Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 642/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3303/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen eines Unfalles am 07.07.1992 Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat.
Der am 1963 geborene Kläger war ab 1984 als Produktionshelfer bei der Firma V. und S. B. GmbH & Co. KG (Arbeitgeber) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 07.07.1992 stürzte er nach eigenen Angaben aus etwa drei Metern Höhe in ein mit Säure befülltes Beizbecken (Füllhöhe ca. 40 cm) und verschluckte dabei diese chemische Substanz. Noch am Unfalltag begab sich der Kläger in die chirurgische Abteilung des Krankenhauses B. und beklagte dabei Magenschmerzen. Der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung Prof. Dr. T. konnte keine äußeren Hautverletzungen feststellen, die Inspektion des Mundes sowie der Augen war ohne Befund (Durchgangsarztbericht vom 07.07.1992, Bl. 56 VwA). Über die darüber hinaus veranlasste Weiterleitung des Klägers in die internistische Ambulanz und zum HNO-Konsil und dort etwaig erhobene Untersuchungsbefunde liegen ärztliche Unterlagen nicht mehr vor (Mitteilung der Medizinischen Klinik F.-S.-Klinikum , B. , Bl. 72 VwA, Mitteilung der vormals behandelnden Hausärzte Dres. S. , Bl. 70 VwA). Dem Vorerkrankungsverzeichnis der A. B. ist vom 07.07.1992 bis 10.07.1992 eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen Mundinfektion zu entnehmen (Bl. 173 VwA). Die Aktenunterlagen der Beklagten zu diesem Vorgang sind bis auf den Eintrag einer durch das Unfallereignis erlittenen Verätzung der Nasenschleimhäute und der Kennzeichnung als Bagatellfall (Bl. 13 VwA, Aktenvorblatt) bereits vernichtet.
Im August 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten erstmals die Anerkennung des Unfallgeschehens vom 07.07.1992 als Arbeitsunfall und begehrte zugleich Entschädigung für verschiedene Gesundheitsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat. Mit Bescheid vom 21.12.2011 erkannte die Klägerin den Unfall als Arbeitsunfall sowie eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 12.07.1992 an und lehnte einen Anspruch auf Rente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2012 zurück. Die daraufhin erhobene Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (S 4 U 3315/12) nahm der Kläger nach der orthopädischen Begutachtung durch Dr. C. , der auf orthopädischem Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellen konnte (Bl. 183 bis 200 VwA), zurück.
Am 14.03.2014 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung von Verletztenrente wegen eines zwischenzeitlich diagnostizierten MALT-Lymphoms (= extranodales MarginalzonenLymphom des Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes, Bl. 349 VwA) des Magens, das Folge der am 07.07.1992 verschluckten chemischen Flüssigkeit sei. Tatsächlich lag ein von der Internistin und Gastroenterologin Dr. H. (vgl. Bl. 233 ff. VwA) im Juli 2013 diagnostiziertes Marginalzonenlymphom des MALT auf dem Boden einer Helicobacter-assoziierten Gastritis bei dichter Helicobacterbesiedlung vor. Nach einer antibiotischen Therapie zur Helikobactereradikation kam es zu einem deutlichen Rückgang des MALT-Lymphoms bei noch nachzuweisenden geringen Residuen. Histologisch konnte kein Helicobacternachweis mehr geführt werden (Bl. 241 VwA).
Hinsichtlich der im Beizbecken verwendeten chemischen Substanz teilte der Arbeitgeber auf Nachfrage der Beklagten mit, dass nicht mehr festgestellt werden könne, welches konkrete Produkt von welchem Hersteller 1992 in den Becken verwendet worden sei. Allerdings könne man zweifelsfrei davon ausgehen, dass die Beizbecken damals wie heute ausschließlich mit durch normales Leitungswasser verdünnter Salzsäure in einer Konzentration von maximal 10% befüllt gewesen seien. Die verdünnte Salzsäure diene der Reinigung von Metallteilen, wobei die Konzentration der Säure bedingt durch die chemischen Reaktionen bei der Metallreinigung sukzessive bis zu einer Konzentration von etwa 1% abnehme, danach erfolge eine neue Befüllung mit der maximal 10%igen Salzsäure (Bl. 323 VwA).
Der Facharzt für Arbeitsmedizin Prof. Dr. B. führte in seinem von der Beklagten eingeholten arbeitsmedizinisch-toxikologischen Gutachten nach Aktenlage (Bl. 347 VwA) aus, es sei nicht bekannt, dass die orale Aufnahme mehrerer Milliliter einer maximal 10%igen Salzsäure zu neoplastischen Veränderungen führe. Der Magen selbst produziere Salzsäure und weise im nüchternen Zustand einen pH-Wert von 1-1,5 auf. Eine 10%ige Salzsäure habe selbst einen pH-Wert von 1. Die Ursache für die Entwicklung eines extranodalen MALT-Lymphoms liege zumeist in einer chronischen Helicobacterinfektion. So sei bei über 90% der Patienten eine Helicopacter-pylori-Infektion nachweisbar. Das beim Kläger diagnostizierte MALT-Lymphom sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Helicobacterinfektion verursacht, zumal sich das MALT-Lymphom nach der erfolgreichen Helicobactereratikation in Remission befinde und bereits zwei Monate nach Beginn der Antibiotikatherapie nur noch lediglich geringe Residuen des MALT-Lymphoms bestanden hätten (Bl. 347 bis Bl. 350 VwA). Mit Bescheid vom 04.12.2014 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente weiterhin ab und stellte fest, dass das diagnostizierte MALT-Lymphom des Magens nicht Folge des Arbeitsunfalles sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2015 zurück.
Die am 25.02.2015 erhobene Klage hat das Sozialgericht Karlsruhe mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2015 abgewiesen und ausgeführt, dass das diagnostizierte MALT-Lymphom nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 07.07.1992, bei dem der Kläger nach den Angaben des Arbeitgebers in ein mit maximal 10%iger Salzsäure befülltes Becken mit einer Füllhöhe von 40 cm gefallen sei, zurückzuführen sei. Zum Verschlucken einer größeren Menge an Salzsäure sei es nicht gekommen. Der Bagatellbefund am Unfalltag (beklagte Magenschmerzen ohne feststellbare Hautverletzungen im Mundbereich und Augen) sowie die lediglich vier Tage andauernde nachgehende Arbeitsunfähigkeit sprächen gegen eine gravierende Intoxikation der inneren Organe durch die Säure. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spräche das Fehlen medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse darüber, dass die einmalige orale Aufnahme weniger Milliliter einer maximal 10%igen Salzsäure zu ernsthaften akuten oder chronischen Magenverätzungen oder neoplastischen Veränderungen im Sinne eines MALT-Lymphoms führe, zumal die Magensäure selbst eine vergleichbare Konzentration habe. Die gastroenterologischen Befunde, die eine Helicobacter-assoziierte Gastritis bei dichter Helicobacter-Besiedlung ergeben hätten, sprächen ebenso wie der Umstand, dass sich das MALT-Lymphom nach einer erfolgreichen antibiotischen Behandlung der Helicobacterinfektion in Remission befinde und nur noch geringe Residuen nachweisbar seien, gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs. Auch spräche der lange Zeitraum zwischen dem Arbeitsunfall und der Erstdiagnose des MALT-Lymphoms gegen einen Ursachenzusammenhang, da sich der Kläger nach dem Arbeitsunfall erstmals Ende 1999 wegen einer Magen-Darm-Entzündung in ärztlicher Behandlung befunden habe. Nach einer weiteren kurzzeitigen Behandlung 2001 habe der Kläger dann erstmals wieder zu Beginn des Jahres 2013 epigastrische Beschwerden und rezidivierendes Sodbrennen beklagt.
Am 04.08.2015 hat der Kläger hiergegen Berufung eingelegt, ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt und trotz negativem Ergebnis die Berufung fortgeführt.
Er beantragt (Schriftsatz vom 08.10.2018, sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.07.2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2015 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat antragsgemäß ein Gutachten bei dem Chefarzt der Medizinischen Klinik des Klinikums B. , Prof. Dr. W. , eingeholt. Dieser hat ausgeführt, es habe 2013 ein durch den Magenkeim Helicobacter ausgelöstes Marginalzonen-Lymphom des Magens vorgelegen, das nach einer Eradikation des Helicobacters eine rückläufige Tendenz gezeigt habe. Er hat sich den Ausführungen von Prof. Dr. B. angeschlossen und ausgeführt, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer kompletten Ausheilung des Marginalzonen-Lymphoms nach erfolgreicher Eradikation gekommen sei. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass keine äußeren Hautverletzungen durch den behandelnden Durchgangsarzt festgestellt worden seien, was gegen den Kontakt mit einer 10%igen Salzsäure spreche. Zudem würde das Verschlucken von 10%iger Salzsäure in erster Linie die Speiseröhre in Form einer lebenslang gastroskopisch nachweisbaren Engstellung des Lumens der Speiseröhre schädigen. Endoskopisch seien solche Auffälligkeiten bei der Diagnose des MALT-Lymphoms jedoch nicht sichtbar gewesen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2015 mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente ablehnte. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Gegenstand der Anfechtungsklage ist darüber hinaus die im Bescheid vom 03.12.2014 ausdrücklich - als Verfügungssatz - getroffene Feststellung, das MALT-Lymphom sei nicht Folge des Arbeitsunfalls. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit der reinen Anfechtungsklage. Denn diese Feststellung würde andernfalls dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente, den er allein mit dem MALT-Lymphom als auf den Unfall zurückzuführende Gesundheitsstörung begründet, entgegenstehen. Unschädlich ist, dass der Kläger diese Anfechtungsklage weder im Klageverfahren noch im Berufungsverfahren mit einer Verpflichtungs- oder Feststellungsklage (s. hierzu BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1) verbunden hat. Denn das Leistungsbegehren umfasst grundsätzlich sämtliche, auf den Unfall zurückzuführenden Gesundheitsstörungen, unabhängig davon, ob sie förmlich festgestellt sind oder nicht (Urteil des Senats vom 05.03.2012, L 10 U 945/10 m.w.N., in juris).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht aus Anlass des am 07.07.1992 erlittenen Arbeitsunfalls keine Verletztenrente zu.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Als einen solchen Arbeitsunfall hat die Beklagte das Ereignis vom 07.07.1992 mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.12.2011 anerkannt.
Damit ist aber nicht zugleich die Annahme gerechtfertigt, dass der nach dem Arbeitsunfall festgestellte weitere Gesundheitsschaden, hier das MALT-Lymphom des Magens, ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Es kann daher offenbleiben, ob beim Kläger diese Gesundheitsstörung überhaupt noch vorliegt und, wenn ja, mit welchen funktionellen Auswirkungen.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.
Hiervon ausgehend hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für die begehrte Verletztenrente nicht erfüllt, weil ein Ursachenzusammenhang zwischen dem am 07.07.1992 erlittenen Arbeitsunfall und dem im Juli 2013 diagnostizierten MALT-Lymphom nicht wahrscheinlich ist. Es hat dabei auf der Grundlage der vom damaligen Arbeitgeber des Klägers gegenüber der Beklagten gemachten Angaben und wegen des Fehlens von dokumentierten Gesundheitsstörungen unmittelbar nach dem Unfall zutreffend festgestellt, dass der Kläger am 07.07.1992 in ein bis etwa 40 cm Höhe mit Salzsäure, die allenfalls eine Konzentration von 10 % hatte, gefülltes Becken fiel. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Soweit der Kläger unsubstanziiert in Abrede stellt, dass das Beizbecken nur mit einer maximal 10%igen Salzsäure befüllt war, führt dies nicht dazu, die Angaben des Arbeitgebers in Zweifel zu ziehen, zumal nach den Ausführungen von Prof. Dr. W. das Verschlucken höher konzentrierter Salzsäure unweigerlich zu dauerhaft feststellbaren Schäden im Mund-Rachen-Raum oder im Speiseröhrentrakt geführt hätte. Derartige Schäden wurden jedoch weder durch den Durchgangsarzt am Unfalltag (Inspektion des Mundes OB, keine äußerlichen Hautverletzungen feststellbar) noch im Zuge der im Juli und Oktober 2013 durchgeführten Gastroskopien befundet.
Wie das Sozialgericht gelangt somit auch der Senat zu der Einschätzung, dass ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Verschlucken der Salzsäure und dem 21 Jahre später diagnostizierten MALT-Lympom nicht wahrscheinlich ist. Das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des Prof. Dr. W. hat dies bestätigt. Insbesondere hat der Sachverständige die Ausführungen von Prof. Dr. B. bestätigt, wonach im Magen selbst eine Salzsäurekonzentration von ca. 10% vorhanden ist, sodass eine äußere Zufuhr von Salzsäure in dieser Konzentration dem dort bereits vorhandenen natürlichen Säuremillieu entspricht und mithin keine nachhaltigen Schädigungen im Magenbereich verursachen kann. Auch er hat auf die erfolgreiche antibiotische Behandlung der Helicobacterinfektion hingewiesen, die mit einem Rückgang des Marginalzonen-Lymphoms einherging und hieraus auf eine wahrscheinliche Verursachung der chronischen Magenentzündung durch dieses Bakterium geschlossen. Schließlich hatten auch bereits die behandelnden Gastroenterologen die Helicobacterinfektion als für die MALT-Lymphom-Erkrankung ursächlich erachtet (Marginalzonen-Lymphom des MALT auf dem Boden einer helicobacterassoziierten Gastritis, Bl. 233 Rückseite VwA).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen eines Unfalles am 07.07.1992 Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat.
Der am 1963 geborene Kläger war ab 1984 als Produktionshelfer bei der Firma V. und S. B. GmbH & Co. KG (Arbeitgeber) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 07.07.1992 stürzte er nach eigenen Angaben aus etwa drei Metern Höhe in ein mit Säure befülltes Beizbecken (Füllhöhe ca. 40 cm) und verschluckte dabei diese chemische Substanz. Noch am Unfalltag begab sich der Kläger in die chirurgische Abteilung des Krankenhauses B. und beklagte dabei Magenschmerzen. Der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung Prof. Dr. T. konnte keine äußeren Hautverletzungen feststellen, die Inspektion des Mundes sowie der Augen war ohne Befund (Durchgangsarztbericht vom 07.07.1992, Bl. 56 VwA). Über die darüber hinaus veranlasste Weiterleitung des Klägers in die internistische Ambulanz und zum HNO-Konsil und dort etwaig erhobene Untersuchungsbefunde liegen ärztliche Unterlagen nicht mehr vor (Mitteilung der Medizinischen Klinik F.-S.-Klinikum , B. , Bl. 72 VwA, Mitteilung der vormals behandelnden Hausärzte Dres. S. , Bl. 70 VwA). Dem Vorerkrankungsverzeichnis der A. B. ist vom 07.07.1992 bis 10.07.1992 eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen Mundinfektion zu entnehmen (Bl. 173 VwA). Die Aktenunterlagen der Beklagten zu diesem Vorgang sind bis auf den Eintrag einer durch das Unfallereignis erlittenen Verätzung der Nasenschleimhäute und der Kennzeichnung als Bagatellfall (Bl. 13 VwA, Aktenvorblatt) bereits vernichtet.
Im August 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten erstmals die Anerkennung des Unfallgeschehens vom 07.07.1992 als Arbeitsunfall und begehrte zugleich Entschädigung für verschiedene Gesundheitsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat. Mit Bescheid vom 21.12.2011 erkannte die Klägerin den Unfall als Arbeitsunfall sowie eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 12.07.1992 an und lehnte einen Anspruch auf Rente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2012 zurück. Die daraufhin erhobene Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (S 4 U 3315/12) nahm der Kläger nach der orthopädischen Begutachtung durch Dr. C. , der auf orthopädischem Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellen konnte (Bl. 183 bis 200 VwA), zurück.
Am 14.03.2014 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung von Verletztenrente wegen eines zwischenzeitlich diagnostizierten MALT-Lymphoms (= extranodales MarginalzonenLymphom des Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes, Bl. 349 VwA) des Magens, das Folge der am 07.07.1992 verschluckten chemischen Flüssigkeit sei. Tatsächlich lag ein von der Internistin und Gastroenterologin Dr. H. (vgl. Bl. 233 ff. VwA) im Juli 2013 diagnostiziertes Marginalzonenlymphom des MALT auf dem Boden einer Helicobacter-assoziierten Gastritis bei dichter Helicobacterbesiedlung vor. Nach einer antibiotischen Therapie zur Helikobactereradikation kam es zu einem deutlichen Rückgang des MALT-Lymphoms bei noch nachzuweisenden geringen Residuen. Histologisch konnte kein Helicobacternachweis mehr geführt werden (Bl. 241 VwA).
Hinsichtlich der im Beizbecken verwendeten chemischen Substanz teilte der Arbeitgeber auf Nachfrage der Beklagten mit, dass nicht mehr festgestellt werden könne, welches konkrete Produkt von welchem Hersteller 1992 in den Becken verwendet worden sei. Allerdings könne man zweifelsfrei davon ausgehen, dass die Beizbecken damals wie heute ausschließlich mit durch normales Leitungswasser verdünnter Salzsäure in einer Konzentration von maximal 10% befüllt gewesen seien. Die verdünnte Salzsäure diene der Reinigung von Metallteilen, wobei die Konzentration der Säure bedingt durch die chemischen Reaktionen bei der Metallreinigung sukzessive bis zu einer Konzentration von etwa 1% abnehme, danach erfolge eine neue Befüllung mit der maximal 10%igen Salzsäure (Bl. 323 VwA).
Der Facharzt für Arbeitsmedizin Prof. Dr. B. führte in seinem von der Beklagten eingeholten arbeitsmedizinisch-toxikologischen Gutachten nach Aktenlage (Bl. 347 VwA) aus, es sei nicht bekannt, dass die orale Aufnahme mehrerer Milliliter einer maximal 10%igen Salzsäure zu neoplastischen Veränderungen führe. Der Magen selbst produziere Salzsäure und weise im nüchternen Zustand einen pH-Wert von 1-1,5 auf. Eine 10%ige Salzsäure habe selbst einen pH-Wert von 1. Die Ursache für die Entwicklung eines extranodalen MALT-Lymphoms liege zumeist in einer chronischen Helicobacterinfektion. So sei bei über 90% der Patienten eine Helicopacter-pylori-Infektion nachweisbar. Das beim Kläger diagnostizierte MALT-Lymphom sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Helicobacterinfektion verursacht, zumal sich das MALT-Lymphom nach der erfolgreichen Helicobactereratikation in Remission befinde und bereits zwei Monate nach Beginn der Antibiotikatherapie nur noch lediglich geringe Residuen des MALT-Lymphoms bestanden hätten (Bl. 347 bis Bl. 350 VwA). Mit Bescheid vom 04.12.2014 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente weiterhin ab und stellte fest, dass das diagnostizierte MALT-Lymphom des Magens nicht Folge des Arbeitsunfalles sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2015 zurück.
Die am 25.02.2015 erhobene Klage hat das Sozialgericht Karlsruhe mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2015 abgewiesen und ausgeführt, dass das diagnostizierte MALT-Lymphom nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 07.07.1992, bei dem der Kläger nach den Angaben des Arbeitgebers in ein mit maximal 10%iger Salzsäure befülltes Becken mit einer Füllhöhe von 40 cm gefallen sei, zurückzuführen sei. Zum Verschlucken einer größeren Menge an Salzsäure sei es nicht gekommen. Der Bagatellbefund am Unfalltag (beklagte Magenschmerzen ohne feststellbare Hautverletzungen im Mundbereich und Augen) sowie die lediglich vier Tage andauernde nachgehende Arbeitsunfähigkeit sprächen gegen eine gravierende Intoxikation der inneren Organe durch die Säure. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spräche das Fehlen medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse darüber, dass die einmalige orale Aufnahme weniger Milliliter einer maximal 10%igen Salzsäure zu ernsthaften akuten oder chronischen Magenverätzungen oder neoplastischen Veränderungen im Sinne eines MALT-Lymphoms führe, zumal die Magensäure selbst eine vergleichbare Konzentration habe. Die gastroenterologischen Befunde, die eine Helicobacter-assoziierte Gastritis bei dichter Helicobacter-Besiedlung ergeben hätten, sprächen ebenso wie der Umstand, dass sich das MALT-Lymphom nach einer erfolgreichen antibiotischen Behandlung der Helicobacterinfektion in Remission befinde und nur noch geringe Residuen nachweisbar seien, gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs. Auch spräche der lange Zeitraum zwischen dem Arbeitsunfall und der Erstdiagnose des MALT-Lymphoms gegen einen Ursachenzusammenhang, da sich der Kläger nach dem Arbeitsunfall erstmals Ende 1999 wegen einer Magen-Darm-Entzündung in ärztlicher Behandlung befunden habe. Nach einer weiteren kurzzeitigen Behandlung 2001 habe der Kläger dann erstmals wieder zu Beginn des Jahres 2013 epigastrische Beschwerden und rezidivierendes Sodbrennen beklagt.
Am 04.08.2015 hat der Kläger hiergegen Berufung eingelegt, ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt und trotz negativem Ergebnis die Berufung fortgeführt.
Er beantragt (Schriftsatz vom 08.10.2018, sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.07.2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2015 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat antragsgemäß ein Gutachten bei dem Chefarzt der Medizinischen Klinik des Klinikums B. , Prof. Dr. W. , eingeholt. Dieser hat ausgeführt, es habe 2013 ein durch den Magenkeim Helicobacter ausgelöstes Marginalzonen-Lymphom des Magens vorgelegen, das nach einer Eradikation des Helicobacters eine rückläufige Tendenz gezeigt habe. Er hat sich den Ausführungen von Prof. Dr. B. angeschlossen und ausgeführt, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer kompletten Ausheilung des Marginalzonen-Lymphoms nach erfolgreicher Eradikation gekommen sei. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass keine äußeren Hautverletzungen durch den behandelnden Durchgangsarzt festgestellt worden seien, was gegen den Kontakt mit einer 10%igen Salzsäure spreche. Zudem würde das Verschlucken von 10%iger Salzsäure in erster Linie die Speiseröhre in Form einer lebenslang gastroskopisch nachweisbaren Engstellung des Lumens der Speiseröhre schädigen. Endoskopisch seien solche Auffälligkeiten bei der Diagnose des MALT-Lymphoms jedoch nicht sichtbar gewesen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2015 mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente ablehnte. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Gegenstand der Anfechtungsklage ist darüber hinaus die im Bescheid vom 03.12.2014 ausdrücklich - als Verfügungssatz - getroffene Feststellung, das MALT-Lymphom sei nicht Folge des Arbeitsunfalls. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit der reinen Anfechtungsklage. Denn diese Feststellung würde andernfalls dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente, den er allein mit dem MALT-Lymphom als auf den Unfall zurückzuführende Gesundheitsstörung begründet, entgegenstehen. Unschädlich ist, dass der Kläger diese Anfechtungsklage weder im Klageverfahren noch im Berufungsverfahren mit einer Verpflichtungs- oder Feststellungsklage (s. hierzu BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1) verbunden hat. Denn das Leistungsbegehren umfasst grundsätzlich sämtliche, auf den Unfall zurückzuführenden Gesundheitsstörungen, unabhängig davon, ob sie förmlich festgestellt sind oder nicht (Urteil des Senats vom 05.03.2012, L 10 U 945/10 m.w.N., in juris).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht aus Anlass des am 07.07.1992 erlittenen Arbeitsunfalls keine Verletztenrente zu.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Als einen solchen Arbeitsunfall hat die Beklagte das Ereignis vom 07.07.1992 mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.12.2011 anerkannt.
Damit ist aber nicht zugleich die Annahme gerechtfertigt, dass der nach dem Arbeitsunfall festgestellte weitere Gesundheitsschaden, hier das MALT-Lymphom des Magens, ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Es kann daher offenbleiben, ob beim Kläger diese Gesundheitsstörung überhaupt noch vorliegt und, wenn ja, mit welchen funktionellen Auswirkungen.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.
Hiervon ausgehend hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für die begehrte Verletztenrente nicht erfüllt, weil ein Ursachenzusammenhang zwischen dem am 07.07.1992 erlittenen Arbeitsunfall und dem im Juli 2013 diagnostizierten MALT-Lymphom nicht wahrscheinlich ist. Es hat dabei auf der Grundlage der vom damaligen Arbeitgeber des Klägers gegenüber der Beklagten gemachten Angaben und wegen des Fehlens von dokumentierten Gesundheitsstörungen unmittelbar nach dem Unfall zutreffend festgestellt, dass der Kläger am 07.07.1992 in ein bis etwa 40 cm Höhe mit Salzsäure, die allenfalls eine Konzentration von 10 % hatte, gefülltes Becken fiel. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Soweit der Kläger unsubstanziiert in Abrede stellt, dass das Beizbecken nur mit einer maximal 10%igen Salzsäure befüllt war, führt dies nicht dazu, die Angaben des Arbeitgebers in Zweifel zu ziehen, zumal nach den Ausführungen von Prof. Dr. W. das Verschlucken höher konzentrierter Salzsäure unweigerlich zu dauerhaft feststellbaren Schäden im Mund-Rachen-Raum oder im Speiseröhrentrakt geführt hätte. Derartige Schäden wurden jedoch weder durch den Durchgangsarzt am Unfalltag (Inspektion des Mundes OB, keine äußerlichen Hautverletzungen feststellbar) noch im Zuge der im Juli und Oktober 2013 durchgeführten Gastroskopien befundet.
Wie das Sozialgericht gelangt somit auch der Senat zu der Einschätzung, dass ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Verschlucken der Salzsäure und dem 21 Jahre später diagnostizierten MALT-Lympom nicht wahrscheinlich ist. Das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des Prof. Dr. W. hat dies bestätigt. Insbesondere hat der Sachverständige die Ausführungen von Prof. Dr. B. bestätigt, wonach im Magen selbst eine Salzsäurekonzentration von ca. 10% vorhanden ist, sodass eine äußere Zufuhr von Salzsäure in dieser Konzentration dem dort bereits vorhandenen natürlichen Säuremillieu entspricht und mithin keine nachhaltigen Schädigungen im Magenbereich verursachen kann. Auch er hat auf die erfolgreiche antibiotische Behandlung der Helicobacterinfektion hingewiesen, die mit einem Rückgang des Marginalzonen-Lymphoms einherging und hieraus auf eine wahrscheinliche Verursachung der chronischen Magenentzündung durch dieses Bakterium geschlossen. Schließlich hatten auch bereits die behandelnden Gastroenterologen die Helicobacterinfektion als für die MALT-Lymphom-Erkrankung ursächlich erachtet (Marginalzonen-Lymphom des MALT auf dem Boden einer helicobacterassoziierten Gastritis, Bl. 233 Rückseite VwA).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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