L 8 SB 4722/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 4024/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4722/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.11.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, nach Heilungsbewährung (Prostataerkrankung) den Grad der Behinderung (GdB) ab 21.03.2015 von 80 auf 20 herabzusetzen.

Bei dem 1962 geborenen Kläger, deutscher Staatsangehöriger, stellte das Landratsamt O. (LRA) mit Bescheid vom 26.10.2009 den GdB mit 80 seit 11.08.2009 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Erkrankung der Prostata in Heilungsbewährung (GdB 80); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (BdG 10)).

Im August 2014 leitete das LRA ein Überprüfungsverfahren ein. Vom LRA befragt teilte der Kläger in dem von ihm am 06.11.2014 unterschriebenen Fragebogen Inkontinenz, Rückenschmerzen, Impotenz und psychische Störungen mit. Das LRA zog vom Allgemeinmediziner Dr. T. Befundbeschreibungen und Befundberichte bei. Dr. T. teile mit Schreiben vom 17.12.2014 Rezidivfreiheit bis zum heutigen Tage mit. Die letzte Nachsorge sei bis auf eine leichte Belastungsinkontinenz unauffällig gewesen. Der Kläger sei in gutem Allgemeinzustand und sei vollschichtig arbeitsfähig. Über Potenzprobleme sei nicht gesprochen worden.

Der Versorgungsarzt Dr. S. schätzte in seiner Stellungnahme vom 29.01.2015 den GdB auf 20 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Verlust der Prostata, Entleerungsstörungen, erektile Dysfunktion (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (BdG 10)).

Das LRA hörte den Kläger mit Schreiben vom 03.02.2015 zur Aufhebung des GdB mit Wirkung für die Zukunft an. Der GdB betrage nach Ablauf der Heilungsbewährung 20.

Nachdem sich der Kläger nicht äußerte hob das LRA mit Bescheid vom 17.03.2015 den Bescheid vom 26.10.2009 auf und stellte den GdB ab 21.03.2015 mit 20 fest.

Hiergegen erhob der Kläger am 08.04.2015 Widerspruch in dem er u.a. auf psychische und seelische Erkrankungen verwies. Gerade Krebserkrankungen führten zu einer lebenslang anhaltenden psychischen Belastung.

Der Versorgungsarzt Dr. Z. führte in seiner Stellungnahme vom 18.06.2015 aus, Heilungsbewährung sei eingetreten, eine behandlungsbedürftige Depression sei nicht beschrieben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2015 wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger hat hiergegen am 12.08.2015 beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage erhoben und einen GdB von mindestens 50 festzustellen begehrt. Psychische und seelische Erkrankungen beeinträchtigten ihn anhaltend. Er leide auch unter der erektilen Dysfunktion. Er sei 2008 geschieden worden und sei nach der Erkrankung und der in Folge der Operation bestehenden Erektionsstörung nunmehr gegenüber Frauen gehemmt und verschlossen. Es falle ihm auch schwer über diese Erkrankung zu sprechen, auch mit den behandelnden Ärzten.

Das SG hat Beweis erhoben und die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Urologe Dr. G. hat dem SG am 07.10.2015 geschrieben, er teile die Einschätzung des Versorgungsarztes. Der Allgemeinmediziner Dr. T. hat dem SG mit Brief vom 05.10.2015 mitgeteilt, orientierend stimme er mit dem Versorgungsarzt überein, nicht berücksichtigt sei aber die relativ neu diagnostizierte depressive Entwicklung. Der Neurologe und Psychiater Dr. J. hat dem SG im Schreiben vom 12.10.2015 ausgeführt, die leichtgradige depressive Episode (Arbeitsleistung ist nicht eingeschränkt, es bestehen jedoch soziale Defizite) schätze er mit einem GdB von 20 ein, insgesamt schätze er den GdB auf 30.

Das SG hat bei Prof. Dr. E. dessen psychiatrisches Gutachten vom 08.12.2015 eingeholt (Untersuchung des Klägers am 04.12.2015). Dieser hat beim Kläger eine depressive Episode beschrieben und mit einem GdB von 20 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 40 geschätzt.

Das unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. erteilte Angebot des Beklagten vom 11.03.2016, den GdB seit 21.03.2015 mit 30 festzustellen, nahm der Kläger nicht an und verwies auf Wirbelsäulenerkrankungen (Schreiben vom 21.06.2016).

Vom SG als sachverständiger Zeuge schriftlich befragt teilte der Orthopäde Dr. E. mit Schreiben vom 30.06.2016 mit, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, sei mit einem GdB von 20, die chronische Schleimbeutelreizung des rechten Knies mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine Veränderung des GdB auf seinem Fachgebiet ergebe sich nicht.

Ausgehend von GdB-Werten von 20 (Prostata), 20 (Depression), 20 (Wirbelsäule) und 10 (rechtes Knie) sieht der Kläger (Schreiben vom 08.08.2015) einen GdB von 50 erreicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2017 hat das SG den Bescheid vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2015 insoweit abgeändert als der GdB 30 seit 21.03.2015 betrage; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Entleerungsstörung der Harnblase sowie die erektile Dysfunktion sei mit einem GdB von 20, die leichte bis allenfalls mittelschwere Depression sei mit einem GdB von 20 und der Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen sei mit einem GdB von 10 zu bewerten. Der Gesamt-GdB betrage 30.

Mit Bescheid vom 21.12.2017 stellte das LRA in Ausführung des Gerichtsbescheids den GdB seit 21.03.2015 mit 30 fest.

Gegen den seiner Bevollmächtigten am 13.11.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.12.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das SG von der Einschätzung des Orthopäden Dr. E. abweiche. Die Erkrankung der Prostata mit unwillkürlichem Harnabgang und erektiler Dysfunktion und die damit einhergehende Depression mit sozialem Rückzug in das private Leben belaste ihn erheblich. Die Erkrankung des Bewegungsapparates belasteten ihn in seiner täglichen Arbeit.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.11.2017 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2015 sowie des Bescheids vom 21.12.2017 zu verurteilen, den GdB auf mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines urologischen Gutachtens beim Facharzt für Urologie Dr. H. sowie eines internistisch-sozialmedizinischen Gutachtens von Dr. G. samt Zusatzgutachten des Orthopäden Dr. H. und der Psychiaterin F ...

Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 24.05.2018 Untersuchung des Klägers am 14.05.2018) eine gemischte Belastungs-/Dranginkontinenz bei Zustand nach radikaler Prostatovesikulektomie, sowie einen vollständigen Verlust der Erektionsfähigkeit (Impotentia coeundi), der als schwer erachtet werden könne, beschrieben. Die Harninkontinenz, die auch bei Nacht auftrete, mit Verbrauch von 3 Vorlagen pro Tag, werde als mittelschwer erachtet. Auf urologischem Fachgebiet hat Dr. H. ab Mai 2017 (Datum der Verschlechterung) einen GdB von 30, hauptsächlich aufgrund der Harninkontinenz, angenommen.

Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 26.03.2018 (Untersuchung des Klägers am 21.03.2018) folgende Diagnosen gestellt: - Zervikalsyndrom, degenerative Veränderungen C 5 bis C 7, muskuläre Verspannungen, keine neurologischen Ausfälle. - Lumbalsyndrom. Gering ausgeprägte degenerative Veränderungen L 4 bis S l. Alter Bandscheibenvorfall lumbo-sakral. - Gonalgie beidseits. Patelladysplasie beidseits. Chronische Bursitis praepatellaris. - Senk-Spreizfuß beidseits. Dr. H. hat die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule mit einem GdB von 10, diejenigen der Knie und der Füße jeweils mit GdB von unter 10 bewertet.

Die Fachärztin für Psychiatrie Suchtmedizin, Sozialmedizin F. hat in ihrem Gutachten vom 26.06.2018 (Untersuchung des Klägers am 07.05.2018) eine leichte depressive Störung i.S. einer Anpassungsstörung nach Prostatakarzinom und postoperativen Folgen diagnostiziert und mit einem GdB von maximal 20 bewertet.

Der Internist und Sozialmediziner Dr. G. hat unter Berücksichtigung der Zusatzgutachten von Dr. H. und Frau F. aus internistischer Sicht eine leichte Belastungsinkontinenz mit einem GdB 10 und eine erektile Dysfunktion, die bisher nicht ausreichend behandelt sei, berücksichtigt und den gesamt-GdB auf 20 geschätzt.

Der Beklagte hat zur Beweisaufnahme die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 13.08.2018 vorgelegt. Dieser hält an der bisherigen GdB-Bewertung fest. Dr. H. habe eine Erhöhung des GdB um einen vollen Zehnergrad nicht hinreichend begründet. Die Tatsache, dass laut Gutachten wegen der Harninkontinenz drei Vorlagen pro Tag verbraucht würden und auch nachts Harninkontinenz aufträten, werde von dem bisherigen GdB von 20 abgedeckt. In Verbindung mit der erektilen Dysfunktion sei eine erfolglose Behandlung nicht eindeutig dokumentiert, sodass die erektile Dysfunktion zum Gesamt-GdB nicht beitrage.

Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 19.09.2018 die Berufung den Berichterstatter übertragen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Über die Berufung konnte der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2017 entschieden hatte und die Berufung dem Berichterstatter durch Beschluss des Senates nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden war. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch nicht in der Anhörung von den Beteiligten mitgeteilt worden.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2015, mit dem der Beklagte den Bescheid vom 26.10.2009 mit Wirkung ab 21.03.2015 aufgehoben und den GdB ab diesem Tag mit 20 festgestellt hat. Der angefochtene Gerichtsbescheid vom 09.11.2017 hat den angefochtenen Bescheid in der Gestalt insoweit aufgehoben, als der GdB auf weniger als 30 festgestellt worden war. Dieser Tenor entspricht der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden isolierten Anfechtungsklage gegen aufhebende bzw. zurücknehmende Verwaltungsakte des Beklagten. Die mit dem Urteil ausgedrückte Feststellung des GdB auf 30 hat der Beklagte mit Bescheids vom 21.12.2017 umgesetzt. Letztgenannter Ausführungsbescheid war daher nur deklaratorisch im Antrag des Klägers zu erfassen.

Der Kläger wendet sich vorliegend gegen die Aufhebung des Bescheids vom 26.10.2009 und die darin verfügte Herabsetzung des GdB. Dieses Ziel verfolgt er zulässigerweise mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Der Senat versteht den vom Kläger formulierten Antrag vor diesem Hintergrund. Diese isolierte Anfechtungsklage ist weder in vollem Umfang (dann Aufhebung des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids = weiterhin GdB 80) noch beschränkt auf die Anfechtung der "Herabsetzung des GdB" auf weniger als 50 erfolgreich. Zwar war der angefochtene Bescheid des LRA vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2015 rechtswidrig, der Kläger wurde dadurch in seinen Rechten verletzt, denn der GdB war ab dem 21.03.2015 mit 30 festzustellen. Diese Rechtsverletzung hat das SG mit der angefochtenen Entscheidung beseitigt. Der Kläger hat ab dem 21.03.2015 keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30, der Senat konnte damit zwar feststellen, dass in den Verhältnissen, die dem Bescheid des LRA vom 26.10.2009, der beim Kläger einen GdB von 80 festgestellt hatte, zugrunde gelegen hatten, eine GdB-relevante wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Der Senat konnte aber auch feststellen, dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) ab dem 21.03.2015 keinen GdB von mehr als 30 rechtfertigen. Die Berufung des Klägers ist daher unbegründet.

Die Beklagte war berechtigt, nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X den Bescheid vom 26.10.2009 aufzuheben. Denn mit Ablauf der Heilungsbewährung – keiner der Ärzte konnte Rezidive oder Metastasen bzw. das Wiederauftreten der Krebserkrankung feststellen - nach 5 Jahren nach erfolgreicher Prostatakrebsoperation am 24.07.2009 ist i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten. Diese ist auch wesentlich, denn der Gesamt-GdB war um 10 bzw. mehr als zu verändern.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung im Rahmen einer isolierten Anfechtungsklage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bezogen auf den Tag der Verfügten Herabsetzung. Zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2015 als der letzten Behördenentscheidung war bezogen auf den Zeitpunkt der verfügten Herabsetzung des GdB ab dem 21.03.2015 ein höherer GdB als 30 nicht festzustellen.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX in im Jahr 2015 geltenden Fassung. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit am 21.03.2015 bzw. bei Erlass des Widerspruchsbescheids im Juli 2015 einen höheren Gesamt-GdB als 30 nicht rechtfertigen.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. H. lediglich Gesundheitsstörungen und daraus folgende Funktionsbehinderungen des Rumpfes feststellen, die einen GdB von 10 bedingen. Auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. H. hat der Senat beim Kläger ein Zervikalsyndrom, degenerative Veränderungen C 5 bis C 7, muskuläre Verspannungen, keine neurologischen Ausfälle sowie ein Lumbalsyndrom, gering ausgeprägte degenerative Veränderungen L4 bis S1 und einen alten Alter Bandscheibenvorfall lumbo-sakral feststellen können. Bei seiner Untersuchung des Klägers hat Dr. H. bei Schulter- und Beckengeradstand eine im Lot stehende Wirbelsäule beschrieben, ebenso Verspannungen der Muskulatur im Bereich der paravertebraten Muskulatur im Bereich der caudalen Abschnitte der Hals- und der Lendenwirbelsäule. Beim Vorwärtsbeugen des Rumpfes mit gestreckten Kniegelenken hat der Kläger ohne Angabe von Schmerzen einen Finger-Boden-Abstand von 7 cm erreicht. Der Kinn-Sternum-Abstand betrug maximal 21,0 cm, minimal 1,0 cm. Das Ott sche Zeichen der BWS betrug 28,5/30/33,0 cm, das Schober sche Zeichen der LWS 8,5/10/14,0 cm. Im Bereich der Wirbelsäule wurden paravertebral Druckbeschwerden im Bereich der Nackenstrecker und der caudalen Etagen der Halswirbelsäule und der unteren Etagen der Lendenwirbelsäule angegeben. Die Dornfortsatzreihe war nicht rüttel- oder stauchempfindlich. Der Druckschmerz wurde paravertebral in die Muskulatur und über den kleinen Wirbelgelenken lokalisiert. Beim Seitneigen sowie bei Rotationsbewegungen werden im Bereich der Hals- und der Lendenwirbelsäule wurden endgradig Schmerzen angegeben. Neurologische Auffälligkeiten oder Hinweise auf ein Wurzelreizsyndrom fanden sich nicht.

Die Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule sind mit Dr. H. auf degenerative Veränderungen in den Etagen C 5 bis C 7 und muskuläre Verspannungen zurückzuführen. Die Funktion ist hier eingeschränkt. Neurologische Ausfälle finden sich aber nicht. Im Bereich der Brustwirbelsäule ist die Funktion nicht eingeschränkt. Die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule sind mit Dr. H. auf degenerative Veränderungen geringer Ausprägung und muskuläre Verspannungen zurückzuführen. Neurologische Ausfälle finden sich auch hier nicht.

Dr. H. hat die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Hals- und der Lendenwirbelsäule als leicht bewertet; im Bereich der Brustwirbel besteht keine Einschränkung. Ausgehend von den von Dr. H. mitgeteilten befunden konnte der Senat daher feststellen, dass die Funktion der Wirbelsäule im Bereich der Hals- und der Lendenwirbelsäule jeweils nur geringgradig eingeschränkt ist. Im Bereich der Brustwirbelsäule findet sich keine Funktionseinschränkung. Insgesamt liegen keine neurologischen Ausfälle oder Wurzelreizerscheinungen vor. Ein höherer GdB als 10 konnte der Senat daher nicht feststellen, weil in der Gesamtschau aller Funktionseinschränkungen der Wirbelsäulenabschnitte die bestehenden Gesundheitsstörungen und deren funktionelle Auswirkungen nicht mit mittelschweren Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt gleichgesetzt werden können.

Da die von Dr. H. mitgeteilten Befunde von denjenigen des Dr. K. nicht abweichen, und auch die vorhandene Arbeitsfähigkeit als Kfz-Mechaniker – auch im Jahr 2015 - nicht für mittelschwere funktionelle Beeinträchtigungen spricht, folgt der Senat der GdB-Bewertung des Dr. H. und stellt den Einzel-GdB im Funktionssystem des Rumpfes bezogen auf den 21.03.2018 mit 10 fest.

Im Funktionssystem der Beine ist bezogen auf den 21.03.2015 ebenfalls kein Einzel-GdB festzustellen (vgl. B Nr. 18.14 VG). Dr. H. hat hier eine Gonalgie beidseits, eine Patelladysplasie beidseits, eine chronische Bursitis praepatellaris sowie ein Senk-Spreizfuß beidseits diagnostiziert. Im Bereich beider Kniegelenke findet sich eine Patelladysplasie ohne nachweisbare retropatellare Reizzustände. Im Bereich des linken Kniegelenkes findet sich eine Verdickung im Bereich der Bursa praepatellaris ohne aktuelle Reizerscheinungen. Anamnestisch sind entsprechende Reizzustände auch im Bereich der rechten Bursa praepatellaris dokumentiert. Im Bereich beider Kniegelenke findet sich eine Patelladysplasie. Die Beweglichkeit ist nicht eingeschränkt. Im Bereich des linken Kniegelenkes findet sich zudem eine Schwellung im Bereich der Bursa praepatellaris im Rahmen einer chronifizierten Bursitis ohne aktuelle Entzündungszeichen.

Damit liegt keine Versteifung beider oder eines Kniegelenks, keine Lockerung des Kniebandapparates, kein Kniescheibenbruch, keine habituelle Kniescheibenverrenkung oder eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk mit Einschränkungen der Beugung auf mehr als 90o vor. Ebensowenig liegen ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen (Stadium II - IV) oder eine Schienbeinpseudarthrose vor. Daher ist für die Funktionsbehinderungen der Knie kein GdB anzunehmen.

Im Bereich der Füße besteht eine gering ausgeprägte Fehlstatik im Rahmen einer beidseitigen Senk-Spreizfußverbildung und ein beidseitiger Hallux valgus, was der Senat mit Dr. H. feststellt. Die Veränderungen im Bereich beider Füße bedingen entsprechend den VG einen GdB von unter 10. Auch Dr. K. hat hier keinen GdB von mehr als 10 gesehen.

Hinsichtlich des internistischen Fachgebietes konnte der Gutachter Dr. G. über das urologische Fachgebiet hinaus keine Erkrankungen darstellen. Solche hat auch der Kläger nicht vorgetragen, der Senat konnte solche nicht feststellen. Im Funktionssystem der Harnorgane/(männlicher) Geschlechtsapparat ist der GdB bezogen auf den 21.03.2015 zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bei Wirksamwerden des Widerspruchsbescheides im Juli 2015 mit 20 zu bewerten.

Zwar hat Dr. H. eine gemischte Belastungs-/Dranginkontinenz, sowie eine erektile Dysfunktion beschrieben. Nach B Nr. 12.2.4 VG ist eine relative Harninkontinenz mit leichtem Harnabgang bei Belastung (z. B. Stressinkontinenz Grad I) mit einem GdB von 0 bis 10 und bei Harnabgang tags und nachts (z. B. Stressinkontinenz Grad II-III) mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Dr. H. konnte beim Kläger insoweit einen Harnabgang, mehrfach tagsüber mit Notwendigkeit einer mehrfachen Einlagenversorgung, und auch nachts, mitteilen. Insoweit dürften nach Überzeugung des Senats zwar auch ohne die Frage der Bewertung der erektilen Dysfunktion die Voraussetzungen eines GdB von 30 nach B Nr. 12.2.4 VG erfüllt sein. Da Dr. H. jedoch diese Verschlimmerung der urologischen Erkrankungen erst ab Mai 2017 feststellen kann, war der GdB zum vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2015 auch nach Auffassung des Dr. H. noch nicht mit 30 zu bewerten.

Damit konnte der Senat bis zum maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2015 eine Verschlimmerung der urologischen Leiden und Funktionsbehinderungen nicht feststellen. Vielmehr waren Leiden und Funktionsbehinderungen, die einen GdB von 30 rechtfertigen, bis zu diesem Zeitpunkt nicht festzustellen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt war daher der bereits vom Beklagten angenommene Einzel-GdB von 20 vorliegend nicht zu niedrig angesetzt. Dass nach dem maßgeblichen Zeitpunkt durch eine Verschlimmerung der urologischen Leiden und Funktionsbehinderungen, wie sie von Dr. H. dargestellt wurden, der Einzel-GdB zu erhöhen ist, ist vorliegend im Rahmen der isolierten Anfechtungsklage nicht zu entscheiden, weil dies nicht zum Streitgegenstand gehört. Eine Sachlage, in der ausnahmsweise auch im Falle einer isolierten Anfechtungsklage über den maßgeblichen Zeitraum hinaus gegangen werden kann, besteht nicht, da über die Bewertung des GdB auf der Grundlage des Gutachtens Dr. H. zwischen den Beteiligten streit besteht.

Die erektile Dysfunktion erhöht den GdB bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt nicht. Nach B Nr. 13.2 VG bedingt der Verlust oder vollständige Schwund beider Nebenhoden und/oder Zeugungsunfähigkeit (Impotentia generandi) einen GdB von 0, in jüngerem Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch einen GdB von 20 und bei Impotentia coeundi bei nachgewiesener erfolgloser Behandlung einen GdB von 20. Vorliegend ist der 1962 geborene Kläger nicht mehr "in jüngerem Lebensalter", ein Kinderwunsch ist auch nicht dokumentiert. Auch ist eine erfolglose Behandlung der Impotenz nicht festgestellt. Damit erhöht diese Funktionsstörung den GdB nicht. Das entspricht auch der Bewertung durch den behandelnden Urologen.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat mit der Gutachterin F. eine leichte depressive Störung i.S. einer Anpassungsstörung nach Prostatakarzinom und postoperativen Folgen feststellen und mit einem Einzel-GdB von 20 bewerten (vgl. B Nr. 3.7 VG). Das entspricht der übereinstimmenden Bewertung der Gutachterin F. und des behandelnden Psychiaters. Der Kläger befindet sich zwar in psychiatrischer Behandlung und hat sich teilweise zurükgezogen, ist aber in der Lage, vollschichtig zu arbeiten und sein Leben zu gestalten. Der angegebene soziale Rückzug bezieht sich vor allem auf den Kontakt zu Frauen.

Die Gutachterin F. hat den Kläger in ihrer Untersuchungssituation als leicht vorgealtert wirkenden, gepflegten und ordentlich gekleidetem Mann, der aufgeschlossen, locker, witzig und humorvoll imponiere und freundlich-zugewandt Kontakt aufnehme und sich sehr kooperativ zeige, beschrieben. Er sei wach, bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert. Es zeigten sich keine kognitiven Einschränkungen. Das Denken war formal geordnet, der Kläger konnte klar und gut strukturiert seine Krankheitsgeschichte vortragen, es ergaben sich keine Anhaltspunkte für Aggravation, Simulation und Dissimulation. Die Angaben waren in sich konsistent und ohne Anhalt für inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungs- und Ichstörungen. Die Stimmung war ausgeglichen bei guter affektiver Schwingungsfähigkeit. Antrieb und Psychomotorik waren ungestört. Der Kläger schilderte einen gut strukturierten und geregelten Tagesablauf sowohl an den Arbeitstagen, als auch am Wochenende. Der Nachtschlaf war ungestört, es wurden unspezifische Ängste hinsichtlich der Prostataerkrankung angegeben, die der Kläger jedoch angibt, gut wegschieben zu können. Psychische Belastungen durch die Inkontinenz und Impotenz wurden nachvollziehbar geschildert bei insgesamt guter Krankheitsbewältigung. Anhalt für akute Eigen- und Fremdgefährdung bestand nicht. Das entspricht auch im Wesentlichen den Angaben des behandelnden Psychiaters.

Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hat die Gutachterin verneint, der Senat konnte eine solche ebenfalls nicht feststellen. Damit konnte der Senat bei einer leichteren psychovegetativen bzw. psychischen Störung den nach den VG vorgesehenen GdB-Rahmen von 0 bis 20 allenfalls zugunsten des Klägers am oberen Ende ausschöpfen. Einen höheren GdB von 30 konnte der Senat nicht annehmen, da stärker behindernde Störungen nicht festzustellen waren.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Ein Antrag nach § 109 SGG war seitens des Klägers im Berufungsverfahren nicht gestellt worden. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, Befunde, Aussagen und Gutachten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der aufgrund der vorliegenden ärztlichen Befunde und Gutachten medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB bezogen auf den vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2015 unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 0 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Harnorgane, - 0 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des männlichen Geschlechtsapparates und - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Gehirn einschließlich der Psyche. Ausgehend von höchsten Einzel-GdB-Werten von zweimal 20 konnte der Senat zum maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2015 keinen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 SGB IX von mehr als 30 feststellen, zumal auch kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 40, 50 bzw. die Schwerbehinderteneigenschaft vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht entsprechend schwer funktionell in seiner Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. Weder bedingen die bestehenden Gesundheitsstörungen und Funktionsbehinderungen einzeln noch in ihrem Zusammenwirken eine solche schwere Teilhabebeeinträchtigung.

Damit konnte der Senat zwar feststellen, dass im Verhältnis zu der früheren Feststellung des GdB mit 80 eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Jedoch war der GdB bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2015 auch nicht niedriger als 30 aber auch nicht höher zu bewerten; ob der GdB später höher zu bewerten ist, ist vorliegend nicht Verfahrensgegenstand. Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf höhere Feststellung seines GdB als 30.

Die Berufung war daher zurückzuweisen

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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