Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2708/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3607/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2018 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, vorläufig die Kosten für die vollumfängliche Begleitung des Antragstellers beim Besuch der Ganztagesgrundschule täglich von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr, freitags bis 12:45 Uhr durch eine Fachkraft vom 5. November 2018 bis einschließlich 28. Juli 2019, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 20. September 2018, zu tragen.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz über die Gewährung einer Integrationshilfe zum Besuch der Ganztagesgrundschule.
Der am 2011 geborene Antragsteller leidet an Diabetes mellitus Typ I mit stark schwankenden Blutzuckerwerten. Seit Juli 2013 ist er mit einer Insulinpumpe versorgt. Es sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen H anerkannt. Seit dem 23. Februar 2018 ist der Antragsteller pflegebedürftig und erhält Pflegeleistungen entsprechend Pflegegrad 1.
Am 11. Juli 2018 beantragte der Antragsteller bei der Stadt M. die Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe zum Besuch der Schule ab September 2018. Seinem Antrag fügte er eine Schilderung des Tagesablaufes durch die Gruppenleiterin des von ihm besuchten Waldorfkindergartens vom 17. Mai 2018, ein Schreiben seiner Eltern zu den erforderlichen Maßnahmen, die wegen vollzeitiger Beschäftigung diese in der Schule nicht übernehmen könnten, sowie eine Verordnung häuslicher Krankenpflege des Kinderarztes PD Dr. M. vom 18. Juli 2018 für die Zeit vom 15. September 2018 bis 15. September 2019 bei. PD Dr. M. verordnete darin häusliche Krankenpflege im Umfang von 7 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessung, 4 x täglich 5 x wöchentlich Injektionen sowie sonstige Maßnahmen der Behandlungspflege. Zur Begründung führte er an: "KE Berechnung und entsprechende Insulinabgaben, Grundschule - 1. Klasse, - Lehrer messen keinen BZ, berechnen keine KE und geben lt Therapieplan kein Insulin ab und bei hohen BZ Werten kein Korrekturinsulin ab. BZ, KE Berechnung u Insulinabgabe muss durch den Pflegedienst durchgeführt werden". Die Stadt M. leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 23. Juli 2018 an die Antragsgegnerin, bei dieser am selben Tag eingegangen, weiter, weil sie sich nicht für zuständig hielt. Die Behandlung von Diabetes falle in den Bereich der Behandlungspflege und sei keine Leistung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung.
Die Antragsgegnerin veranlasste eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankversicherung Baden-Württemberg (MDK), ohne den Antragsteller hierüber zu unterrichten. Der MDK bat unter dem 6. August 2018 Protokolle über den Blutzucker für die Monate Juni und Juli 2018 sowie weitere Unterlagen zu übersenden. Nach Anforderung der Antragsgegnerin übersandte der Antragsteller unter dem 17. August 2018 Aufzeichnungen über Blutzuckerwerte für Juni und Juli 2018. Im sozialmedizinischen Gutachten vom 10. September 2018 vertrat Dr. R., MDK, die Auffassung, eine Schulbegleitung bei dem Antragsteller sei nicht erforderlich. Kontrollen des Blutzuckers 1 x bis 2 x täglich, vor allem nachmittags und nach dem Sportunterricht, seien ausreichend. Gegebenenfalls ließen sich die Lehrer zusätzlich auch entsprechend schulen.
Mit Bescheid vom 20. September 2018 bewilligte die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege in Form von Blutzuckermessungen und Verabreichung von Insulininjektionen, jeweils im Umfang von 2 x täglich/5 x wöchentlich, für den Zeitraum vom 15. September bis 31. Dezember 2018, lehnte jedoch eine darüberhinausgehende behandlungspflegerische Betreuung bzw. Überwachung des Antragstellers durch eine Fachkraft während des Schulbesuchs ab.
Hiergegen legte der Antragsteller am 25. September 2018 Widerspruch ein. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden.
Am 25. September 2018 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Mannheim (SG) einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren, vorläufig vom Tage der Entscheidung an, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, für das Schuljahr 2018/19 eine Fachkraft als Integrationshilfe zum Besuch der Ganztagsgrundschule täglich von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr, freitags bis 12:45 Uhr, vollumfänglich zu bewilligen und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen. Es herrsche derzeit eine ausgeprägte schwankende Stoffwechseleinstellung, die häufiger Interventionen bedürfe. Einerseits habe er einen niedrigen Insulinbedarf, andererseits reagiere er sehr stark auf Bewegung und Kohlenhydrate wie auch auf Stress. Deshalb stelle seine metabolische korrekte Einstellung eine schwierige und zeitintensive Herausforderung dar. Ohne Interventionen in Form von Blutzuckermessungen, Insulin und Kohlenhydratgaben sei eine Stoffwechselentgleisung in hyper- oder im schlimmsten Fall in hypoglykäme Richtung mit dem Risiko eines cerebralen Krampfanfalls vorprogrammiert. Diese lebensbedrohlichen Begleiterscheinungen der Erkrankung beeinträchtigten seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in erheblichem Maße, da er in seiner altersgerechten Entwicklung zur Selbständigkeit erheblich gestört sei. In den vorangegangenen Schulwochen habe seine Mutter die Begleitung übernommen. Deren Urlaub sei nun aufgebraucht. Er müsse ab dem 4. Oktober 2018 zu Hause bleiben, da eine Begleitung nicht finanziert werde. Dies sei jedoch nicht möglich, da zu Hause niemand sei, der ihn betreuen könne. Sein Vater habe zum 1. September 2018 eine neue Arbeitsstelle angetreten, so dass es ihm (dem Vater) unmöglich sei, kurzfristig Urlaub zu nehmen. Eine ständige Kontrolle sei erforderlich. Er könne zwar seinen Blutzucker eigenständig messen und gegebenenfalls auch korrigieren und seine Broteinheiten eingeben. Allerdings sei er dabei immer auf eine Kontrolle und vor allem Unterstützung angewiesen. Seine Eltern richteten zwar seine Brotdose mit den entsprechenden Broteinheiten und beschrifteten diese. Jedoch müsse jemand an seiner Seite sein, der ihn auf sein Messen hinweise und dann kontrolliere, wie viel er aus seiner Brotdose gegessen habe. Zudem müsse die Begleitperson die Broteinheiten zusammenrechnen, die dieser dann eingeben müsse. Anschließend seien Kontrollmessungen erforderlich. Zwischendurch könne mit stark abfallenden Blutzuckerwerten gerechnet werden. Auch in diesen Fällen müsse zügig gehandelt werden. Mit der Schule sei schon geklärt worden, dass die Damen an der Essensausgabe dies leider nicht leisten könnten. Hinzu kämen noch die Sportunterrichtszeiten, in denen der Blutzucker kontrolliert werden müsse, bevor der Sport beginne, um eventuell zusätzlich etwas zu essen zu verabreichen. Problematisch sei beim Sportunterricht auch, dass sich der Katheter bei starkem Schwitzen ablösen könne. Auch hier brauche er Hilfe. Er wies auf den Beschluss des Senats vom 25. Juli 2018 (L 4 KR 1746/18 ER-B, juris) hin und legte unter anderem einen Bericht der Schulleiterin vom 5. Oktober 2018, eine Kostenaufstellung eines Pflegedienstes (monatlicher Gesamtbetrag EUR 7.185,00) sowie die unter dem 28. September 2018 durch Dr. D., Gesundheitsamt der Stadt M., erstellte ärztliche Beurteilung vor. Diese führt darin aus, der Antragsteller leide an einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus. Ein Problem sei, dass der Antragsteller selber im Umgang mit seiner Erkrankung nicht kooperativ sei, sich ungern damit befasse und sich an die Anweisungen und Regeln nicht zuverlässig halte. Die Blutzuckerwerte müssten sowohl vor allen Mahlzeiten als auch bei klinischen Beschwerden regelmäßig gemessen und die gewünschte Essensmenge und daraus resultierende Insulinmenge berechnet werden. Dies sei im Rahmen der Regelschule von der Lehrerin nicht zu leisten. Daher benötige der Antragsteller, solange er nicht stabil eingestellt sei und selbst nicht mit seiner Erkrankung umgehen könne, eine vollumfängliche Betreuung.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Sie habe entsprechend der ärztlichen Verordnung häusliche Krankenpflege bewilligt. Darüber hinausgehende Maßnahmen seien nach den Feststellungen des MDK in seinem Gutachten vom 10. September 2018 nicht erfüllt. Der MDK sei in seinem Gutachten unter Berücksichtigung der Befundunterlagen, insbesondere der Blutzuckerprotokolle aus Juni/Juli 2018 zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Antragsteller Blutzuckerkontrollen im Umfang von 1 x bis 2 x täglich, vor allem mittags und nach dem Sportunterricht notwendig bzw. ausreichend seien. Der Antragsteller sei in der Lage, seinen Blutzucker selbständig zu messen. Folglich könne er bei Bedarf weitere Blutzuckermessungen in Eigenregie durchführen. Eine permanente Überwachung des Antragstellers in Form einer speziellen Krankenbeobachtung während des Schulbesuchs sei hingegen medizinisch nicht notwendig. Die Gewährung von spezieller Krankenbeobachtung sei daran gebunden, dass mit Gewissheit täglich lebensbedrohliche Situationen drohten. Hiervon sei beim Antragsteller nicht auszugehen. Es sei weder eine Maßnahme der Behandlungspflege noch der Eingliederungshilfe zu gewähren. Zudem sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Der Schulbesuch des Antragstellers gehe nicht mit konkreten lebensbedrohlichen Gefahren einher. Sollte sich während des Schulbesuchs irgendwann einmal eine gesundheitliche Krise beim Antragsteller einstellen, sei es ohne weiteres möglich, dass die Lehrkräfte die erforderlichen Maßnahmen der Ersten Hilfe bis hin zur Alarmierung eines Notarztes einleiteten. Hierzu seien die Lehrkräfte der Schule im Übrigen auch bei jedem anderen (gesunden) Schüler verpflichtet, welcher während des Schulbesuchs beispielsweise einen lebensgefährlichen Unfall erleide.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2018 lehnte das SG den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führte das SG aus, aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht sei das Bestehen eines Anordnungsanspruchs zumindest zweifelhaft. Dies sei wohl auch dem Antragsteller bewusst, denn er begründet seinen materiellen Anspruch in erster Linie sozialhilferechtlich. Ein solcher sozialhilferechtlicher Anspruch könne zwar in Betracht kommen und auch nach § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auch gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden. Allerdings sei eine ausreichende Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes nicht erfolgt. Zwar sei ausgeführt worden, dass die Eltern des Antragstellers die Kosten des Pflegedienstes nicht vorfinanzieren könnten. Allerdings fehle eine von ihm (dem SG) ausdrücklich angeforderte vollständige Übersicht über die eigenen Vermögensverhältnisse des Antragstellers bzw. seiner Eltern oder sonstiger unterhaltspflichtiger Personen.
Am 10. Oktober 2018 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des SG beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund seien gegeben. Der Anspruch ergebe sich aus der ärztlichen Verordnung des PD Dr. M. vom 18. Juli 2018, dem Bericht "der Klassenlehrerin vom 21. September 2018" (möglicherweise gemeint der Schulleiterin vom 5. Oktober 2018) sowie der Beurteilung der Dr. D ... Auch wenn es unerheblich sei, wie viel Einkommen die Familie erwirtschafte, könne sie ohne Zweifel die monatliche Kostenlast von EUR 7.185,00 nicht tragen. Ohne eine Eins-zu-Eins-Begleitung könne er die Schule nicht besuchen. Eine schwerwiegendere Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei für ein Schulkind nicht denkbar. Die Pflegeprotokolle belegten, dass er immer zu unterschiedlichen Zeiten gemessen und gespritzt werden müsse, damit den unberechenbaren Schwankungen entgegengewirkt werden könne.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2018 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig vom Tage der Entscheidung an, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, für das Schuljahr 2018/19 eine Fachkraft als Integrationshilfe zum Besuch der Ganztagsgrundschule täglich von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr, freitags bis 12:45 Uhr, vollumfänglich zu bewilligen und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Die Berufung in der Hauptsache bedürfte nicht der Zulassung. Denn die voraussichtlichen Kosten für die begehrte Integrationshilfe (monatlich EUR 7.185,00) übersteigen den Beschwerdewert von EUR 750,00.
2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit – wie hier – nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Orientieren in solchen Fällen die Gerichte ihre Entscheidung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, so sind sie gemäß Art 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, die, wenn dazu Anlass besteht, Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - juris Rn. 7 und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris Rn. 25, 26). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
3. Unter Beachtung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für die begehrte einstweilige Anordnung vor. Sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.
a) Der Antragsteller hat einen Anspruch auf vollumfängliche Begleitung beim Besuch der Ganztagsgrundschule durch eine Krankenschwester hinreichend glaubhaft gemacht.
aa) Als Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen kommen einerseits §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und andererseits §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Verbindung mit § 12 Eingliederungshilfe-Verordnung in Betracht.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes vom 21. Dezember 2015, BGBl. I, S. 2424) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs. 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V noch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Der GBA hat in Umsetzung seiner gesetzlichen Verpflichtung in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL vom 17. September 2009, BAnz vom 9. Februar 2010, zuletzt geändert am 16. März 2017, BAnz AT 1. Juni 2017 B3) nähere Festlegungen vorgenommen.
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen der Eingliederungshilfe an Personen erbracht, die durch eine Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach § 140 SGB XII und neben den Leistungen nach den §§ 26 und 55 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Nach § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG, Urteil vom 13. Juni 2006 – B 8 KN 4/04 KR R, juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 P 4/13 R – juris, Rn. 16). Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es hingegen, wie aus § 53 Abs. 3 SGB XII folgt, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Ziel der Leistungen ist gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1 SGB IX einerseits, den Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, die Teilhabe zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 32/07 R – juris, Rn. 16).
bb) Es kann vorliegend offenbleiben, ob die begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII oder der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V zuzuordnen sind. Denn die Antragsgegnerin ist im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller für beide Leistungen zuständig.
Dies folgt zunächst aus § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
Die vom Antragsteller bei der Beigeladenen beantragte Leistung einer Integrationshilfe zum Besuch der Ganztagsgrundschule ist eine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 14 SGB IX. Ausweislich der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin wurde der Antragsgegnerin der Antrag am 11. Juli 2018 bei der Beigeladenen eingegangene Antrag auf Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe zum Besuch der Ganztagsgrundschule von der Beigeladenen binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags, nämlich am 23. Juli 2018, weitergeleitet. Damit hat die Antragsgegnerin über den Anspruch des Antragstellers auf Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens umfassend zu entscheiden.
Es kann vorliegend dahin gestellt bleiben, ob es sich bei der begehrten Leistung auch nach dem Leistungsrecht des SGB V um eine Rehabilitationsleistung handelt; denn § 14 SGB IX gilt seiner Intention nach auch in den Fällen, in denen eine Leistung beantragt wird, die von einem anderen in § 6 SGB IX genannten Träger als Rehabilitationsleistung zu erbringen wäre, wenn wie hier der erstangegangene Leistungsträger (hier der beigeladene Sozialhilfeträger) jedenfalls Rehabilitationsträger i.S. des § 6 SGB IX ist (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – juris, Rn. 12). Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin ohnehin originär, d.h. ohne Anwendung des § 14 SGB IX, zuständig ist, wenn es sich um einen Fall der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V handelt.
cc) Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung sowohl Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege als auch Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe.
Der Antragsteller unterfällt auch dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege erbringt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege sind auch in Schulen zu erbringen, wenn dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Der Antragsteller gehört zum leistungsberechtigten Personenkreis nach der Regelung des § 53 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die personengebundene Vorrausetzung einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist (unstreitig) erfüllt. Der Antragsteller leidet an Diabetes mellitus Typ I (Insulinpumpentherapie) mit stark schwankenden Blutzuckerwerten. Es sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen H anerkannt. Auf die Einkommensverhältnisse des Antragstellers und seiner Eltern kommt es nicht an, da gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen lediglich die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ist, welche hier nicht betroffen sind. Eine Berücksichtigung gegebenenfalls vorhandenen Vermögens erfolgt ebenfalls nicht (vgl. § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII).
dd) Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes dürfte ein Anspruch des Antragstellers auf die Fachkraft für den Schulbesuch bestehen.
(1) Der Anspruch des Antragstellers auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes bereits deshalb gegeben, weil die Leistung auf häusliche Krankenpflege nach § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt gilt. Denn die Antragsgegnerin entschied über hierauf gerichteten Antrag des Antragstellers nicht fristgerecht.
Nach § 13 Abs. 3a SGB V, der mit Wirkung zum 26. Februar 2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 (BGBl. I, S. 277) eingefügt worden ist, hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6).
§ 13 Abs. 3a SGB V ist sachlich anwendbar. Denn der Antragsteller begehrt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern eine Leistung der Krankenbehandlung. Der Antragsteller stellte einen hinreichend bestimmten Antrag auf Bewilligung einer Fachkraft für den Schulbesuch. Dies verstand die Antragsgegnerin auch so, denn sie lehnte mit dem Bescheid vom 20. September 2018 diese Leistung ab. Der Antragsteller durfte die begehrte Leistung subjektiv für erforderlich halten. Denn sie liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung. Da der (von der Stadt M. weitergeleitete) Antrag bei der Antragsgegnerin am 23. Juli 2018 einging, begann die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V am 24. Juli 2018 zu laufen (§ 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Selbst wenn man zu Gunsten der Antragsgegnerin wegen der eingeholten gutachtlichen Stellungnahme des MDK die Fünfwochenfrist zugrunde legte, obwohl die Antragsgegnerin den Antragsteller hierüber nicht informierte (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2017 – L 11 KR 2090/16 – juris, Rn. 29; anderer Auffassung BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R – juris, Rn. 28), endete diese Frist am 27. August 2018 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Die Beklagte entschied erst mit Bescheid vom 20. September 2018.
(2) Unabhängig vom Eintritt der Genehmigungsfiktion kann nach derzeitigen Sach- und Streitstand der Antragsteller nicht ohne ständige Begleitung die Ganztagsgrundschule besuchen. Dies entnimmt der Senat dem Akteninhalt, insbesondere der Verordnung häuslicher Krankenpflege des PD Dr. M. vom 18. Juli 2018, den Blutzuckermesskonrollprotokollen von Juni/Juli 2018, dem Kurzgutachten zur Pflege des MDK vom 4. September 2018 sowie der Beurteilung der Dr. D. vom 28.September 2018. Danach benötigt der Antragsteller aufgrund der Diabetes-Erkrankung meistens Anleitung und Beaufsichtigung. Das Bereitstellen einer Diät reicht nicht aus. Darüberhinausgehendes Eingreifen ist mehrmals täglich erforderlich. Die Blutzuckerwerte müssen sowohl vor den Mahlzeiten als auch bei klinischen Beschwerden regelmäßig gemessen und die gewünschte Essensmenge und daraus resultierende Insulinmenge berechnet werden. Dies ist im Rahmen der Regelschule von der Lehrerin nicht leisten. Daher benötigt der Antragsteller, solange er nicht stabil eingestellt ist und selbst nicht mit seiner Erkrankung umgehen kann, eine vollumfängliche Betreuung. Gestützt wird diese Einschätzung auch durch das Gutachten des Dr. R., MDK, vom 10. September 2018, denn der Antragsteller als siebenjährige Erstklässler benötigt beim Berechnen der Broteinheiten noch Hilfe.
Die zuletzt bewilligte häusliche Krankenpflege in Form von Blutzuckermessungen und Verabreichung von Insulininjektionen, jeweils im Umfang von 2 x täglich/5 x wöchentlich, für den Zeitraum vom 15. September bis 31. Dezember 2018, genügt nach Auswertung der aktenkundigen Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen nicht, denn aus den aktenkundigen Blutzuckermessprotokollen ist zu entnehmen, dass die Blutzuckermessungen und Insulingaben gerade nicht nur zu den geplanten festen Uhrzeiten stattfinden, sondern je nach Bedarf auch dazwischen. Körperliche Anstrengungen und Aufregung haben beim Antragsteller häufig ein plötzliches Absacken des Blutzuckerwertes zur Folge. Eine Eins-zu-Eins-Betreuung ist damit unabdingbar notwendig.
Soweit Dr. R. in seinem Gutachten vom 10. September 2018 darauf verweist, dass das Schulpersonal für die Durchführung der Blutzuckerkontrollen geschult werden könne, übersieht er, dass die Schulleiterin des Antragstellers (Stellungnahme vom 5. Oktober 2018) eine entsprechende Betreuung ablehnt. Sie begründet dies u. a. damit, dass dem Lehrpersonal aufgrund der sehr starken Schwankungen des Blutzuckers die Sonderzuwendung durch regelmäßig notwendige Blutzuckerüberwachung inklusive Insulinpumpenjustierung die zeitlichen Ressourcen und medizinischen Kenntnisse fehlten. Solange aber die Schule nicht bereit und/oder nicht in der Lage ist, den zusätzlichen Betreuungsbedarf abzudecken, kann der Antragsteller nicht auf (theoretische) Leistungen der Schule verwiesen werden. Nach II. 2. g Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums Baden-Württemberg Verabreichung von Medikamenten bei chronischen Krankheiten in Schulen vom 4. Februar 2013 kann es keiner Lehrkraft gegen ihren Willen zugemutet werden, mittels der Stechhilfe Blut aus dem Finger abzunehmen.
ee) Insbesondere im Hinblick auf die bestehende Schulpflicht (§ 72 Schulgesetz für Baden-Württemberg) hält es der Senat für notwendig, aber auch ausreichend, wenn die Antragsgegnerin vorläufig die Kosten für die Begleitung durch eine Fachkraft im tenorierten Umfang übernimmt. Die Klärung der endgültigen Tragung der (unter Umständen bereits aufgelaufenen) Kosten bleibt dem Hauptsacheverfahren oder, wenn das Hauptsacheverfahren zu dem Ergebnis käme, es handle sich nicht um Leistungen der häuslichen Krankenpflege, sondern um Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, einem Erstattungsverfahren zwischen der Antragsgegnerin und der Stadt M. vorbehalten.
b) Auch ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Nach den vorgelegten Unterlagen sind die Eltern des Antragstellers nicht in der Lage, einstweilen die Kosten selbst zu tragen. Nach der vorgelegten Kostenaufstellung eines Pflegedienstes belaufen sich die monatlichen Kosten voraussichtlich auf EUR 7.158,00. Es liegt auf der Hand, dass gesetzlich Versicherte in der Regel nicht Kosten in dieser Höhe selbst aufbringen können.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz über die Gewährung einer Integrationshilfe zum Besuch der Ganztagesgrundschule.
Der am 2011 geborene Antragsteller leidet an Diabetes mellitus Typ I mit stark schwankenden Blutzuckerwerten. Seit Juli 2013 ist er mit einer Insulinpumpe versorgt. Es sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen H anerkannt. Seit dem 23. Februar 2018 ist der Antragsteller pflegebedürftig und erhält Pflegeleistungen entsprechend Pflegegrad 1.
Am 11. Juli 2018 beantragte der Antragsteller bei der Stadt M. die Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe zum Besuch der Schule ab September 2018. Seinem Antrag fügte er eine Schilderung des Tagesablaufes durch die Gruppenleiterin des von ihm besuchten Waldorfkindergartens vom 17. Mai 2018, ein Schreiben seiner Eltern zu den erforderlichen Maßnahmen, die wegen vollzeitiger Beschäftigung diese in der Schule nicht übernehmen könnten, sowie eine Verordnung häuslicher Krankenpflege des Kinderarztes PD Dr. M. vom 18. Juli 2018 für die Zeit vom 15. September 2018 bis 15. September 2019 bei. PD Dr. M. verordnete darin häusliche Krankenpflege im Umfang von 7 x täglich und 5 x wöchentlich Blutzuckermessung, 4 x täglich 5 x wöchentlich Injektionen sowie sonstige Maßnahmen der Behandlungspflege. Zur Begründung führte er an: "KE Berechnung und entsprechende Insulinabgaben, Grundschule - 1. Klasse, - Lehrer messen keinen BZ, berechnen keine KE und geben lt Therapieplan kein Insulin ab und bei hohen BZ Werten kein Korrekturinsulin ab. BZ, KE Berechnung u Insulinabgabe muss durch den Pflegedienst durchgeführt werden". Die Stadt M. leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 23. Juli 2018 an die Antragsgegnerin, bei dieser am selben Tag eingegangen, weiter, weil sie sich nicht für zuständig hielt. Die Behandlung von Diabetes falle in den Bereich der Behandlungspflege und sei keine Leistung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung.
Die Antragsgegnerin veranlasste eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankversicherung Baden-Württemberg (MDK), ohne den Antragsteller hierüber zu unterrichten. Der MDK bat unter dem 6. August 2018 Protokolle über den Blutzucker für die Monate Juni und Juli 2018 sowie weitere Unterlagen zu übersenden. Nach Anforderung der Antragsgegnerin übersandte der Antragsteller unter dem 17. August 2018 Aufzeichnungen über Blutzuckerwerte für Juni und Juli 2018. Im sozialmedizinischen Gutachten vom 10. September 2018 vertrat Dr. R., MDK, die Auffassung, eine Schulbegleitung bei dem Antragsteller sei nicht erforderlich. Kontrollen des Blutzuckers 1 x bis 2 x täglich, vor allem nachmittags und nach dem Sportunterricht, seien ausreichend. Gegebenenfalls ließen sich die Lehrer zusätzlich auch entsprechend schulen.
Mit Bescheid vom 20. September 2018 bewilligte die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege in Form von Blutzuckermessungen und Verabreichung von Insulininjektionen, jeweils im Umfang von 2 x täglich/5 x wöchentlich, für den Zeitraum vom 15. September bis 31. Dezember 2018, lehnte jedoch eine darüberhinausgehende behandlungspflegerische Betreuung bzw. Überwachung des Antragstellers durch eine Fachkraft während des Schulbesuchs ab.
Hiergegen legte der Antragsteller am 25. September 2018 Widerspruch ein. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden.
Am 25. September 2018 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Mannheim (SG) einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren, vorläufig vom Tage der Entscheidung an, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, für das Schuljahr 2018/19 eine Fachkraft als Integrationshilfe zum Besuch der Ganztagsgrundschule täglich von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr, freitags bis 12:45 Uhr, vollumfänglich zu bewilligen und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen. Es herrsche derzeit eine ausgeprägte schwankende Stoffwechseleinstellung, die häufiger Interventionen bedürfe. Einerseits habe er einen niedrigen Insulinbedarf, andererseits reagiere er sehr stark auf Bewegung und Kohlenhydrate wie auch auf Stress. Deshalb stelle seine metabolische korrekte Einstellung eine schwierige und zeitintensive Herausforderung dar. Ohne Interventionen in Form von Blutzuckermessungen, Insulin und Kohlenhydratgaben sei eine Stoffwechselentgleisung in hyper- oder im schlimmsten Fall in hypoglykäme Richtung mit dem Risiko eines cerebralen Krampfanfalls vorprogrammiert. Diese lebensbedrohlichen Begleiterscheinungen der Erkrankung beeinträchtigten seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in erheblichem Maße, da er in seiner altersgerechten Entwicklung zur Selbständigkeit erheblich gestört sei. In den vorangegangenen Schulwochen habe seine Mutter die Begleitung übernommen. Deren Urlaub sei nun aufgebraucht. Er müsse ab dem 4. Oktober 2018 zu Hause bleiben, da eine Begleitung nicht finanziert werde. Dies sei jedoch nicht möglich, da zu Hause niemand sei, der ihn betreuen könne. Sein Vater habe zum 1. September 2018 eine neue Arbeitsstelle angetreten, so dass es ihm (dem Vater) unmöglich sei, kurzfristig Urlaub zu nehmen. Eine ständige Kontrolle sei erforderlich. Er könne zwar seinen Blutzucker eigenständig messen und gegebenenfalls auch korrigieren und seine Broteinheiten eingeben. Allerdings sei er dabei immer auf eine Kontrolle und vor allem Unterstützung angewiesen. Seine Eltern richteten zwar seine Brotdose mit den entsprechenden Broteinheiten und beschrifteten diese. Jedoch müsse jemand an seiner Seite sein, der ihn auf sein Messen hinweise und dann kontrolliere, wie viel er aus seiner Brotdose gegessen habe. Zudem müsse die Begleitperson die Broteinheiten zusammenrechnen, die dieser dann eingeben müsse. Anschließend seien Kontrollmessungen erforderlich. Zwischendurch könne mit stark abfallenden Blutzuckerwerten gerechnet werden. Auch in diesen Fällen müsse zügig gehandelt werden. Mit der Schule sei schon geklärt worden, dass die Damen an der Essensausgabe dies leider nicht leisten könnten. Hinzu kämen noch die Sportunterrichtszeiten, in denen der Blutzucker kontrolliert werden müsse, bevor der Sport beginne, um eventuell zusätzlich etwas zu essen zu verabreichen. Problematisch sei beim Sportunterricht auch, dass sich der Katheter bei starkem Schwitzen ablösen könne. Auch hier brauche er Hilfe. Er wies auf den Beschluss des Senats vom 25. Juli 2018 (L 4 KR 1746/18 ER-B, juris) hin und legte unter anderem einen Bericht der Schulleiterin vom 5. Oktober 2018, eine Kostenaufstellung eines Pflegedienstes (monatlicher Gesamtbetrag EUR 7.185,00) sowie die unter dem 28. September 2018 durch Dr. D., Gesundheitsamt der Stadt M., erstellte ärztliche Beurteilung vor. Diese führt darin aus, der Antragsteller leide an einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus. Ein Problem sei, dass der Antragsteller selber im Umgang mit seiner Erkrankung nicht kooperativ sei, sich ungern damit befasse und sich an die Anweisungen und Regeln nicht zuverlässig halte. Die Blutzuckerwerte müssten sowohl vor allen Mahlzeiten als auch bei klinischen Beschwerden regelmäßig gemessen und die gewünschte Essensmenge und daraus resultierende Insulinmenge berechnet werden. Dies sei im Rahmen der Regelschule von der Lehrerin nicht zu leisten. Daher benötige der Antragsteller, solange er nicht stabil eingestellt sei und selbst nicht mit seiner Erkrankung umgehen könne, eine vollumfängliche Betreuung.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Sie habe entsprechend der ärztlichen Verordnung häusliche Krankenpflege bewilligt. Darüber hinausgehende Maßnahmen seien nach den Feststellungen des MDK in seinem Gutachten vom 10. September 2018 nicht erfüllt. Der MDK sei in seinem Gutachten unter Berücksichtigung der Befundunterlagen, insbesondere der Blutzuckerprotokolle aus Juni/Juli 2018 zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Antragsteller Blutzuckerkontrollen im Umfang von 1 x bis 2 x täglich, vor allem mittags und nach dem Sportunterricht notwendig bzw. ausreichend seien. Der Antragsteller sei in der Lage, seinen Blutzucker selbständig zu messen. Folglich könne er bei Bedarf weitere Blutzuckermessungen in Eigenregie durchführen. Eine permanente Überwachung des Antragstellers in Form einer speziellen Krankenbeobachtung während des Schulbesuchs sei hingegen medizinisch nicht notwendig. Die Gewährung von spezieller Krankenbeobachtung sei daran gebunden, dass mit Gewissheit täglich lebensbedrohliche Situationen drohten. Hiervon sei beim Antragsteller nicht auszugehen. Es sei weder eine Maßnahme der Behandlungspflege noch der Eingliederungshilfe zu gewähren. Zudem sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Der Schulbesuch des Antragstellers gehe nicht mit konkreten lebensbedrohlichen Gefahren einher. Sollte sich während des Schulbesuchs irgendwann einmal eine gesundheitliche Krise beim Antragsteller einstellen, sei es ohne weiteres möglich, dass die Lehrkräfte die erforderlichen Maßnahmen der Ersten Hilfe bis hin zur Alarmierung eines Notarztes einleiteten. Hierzu seien die Lehrkräfte der Schule im Übrigen auch bei jedem anderen (gesunden) Schüler verpflichtet, welcher während des Schulbesuchs beispielsweise einen lebensgefährlichen Unfall erleide.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2018 lehnte das SG den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führte das SG aus, aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht sei das Bestehen eines Anordnungsanspruchs zumindest zweifelhaft. Dies sei wohl auch dem Antragsteller bewusst, denn er begründet seinen materiellen Anspruch in erster Linie sozialhilferechtlich. Ein solcher sozialhilferechtlicher Anspruch könne zwar in Betracht kommen und auch nach § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auch gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden. Allerdings sei eine ausreichende Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes nicht erfolgt. Zwar sei ausgeführt worden, dass die Eltern des Antragstellers die Kosten des Pflegedienstes nicht vorfinanzieren könnten. Allerdings fehle eine von ihm (dem SG) ausdrücklich angeforderte vollständige Übersicht über die eigenen Vermögensverhältnisse des Antragstellers bzw. seiner Eltern oder sonstiger unterhaltspflichtiger Personen.
Am 10. Oktober 2018 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des SG beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund seien gegeben. Der Anspruch ergebe sich aus der ärztlichen Verordnung des PD Dr. M. vom 18. Juli 2018, dem Bericht "der Klassenlehrerin vom 21. September 2018" (möglicherweise gemeint der Schulleiterin vom 5. Oktober 2018) sowie der Beurteilung der Dr. D ... Auch wenn es unerheblich sei, wie viel Einkommen die Familie erwirtschafte, könne sie ohne Zweifel die monatliche Kostenlast von EUR 7.185,00 nicht tragen. Ohne eine Eins-zu-Eins-Begleitung könne er die Schule nicht besuchen. Eine schwerwiegendere Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei für ein Schulkind nicht denkbar. Die Pflegeprotokolle belegten, dass er immer zu unterschiedlichen Zeiten gemessen und gespritzt werden müsse, damit den unberechenbaren Schwankungen entgegengewirkt werden könne.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2018 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig vom Tage der Entscheidung an, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, für das Schuljahr 2018/19 eine Fachkraft als Integrationshilfe zum Besuch der Ganztagsgrundschule täglich von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr, freitags bis 12:45 Uhr, vollumfänglich zu bewilligen und die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Die Berufung in der Hauptsache bedürfte nicht der Zulassung. Denn die voraussichtlichen Kosten für die begehrte Integrationshilfe (monatlich EUR 7.185,00) übersteigen den Beschwerdewert von EUR 750,00.
2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit – wie hier – nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Orientieren in solchen Fällen die Gerichte ihre Entscheidung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, so sind sie gemäß Art 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, die, wenn dazu Anlass besteht, Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - juris Rn. 7 und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris Rn. 25, 26). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
3. Unter Beachtung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für die begehrte einstweilige Anordnung vor. Sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht.
a) Der Antragsteller hat einen Anspruch auf vollumfängliche Begleitung beim Besuch der Ganztagsgrundschule durch eine Krankenschwester hinreichend glaubhaft gemacht.
aa) Als Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen kommen einerseits §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und andererseits §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Verbindung mit § 12 Eingliederungshilfe-Verordnung in Betracht.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes vom 21. Dezember 2015, BGBl. I, S. 2424) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs. 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V noch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Der GBA hat in Umsetzung seiner gesetzlichen Verpflichtung in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL vom 17. September 2009, BAnz vom 9. Februar 2010, zuletzt geändert am 16. März 2017, BAnz AT 1. Juni 2017 B3) nähere Festlegungen vorgenommen.
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen der Eingliederungshilfe an Personen erbracht, die durch eine Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach § 140 SGB XII und neben den Leistungen nach den §§ 26 und 55 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Nach § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG, Urteil vom 13. Juni 2006 – B 8 KN 4/04 KR R, juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 P 4/13 R – juris, Rn. 16). Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es hingegen, wie aus § 53 Abs. 3 SGB XII folgt, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Ziel der Leistungen ist gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1 SGB IX einerseits, den Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, die Teilhabe zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 32/07 R – juris, Rn. 16).
bb) Es kann vorliegend offenbleiben, ob die begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII oder der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V zuzuordnen sind. Denn die Antragsgegnerin ist im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller für beide Leistungen zuständig.
Dies folgt zunächst aus § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
Die vom Antragsteller bei der Beigeladenen beantragte Leistung einer Integrationshilfe zum Besuch der Ganztagsgrundschule ist eine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 14 SGB IX. Ausweislich der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin wurde der Antragsgegnerin der Antrag am 11. Juli 2018 bei der Beigeladenen eingegangene Antrag auf Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe zum Besuch der Ganztagsgrundschule von der Beigeladenen binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags, nämlich am 23. Juli 2018, weitergeleitet. Damit hat die Antragsgegnerin über den Anspruch des Antragstellers auf Integrationshilfe zum Besuch des Kindergartens umfassend zu entscheiden.
Es kann vorliegend dahin gestellt bleiben, ob es sich bei der begehrten Leistung auch nach dem Leistungsrecht des SGB V um eine Rehabilitationsleistung handelt; denn § 14 SGB IX gilt seiner Intention nach auch in den Fällen, in denen eine Leistung beantragt wird, die von einem anderen in § 6 SGB IX genannten Träger als Rehabilitationsleistung zu erbringen wäre, wenn wie hier der erstangegangene Leistungsträger (hier der beigeladene Sozialhilfeträger) jedenfalls Rehabilitationsträger i.S. des § 6 SGB IX ist (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – juris, Rn. 12). Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin ohnehin originär, d.h. ohne Anwendung des § 14 SGB IX, zuständig ist, wenn es sich um einen Fall der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V handelt.
cc) Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung sowohl Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege als auch Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe.
Der Antragsteller unterfällt auch dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege erbringt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege sind auch in Schulen zu erbringen, wenn dies zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Der Antragsteller gehört zum leistungsberechtigten Personenkreis nach der Regelung des § 53 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die personengebundene Vorrausetzung einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist (unstreitig) erfüllt. Der Antragsteller leidet an Diabetes mellitus Typ I (Insulinpumpentherapie) mit stark schwankenden Blutzuckerwerten. Es sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen H anerkannt. Auf die Einkommensverhältnisse des Antragstellers und seiner Eltern kommt es nicht an, da gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen lediglich die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ist, welche hier nicht betroffen sind. Eine Berücksichtigung gegebenenfalls vorhandenen Vermögens erfolgt ebenfalls nicht (vgl. § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII).
dd) Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes dürfte ein Anspruch des Antragstellers auf die Fachkraft für den Schulbesuch bestehen.
(1) Der Anspruch des Antragstellers auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes bereits deshalb gegeben, weil die Leistung auf häusliche Krankenpflege nach § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt gilt. Denn die Antragsgegnerin entschied über hierauf gerichteten Antrag des Antragstellers nicht fristgerecht.
Nach § 13 Abs. 3a SGB V, der mit Wirkung zum 26. Februar 2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 (BGBl. I, S. 277) eingefügt worden ist, hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6).
§ 13 Abs. 3a SGB V ist sachlich anwendbar. Denn der Antragsteller begehrt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern eine Leistung der Krankenbehandlung. Der Antragsteller stellte einen hinreichend bestimmten Antrag auf Bewilligung einer Fachkraft für den Schulbesuch. Dies verstand die Antragsgegnerin auch so, denn sie lehnte mit dem Bescheid vom 20. September 2018 diese Leistung ab. Der Antragsteller durfte die begehrte Leistung subjektiv für erforderlich halten. Denn sie liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung. Da der (von der Stadt M. weitergeleitete) Antrag bei der Antragsgegnerin am 23. Juli 2018 einging, begann die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V am 24. Juli 2018 zu laufen (§ 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Selbst wenn man zu Gunsten der Antragsgegnerin wegen der eingeholten gutachtlichen Stellungnahme des MDK die Fünfwochenfrist zugrunde legte, obwohl die Antragsgegnerin den Antragsteller hierüber nicht informierte (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2017 – L 11 KR 2090/16 – juris, Rn. 29; anderer Auffassung BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R – juris, Rn. 28), endete diese Frist am 27. August 2018 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Die Beklagte entschied erst mit Bescheid vom 20. September 2018.
(2) Unabhängig vom Eintritt der Genehmigungsfiktion kann nach derzeitigen Sach- und Streitstand der Antragsteller nicht ohne ständige Begleitung die Ganztagsgrundschule besuchen. Dies entnimmt der Senat dem Akteninhalt, insbesondere der Verordnung häuslicher Krankenpflege des PD Dr. M. vom 18. Juli 2018, den Blutzuckermesskonrollprotokollen von Juni/Juli 2018, dem Kurzgutachten zur Pflege des MDK vom 4. September 2018 sowie der Beurteilung der Dr. D. vom 28.September 2018. Danach benötigt der Antragsteller aufgrund der Diabetes-Erkrankung meistens Anleitung und Beaufsichtigung. Das Bereitstellen einer Diät reicht nicht aus. Darüberhinausgehendes Eingreifen ist mehrmals täglich erforderlich. Die Blutzuckerwerte müssen sowohl vor den Mahlzeiten als auch bei klinischen Beschwerden regelmäßig gemessen und die gewünschte Essensmenge und daraus resultierende Insulinmenge berechnet werden. Dies ist im Rahmen der Regelschule von der Lehrerin nicht leisten. Daher benötigt der Antragsteller, solange er nicht stabil eingestellt ist und selbst nicht mit seiner Erkrankung umgehen kann, eine vollumfängliche Betreuung. Gestützt wird diese Einschätzung auch durch das Gutachten des Dr. R., MDK, vom 10. September 2018, denn der Antragsteller als siebenjährige Erstklässler benötigt beim Berechnen der Broteinheiten noch Hilfe.
Die zuletzt bewilligte häusliche Krankenpflege in Form von Blutzuckermessungen und Verabreichung von Insulininjektionen, jeweils im Umfang von 2 x täglich/5 x wöchentlich, für den Zeitraum vom 15. September bis 31. Dezember 2018, genügt nach Auswertung der aktenkundigen Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen nicht, denn aus den aktenkundigen Blutzuckermessprotokollen ist zu entnehmen, dass die Blutzuckermessungen und Insulingaben gerade nicht nur zu den geplanten festen Uhrzeiten stattfinden, sondern je nach Bedarf auch dazwischen. Körperliche Anstrengungen und Aufregung haben beim Antragsteller häufig ein plötzliches Absacken des Blutzuckerwertes zur Folge. Eine Eins-zu-Eins-Betreuung ist damit unabdingbar notwendig.
Soweit Dr. R. in seinem Gutachten vom 10. September 2018 darauf verweist, dass das Schulpersonal für die Durchführung der Blutzuckerkontrollen geschult werden könne, übersieht er, dass die Schulleiterin des Antragstellers (Stellungnahme vom 5. Oktober 2018) eine entsprechende Betreuung ablehnt. Sie begründet dies u. a. damit, dass dem Lehrpersonal aufgrund der sehr starken Schwankungen des Blutzuckers die Sonderzuwendung durch regelmäßig notwendige Blutzuckerüberwachung inklusive Insulinpumpenjustierung die zeitlichen Ressourcen und medizinischen Kenntnisse fehlten. Solange aber die Schule nicht bereit und/oder nicht in der Lage ist, den zusätzlichen Betreuungsbedarf abzudecken, kann der Antragsteller nicht auf (theoretische) Leistungen der Schule verwiesen werden. Nach II. 2. g Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums Baden-Württemberg Verabreichung von Medikamenten bei chronischen Krankheiten in Schulen vom 4. Februar 2013 kann es keiner Lehrkraft gegen ihren Willen zugemutet werden, mittels der Stechhilfe Blut aus dem Finger abzunehmen.
ee) Insbesondere im Hinblick auf die bestehende Schulpflicht (§ 72 Schulgesetz für Baden-Württemberg) hält es der Senat für notwendig, aber auch ausreichend, wenn die Antragsgegnerin vorläufig die Kosten für die Begleitung durch eine Fachkraft im tenorierten Umfang übernimmt. Die Klärung der endgültigen Tragung der (unter Umständen bereits aufgelaufenen) Kosten bleibt dem Hauptsacheverfahren oder, wenn das Hauptsacheverfahren zu dem Ergebnis käme, es handle sich nicht um Leistungen der häuslichen Krankenpflege, sondern um Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, einem Erstattungsverfahren zwischen der Antragsgegnerin und der Stadt M. vorbehalten.
b) Auch ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Nach den vorgelegten Unterlagen sind die Eltern des Antragstellers nicht in der Lage, einstweilen die Kosten selbst zu tragen. Nach der vorgelegten Kostenaufstellung eines Pflegedienstes belaufen sich die monatlichen Kosten voraussichtlich auf EUR 7.158,00. Es liegt auf der Hand, dass gesetzlich Versicherte in der Regel nicht Kosten in dieser Höhe selbst aufbringen können.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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