L 4 R 404/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 404/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts K. vom 11. März 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2013 aufgehoben.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung einer Witwenrente und ihre Verpflichtung, insoweit erbrachte Rentenleistungen zurückzuzahlen.

Die 1975 in Kirgisien geborene Klägerin lebt seit Juli 1988 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie heiratete am 1. August 2000 den 1957 in Kasachstan geborenen A. P. (im Folgenden Versicherter). Das Amtsgericht K. schied die Ehe durch seit 10. Februar 2007 rechtskräftiges Urteil. Der Versicherte verstarb am 18. November 2007.

Am 7. Januar 2008 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenrente. Im Antrag gab sie an, sie und der Versicherte besäßen die deutsche Staatsangehörigkeit. Tag der Eheschließung sei der 1. August 2000 gewesen. Die eingetragene Ehe habe bis zum Tod des Versicherten bestanden.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf große Witwenrente vor Vollendung des 45. Lebensjahres ab. Die Ehe mit dem verstorbenen Versicherten sei durch Urteil des Amtsgerichts K. rechtskräftig am 10. Februar 2007 geschieden. Damit habe zum Zeitpunkt des Todes keine rechtsgültige Ehe mehr bestanden. Die Anspruchsvoraussetzungen seien daher nicht erfüllt.

Telefonisch teilte die Klägerin am 11. Februar 2008 mit, zum Zeitpunkt des Todes mit dem Versicherten verheiratet gewesen zu sein. Sie hätten drei Wochen nach der Scheidung wieder geheiratet. Die Klägerin legte anschließend eine beglaubigte Abschrift aus dem Familienbuch vor. Darin wird die Eheschließung der Klägerin mit dem Versicherten am 1. August 2000, die am 10. Februar 2007 rechtskräftige Scheidung und die erneute Eheschließung am 30. März 2007 in Kasachstan aufgeführt. Die erneute Eheschließung im Standesamt Ka., Kasachstan, Nr. XXX, war unter dem 10. Januar 2008 durch den Standesbeamten der Stadt S. (im Folgenden S.) eingetragen worden.

Auf Anfrage der Beklagten übermittelte die Stadt S. unter dem 1. April 2008 eine Sterbefallanzeige, in der der Familienstand des Versicherten als "verheiratet" genannt und als letzte Adresse eine in der Stadt S. genannt wurde. Der Familienstand der Klägerin wurde als "verwitwet" gekennzeichnet.

Die Beklagte nahm Akteneinsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft K. im Zusammenhang mit dem Tod des Versicherten durch Suizid. Insoweit wird auf Bl. 67 bis 112 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Darunter befinden sich Zeugenvernehmungen des Bruders des Versicherten, D. P. (im Folgenden D. P.) vom 18. November 2007 und von der Klägerin vom 19. November 2007. In beiden Zeugenvernehmungsprotokollen wird der Versicherte als der "geschiedene" Ehemann der Klägerin bezeichnet. Im Protokoll der Zeugenvernehmung der Klägerin ist vermerkt, dass diese auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf den "geschiedenen Ehemann" belehrt worden sei. Sie führte darin explizit aus: "Am 1.8.2000 haben wir auf dem Standesamt in [S.] geheiratet. Es war, glaube ich, im August des Jahres 2002, als wir uns trennten. Unsere Ehe wurde am 18.1.2007 geschieden."

Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin eine beglaubigte Übersetzung der Heiratsurkunde Nr. XXX aus Kasachstan vom 30. März 2007 vor. Die Stadt S. teilte auf eine Anfrage der Beklagten vom 19. Juni 2008 telefonisch unter dem 24. Juni 2008 mit, der Eintrag im Familienbuch sei nur aufgrund der Vorlage der Heiratsurkunde und einer Übersetzung erfolgt. Eine spezielle Überprüfung der Echtheit der Urkunde sei nicht erfolgt.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente ab 1. Dezember 2007 befristet für die Dauer der Kindererziehung, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngsten Kindes (gemeinsames Kind der Klägerin und des Versicherten am 2000 geboren). Für die Zeit ab 1. September 2008 wurden laufend monatlich EUR 376,73 gezahlt, für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 31. August 2008 betrug die Nachzahlung EUR 4.286,07.

Unter dem 19. August 2011 teilte die Stadt S. der Beklagten mit, die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kasachstan, an die sie sich aufgrund der Anfrage der Beklagten vom 19. Juni 2008 gewandt habe, habe mitgeteilt, dass die Eheschließung im Heiratsregisterregister der zuständigen Behörde in Kasachstan nicht eingetragen sei. Zudem übersandte die Stadt S. eine Mehrfertigung der Übersetzung des Schreibens der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Astana vom 4. August 2011. Darin wird ausgeführt, die entsprechende Eintragung im Heiratsregister sei bei der zuständigen Behörde nicht vorhanden. Beigefügt waren das Schreiben des Außenministeriums der Republik Kasachstan vom 25. Juli 2011, wonach keine Einträge über Eheschließungen mit den Namen des Versicherten und der Klägerin vorhanden seien, sowie das Schreiben der apostillierenden Standesamtsbehörde Justizdepartment für das Gebiet A. Nr. XXX vom 19. Mai 2011, wonach die Eintragung über die Eheschließung zwischen dem Versicherten und der Klägerin für 2005 bis 2009 im Standesamtsarchiv bei der Justizverwaltung des Kreises Kar., Gebiet A., sowie im Archiv der apostillierenden Standesamtsbehörde Justizdepartment für das Gebiet A. nicht vorhanden sei.

Anschließend legte das Standesamt der Stadt S. den mittlerweile geänderten Familienbucheintrag vor. Danach wurde die Klägerin wieder mit dem Familienstand "geschieden" geführt. Zudem erstattete die Stadt S. unter dem 17. August 2011 wegen des Verdachts der mittelbaren Falschbeurkundung Strafanzeige gegen die Klägerin.

Mit Schreiben vom 28. August 2011 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Zahlung der Hinterbliebenenrente (zum 30. September 2011) eingestellt worden sei, um eventuell weitere Überzahlungen zu vermeiden.

Mit Anhörungsschreiben vom 18. November 2011 informierte die Beklagte die Klägerin über die beabsichtigte Rücknahme des Rentenbewilligungsbescheides vom 11. Juli 2008 und kündigte die Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Beträge in Höhe von EUR 18.418,34 an. Die Ermittlungen des Standesamtes der Stadt S. hätten ergeben, dass bei der zuständigen Behörde in Kasachstan ihre angebliche erneute Eheschließung vom 30. März 2007 mit dem Versicherten nicht eingetragen sei. Das Familienbuch und die Sterbeurkunde für sie bzw. den Versicherten seien durch das Standesamt der Stadt S. entsprechend berichtigt worden. Dieses führe sie nunmehr mit dem Familienstand "geschieden". Sie sei nicht die Witwe des verstorbenen Versicherten. Ein Anspruch auf Witwenrente stehe ihr damit nicht zu. Die Klägerin habe gewusst, dass ihr aufgrund der tatsächlich nicht erfolgten erneuten Eheschließung eine Witwenrente von Anfang an nicht zugestanden habe. Demzufolge habe sie die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides vom 11. Juli 2008 gekannt. Sie habe hinsichtlich der behaupteten erneuten Eheschließung vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht.

Unter dem 8. Dezember 2011 führte die Klägerin aus, ihre Ehe sei am 30. März 2007 erneut vor dem Standesamt in Kasachstan geschlossen worden. Neben den Eheleuten seien noch D. P., T. K. (im Folgenden T. K.) sowie M. P. (im Folgenden M.P.) anwesend gewesen. Nach einer von ihr eingeholten Auskunft sei es nicht möglich, nach Ablauf von drei Jahren nach der Eheschließung die Eintragung ins Heiratsregister nachzufordern. Zudem legte sie der Beklagten eidesstattliche Versicherungen von D. P., H. H. (im Folgenden H. H.) und W. S. (im Folgenden W. S.) vor. D. P. gab an, den Versicherten und die Klägerin auf ihrer Reise nach Kasachstan begleitet zu haben. Er sei selbst bei der Heirat auf dem Standesamt in Ka. anwesend gewesen. Daher könne er die Eheschließung bestätigen. H. H. führte aus, der Versicherte und die Klägerin seien Gäste seines 58. Geburtstags gewesen, den er am 13. Juni 2007 gefeiert habe. Dort habe der Versicherte ihm berichtet, seine (des Versicherten) Ehefrau in Kasachstan wieder geheiratet zu haben. W. S. führte aus, im Mai 2007 habe ihm der Versicherte berichtet, erneut seine (des Versicherten) Ehefrau in Kasachstan im März 2007 geheiratet zu haben. Zudem wurde eine Erklärung von T. K. vorgelegt, in der dieser ausführte, der Versicherte habe sie zu seiner Eheschließung mit der Klägerin eingeladen. Die Eheschließung habe in der Standesamtsabteilung Ka. der Stadt A. stattgefunden.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2012 nahm die Beklagte den Rentenbewilligungsbescheid vom 11. Juli 2008 zurück. Der Klägerin habe die Witwenrente nicht zugestanden, da sie mit dem Versicherten zur Zeit dessen Todes nicht rechtsgültig verheiratet gewesen sei. Die in der Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 30. September 2011 gewährte Witwenrente in Höhe von EUR 18.418,34 werde zurückgefordert. Der Bescheid vom 11. Juli 2008 sei rechtswidrig, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht mit diesem in einer rechtsgültigen Ehe verheiratet gewesen sei. Die im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Einwände sowie weitere, sich aus dem Akteninhalt ergebende Gründe, die der Rücknahme des Bescheides entgegenstehen könnten, habe sie (die Beklagte) bei der Prüfung der Voraussetzungen der Rücknahmevorschrift sowie bei der Ausübung ihres Ermessens beachtet. Zu ihrer Überzeugung stehe fest, dass der Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheides über die Gewährung der Witwenrente bekannt gewesen sei. Der Bescheid beruhe außerdem auf den unrichtigen Angaben der Klägerin zu ihrem Familienstand. Der Klägerin habe bewusst gewesen sein müssen, dass in Kasachstan eine rechtlich wirksame erneute Eheschließung zwischen ihr (der Klägerin) und dem Versicherten nicht erfolgt sei. Die Stadt S. habe die Klägerin mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 außerdem davon in Kenntnis gesetzt, dass zu einer erneuten Änderung des Familienbuches entsprechende Nachweise über die Eheschließung in Kasachstan hätten vorgelegt werden müssen. Diese habe die Klägerin offensichtlich nicht vorlegen können. Zudem habe sie im Antrag auf Witwenrente vom 7. Januar 2008 angegeben, dass die am 1. August 2000 mit dem Versicherten geschlossene Ehe bis zu dessen Tod bestanden habe, obwohl diese Ehe durch das seit dem 10. Februar 2007 rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts K. geschieden worden sei. Zudem sei die Klägerin im Rahmen des Suizides des Versicherten als Zeugin vernommen worden. Dabei habe die Klägerin den Verstorbenen wiederholt als ihren "geschiedenen" Ehemann bezeichnet. Zudem habe sie angegeben, am 1. August 2000 sei auf dem Standesamt der Stadt S. geheiratet worden, im August des Jahres 2002 habe man sich getrennt und die Ehe sei am 18. Januar 2007 geschieden worden. Diese Aussage habe die Klägerin auch im Zusammenhang mit dem gerichtlich geregelten Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Sohn gemacht. Auch D. P. habe bei seiner Zeugenvernehmung zur Person des Verstorbenen angegeben, dass dieser geschieden sei. Zudem erschließe sich nicht, weshalb eine erneute Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei, obwohl die Klägerin deutsche Staatsangehörige sei und der Verstorbene ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besessen habe. Schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Bescheides über die Gewährung der Witwenrente könne der Klägerin damit nicht zugebilligt werden. Die Einwände seien auch nicht geeignet, im Wege des Ermessens von der Bescheidrücknahme abzusehen. Das öffentliche Interesse an der vollständigen Rücknahme des Bescheids vom 11. Juli 2008 für die Vergangenheit und die Zukunft liege vor allem darin begründet, dass das Recht richtig und einheitlich angewandt werde. In die Ermessensentscheidung sei mit eingeflossen, dass die Staatsanwaltschaft K. gegen die Klägerin ein Ermittlungsverfahren wegen mittelbarer Falschbeurkundung u.a. eingeleitet habe. Möglicherweise werde durch deren Ermittlungsergebnisse das von ihr (der Beklagten) auszuübende Ermessen soweit reduziert, dass es keine Ermessenserwägungen für ihre Entscheidung zulasse.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein verwies auf ihre Äußerung zum Anhörungsschreiben der Beklagten. Zudem habe sie versucht, in Kasachstan die Heirat im Standesamtsregister korrekt eintragen zu lassen. Dies werde von dort jedoch mit der Begründung verweigert, dass dies nach einer Frist von mehr als drei Jahren nicht mehr geleistet werden könne. Im Übrigen sei zwischenzeitlich alles auf elektronische Datenverarbeitung umgestellt worden, so dass handschriftlich insoweit eine nachträgliche Eintragung nicht mehr erfolgen könne. Sie legte zudem das Urteil des Amtsgerichts S. vom 23. Juli 2012 im Verfahren 50 Ds 43 Js 22996/11/12 und die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft K. vom 26. Februar 2012 vor. Mit diesem Urteil (abgekürzt gemäß § 267 Abs. 5 Strafprozessordnung) sprach das Amtsgericht S. nach Vernehmung mehrerer Zeugen in seiner mündlichen Verhandlung die Klägerin aus tatsächlichen Gründen frei.

Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2013 zurück. Der Widerspruchsausschuss führte aus, er habe sich weder von der Echtheit der Heiratsurkunde noch von der Richtigkeit der vorgelegten Äußerungen überzeugen können. Es sei keine erneute rechtsgültige Eheschließung erfolgt. Bereits die Angaben der Klägerin im Antrag vom 7. Januar 2008, wonach die am 1. August 2000 mit dem Versicherten geschlossene Ehe bis zum Tode des Versicherten bestanden haben soll, seien nicht korrekt gewesen. Dort habe die Klägerin weder die erfolgte Scheidung noch die angeblich erneute Eheschließung angegeben. Es müsse ihr daher bewusst gewesen sein, dass in Kasachstan eine rechtlich wirksame erneute Eheschließung zwischen ihr und dem Versicherten nicht erfolgt sei. Aus den gleichen Gründen sei ein Vertrauen der Klägerin auf die Bestandskraft des Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig. Im Rahmen der Ermessensausübung könne von einer Rücknahme des Bescheids nicht abgesehen werden.

Die Klägerin erhob am 4. Juni 2013 Klage beim Sozialgericht K. (SG). Die Auslegung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Zwar habe sie bei ihrer polizeilichen Einvernahme am 19. November 2007 den verstorbenen Versicherten als "geschiedenen Ehemann" bezeichnet. Allerdings habe sie sich einige Wochen nach der erneuten Eheschließung am 30. März 2007 in Kasachstan erneut von ihrem Ehemann getrennt. Sie hätten auch verschiedene Wohnungen gehabt. Sie habe sich für ihre erneute Eheschließung gleichsam geschämt. Ihr sei auch nicht bekannt gewesen, ob seitens des verstorbenen Versicherten die Heirat in Kasachstan bereits bei der Stadt S. zur Eintragung veranlasst worden sei. Im Übrigen habe sich bei Witwenrentenantragstellung im Januar 2008 bereits aus der Sterbeurkunde ergeben, dass die Ehe im Februar 2007 geschieden worden sei. Auf Nachfrage habe sie dann auch die Unterlagen für die erneute Heirat am 30. März 2007 vorgelegt. Die Schlussfolgerung der Beklagten, sie habe zumindest grob fahrlässig nicht erkannt, dass sie nicht berechtigt gewesen sei, die Witwenrente zu erhalten, sei danach unzutreffend. Von der gegebenenfalls nicht vorgenommenen Eintragung ins Heiratsregister in Kasachstan habe sie keine Kenntnis gehabt. Sie sei jedenfalls davon ausgegangen, dass sie erneut ordnungsgemäß verheiratet gewesen sei, zumal auch die Stadt S. die Hochzeit aufgrund der vorgelegten Unterlagen anerkannt habe. Die Klägerin legte das Schreiben vom 4. Juli 2013 mit Übersetzung vor, in dem die Justizverwaltung des Ka. Bezirks beim Justizdepartement, Gebiet A., die Eheschließung zwischen dem Versicherten und ihr (der Klägerin) und Ausstellung der Heiratsurkunde am 30. März 2007 bestätigte und ausführte, die Eintragungsnummer 1617 sei ins Registerbuch für die Eheschließung im Zusammenhang mit dem Nichtvorhandensein aller nötigen Bescheinigungen zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht rechtzeitig eingetragen worden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG zog die Akte des Amtsgerichts S. im Verfahren 50 Ds 43 Js 22996/11/12 bei. Insoweit wird auf Bl. 61 bis 77 der SG-Akte verwiesen.

Ferner führte das SG einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durch. Bezüglich der Reise zur Eheschließung nach Kasachstan hatte die Klägerin angegeben, die Visa habe der Versicherte beantragt, irgendwo an der Grenze. Sie seien mit dem Auto gefahren. Sie habe hinten gesessen und die meiste Zeit geschlafen. Sie wisse nicht, über welchen Grenzübergang sie gefahren seien. Auf den Hinweis, dass kein Ehefähigkeitszeugnis beantragt worden sei, trug die Klägerin vor, sie habe davon auch erst später erfahren. Es habe nur geheißen, da sie schon einmal verheiratet gewesen seien, bräuchten sie nur die Scheidungsurkunde und die Geburtsurkunde des Kindes. Zudem legte die Klägerin eine Erklärung des A. K. (im Folgenden A. K.) vom 15. Dezember 2011 mit Übersetzung vor. Darin führt dieser aus, er habe nach dem Bevollmächtigungsvertrag den Tatbestand der Eheschließung vom 30. März 2007 geprüft. Es sei festgestellt worden, dass sich der Versicherte und sie im März 2007 tatsächlich in der Republik Kasachstan aufgehalten hätten. Sie seien am 30. März 2007 in Anwesenheit von (namentlich genannten) Zeugen die Ehe eingegangen. Das Fehlen des Heiratsantrags könne durch einen technischen Fehler des Standesbeamten verursacht worden sein, was eigentlich oft in der Aktenführungspraxis vorkomme. Der Nachweis der Eheverhältnisse sei das Zusammenleben des Versicherten und ihr (der Klägerin) von März 2007 bis November 2007, eine gemeinschaftliche Haushaltsführung sowie weitere Umstände nach dem Tod des Versicherten.

Mit Schreiben vom 30. September 2014 teilte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland A. auf Anfrage des SG mit, bereits im Jahr 2011 sei eine Anfrage an die zuständigen kasachischen Behörden über die Deutsche Botschaft in Astana veranlasst worden. Aus der Antwortnote gehe zweifelsfrei hervor, dass es keinen Eintrag im Heiratsregister gebe. Daher sei die Ehe auch nicht wirksam geschlossen worden. Ob es sich bei der Urkunde um eine Fälschung handele, könne nicht beurteilt werden.

Auf die Anregung des SG, der Klägerin werde anheimgestellt, für die Heiratsurkunde die Haager Apostille nach dem Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation zu beantragen, erfolgte keine Mitteilung der Klägerin.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 teilte die Stadt S. mit, dass für die Klägerin ein Reisepass mit Antragsdatum 18. Juli 2001 und Ablaufdatum 17. Juli 2011 ausgestellt worden sei. Eine Verlustanzeige liege nicht vor.

Herr S., der sich als Rechtsberater bezeichnete, bestätigte dem SG unaufgefordert unter dem 20. Februar 2015, seit 4 Monaten mit den Problemen, die mit dem Erhalt einer Eheschließungsurkunde der Klägerin aus Kasachstan zu tun hätten, beschäftigt zu sein.

Mit Urteil vom 11. März 2015 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe den Rentenbewilligungsbescheid zu Recht mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Aufgrund der Beweiswürdigung sei davon auszugehen, dass eine wirksame erneute Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten am 30. März 2007 nicht erfolgt sei. Für eine erneute Eheschließung spreche die von der Klägerin vorgelegte Heiratsurkunde vom 30. März 2007 aus Kasachstan. Jedoch sei der Inhalt der Urkunde insoweit unzutreffend, als die dort genannte Eintragung in das Eheregister unter der Nr. 1617 tatsächlich nicht erfolgt sei. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Astana vom 4. August 2011, dem Schreiben der apostillierenden Standesamtsbehörde Justizdepartment für das Gebiet A. Nr. XXX vom 19. Mai 2011 und dem Schreiben des Außenministeriums der Republik Kasachstan vom 25. Juli 2011. Das von der Klägerin vorgelegte Schreiben der Justizverwaltung des Bezirks Ka. beim Justizdepartement, Gebiet A., vom 4. Juli 2013 bestätige wiederum die Tatsache der Eheschließung der Klägerin und des Versicherten. Das Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland A. vom 30. September 2014 lege ebenfalls eine wirksame erneute Eheschließung nicht nahe. Gegen eine erneute Eheschließung sprächen im Übrigen weitere Umstände, insbesondere die Zeugenvernehmungen des Bruders des Versicherten, D. P. und der Klägerin vom 18. und 19. November 2007, in denen der Versicherte mehrfach als "geschieden" bezeichnet worden sei. Die diesbezüglichen Einlassungen der Klägerin im Erörterungstermin am 23. Oktober 2013, sie habe am Sonntag von dem Tod des Versicherten erfahren, die ganze Nacht nicht geschlafen, sei wohl am Montag dort gewesen und könne dazu nichts mehr sagen, seien für das Gericht nicht nachvollziehbar. Bei der Frage, ob der Versicherte geschieden oder mit der Klägerin verheiratet gewesen sei, handele es sich um einen so wesentlichen Umstand, dass zutreffende Angaben insoweit auch unter Berücksichtigung der belastenden Umstände nach dem Tod des Versicherten erwartet hätten werden können. Zudem hätten die Klägerin und der Versicherte nach der von der Klägerin angegebenen erneuten Eheschließung keinen gemeinsamen Wohnsitz innegehabt. Dennoch habe die Klägerin ihren bis Juli 2011 gültigen Reisepass nicht vorlegen können, weil dieser wohl beim Versicherten gewesen sei. Die Klägerin habe damit, da eine Verlustanzeige nicht erfolgt sei (Auskunft der Stadt S. vom 23. Februar 2015), bis 17. Juli 2011 keinen Reisepass zur Verfügung gehabt. Nähere Umstände zu der Reise habe die Klägerin ebenfalls nicht machen können. Bei einer Reise von über 6000 km zudem mit dem für die Klägerin wichtigen Ziel einer erneuten Eheschließung sei für das Gericht nicht nachzuvollziehen, weshalb der Klägerin detailliertere Angaben nicht möglich sein sollten. Außer der vorgelegten Heiratsurkunde, bezüglich derer die beschriebenen Bedenken wegen der fehlenden Eintragung im Heiratsregister bestünden, sehe das Gericht keine tatsächlich greifbaren Fakten, die eine Eheschließung am 30. März 2007 bestätigen würden. Solche ergäben sich auch nicht aus der Erklärung der T. K. vom 15. Oktober 2011 und deren Aussage vor dem Amtsgericht S. vom 23. Juli 2012 sowie der Erklärung des A. K. vom 15. Dezember 2011. Zudem habe die Klägerin weder auf die nach dem Erörterungstermin erfolgte gerichtliche Aufforderung zur vorübergehenden Überlassung der Heiratsurkunde an das Gericht, noch auf den Hinweis im Erörterungstermin, gegebenenfalls nach Möglichkeit den Reisepass von D. P. vorzulegen, noch auf den gerichtlichen Hinweis zur möglichen Beantragung einer Haager Apostille nach dem Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation reagiert und sei zum Kammertermin unentschuldigt nicht erschienen. Infolge der fehlenden wirksamen Eheschließung am 30. März 2007, sei die Entscheidung über die Bewilligung der Witwenrente rechtswidrig gewesen. Vertrauensschutz habe nicht bestanden, da angesichts der Umstände des vorliegenden Falls eine etwaige Unkenntnis der Klägerin über die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides jedenfalls auf grober Fahrlässigkeit beruht habe. Die Beklagte habe auch die Fristen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingehalten. Fehler bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

Gegen das ihr am 16. April 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin bereits am 27. März 2015 Berufung eingelegt (L 4 R 1594/15). Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat der Senat das Ruhen des Berufungsverfahrens angeordnet. Die Klägerin hat am 30. Januar 2017 das Berufungsverfahren wieder angerufen (L 4 R 404/17).

Die Klägerin trägt vor, zwischenzeitlich habe auch die Stadt S. ihre zweite Heirat mit dem Versicherten anerkannt. Dies ergebe sich aus den (vorgelegten) Schreiben der Stadt S. vom 8. und 30. Dezember 2016. Ausweislich dieser Schreiben habe die Stadt S. am 9. November 2016 von der Deutschen Botschaft in Astana/Kasachstan die Originalantwort des zuständigen kasachischen Standesamtes erhalten. Dieses Schreiben solle die Bestätigung über einen Heiratseintrag enthalten. Nach Einreichung einer beglaubigten Übersetzung habe die Stadt S. mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 nach Eingang der Übersetzung der Mitteilung des Auswärtigen Amtes die erneute Heirat mit dem Versicherten anerkannt. Der Personenstand werde auf "verwitwet" geändert. Ferner bestätige die (vorgelegte) Apostille entsprechend der Haager Konvention vom 5. Oktober 1961 die Echtheit der (in Original vorgelegten) "Eheurkunde (Zweitausführung)" ausdrücklich. Die vorgelegte Eheurkunde mit dem Ausstellungsdatum 23. Juni 2016 bescheinigt, dass die Klägerin und der Versicherte die Ehe geschlossen hätten, was ordnungsgemäß ins Eheregister am 30. März 2007 unter Nr. XXX eingetragen worden sei. Zudem hat die Klägerin dem Senat das Schreiben der Republik Kasachstan, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten vom 11. Oktober 2016 an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Republik Kasachstan mit deutscher Übersetzung vorgelegt. Darin bestätigt das kasachische Ministerium die "Registrierungsschrift Nr. XXX vom 30. März des Jahres 2007". Die Apostille bestätige die Echtheit einer öffentlichen Urkunde, die im Original vorgelegt werden müsse. Es bedürfe daher keiner weiteren öffentlich-rechtlichen Bestätigung. Daher müsse von der Richtigkeit der Heiratsurkunde ausgegangen werden. Deswegen habe auch die Stadt S. eine Änderung des Melderegisters vorgenommen. Die Beweiskraft einer Eheurkunde nach § 54 Abs. 2 Personenstandsgesetz (PStG) stehe der des Eheeintrags gleich. Sie habe sich eines Anwalts in Kasachstan bedient, der nach Intervention bei der zuständigen Behörde – entgegen der ihr zuvor gegebenen Rechtsauskünfte – habe veranlassen können, die Eintragung nachträglich vorzunehmen. Im Übrigen sei auch nachgewiesen, dass sie (die Klägerin) sich tatsächlich in Kasachstan aufgehalten habe. Dies ergebe sich aus der Aussage von M. P. in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht S., die von ihrer (der Klägerin) Mutter den Auftrag gehabt habe, Einfluss auf sie (die Klägerin) zu nehmen, die Ehe doch nicht abzuschließen. Zudem habe sich die zuständige Mitarbeiterin im Bürgerzentrum der Stadt S. nochmals an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kasachstan gewandt. Eine Mitarbeiterin der Botschaft habe sich mit der Abteilungsleiterin des Justizdepartements des Gebiets A. in Verbindung gesetzt und nachgefragt, wie es denn zu den unterschiedlichen Auskünften gekommen sei. Hierzu habe diese in einer an die zuständige Mitarbeiterin der Stadt S. gerichteten E-Mail unter dem 4. November 2016 ausgeführt, die Abteilungsleiterin der zuständigen Behörde (Abteilung für Kontrolle der Registereintragungen und Apostillierung des Justizdepartments des Gebiets A.) habe ihr telefonisch übermittelt, dass es zwei Archive (ein Gebiets- und ein Kreisarchiv) gebe und im Gebietsarchiv (wo sie auch tätig sei) ein Doppel der genannten Eintragung nicht vorhanden sei. Im Jahre 2011 habe man nur im Gebietsarchiv die Überprüfung gemacht, deswegen sei man damals zur negativen Schlussfolgerung in dieser Sache gekommen. Diesmal habe man die Anfrage auch an das Kreisarchiv Ka. weitergeleitet und festgestellt, dass die alte Eintragung von 2007 dort vorliege. Es sei keine neue, sondern eine originale, echte Eintragung Nr. XXX vom 30. März 2007 und es handele sich nicht um eine Fälschung. Der Fehler habe 2011 darin gelegen, dass man nur ein Archiv überprüft habe, in dem aus irgendwelchen Gründen ein Doppel dieser Eintragung nicht aufbewahrt worden sei. Der Beklagten sei zugestanden, dass die vorgelegten Urkunden widersprüchlich seien. Wie es zu den widersprüchlichen Angaben komme, könne nicht mehr aufgeklärt werden. Allerdings bestätige die ausgestellte Apostille gerade die Vermutung der Richtigkeit.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts K. vom 11. März 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte geht unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags weiter von einer nicht wirksamen Eheschließung aus. Die Ansicht der Stadt S., das im Berufungsverfahren vorgelegte Schriftstück für echt und unverfälscht zu erachten, habe keine Bindungswirkung für sie. Auch im Strafprozess vor dem Amtsgericht S. sei die Echtheit der Heiratsurkunde vom 30. März 2007 nicht nachgewiesen worden. Der erfolgte Freispruch sei lediglich darauf zurückzuführen, dass die Unschuldsvermutung nicht habe widerlegt werden können. Im hiesigen Verfahren sei jedoch die Echtheit und Unverfälschtheit der Urkunde von Relevanz. Bereits das Innenministerium warne vor falschen Urkunden aus Kasachstan. In den polizeilichen Vernehmungen sei der Versicherte als geschieden bezeichnet worden. Obwohl in der vorgelegten Kopie der Heiratsurkunde vom 30. März 2007 eine Eintragung in das Eheregister angegeben worden sei, sei diese tatsächlich nicht erfolgt. Der fehlende Eintrag in das Eheregister sei sowohl von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Astana mit Schreiben vom 4. August 2011 als auch vom Außenministerium der Republik Kasachstan mit Schreiben vom 25. Juli 2011 als auch vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in A. mit Schreiben vom 30. September 2014 bestätigt worden. Zudem habe die Klägerin keine beweisdienlichen Unterlagen, wie z.B. Reisepässe oder die für eine Eheschließung in Kasachstan notwendigen Unterlagen, die ihren (der Klägerin) Vortrag untermauern könnten, vorgelegt. Die Beantragung der Visa an der Grenze, wie von der Klägerin behauptet, sei nicht möglich. Vielmehr müssten Visa rechtzeitig vor Reiseantritt bei den zuständigen Auslandsvertretungen beantragt werden. Soweit die Klägerin im Erörterungstermin vor dem SG eine doppelte Staatsbürgerschaft des Zeugen D. P. angegeben habe, werde darauf hingewiesen, dass nach dem Gesetz von Kasachstan eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht erlaubt sei. Die nunmehr vorgelegte Kopie der Eheurkunde sei erst im Jahr 2016 ausgestellt worden. In der Übersetzung finde sich der Hinweis, dass es sich um eine Zweitausführung handele. Das Zustandekommen dieser Zweitausführung sei völlig unklar, insbesondere woher die Informationen genommen worden seien, nachdem sich im Register kein Eintrag befinde. Auch widerspräche der Vortrag der Klägerin zu den äußeren Umständen der Eheschließung sämtlicher Lebenserfahrung. Hierzu gehöre insbesondere die erneute Heirat nur wenige Wochen nach der Scheidung, weil sich der Verstorbene angeblich gebessert habe, kein eheliches Zusammenleben nach der erneuten Eheschließung, eine lange und beschwerliche mehrtägige Hin- und Rückreise nur zum Zwecke der Eheschließung sowie die fehlende Erinnerung der Klägerin sowie des angeblich bei der Hochzeit anwesenden Zeugen D. P. an die Eheschließung bei der Zeugenvernehmung. Die Klägerin habe vorgetragen, ein Anwalt sei mit der Korrektur der Registereintragung in Kasachstan beauftragt gewesen und habe Klage eingereicht. Aufgrund dieses Vorgangs sei eine Korrektur des Eheregisters in Kasachstan erfolgt. Dies stehe im Gegensatz zu ihren Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren, eine nachträgliche Korrektur des Eheregisters sei aufgrund Zeitablaufs nicht mehr möglich. Ebenso wenig könne ein Urteil vorgelegt werden, obwohl dieses gemäß Vortrag der Gegenseite Grundlage für die Eintragung in das Eheregister in Kasachstan gewesen sein solle. Auch § 54 Abs. 1 PStG postuliere Beweiskraft nur unter der Voraussetzung, dass das Register ordnungsgemäß geführt werde. Von einer ordnungsgemäßen Führung des Registers sei nicht auszugehen. Beide im Berufungsverfahren vorgelegten Dokumente bestätigten eine Eintragung ins Register am 30. März 2007 unter der Nr. XXX; sämtliche in den Vorinstanzen eingeholten Ermittlungen hätten jedoch bislang bestätigt, dass am 30. März 2007 keine Registereintragung stattgefunden habe. Da die in der Berufungsinstanz vorgelegten Unterlagen nicht dazu geeignet seien, eine Eheschließung nachzuweisen, sie aber trotzdem Grundlage der Registeränderung bei der Stadt S. gewesen seien, sei der Tatbestand des § 54 Abs. 3 PStG erfüllt. Die Beweiskraft des Eheregisters sei widerlegt. Zudem könne im Falle einer nachträglichen Eintragung in ein fortlaufendes Register keine Registernummer vergeben werden, die vor nahezu zehn Jahren zur Vergabe angestanden habe. Im Übrigen sei die Mitteilung, dass eine Eintragung im Kreisarchiv Ka. seit 2007 vorliege, nicht richtig. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren habe eine Mitteilung der stellvertretenden Standesamtsleiterin des Justizdepartements des Gebiets A. vom 19. Mai 2011 vorgelegen, die erkennen lasse, dass in beiden Archiven nachgeforscht worden sei. Danach sei weder eine Eintragung im Gebiets- noch im Kreisregister vorhanden gewesen. Auch liege bereits eine Mitteilung des Kreisarchivs Bezirk Ka. vom 4. Juli 2013 vor, die bestätige, dass eine Eintragung dort nicht gegeben sei.

Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Ein Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als EUR 750,00 nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt vor, denn die Beklagte fordert von der Klägerin EUR 18.418,34 zurück. Zudem betrifft der streitgegenständliche Rücknahmebescheid die Aufhebung der Bewilligung von Rente, also wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, für mehr als ein Jahr.

2. Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2013 erweist sich, anders als das SG entschieden hat, als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in subjektiven Rechten.

a) Gegenstand der isolierten Anfechtungsklage ist der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2013, mit dem die Beklagte den Witwenrentenbescheid vom 11. Juli 2008 von Anfang an zurückgenommen und von der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 30. September 2011 gezahlte Rente in Höhe von insgesamt EUR 18.418,34 zurückgefordert hat.

Die von der Beklagten verfügte Rücknahme des Bescheids vom 11. Juli 2008 betrifft nur die Zeit bis 31. August 2018. Denn mit diesem Tag endete die der Klägerin bewilligten großen Witwenrente. Sind Renten befristet, enden sie nach 102 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) mit dem Ablauf der Frist (Satz 1), wobei dies das jeweilige Monatsende ist (Satz 3). Nach § 102 Abs. 3 Satz 1 SGB VI werden unter anderem große Witwenrenten oder große Witwenrente wegen Kindererziehung auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Beklagte bewilligte der Klägerin die große Witwenrente nur befristet für die Dauer der Kindererziehung, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngsten Kindes. Dies ist der am 2000 geborene gemeinsame Sohn der Klägerin und des Versicherten. Dieser vollendete am 13. August 2018 das 18. Lebensjahr.

b) Rechtsgrundlage des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 28. Februar 2012 sind §§ 45 und 50 Abs. 1 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf, soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, dieser, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach § 45 Abs. 2 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Dies gilt allerdings nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Abweichend von § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zudem bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn (1.) die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder (2.) der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). In einem solchen Fall kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde (Absatz 3 Satz 4). Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X und § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.

Die Voraussetzungen des § 45 SGB X liegen nicht vor. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2008, mit der die Beklagte der Klägerin eine Witwenrente aus der Versicherung des am 18. November 2007 verstorbenen Versicherten gewährt hat, erweist sich schon nicht als von Anfang an rechtswidrig (dazu unter aa). Darüber hinaus kann sich die Klägerin auf schutzwürdiges Vertrauen berufen; ein Fall des §§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X liegt nicht vor (dazu unter bb). Letztlich hat die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen nicht in ermessensfehlerfreier Weise ausgeübt (dazu unter cc).

aa) Die mit Bescheid vom 11. Juli 2008 erfolgte Bewilligung der Witwenrente war nicht rechtswidrig im Sinne von § 45 Abs. 1 SGB X.

Rechtsgrundlage dieses Bescheids war § 46 Abs. 2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie (1.) in eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, (2.) das 47. Lebensjahr vollendet haben oder (3.) erwerbsgemindert sind. Nach Abs. 2a der Vorschrift haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung einer großen Witwenrente waren zum maßgeblichen Zeitpunkt des Rentenbeginns erfüllt. Der am 18. November 2007 verstorbene Versicherte hatte die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt. Die Klägerin erzog den gemeinsamen, am 14. August 2000 geborenen Sohn, der bei Bewilligung der Rente noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Zwar wurde die erstmals am 1. August 2000 geschlossene Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten durch das am 10. Februar 2007 rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts K. geschieden. Allerdings war die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten (18. November 2007) dessen Ehegatte, weil sie am 30. März 2007 diesen (wieder) heiratete. Nach dem Tod des Versicherten zunächst am 26. Mai 2008 eine Heiratsurkunde des Standesamtes der Stadt Ka./Kasachstan sowie deren beglaubigte Übersetzung vorgelegt, wonach die Klägerin und der Versicherte am 30. März 2007 erneut die Ehe geschlossen haben und die Eintragung in das kasachische Eheregister unter der Nr. 1617 erfolgte. Selbst wenn man – mit der Beklagten und dem SG – davon ausgeht, die Eheschließung sei dort nicht ordnungsgemäß belegt, ist zumindest mit der im Berufungsverfahren vorgelegten Zweitausführung der Eheurkunde die Eheschließung am 30. März 2007 durch die Klägerin nachgewiesen; denn die Klägerin hat die am 23. Juni 2016 ausgestellte Zweitschrift der Eheurkunde, welche die Eheschließung und ordnungsgemäße Eintragung ins Heiratsregister am 30. März 2007 bestätigt, mit einer sog. "Haager Apostille" versehen vorgelegt.

Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 438 Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht nach den Umständen des Falles zu ermessen, ob eine Urkunde, die als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet sich darstellt, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sei (Abs. 1). Zum Beweis der Echtheit einer solchen Urkunde genügt die Legalisation durch einen Konsul oder Gesandten des Bundes (Abs. 2). In den Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5. Oktober 1961, zu denen die Bundesrepublik Deutschland (Gesetz zu dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 21. Juni 1965 (BGBl II, S. 883) und auch seit 30. Januar 2001 Kasachstan (Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 21. Februar 2001, BGBl. II, S. 298) gehören, wird die sonst erforderliche Legalisation durch die "Haager Apostille" ersetzt. Dieses Übereinkommen ist auf alle öffentlichen Urkunden anzuwenden, die dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates errichtet worden sind und die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates vorgelegt werden sollen. Die "Haager Apostille" bestätigt die Echtheit einer öffentlichen Urkunde (Tiebel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 29 SGB X, Rn. 17), die hierfür im Original vorgelegt werden muss. Im Fall entsprechender Aussagekraft der Bescheinigung ist weder eine weitere Aufklärung des Sachverhalts noch eine solche zum ausländischen Recht für den Nachweis der in der Urkunde dokumentierten Umstände erforderlich (Oberlandesgericht [OLG] München, Beschluss vom 10. Februar 2017 – 34 Wx 175/16 – juris Rn. 36). Diesen Anforderungen genügen die von der Klägerin vorgelegten Dokumente, zu denen eine mit der "Haager Apostille" versehene Abschrift der Eheurkunde gehört. Zudem hat die Stadt S. die nunmehr vorgelegte Eheurkunde und die Bestätigung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Kasachstan an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Republik Kasachstan vom 11. Oktober 2016 zum Anlass genommen, die Eintragung des Personenstands "verwitwet" in das Personenregister der Stadt S. zu übernehmen.

Der Senat kann offenlassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der zuständige Versicherungsträger an die in einer mit einer "Haager Apostille" versehenen Urkunde belegten Umstände nicht gebunden ist, bzw. ein Gegenbeweis erbracht werden kann. Jedenfalls hat die Beklagte, die im vorliegenden Fall die Feststellungslast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X trägt, einen solchen Nachweis nicht erbracht und damit die mit der "Haager Apostille" verbundene Beweiskraft nicht erschüttert. Es liegen im Gegenteil zahlreiche Anhaltspunkte dafür vor, dass die in der am 23. Juni 2016 ausgestellten Zweitschrift der Eheurkunde dokumentierte Eheschließung am 30. März 2007 auch tatsächlich stattgefunden hat. Zunächst haben sowohl die Klägerin selbst, als auch ihr Schwager, D. P. angegeben, gemeinsam zum Zwecke der Eheschließung der Klägerin mit dem Versicherten nach Kasachstan gereist zu sein. D. P. hat bekundet, er sei selbst bei der Heirat auf dem Standesamt in Ka. anwesend gewesen. Daher könne er die Eheschließung bestätigen. Dies versicherte D. P. an Eides statt. H. H. führte ebenso an Eides statt aus, der Versicherte und die Klägerin seien Gäste seines 58. Geburtstags gewesen, den er am 13. Juni 2007 gefeiert habe. Dort habe der Versicherte ihm berichtet, seine (des Versicherten) Ehefrau wieder geheiratet zu haben. W. S. legte in seiner eidesstattlichen Versicherung dar, im Mai 2007 habe ihm der Versicherte berichtet, erneut seine (des Versicherten) Ehefrau in Kasachstan im März 2007 geheiratet zu haben. In einer weiteren eidesstattlichen Versicherung hat T. K. dargelegt, der Versicherte habe sie zu seiner Eheschließung mit der Klägerin eingeladen. Die Eheschließung habe in der Standesamtsabteilung Ka. der Stadt A. stattgefunden. Zwar war die Klägerin zunächst wegen des Vorwurfs einer schweren mittelbaren Falschbeurkundung zu Lasten der Stadt S. und des Betrugs zu Lasten der Beklagten angeklagt worden. Von diesem Vorwurf wurde sie jedoch mit Urteil des Amtsgerichts S. vom 23. Juli 2012 freigesprochen. Vor dem Hintergrund dieser Gesamtumstände kann der Senat nicht feststellen, dass eine Eheschließung am 30. März 2007 entgegen der am 23. Juni 2016 ausgestellten und mit einer "Haager Apostille" versehenen Zweitschrift der Eheurkunde tatsächlich nicht stattgefunden hat.

Der Anspruch auf Witwenrente war auch nicht nach § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI (eingeführt mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21. März 2001, BGBl. I, S. 403), der nach § 242a Abs. 3 SGB VI für alle seit dem 1. Januar 2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Vorschrift findet hier Anwendung, da die Ehe der Klägerin nicht vor dem 1. Januar 2002, sondern am 30. März 2007 geschlossen wurde (§ 242a Abs. 3 SGB VI). Die Ehe hat nicht mindestens ein Jahr gedauert, da der Ehemann der Klägerin bereits am 18. November 2007 verstorben ist. Mit der Beklagten (vgl. Bl. 168 Verwaltungsakte) geht der Senat davon aus, dass aufgrund der Erziehung des gemeinsamen Sohnes die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe hinreichend widerlegt ist.

Damit erweist sich die Bewilligung einer großen Witwenrente im Ergebnis als rechtmäßig. Für die verfügte Zurücknahme der Bewilligungsentscheidung fehlt es an der erforderlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht.

bb) Selbst wenn man die Rechtswidrigkeit des Witwenrentenbescheides vom 11. Juli 2008 unterstellt, lägen im Übrigen die besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X im Fall der Klägerin nicht vor. Maßgeblich ist für den Senat hierbei, dass die Beklagte die Bewilligung einer großen Witwenrente zunächst abgelehnt hatte, die nunmehr zurückgenommene Bewilligungsentscheidung dann aber nach Vorlage einer Heiratsurkunde, die die erneute Eheschließung der Klägerin und des Versicherten in Kasachstan am 30. März 2007 bestätigte, erfolgt ist. Die Bewilligungsentscheidung beruhte demnach nicht auf Umständen, die die Klägerin vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unrichtig gemacht hätte. Soweit die Stadt S. später mitgeteilt hat, die in den von der Klägerin zunächst vorgelegten Unterlagen ausgewiesene Eheschließung sei nicht im örtlichen Heiratsregister eingetragen, hat die Klägerin später die oben genannte, mit einer "Haager Apostille" versehene Zweitschrift der Eheurkunde vorgelegt. Der Vorwurf, sie habe vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), kann der Klägerin bei dieser Sachlage nicht gemacht werden. Dass die Klägerin die Bewilligung der großen Witwenrente durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hätte (vgl. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB X), kann ebenfalls – insbesondere im Hinblick auf den Ausgang des Strafverfahrens – nicht festgestellt werden. Letztlich durfte die Klägerin, nachdem die Beklagte die Witwenrente in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände bewilligt hatte, auch davon ausgehen, dass diese Bewilligungsentscheidung Bestand haben würde. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X liegen damit ebenfalls nicht vor.

cc) Letztlich hat die Beklagte das ihr im Rahmen einer Ermessensentscheidung eingeräumte Ermessen nicht in ermessensfehlerfreier Weise ausgeübt. Auch in diesem Zusammenhang ist aus Sicht des Senats maßgebend, dass die Beklagte der Klägerin die große Witwenrente in Kenntnis sämtlicher tatsächlicher Umstände gewährt hat und nach der Bewilligungsentscheidung keine neuen Erkenntnisse erlangt hat, die eine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage rechtfertigen könnten. Selbst wenn man unterstellt, dass die Bewilligung einer großen Witwenrente mangels einer wirksamen Wiederheirat rechtswidrig gewesen ist und auf Tatbestandsseite die besonderen Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen, hätte dieser Umstand zumindest in die von der Beklagten anzustellenden Ermessenserwägungen einbezogen werden müssen. Dass dies nicht erfolgt ist, stellt eine Ermessensunterschreitung und damit einen die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Rücknahmeentscheidung nach sich ziehenden Ermessensfehler dar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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