangen, hat der Kläger ein niedrigeres Einkommen in Höhe von insgesamt EUR 26.152,00 nachgewiesen. Dieses Einkommen war damit von den Beklagten ab dem 1. Oktober 2015 der Beitragsfestsetzung zugrunde zu legen.
Dabei durfte die Beklagte zur Feststellung der monatlichen Einkünfte nicht die Zeit des Krankengeldbezugs herausrechnen. § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS bildet für diese Vorgehensweise keine wirksame Rechtsgrundlage.
In § 5 BeitrVerfGrdS ist die Zuordnung der beitragspflichtigen Einnahmen geregelt. Nach Abs. 1 sind die beitragspflichtigen Einnahmen jeweils dem Monat der Mitgliedschaft, für den Beiträge zu zahlen sind, zuzuordnen (Beitragsmonat). Nach Abs. 2 Satz 1 sind laufende beitragspflichtige Einnahmen dem Beitragsmonat zuzuordnen, in dem der Anspruch auf sie entsteht oder in dem sie zufließen, sofern nicht eine typisierende Zuordnung bei der Beitragsbemessung der einzelnen Personengruppen vorgeschrieben ist. Hiervon abweichend regelt § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS, dass das Arbeitseinkommen (im Sinne von § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden Jahresbetrags zuzuordnen ist; Zeiten der Beitragsfreiheit nach § 8 Abs. 3 (BeitrVerfGrdS) sind zu berücksichtigen. § 8 Abs. 3 BeitrVerfGrdS bestimmt, dass der Bezug von Krankengeld Beitragsfreiheit für vor dem Leistungsbezug beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen begründet, solange und soweit dieses entfällt (Satz 1 1. HS). § 57 Abs. 2 SGB XI, d.h. die Beitragspflicht zur Pflegeversicherung, bleibt hiervon unberührt (Satz 2).
Es ist bereits fraglich, ob dem § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS der von den Beklagten beigemessene Sinngehalt überhaupt zukommt. Schließlich geht es in § 5 BeitrVerfGrdS nicht um die Berechnung der Beitragshöhe, sondern lediglich um die Zuordnung zum Beitragsmonat. Zur Beitragsbemessung hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger regelt § 7 Abs. 7 Satz 2 BeitrVerfGrdS ohne Ausnahme, dass das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Arbeitseinkommen maßgeblich ist. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung hat aber eine Hochrechnung des Betrags zur Folge und unterstellt, dass der Versicherte auch in der Zeit des Krankengeldbezugs Einkommen in derselben Höhe gehabt hätte, wenn er nicht erkrankt wäre. Kommt demnach § 5 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BeitrVerfGrdS allein bei der Zuordnung zum Beitragsmonat zur Anwendung, erschöpft sich der Sinngehalt der Regelung darin, dass den beitragsfreien Monaten kein Arbeitseinkommen zugeordnet werden kann. Die Beitragsbemessung bleibt hiervon aber unberührt.
Die von den Beklagten unter Hinweis auf das Besprechungsergebnis der GKV-Fachkonferenz vom 15. Dezember 2009 und das Gemeinsame Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 17. Februar 2010 vertretene Auslegung von § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrdS verstößt aber jedenfalls gegen § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Denn die Herausrechnung der beitragsfreien Zeit, die sich während des Krankengeldbezugs wegen § 57 Abs. 2 SGB XI ohnehin nur auf den Krankenversicherungsbeitrag bezieht, hätte zur Folge, dass der Beitragsberechnung nicht die tatsächliche, sondern eine fiktive Leistungsfähigkeit des Versicherten zugrundgelegt würde (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Februar 2016 – L 16 KR 293/15 – juris, Rn. 34). Zudem ist zu beachten, dass die Zuordnung der Einnahmen zu den Beitragsmonaten und die Berechnung der Beitragshöhe pauschaliert erfolgen muss, weil gleichbleibende, regelmäßige Einkünfte gerade nicht gegeben sind. Die 1/12-Regel ist dabei eine bloße Rechengröße, die durch eine Herausrechnung beitragsfreier Tage verfälscht würde.
Die Berechnung der Beiträge durch die Beklagten widerspricht außerdem den Grundsätzen der Berechnung von Beiträgen aus Arbeitseinkommen. Für die Bemessung der Beiträge hauptberuflich selbständig Tätiger in der freiwilligen Versicherung ist der Gewinn aus selbständiger Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts (ständige Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 14; BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – B 12 KR 2/12 R – juris, Rn. 20), also das Arbeitseinkommen. Die jahresweise Betrachtung folgt für das Arbeitseinkommen schon aus § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, wonach das Arbeitseinkommen dem nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn entspricht (BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – B 12 KR 2/12 R – juris, Rn. 20). Zudem sind Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit (ebenso wie solche aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung) dadurch gekennzeichnet, dass sie im Jahresverlauf oder über Jahre hinweg erheblichen Schwankungen unterliegen können. Daher ist – kongruent zum einkommensteuerrechtlichen Veranlagungszeitraum – eine jahresweise beitragsrechtliche Betrachtung angezeigt. Der Umfang dieser Einnahmen lässt sich zuverlässig allein dem die Person des Versicherten betreffenden Einkommensteuerbescheid entnehmen (BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 KR 12/13 R – juris, Rn. 21). Die Gewinnermittlung erfolgt auf Basis des Wirtschaftsjahres (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz [EStG]). Anders als bei monatlich abgerechneten Arbeitsentgelten aus abhängiger Beschäftigung wird bei einer Gewinnermittlung auf Jahresbasis ein konkreter Gewinn für einzelne Monate im Wege der Division des Jahreseinkommens durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, ermittelt, d.h. als ein durchschnittliches Monatseinkommen (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2017 – B 13 R 21/15 R – juris, Rn. 56). Danach ist es bei selbstständig Tätigen unbeachtlich, wann sie die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht auch keine "doppelte Begünstigung". Die Beitragsfreiheit in der Krankenversicherung und die Steuerfreiheit des Krankengeldes sind gesetzlich angeordnete Privilegierungen, die mit der Vorgehensweise der Beklagten wieder eingeschränkt würden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, nachdem seit 1. Januar 2018 die Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheids vorläufig festgesetzt werden und für die endgültige Festsetzung die tatsächlich erzielten Einnahmen maßgeblich sind (§ 240 Abs. 4a SGB V i.d.F. des Art. 1 Nr. 16b Buchst. b Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung [HHVG] vom 4. April 2017, BGBl. I, S. 778).
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