L 8 R 4635/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 2386/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 4635/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20.10.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, ggf. auch bei Berufsunfähigkeit zusteht.

Die 1971 geborene Klägerin, türkische Staatsangehörige, die sich seit 1975 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ist verheiratet und hat drei Kinder (geb. 1994, 1998, 2007). Von 1989 bis 1994 arbeitete die Klägerin als Arbeiterin, seither nur noch in geringfügigem Umfang. Zuletzt arbeitete sie geringfügig rentenversicherungspflichtig als Putzhilfe in einer Physiotherapiepraxis (3 bzw. 7 Stunden/Woche). Bei der Klägerin ist ein GdB von 50 seit 11.10.2012 festgestellt.

Die Klägerin beantragte am 21.08.2012 (Blatt 1 der Beklagtenakte) bzw. 11.10.2012 (Blatt 13 der Beklagtenakte) bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu ihrem Antrag verwies sie auf einen Bandscheibenvorfall der Wirbelsäule, Arthrose in den Händen, einen Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule und einen Abszess in der Brust (Anlage R210 zum Rentenantrag).

Vom 29.11.2012 bis zum 20.12.2012 führte die Beklagte eine stationäre Rehabilitation der Klägerin in der Klinik H. , B. , durch. Der Entlassbericht vom 27.12.2012 (m/2 der Beklagtenakte) gibt ein chronisches Wirbelsäulensyndrom, eine Belastungseinschränkung der rechten Hand bei Verdacht auf Rhizarthrose und muskuläre Dysbalancen an. Die Klägerin wird als Arbeiterin/Reinigungskraft und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten als leistungsfähig im Umfang von 6 Stunden und mehr gesehen.

Unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten und weiterer zur Akte genommener Unterlagen, des Reha-Entlassberichts vom 27.12.2012 und der Akten aus den Reha-Verfahren lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.02.2013 die Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die Klägerin könne noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Hiergegen erhob die Klägerin am 21.02.2013 Widerspruch. Nach Lage der Dinge müsse bestritten werden, dass ausreichende medizinische Ermittlungen geführt worden seien. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 23.05.2013 u.a. geltend, ihre Erkrankungen seien schwerwiegend und altersvorauseilend. Es gebe deutliche Hinweise auf eine das Krankheitsbild und die Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit insgesamt beherrschende psychosomatische Vernetzung und Beherrschung, in deren Rahmen die organmedizinischen Befunde und deren Auswirkungen einer ganzheitlichen Betrachtung und Beurteilung bedürften. Ihr sei eine psychiatrische/psychotherapeutische Vorstellung dringend empfohlen worden. Dazu habe sie sich aus Angst vor einem längeren stationären Aufenthalt aber nicht durchringen können. Mit Schreiben vom 15.10.2013 trug die Klägerin weiter vor.

Im Auftrag der Beklagten begutachtete der Nervenfacharzt Dr. B. die Klägerin. In seinem Gutachten vom 22.11.2013 (Untersuchung der Klägerin am 21.11.2013) diagnostizierte er eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bei gleichzeitig eher niedrigem Persönlichkeitsstrukturniveau, eine dysthyme Entwicklung im Kontext mit anhaltenden massiven Partnerschaftskonflikten (ambulante Psychotherapie erfolge seit September 2013) und eine Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Aus nervenärztlicher Sicht könne die Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auch als Reinigungskraft vollschichtig verrichten.

Die Klägerin machte nunmehr mit Schreiben vom 20.12.2013 geltend, das Gutachten sei nicht frei von persönlichen Animositäten. Es entspreche auch nach Methodik, Aufbau, Stil und Maßstäben der Beurteilung dem, was man von Dr. B. aus anderen Gutachten gewohnt sei. Das Gutachten stehe im diametralen Widerspruch zu den Ausführungen der erfahrenen und kompetenten Kliniker der J.-Diakonie M ... Im Vordergrund stünden (Schreiben vom 15.01.2014) gesundheitliche Beeinträchtigungen im psychiatrischen und psychosomatischen Bereich.

Nunmehr wurde die Klägerin von der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. L. begutachtet. Diese diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 20.03.2014 (Untersuchung der Klägerin am 20.03.2014) eine Dysthymia und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren und abhängigen Zügen. Aufgrund der psychiatrischen Diagnosen sei die letzte Tätigkeit als Arbeiterin für mindestens 6 Stunden täglich zumutbar.

Hierzu hat die Klägerin mit Schreiben vom 19.05.2014 ausgeführt, die Beklagte habe sie zu einer Gutachterin geschickt, bei der aufgrund langjähriger Erfahrungen nicht anzunehmen sei, dass eine valide Diagnostik und Beurteilung des Leistungsvermögens bei Vorliegen schwerwiegender psychischer Erkrankungen erfolge. Das Gutachten entspreche nicht den Leitlinien einer zweigleisigen Anamnese. Das "Gutachten" sei das Geld nicht wert.

Die Beklagte berücksichtigte die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, z.B. auch den Bericht der J.-Diakonie M. , Dr. L. , vom 06.02.2014 und wies mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2014 den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 05.08.2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage erhoben. Nach den Feststellungen der behandelnden Ärzte der J.-Diakonie sei sie derzeit und auf absehbare Zeit nicht in der Lage, Tätigkeiten im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden arbeitstäglich auszuführen. Es sei zwar die stationäre Behandlung wegen einer Notsituation in der Familie abgebrochen worden, die Fortsetzung sei vorgesehen mit anschließender tagesstationärer Behandlung. Aus Kapazitätsgründen habe diese Behandlung aber nicht fortgesetzt werden können.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Dr. S. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Oberarzt der J.-Diakonie, hat zusammen mit Dr. F. P. dem SG mit Schreiben vom 19.09.2014 (Blatt 24/25 der SG-Akte) mitgeteilt, die Klägerin habe über Interesse-, Kraft- und Freudlosigkeit, Insuffizienzgefühle, schnelle Erschöpfung, Grübelneigung und expressive Stimmungslage berichtet und über Schmerzen an Armen, Händen, Rückenschmerzen und Taubheitsgefühlen im linken Bein, alles seit Jahren, geklagt. Die Frage, ob es zu vertreten sei, dass die Klägerin einer leichten Arbeit im zeitlichen Umfang von täglich 6 Stunden nachgehe, hat Dr. S. mit "Ja" beantwortet. Der Facharzt für Allgemeinmedizin S. hat dem SG am 25.09.2014 geschrieben (Blatt 26/71 der SG-Akte), die Leistungseinschränkungen lägen auf dem Fachgebiet der Psychiatrie und Orthopädie. Auch unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sei das Leistungsvermögen mittlerweile so gravierend herabgesunken, dass eine tägliche Arbeitszeit von auch nur 2 Stunden nicht mehr realisierbar erscheine. Im Vordergrund stehe die Einschränkung seitens der Depression. Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. St. hat mit Schreiben vom 05.11.2014 (Blatt 75/77 der SG-Akte) angegeben, die 2012 durchgeführte Injektionsbehandlung der Wirbelsäule habe schlussendlich zu einer Beschwerdelinderung und einer längeren Behandlungspause geführt. Die Frage, ob es zu vertreten sei, dass die Klägerin einer leichten Arbeit im zeitlichen Umfang von täglich 6 Stunden nachgehe, hat Dr. St. mit "Ja" beantwortet.

Die Klägerin hat ausgeführt (Schreiben vom 02.12.2014, Blatt 85/89 der SG-Akte), alleine Dr. S. habe eine wenigstens in Grundzügen detaillierte Stellungnahme abgegeben. Die Beantwortung der Beweisfragen durch Dr. S. und Dr. F. P. sei ungeeignet. Beide Ärzte könnten weder zu gegenwärtigen Diagnosen noch zum Leistungsvermögen valide Angaben machen. Angaben könnten Chefarzt Dr. L. und Dipl.Psych. N. machen.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie – Spezielle Schmerztherapie – Dr. E ... Diese hat in ihrem Gutachten vom 20.05.2015 (Blatt 97/123 der SG-Akte; Untersuchung der Klägerin am 21.04.2015) ein chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom mit Lumboischialgie links bei NPP 5/5 und L5/S1 ohne neurologische Ausfälle, ein chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom bei NPP und Spinalkanalstenose C6/7 ohne neurologische Ausfälle, eine anhaltend depressive Episode, mittelschwer, auf dem Boden einer Anpassungsstörung und einen Supraspinatussehnenabriss rechts mit Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk diagnostiziert. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen könne die Klägerin noch Tätigkeiten ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit mindestens 6 Stunden täglich ausüben.

Die Klägerin hat hierzu erklärt (Schreiben vom 26.06.2015, Blatt 125/129 der SG-Akte), dass die Beurteilung der Schulterproblematik durch Dr. E. fachfremd erfolgt sei. Im Krankenhaus M. habe sich die Notwendigkeit einer Schulteroperation ergeben. Wegen Panikattacken habe die Operation abgesagt werden müssen. Es bestünden Wechselwirkungen zwischen den psychischen und orthopädischen Erkrankungen. Auch hätten sich im Rahmen der depressiven Episode auf dem Boden der Angststörung weitere typische Folgen entwickelt, die aber offensichtlich nicht bei einer nur einmaligen Exploration festgestellt worden seien. Dr. L. sei zu hören.

Das SG hat nunmehr Dr. L. (J.-Diakonie M. ) schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Antwort vom 03.11.2015 (Blatt 152/159 der SG-Akte) angegeben, die Klägerin sei aktuell nicht arbeitsfähig. Nach Abschluss der Behandlung könne die Klägerin leichte körperliche Arbeiten regelmäßig bis 6 Stunden täglich verrichten. Auf Nachfrage des SG hat Dr. medic C. von der J.-Diakonie M. mit Schreiben vom 11.12.2015 (Blatt 161 der SG-Akte) ausgeführt, die Klägerin sei am 27.11.2015 arbeitsfähig aus der teilstationären Behandlung entlassen worden.

Die Klägerin hat hierzu ausgeführt (Schreiben vom 23.12.2015, Blatt 164/165 der SG-Akte), wesentliche Essentiale der angeforderten Zeugenaussagen fehlten. So fehle eine Anamnese zu den psychiatrischen, psychosomatischen und testpsychologischen Untersuchungen, ebenso wie Diagnosen und nachvollziehbare Ausführungen zum Leistungsvermögen. Die Klägerin hat daraufhin den Entlassbericht der J.-Diakonie M. vom 25.11.2015 vorgelegt (Blatt 167 der SG-Akte), wonach sie aus der teilstationären Behandlung vom 06.10.2015 bis zum 27.11.2015 in gebesserter Stimmungs- und Antriebslage bei fortbestehender Grundproblematik entlassen worden sei.

Ergänzend zu seiner schriftlichen Zeugenaussage befragt hat Dr. L. den Arztbrief vom 13.01.2016 vorgelegt (Blatt 169/175 der SG-Akte), in dem eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine Struma, eine Fettleber, eine sonstige näher bezeichnete Krankheit der Gallenblase und ein Impingementsyndrom der Schulter mitgeteilt ist. Außerdem hat er mitgeteilt (Blatt 178 der SG-Akte) Dr. C. sei die zuständige Ärztin der Klinik. Die Klägerin sei bei Entlassung arbeitsfähig gewesen. Zuletzt habe sie verschiedene Nebenjobs, wie Reinigungstätigkeiten und Heimarbeit durchgeführt.

Die Klägerin hat (Schreiben vom 07.04.2016, Blatt 180/186 der SG-Akte) u.a. ausgeführt, das Bemühen bei Dr. L. zu brauchbaren Erkenntnissen zu kommen sei wohl misslungen. Die Fragen seien nicht beantwortet. Die Berichte bagatellisierten Einzelheiten, die für die rentenrechtliche Beurteilung des Leistungsvermögens von Relevanz seien.

Nach § 109 SGG hat das SG nunmehr das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Dr. F. vom 27.03.2017 (Blatt 200/223 der SG-Akte; Untersuchung der Klägerin am 18.01.2017) eingeholt. Dieser hat eine schwere depressive Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Rhizarthrose beidseits, ein Impingementsyndrom der rechten Schulter und eine Ruptur der Supraspinatussehne rechts diagnostiziert. Die Klägerin könne nicht mehr vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein. Die beschriebenen Beeinträchtigungen seien so stark, dass nur eine Leistungsfähigkeit von unter 3 Stunden täglich bestehe. Es sei plausibel, dass die Klägerin in ihrem derzeitigen Leistungsvermögen schon mit der Erwerbstätigkeit von 7 Stunden pro Woche überlastet sei und diese nicht mehr alleine bewältigen könne. Bisher seien keine suffizienten Therapieversuche unternommen worden.

Die Klägerin hat ausgeführt (Schreiben vom 07.04.2017, Blatt 224/225 der SG-Akte), das Gutachten bestätige, welchen Unterschied es mache, wenn sich ein nach Kenntnissen und Fähigkeiten hochrangig auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft stehender Leiter einer Psychosomatik mit der gebotenen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit mit einem Gutachtensauftrag beschäftige. Das Gutachten bestätige ihren Vortrag.

In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18.05.2017 (Blatt 228/235 der SG-Akte) hat Dr. E. ausgeführt der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung könne nicht gefolgt werden. Ebenfalls liege keine Posttraumatische Belastungsstörung vor.

Nunmehr hat die Klägerin mit Schreiben vom 17.07.2017 (Blatt 232/235 der SG-Akte) Einwendungen gegen die ergänzende Stellungnahme der Dr. E. erhoben. Diese sei widersprüchlich. Auch habe Dr. E. sie zuletzt vor 2 Jahren gesehen.

Dr. E. wurde erneut ergänzend angehört (zu deren Auskunft vom 21.07.2017 vgl. Blatt 236/238 der SG-Akte).

Hierzu hat sich die Klägerin erneut geäußert. Es sei aus Jahrzenten der Vertretung ihres Bevollmächtigten mit Verfahren psychosomatisch erkrankter Versicherter in sozialgerichtlichen Verfahren bekannt, dass es Sachverständigen schwer falle einzuräumen, dass ihre Beurteilung als unrichtig widerlegt sei (Schreiben vom 28.07.2017, Blatt 241/253 der SG-Akte). Eine wissenschaftlich nachvollziehbare und rechtlich relevante Begründung, die es gestatte, die Richtigkeit des Gutachtens von Dr. F. ernsthaft in Zweifel zu ziehen oder zu widerlegen, habe Dr. E. nicht vorzubringen vermocht. Maßgeblich sei der den Verlauf der Erkrankung prägende Charakter der schweren depressiven Episode. Dr. F. habe auch eine Posttraumatische Belastungsstörung festgestellt, die Dr. E. in ganz entscheidenden Punkten nicht bekannt sei und von ihr nicht zur Kenntnis genommen werde.

Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2017 die Klägerin persönlich angehört und Dr. F. zu seinem Gutachten vernommen. Dieser hat u.a. ausgeführt, auch eine schwergradige Depression könne selbstverständlich in ihrer Ausprägung schwanken. Als Anfangsdiagnose würde trotzdem auch bei kurzfristigem Schwanken die schwergradige Depression bleiben. Auch die Leistungsfähigkeit könne schwanken, trotzdem sei bei der Diagnose zu bleiben. Die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung habe er aus dem Bericht der Klägerin entnommen. Aus seiner Sicht sei die Klägerin eine komplex traumatisierte Frau. Die Klägerin leide an einer spezifischen Traumafolgestörung. Auf die Frage, ob er überzeugt sei, dass die Klägerin wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe, hat Dr. F. ausgeführt, er sei zumindest nicht zu gegenteiliger Überzeugung gelangt. Eine Persönlichkeitsstörung habe er nicht feststellen können. Die stationäre Therapie in der J. Diakonie M. sei zumindest nicht leitliniengerecht gewesen, da keine Höchstdosierung des Antidepressivums erfolgt sei und auch bei Nichtbesserung kein Präparatwechsel erfolgt sei. Er sei zu der Einschätzung gekommen, dass die nicht mehr vorliegende Leistungsfähigkeit seit 12 bis 24 Monaten seit Begutachtung vorliegen würde. Insbesondere hätten sich die Schmerzen auf orthopädischem Fachgebiet verstärkt und die Klägerin leide an schweren Ängsten sowie Konzentrationsstörungen.

Mit Urteil vom 20.10.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Das Gutachten Dr. F. könne nicht überzeugen, denn weder die von Dr. F. gestellten Diagnosen noch die erfolgte Leistungsbeurteilung ließen sich in schlüssiger Wese mit den von ihm selbst erhobenen Befunden begründen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 09.11.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.12.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Unter Hinweis auf ihre Ausführungen beim SG hat die Klägerin u.a. ausgeführt, sie leide an einem multimorbiden somatischen Krankheitsbild. Insbesondere im orthopädischen Bereich habe sich eine kontinuierliche schwerwiegende Verschlechterung eingestellt. Es sei auch eine Verschlimmerung unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zu den psychiatrischen und psychosomatischen Erkrankungen eingetreten. Es sei geboten, die Feststellungen und Beurteilungen der behandelnden Ärzte mit der gebotenen Zurückhaltung und Objektivität zu würdigen und nicht wie das SG und Dr. E. , diese wegen der aus der Behandlungssituation erwachsenden Empathie als unbrauchbare Beweismittel abzutun. Dr. F. habe sich erstmals der unsäglichen Mühe unterzogen, sich mit der gebotenen Sorgfalt und wissenschaftlichen Systematik unter Berücksichtigung des nach den Leitlinien und dem Stand der Wissenschaft gebotenen Instrumentarium mit ihrer Persönlichkeit und ihrer tragischen Entwicklung seit der Kindheit auseinanderzusetzen und in wissenschaftlich korrekter und notwendiger Art und Weise zu beschäftigen. Dr. F. habe keinerlei Veranlassung gehabt, irgendwelche Diagnosen zu erfinden. Die Richter des SG hätten ausnahmslos keinerlei Sachkunde gehabt um seine Feststellungen und Beurteilungen zu widerlegen oder als unschlüssig abzutun. Faktum sei, dass sie diese nicht verstanden hätten oder nicht verstehen wollten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20.10.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2014 zu verurteilen, ihr ab 01.04.2016 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Hilfsweise beantragt die Klägerin

- aus dem Schriftsatz vom 21.09.2018, Seite 6 (Blatt 134 Senatsakte):

ein Sachverständigengutachten auf orthopädisch/unfallchirurgischem Gebiet einzuholen, ergänzend Dr. P. hierzu zu hören, höchst hilfsweise, ihn zur mündlichenVerhandlung zu laden, vorsorglich auch nach § 109 SGG,

- aus dem Schriftsatz vom 01.10.2018, Seite 27 (Blatt 162 Senatsakte): einen anderen geeigneten Sachverständigen zu beauftragen, hilfsweise Dr. S. zum Termin zu laden zum Beweis der Tatsache, dass das Gutachten die genannten Mängel aufweist, höchst hilfsweise Dr. S. zur Ergänzung des Gutachtens aufzufordern, hilfsweise Dr. F. zu diesem Thema zum Termin zu laden. Die Anträge hinsichtlich Dr. S. und Dr. F. höchst hilfsweise nach § 109 SGG.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten bei Dr. P. und Dr. S ... Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin, Sozialmedizin, Dr. P. hat in seinem Gutachten vom 30.07.2018 (Blatt 51/85 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 17.07.2018) ein myogenes Reizsyndrom der Halswirbelsäule ohne wesentliche Funktionseinschränkungen und ohne radikuläre Ausfälle bei radiologisch und kernspintomographisch nachweisbaren geringfügigen degenerativen Veränderungen, ein myogenes Reizsyndrom der Lendenwirbelsäule ohne wesentliche Funktionseinschränkungen und ohne radikuläre Ausfälle bei kernspintomographisch nachgewiesenen polysegmentalen Bandscheibenschäden, aktuell mit einer erosiven Osteochondrose im Segment L 5/S 1, ein Impingmentsyndrom rechte Schulter mit leichter Funktionseinschränkung und Minderbelastbarkeit bei radiologisch nachweisbarem Olecranonsporn und kernspintomographisch nachgewiesener Ruptur der Supraspinatussehne, eine Epicondylopathie rechter Ellenbogen ohne Funktionseinschränkung, eine initiale Rhizarthrose, den Verdacht auf ein initiales CTS rechte Hand ohne Beeinträchtigung der Greiffunktion der Hände sowie den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung/somatisierte Depression diagnostiziert. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen könne die Klägerin leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr fünf Tage in der Woche ausüben.

Der Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 16.08.2018 (Blatt 87/122 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 14.08.2018) chronische depressive Verstimmungen reaktiver Genese bei den lebensgeschichtlichen Belastungen und der belastenden familiären Situation bzw. der Eheproblematik, einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit und Jugend in der Anamnese, Probleme in der Ehe, einen Zustand nach operativer Revision eines Carpaltunnelsyndroms rechts ohne Anhalt für ein Rezidiv, eine Schilddrüsenstoffwechselstörung, medikamentös behandelt, eine Adipositas Grad l, Fettleber, und Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparates ohne relevantes neurologisches Defizit diagnostiziert. Aus neurologisch-psychiatrischer und internistischer Sicht sei ein arbeitstägliches Leistungsvermögen ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit von mindestens 6 Stunden als Arbeiterin und Reinigungskraft und entsprechend für anderweitige berufliche Tätigkeiten gegeben.

Mit Schreiben vom 21.09.2018 (Blatt 129/135 der Senatsakte) hat die Klägerin ausgeführt, die klinische Tätigkeit des Dr. P. liege bereits 25 Jahre zurück, die Tätigkeit als niedergelassener Arzt sei 2015 aufgegeben worden. Seitdem sei Dr. P. hauptsächlich mit der Begutachtung im Auftrag von Gerichten und Sozialversicherungsträgern befasst, bei denen er sich einer gewissen Beliebtheit erfreue, da seine Untersuchungen kurz und von überschaubarer Honorarabrechnung seien. Zwar komme Dr. P. nicht umhin, erhebliche Gesundheitsschäden anzunehmen, bagatellisiere aber die Beschwerden der HWS. Auch an der LWS würden keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen angenommen, um dann allerdings einzuräumen, dass radiologisch eine polysegmentale Bandscheibenschädigung mit erosiver Osteochondrose im Segment L5/S1 vorliege. Auch das Impingementsyndrom mit nachgewiesenem Olecranomsporn und Ruptur der Supraspinatussehne bestehe. Wie Dr. P. lediglich leicht oder geringfügige Funktionseinschränkungen ableite, werde aus seinem Gutachten nicht ersichtlich. Ohne eigenes Fachwissen habe der Gutachter auch ausgeführt, die Beurteilung des Leistungsvermögens durch Dr. F. sei unrichtig. Eine de lege artis durchgeführte Begutachtung hätte weitergehende Einschränkungen der Leistungsfähigkeit ergeben.

Mit Schreiben vom 01.10.2018 (Blatt 136/162 der Senatsakte) hat die Klägerin angegeben, Dr. P. habe nicht nur den Verdacht einer Somatisierungsstörung, sondern auch eine somatische Depression beschrieben. Er gehe daher von einer Erkrankung aus dem Formenkreis der Depressionen aus. Sie stehe ständig beim Orthopäden Dr. St. in Behandlung. Die erforderlichen Operationen habe sie noch nicht durchführen lassen aus Angst. Sie leide weiterhin an sehr starken Schmerzen. Die Beschwerden im Bereich der LWS beeinträchtigten das tägliche Leben noch schlimmer und seien absolut unerträglich, sodass sie eine spezifische Schmerztherapie bei Dr. P. aufgenommen habe. Auch sei sie der Empfehlung gefolgt und werde am 05.11.2018 die Wirbelsäule operieren lassen. Die häusliche Situation habe sich verschlimmert. Es sei ein vollkommener sozialer Rückzug in den häuslichen Bereich eingetreten, den sie krankheitsbedingt kaum noch verlasse. Dieser Ort habe seine schützende Funktion verloren, nachdem der Ehemann krankheitsbedingt sich im Wesentlichen zu Hause aufhalte. Der übermäßige Alkoholgenuss des Ehemannes und der daraus entstandene Konflikt mit ihrem Vater belasteten sie. Nur beiläufig habe Dr. S. ausgeführt, dass der Ehemann sie zweimal ins Gesicht geschlagen habe. Auch der Sohn gehe psychisch bedingt nicht mehr zur Schule, was sie belaste. Die von Dr. S. vorgenommene Einschätzung der Belastbarkeit als Reinigungskraft weiche von derjenigen des Dr. P. ab. Irgendeine nachvollziehbare Begründung sei dem Gutachten Dr. S. nicht zu entnehmen. Gutachten müssten dem Stand der Wissenschaft und den anerkannten Erfahrungswerten entsprechen. Diese gesicherten Erfahrungswerte seien in den Leitlinien der AWMF niedergelegt. Dr. S. habe die ab 01.01.2019 geltende Leitlinie SK2 mit der Registriernummer 051/029 nicht beachtet. Vielmehr sei das einzige in den Akten befindliche Dokument, das den bei einer Begutachtung zu beachtenden Vorgaben entspreche, das Gutachten des Dr. F ... Dr. S. habe nur eine kurze Befragung durchgeführt; Fragestellung und Gesprächsführung seien nicht einfühlend gewesen, sondern unangenehm. Das Anamneseinterview habe maximal 15 Minuten gedauert. Sie sei gefragt worden, ob sie sich das Leben nehmen wolle. Das sei nur als knappe Angabe in das Gutachten eingeflossen, ohne nähere Befassung mit der Problematik und den auslösenden Ereignissen. Dr. F. habe den Sachverhalt genauer gewürdigt und sorgfältig differenziert zwischen einer akuten Selbstmordgefahr, die er verneint habe, und einer chronischen Suizidalität, die festgestellt worden sei. Zwar habe Dr. S. seine Erhebungen im Rahmen des Gesprächs mit ihr in seinem Gutachten vermerkt, die Gliederung lasse aber nicht erkennen, dass die Begutachtung tatsächlich unter Anwendung der unterschiedlichen diagnostischen Zugangsweisen erstellt worden sein, wie diese nach der Leitlinie erforderlich seien. Der Gutachter hätte sich bemühen müssen, durch Fragen nähere Einzelheiten zu erfahren. Ungenau sei auch die Überprüfung der Medikation; richtig sei jedoch, dass sie Citalopram zuletzt drei Tage vor der Begutachtung eingenommen habe. Sie nehme aber die vom Schmerztherapeuten verschriebenen Mittel. Die Diagnose der schweren depressiven Episode sei von Dr. S. nicht fachgerecht überprüft worden. Diese sei daher nicht widerlegt. Schließlich könne Dr. S. nicht gefolgt werden, soweit er eine posttraumatische Belastungsstörung ablehne. Der Gutachter habe hier keine validen Prüfungsmaßnahmen durchgeführt. Mit Schreiben vom 02.10.2018 (Blatt 163/164 der Senatsakte) hat sich die Klägerin weiter geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2014 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Der Senat konnte feststellen, dass die Klägerin in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an 5 Tagen pro Woche (arbeitstäglich) zumindest 6 Stunden zu verrichten. Dabei hat sie zwar qualitative Leistungseinschränkungen zu beachten, diese führen aber nicht zu einer zeitlichen Reduzierung des Leistungsvermögens und auch nicht zu einer rentenlevanten Verengung der möglichen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Auch besteht keine Berufsunfähigkeit. Daher ist das Urteil des SG zutreffend und auch die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen weist der Senat darauf hin, dass der Bevollmächtigte der Klägerin zuletzt vorgetragen hatte, die Klägerin habe ihre geringfügige Tätigkeit zunehmend nicht mehr selbst ausführen können, vielmehr habe ihre Tochter die Tätigkeit zunehmend übernommen. Hat aber die Tochter die Tätigkeit übernommen, wäre zu prüfen, ob die Klägerin, die dann nicht gearbeitet haben will, überhaupt in den rentenrechtlichen Genuss der aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung resultierenden Pflichtbeitragszeiten kommt oder ob die Beitragszeiten nicht der Tochter zustehen. Das zu klären wäre aber Aufgabe der Beklagten, ggf. in einem Betriebsprüfungsverfahren, in dem dann auch zu prüfen wäre, ob der Arbeitgeber wegen der Beschäftigung der Tochter weitere Beiträge abzuführen hat, bzw. in einem Kontenklärungsverfahren über das Versicherungskonto der Klägerin. Für die vorliegende Entscheidung kommt es jedoch auf die Frage der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht maßgeblich an, weil der Senat die Berufung aus anderen Gründen als unbegründet zurückweist. Die Frage, ob unter den vom Klägerbevollmächtigten genannten Umständen noch eine dreijährige Pflichtbeitragszeit vor Eintritt der zuletzt behaupteten Erwerbsminderung ab 01.04.2016 festzustellen ist, kann der Senat daher offenlassen.

Soweit die Klägerin durch ihren Rechtsanwalt darauf hingewiesen hat, dass ihre Behandler der Meinung seien, sie könne keine Erwerbstätigkeit im rentenrechtlich erforderlichen Sinne mehr ausüben, so genügt dies im vorliegenden Verfahren nicht. So haben der behandelnde Orthopäde Dr. St. als auch die behandelnden Ärzte der J.-Diakonie M. , sowohl der Chefarzt Dr. L. als auch der zuständige Oberarzt Dr. S. und die zuständige Behandlerin Dr. C. , die bis zu ihrer Aussage beim SG vom Bevollmächtigten der Klägerin immer als hochqualifiziert und kompetent beschrieben worden waren, das Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf bis zu – mithin einschließlich – 6 Stunden bzw. auf 6 Stunden und mehr eingeschätzt. Lediglich der Hausarzt, Allgemeinmediziner S. , geht von einem geringeren Leistungsvermögen der Klägerin aus (vgl. seine sachverständige Zeugenaussage vom 25.09.2014).

Zu beachten ist auch, dass die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der begehrten Rente nach § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI die positive Feststellung der Erwerbsminderung – vorliegend durch den Senat – voraussetzt. Daher kommt es – anders als die Klägerin wohl annimmt - nicht darauf an, dass ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr bezüglich leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewiesen werden müsste. Vielmehr muss im Sinne des Vollbeweises vom Senat festgestellt werden, dass Erwerbsminderung vorliegt, also das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf weniger als 6 Stunden arbeitstäglich herabgesunken ist, die Klägerin also voll bzw. teilweise erwerbsgemindert ist

Der Senat konnte sich vorliegend nicht davon überzeugen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf weniger als 6 Stunden arbeitstäglich herabgesunken ist. Vielmehr konnte der Senat feststellen, dass die Klägerin zumindest leichte Tätigkeiten arbeitstäglich zumindest 6 Stunden ohne Gefährdung ihrer Gesundheit verrichten kann; dabei hat sie qualitative Einschränkungen zu beachten. Damit kann der Senat nicht zu seiner Überzeugung feststellen, dass die Klägerin voll bzw. teilweise erwerbsgemindert ist, weshalb die Beklagte auch nicht zur Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zu verurteilen war.

Grundlage dieser Überzeugung sind die vorliegenden Befundberichte und Angaben der behandelnden Ärzte sowie die Gutachten und der Reha-Bericht.

Insoweit kann aus den Angaben des Reha-Berichts aus dem Jahr 2012, den Angaben der behandelnden Ärzte Dr. St. , Dr. L. , Dr. S. und Dr. C. , den Verwaltungsgutachten von Dr. B. und Dr. R. L. , dem sozialgerichtlich eingeholten Gutachten von Dr. E. und den vom Senat eingeholten Gutachten von Dr. P. und Dr. S. entnommen werden, dass diese Ärzte die Klägerin ohne Gefährdung ihrer Gesundheit für in der Lage sehen, zumindest leichte Tätigkeiten für zumindest 6 Stunden an 5 Tagen pro Woche (arbeitstäglich) auszuüben. Lediglich der Allgemeinmediziner S. hat unter Verweis auf die psychiatrischen Erkrankungen ein Leistungsvermögen von weniger als 2 Stunden arbeitstäglich angenommen. Der nach § 109 SGG beauftragte Gutachter Dr. F. hat ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden arbeitstäglich angenommen.

Auf orthopädischem Fachgebiet konnte der Senat auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. P. und den Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. St. feststellen, dass bei der Klägerin ein myogenes Reizsyndrom der Halswirbelsäule, ein myogenes Reizsyndrom der Lendenwirbelsäule mit polysegmentalen Bandscheibenschäden, aktuell mit einer erosiven Osteochondrose im Segment L 5/S 1, ein Impingmentsyndrom der rechten Schulter bei Olecranonsporn und Ruptur der Supraspinatussehne, eine Epicondylopathie rechter Ellenbogen und eine initiale Rhizarthrose sowie der Verdacht auf initiales CTS an der rechten Hand besteht.

Bei der Untersuchung durch Dr. P. hatte sich die Klägerin mit einem flüssigen Gangbild innerhalb der Praxisräume bewegt; nach Teilentkleidung, bei der das getragene Unterhemd in im Wesentlichen normaler Weise mit zuerst zufassender rechter Hand über den Kopf gezogen und beim nachfolgendem Wiederankleiden ein entsprechender Einsatz der rechten Schulter zu beobachten war, konnte Dr. P. die typischen Gang- und Standformen, abgesehen von einer gelegentlich zu beobachtenden leichten Unsicherheit, seitengleich demonstriert erleben. Inspektorisch zeigte sich ein unauffälliger Habitus bei seitengleicher Bemuskelung der Extremitäten ohne erkennbare Fehlstellung des Achsenorgans. Bei der tastenden Untersuchung gab die Klägerin Schmerzen im Bereich von rechter Schulter, rechtem Ellenbogen, rechter Hand sowie insbesondere lumbal an. Darüber hinaus wurden auch leichte Schmerzen bei der Belastung der Kniegelenke im Bereich der medialen Kompartimente angegeben. Bei der Funktionsprüfung klagte die Klägerin über insbesondere bei der Seitdrehung auftretende Nackenschmerzen. Aus stehender Position heraus erfolgte keine Entfaltung der Lendenwirbelsäule, wobei im Langsitz dagegen die Fingerspitzen den Fußzehen bis auf 20 cm angenähert werden konnten, also eine deutliche Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule gezeigt wurde. Auf die Aufforderung zur Bewegung der rechten Schulter wurde unter Angabe durchgehend dabei auftretender Schmerzen eine deutlich eingeschränkte Funktion demonstriert (aktiv rückwärts/vorwärts: rechts 20/0/70o; links 30/0/160o); bei passiver Führung – worauf der Senat aber nicht maßgeblich abstellt - war ein nahezu der Gegenseite entsprechendes Bewegungsausmaß zu erzielen. Bei Druckschmerzangabe über dem Epicondylus humeri radialis fand Dr. P. keine Hinweise für eine manifeste Epicondylopathie (Tennisarm). Bei druckschmerzhaft angegebenem Daumensattelgelenk zeigten sich bei Dr. P. Untersuchung sämtliche Daumengelenke seitengleich frei beweglich und die typischen Griffformen beidseits uneingeschränkt demonstrierbar. Beim gekreuzten Händedruck erfolgte eine Minderinnervation rechts. Abgesehen von der Situation an der rechten Schulter und einem nach lumbal ausstrahlenden Bewegungsschmerz beider Hüften waren die großen und kleinen Gelenke von oberen und unteren Extremitäten seitengleich beweglich. Bei seitengleicher Berührungsempfindlichkeit an beiden oberen Extremitäten gab die Klägerin bei Dr. P. eine Empfindungsstörung an der linken Oberschenkelaußenseite an, wobei Dr. P. nicht sicher zwischen dem Vorliegen einer Meralgia paraesthetica oder einem sensiblen Wurzelreizsyndrom unterscheiden konnte. Sämtliche Muskeleigenreflexe, einschließlich der Achillessehnenreflexe, waren seitengleich prompt erhältlich. Die bei Dr. P. gefertigte Röntgenuntersuchung sowie die Auswertung der vorgelegten Fremdaufnahmen durch den Gutachter zeigte bei im Wesentlichen altersentsprechend normalem Befund der Halswirbelsäule polysegmentale Bandscheibenschäden lumbal mit einem Bandscheibenvorfall im lumbosakralen Übergangsegment und begleitender erosiver Osteochondrose. Die Röntgenaufnahmen der rechten Schulter zeigten im Wesentlichen einen Acromionsporn bei relativ geringer Einengung des Schulterdefilees bei kernspintomographisch nachweisbarer Supraspinatussehnenruptur. Die Röntgenaufnahmen der rechten Hand zeigten eine relativ gering ausgeprägte Rhizarthrose bei durchweg noch gut einsehbarem Gelenkspalt. Das restliche Handgelenk stellte sich unauffällig dar. An den unteren Extremitäten fanden sich keine pathologisch relevanten Einschränkungen der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke.

Zwar hat Dr. P. die Beschwerden der Klägerin teilweise dem Grunde nach für nachvollziehbar erachtet, jedoch auch ausgeführt, dass die beobachteten Bewegungsabläufe, insbesondere der Schulter, so z.B. beim Entkleiden, mit den angegebenen intensiven Beschwerden nicht in Einklang zu bringen war. Auch eine spezifische Behandlung, insbesondere in Form von Krankengymnastik und/oder elektrophysikalischen Maßnahmen oder einer, die NSAR-Medikation ergänzende Analgetikaversorgung war bisher nicht zur Anwendung gekommen. Dr. P. hat hier den Verdacht geäußert, dass zu wesentlichen Anteilen nicht somatische Ursachen den geklagten Beschwerden zugrunde liegen, sondern eine Somatisierungsstörung; letztere zu bewerten hat er dem psychiatrischen Fachgebiet überlassen.

Dr. P. hat ausgehend vom klinischen Befund und der Bildgebung die deutlich im Vordergrund stehenden Erkrankungen an der Lendenwirbelsäule und an der rechten Schulter als maßgebend für hieraus resultierende Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit insbesondere für schwere, aber bereits auch durchgehend mittelschwere körperliche Tätigkeiten sowie für über Kopfniveau zu erbringende Arbeiten beschrieben. Die ansonsten an der rechten oberen Extremität vorliegenden Befunde seien demgegenüber sehr viel geringer ausgeprägt. Die an Ellenbogen und rechter Hand vorliegenden Beschwerden seien einer adäquaten fachärztlichen/physiotherapeutisehen Behandlung gut zugänglich, so dass hieraus keine über die genannten Einschränkungen hinausgehende, insbesondere auch keine über 6 Monate andauernde Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit resultieren. Dr. P. hat ausgeführt, die Klägerin könne dagegen noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 5 kg, in Spitzen (maximal 5 x pro Tag) bis 10 kg, Tätigkeiten mit einem weitgehend selbstbestimmten Wechsel der Arbeitshaltung (Sitzen, Stehen, Gehen) ohne Gefährdung der Gesundheit ausüben. Zu vermeiden seien schwere und bereits durchgehend mittelschwere körperliche Arbeiten mit regelmäßigem Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, Tätigkeiten, die mit einem ständigen Drehen und/oder Wenden des Rumpfes verbunden sind, Arbeiten auf Leitern und/oder Gerüsten, Tätigkeiten, die in sogenannten Zwangshaltungen der Rumpfwirbelsäule zu erbringen sind, durchgehend kniende und/oder hockende Tätigkeiten, Tätigkeiten unter vermehrter Nässe- und/oder Kältebelastung. Im Hinblick auf seinen Verdacht einer Somatisierungsstörung hat Dr. P. auch Tätigkeiten mit ständigen Anforderungen an eine erhöhte Konzentration, mit ständigem Publikumsverkehr sowie Nachtschichtarbeiten für nicht zumutbar gehalten. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne, so Dr. P. , die Klägerin leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr an 5 Tagen pro Woche ausüben. Die Wegefähigkeit der Klägerin sah er aus orthopädisch-sozialmedizinischer Sicht nicht beeinträchtigt, was bei den von Dr. P. für den Senat überzeugend gestellten orthopädischen Diagnosen eines myogenen Reizsyndroms der Lendenwirbelsäule ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ohne radikulären Ausfälle sowie ohne pathologische Veränderungen der unteren Extremitäten für den Senat nachvollziehbar begründet ist.

Auch der Reha-Bericht aus dem Jahr 2012 beschreibt damit weitgehend übereinstimmend bei der Klägerin ein chronisch degeneratives WS-Syndrom, eine Belastungseinschränkung der rechten Hand bei Verdacht auf Rhizarthrose und muskuläre Dysbalancen. Der Reha-Bericht teilt weiter mit, dass sowohl im Schultergürtelbereich als auch im Lumbalbereich die Beschwerden der Klägerin aktuell als nozizeptives Geschehen einzuordnen gewesen seien, eine klassische Wurzelreizsymptomatik sei nicht gesehen worden. Die linksseitigen Glutealbeschwerden seien aber durchaus durch den nach kaudal umgeschlagenen Bandscheibenprolaps mit Stenose im Recessus S1 links erklärbar. Des Weiteren bestehe der Verdacht auf eine Rhizarthrose rechts mit einem entsprechenden Funktions- und Belastungsdefizit der rechten Hand. Im Sinne des positiven Leistungsbildes sei die Klägerin vollschichtig einsetzbar für körperlich leichte bis grenzwertig mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne länger dauernd einzunehmende WS- sowie auch HWS-belastende Zwangshaltungen. Des Weiteren problematisch seien wiederholte Greif- und Haltetätigkeiten im Bereich der rechten Hand.

Das Gutachten der Agentur für Arbeit vom 20.05.2011, dem sich der Reha-Bericht angeschlossen hatte, hatte eine Einschränkung der Belastbarkeit vornehmlich der Wirbelsäule und der Funktionsfähigkeit der rechten Hand gesehen. Vollschichtig seien leichte bis ungefähr hälftig mittelschwere Tätigkeiten möglich. Tätigkeiten mit ausschließlicher Zwangshaltung für die Wirbelsäule oder ständig monoton sich wiederholende Bewegungsabläufe für die Wirbelsäule unter Exposition von Nässe, Kälte und Zugluft seien ebenso wie Tätigkeiten mit häufigen Armvorhaltenotwendigkeiten oder Überkopfarbeiten nicht geeignet. Tätigkeiten mit wiederholten Greif-, Haltetätigkeiten im Bereich der rechten Hand seien nicht längerfristig zumutbar.

Auch Dr. St. hat keine weitergehenden Beeinträchtigungen mitgeteilt. Er hat eine Belastbarkeit für leichte Tätigkeiten von arbeitstäglich 6 Stunden und mehr bestätigt und lediglich angegeben, Arbeiten unter hoher Belastung der Wirbelsäule, besonders des Lendenbereiches, sowie der Schulter rechts und der Hände sollte vermieden werden, ebenso eine Arbeit unter Akkord, sowie unter Zwangshaltung. Darüber hinaus bestehe für Tätigkeiten leichterer Belastungsschwere eine Arbeitsfähigkeit auch über 6 Stunden hinaus.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat nicht feststellen, dass die orthopädischen Erkrankungen der Klägerin deren quantitatives (zeitliches) Leistungsvermögen auf arbeitstäglich weniger als 6 Stunden herabgemindert haben. Vielmehr konnte der Senat feststellen, dass die Klägerin unter Berücksichtigung dieser Erkrankungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Gefährdung ihrer Gesundheit arbeitstäglich (zumindest) 6 Stunden zu verrichten. Dabei hat sie die dargestellten, von Dr. P. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen zu beachten; eine besondere/spezifische Leistungseinschränkung resultiert auch nicht aus der eingeschränkten Greiffunktion der rechten Hand, weil insoweit nur wiederholte Greif- und Haltetätigkeiten, nicht die gewöhnliche Greif- und Haltebenutzung der Hand ausgeschlossen ist und damit nur repetitives Greifen und Halten zu vermeiden wäre, was aber kein unverzichtbares oder häufig vorkommendes Merkmal für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist. Damit sind beispielsweise leichte Sortierarbeiten, die in der Regel ein repetitives Greifen und Halten erfordern, ausgeschlossen, was aber nur einen geringen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes betrifft. Denn das BSG hat als leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen etc. (vgl. zuletzt BSG 09.05.2012 – B 5 R 68/11 R – SozR 4-2660 § 43 Nr. 18 = juris) angesehen; nicht alle dieser Tätigkeiten erfordern aber repetitives Greifen bzw. Halten. Normales Greifen und Halten ist der Klägerin aber möglich. Dieses Leistungsvermögen im Hinblick auf die orthopädischen Erkrankungen konnte der Senat zum Zeitpunkt der Antragstellung und seither durchgehend feststellen.

Soweit die Klägerin zuletzt vorgetragen hat, dass sich die Situation der orthopädischen Erkrankungen wesentlich verschlechtert habe, so hat sie über allgemeine Behauptungen hinaus nicht substantiiert dargelegt, was sich konkret verändert hat, sodass der Senat angesichts des Gutachtens von Dr. P. , dem auf der Grundlage der Untersuchung am 17.07.2018 ein sehr aktueller Befund zugrunde liegt, nicht verpflichtet war, ohne nähere Angaben der Klägerin und damit bloß ins Blaue hinein weitere Ermittlungen auf orthopädischem Fachgebiet anzustrengen.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, sie habe sich jetzt zu einer Operation der Wirbelsäule am 05.11.2018 entschlossen, weil die Schmerzen schlimmer geworden seien, bedeutet dies nicht, dass weiter zu ermitteln wäre. Denn weder ist insoweit eine Verschlimmerung der bisher schon bestehenden funktionellen Auswirkungen der Erkrankung dargetan – Operationsindikation liegt seit Jahren vor - noch ist zu erwarten, dass nach der Operation über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten eine rentenrechtlich relevante quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit verbleibt – die Operation wird ja gerade mit dem Ziel der Besserung durchgeführt, nicht der Verschlechterung.

Auf nervenärztlichem Fachgebiet konnte der Senat bei der Klägerin chronische depressive Verstimmungen reaktiver Genese bei den lebensgeschichtlichen Belastungen und der belastenden familiären Situation bzw. der Eheproblematik, einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit und Jugend sowie Probleme in der Ehe feststellen. Diese Überzeugung stützt der Senat auf das Gutachten von Dr. S ...

Der Senat konnte nicht feststellen, dass bei der Klägerin eine dauerhafte depressive Erkrankung vorliegt, die durchgehend einen schweren Ausprägungsgrad erreicht, mithin eine dauerhafte schwere Depression. Vielmehr hat auch Dr. F. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG einen schwankenden Verlauf der Erkrankung dargestellt. Auch seine Beurteilung der Erkrankung als "Episode" – mithin als eine zeitlich begrenzte, rückbildungsfähige psychische Störung (vgl. Pschyrembel online Stichwort "Episode") – zeigt, dass Dr. F. eine vorübergehende Erkrankung bzw. einen vorübergehenden Ausprägungsgrad angenommen hat. Zwar konnte der Senat auf der Grundlage der Berichte der J.-Diakonie M. , z.B. Arztbericht vom 13.01.2016, feststellen, dass zeitweilig schwere depressive Episoden bestanden hatten. So hat der Bericht vom 02.08.2013 noch eine mittelgradige depressive Episode und eine akute Belastungsreaktion beschrieben und der Bericht vom 30.01.2014 über die stationäre Behandlung vom 15.01.2014 bis 31.01.2014 eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome mit Verbesserung zum Entlasszeitpunkt. Bei der Begutachtung durch Dr. E. am 21.04.2015 war eine schwere depressive Episode nicht festzustellen, vielmehr eine mittelschwere Episode. Dr. L. hat dann mit Bericht vom 25.11.2015 für die Zeit der Aufnahme in die teilstationäre Behandlung vom 06.10.2015 bis zum 27.11.2015 wieder eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome angegeben, die Klägerin war in gebesserter Stimmungs- und Antriebslage entlassen worden, bei fortbestehender Grundproblematik (Ehe und Familie). Dies entspricht auch den Angaben im Bericht vom 13.01.2016 (" Im Weiteren besserte sich die depressive Symptomatik deutlich "). Dr. S. konnte bei seiner Begutachtung im Sommer 2018 keine schwere depressive Episode mehr feststellen. Auch Dr. B. und Dr. R. L. hatten keine solche feststellen können; sie hatten die Erkrankung als depressive Verstimmung einer Dysthymie eingeordnet, somit eine ausgeprägte Depression – damals – verneint. Soweit Dr. F. dann bei seiner Begutachtung eine schwere depressive Episode beschrieb, stellt das, wie er vor dem SG in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, keinen Dauerzustand dar, sondern wurde lediglich im Hinblick auf die schlimmste getroffene Diagnose als Anfangsdiagnose fortgeschrieben. In seiner Vernehmung durch das SG hat Dr. F. ausdrücklich das Schwanken auch der Depression beschrieben. Dennoch bleibe für ihn die Diagnose bestehen. Damit hat Dr. F. eine vorübergehende Erkrankung als Dauerzustand diagnostiziert, was nicht den Vorgaben der ICD 10 F32.2 entspricht – korrekt wäre wohl eine Diagnose aus der Rubrik unter ICD-10 F 33.- (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig Episode) gewesen – und damit nicht überzeugt. Auch Dr. S. hat in seinem Gutachten eine schwere und eine mittelschwere depressive Symptomatik aktuell verneint. Auch ist die Befunderhebung von Dr. F. nicht stimmig, da teilweise Befundtatsachen aus seiner explorativen Untersuchung der Klägerin nicht mit den Ergebnissen seiner Testdiagnostik sowie auch einzelne Testergebnisse nicht übereinstimmen und eine diesbezügliche nachvollziehbare gutachterliche Würdigung nicht vorgenommen wurde. So ergab der Beck Depressions-Inventar-Test einen Punktwert, der für eine schwere Ausprägung der depressiven Symptomatik spräche, was aber nicht ohne weiteres mit dem Ergebnis des SKID-II-Tests zu vereinbaren ist, der zwar eine depressive Persönlichkeitsstörung nahe liegende Auffälligkeit zeigte, die im anschließenden strukturierten Interview allerdings von Dr. F. eher einer Dysthymie zugeordnet werden konnten, was dem Testergebnis aus dem Beck Depression-Inventar-Test widerspricht, was Dr. F. aber nicht thematisiert. Ebenso wurde testdiagnostisch eine weit unterdurchschnittliche Konzentrationsleistung beschrieben, was mit dem durch die Exploration erhobenen psychischen Befund nicht korreliert. Während der persönlichen Exploration durch den Sachverständigen sei die Konzentrationsfähigkeit nämlich zunächst ausreichend gut erschienen, doch habe sie im Laufe der Untersuchung "nachgelassen". Soweit Dr. F. Antriebsminderung, eine stark reduzierte Schwingungsfähigkeit, Niedergeschlagenheit im Affekt sowie ausgeprägte Grübelneigung in seinem psychischen Befund angibt und den Tagesverlauf der Klägerin schildert, weicht er nicht von dem von Dr. E. erhobenen Befund ab, die hieraus aber nur eine mittelschwere depressive Episode ableitete. Merkmale einer gegenwärtigen schweren depressiven Episode wurden von Dr. F. daher auch aktuell nicht überzeugend für den Senat dargelegt. Soweit der Senat daher die Diagnose einer schweren depressiven Episode – wie von Dr. F. in seinem Gutachten angenommen und seiner Leistungsbeurteilung zugrunde gelegt – als Dauerzustand nicht zu seiner Überzeugung feststellen kann, kann er auch dem Gutachten Dr. F. nicht folgen. Aber selbst wenn man die Diagnose der schweren depressiven Episode in den von den Ärzten der J.-Diakonie M. mitgeteilten Zeiträumen annehmen wollte, ergäben sich keine Krankheitszustände, die länger als 6 Monate vorgelegen hatten, sodass daraus keine rentenrechtlich relevanten Leistungseinschränkungen folgen, lediglich Arbeitsunfähigkeit, was durch Dr. L. bestätigt wurde. Dazu passt, dass auch Dr. F. bei seiner Testung der Klägerin im SKID-II-Test eine Symptomatik erhoben hat, die er selbst "eher im Rahmen einer Dysthymie verstanden" haben will.

Der Senat konnte auch eine Posttraumatische Belastungsstörung nicht feststellen. Diese war zwar von Dr. F. im Gutachten angenommen worden, weil er die Klägerin für komplex traumatisiert hielt. Vor dem SG vernommen hat er aber ausgeführt, dass er diese Erkrankung lediglich dem Bericht der Klägerin entnommen habe. Das stellt aber keine ausreichende Grundlage zur leitliniengerechten Diagnostik einer solchen Erkrankung dar.

Nach ICD-10-GM F 43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind (vgl. zu den Voraussetzungen einer Posttraumatischen Belastungsstörung hierzu stellvertretend das Senatsurteil vom 20.10.2017 - L 8 U 2293/15 – nachgehend BSG 19.03.2018 – B 2 U 232/17 B – juris) das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallererinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Nach den Kriterien des DSM-IV-TR muss für die Anerkennung einer PTBS die Person mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert worden sein, bei dem die folgenden Kriterien vorhanden waren: (1) die Person erlebte, beobachtete oder war mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhalteten und (2) die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen (sog. A-Kriterium). Darüber hinaus muss das traumatische Ereignis beharrlich wiedererlebt werden (B-Kriterium) und Reize, die mit dem Trauma verbunden sind, müssen anhaltend vermieden werden (C-Kriterium). Hinzukommen müssen weitere Symptome wie z.B. Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen (D-Kriterium) und das Störungsbild muss länger als einen Monat andauern (E-Kriterium). Schließlich muss das Störungsbild in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen (F-Kriterium).

Insoweit hat Dr. S. zutreffend darauf hingewiesen, dass die Diagnosekriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung (vgl. Diagnoseschlüssel ICD-10 F 43.1 und DSM-V- PtBS) nicht erfüllt sind. Allein das Vorliegen von lebensgeschichtlichen Traumata bedinge nicht diese Diagnose. Intrusionen sind nicht berichtet. Es habe sich auch kein Anhalt für eine emotionale Stumpfheit oder Hypervigilanz ergeben (vgl. Senatsurteil vom 20.10.2017, a.a.O.). Damit sind die Kriterien B (Intrusionen = ungewollt wiederkehrende Erinnerung an belastende Erlebnisse oder Traumata, die durch einen Schlüsselreiz oder spontan ausgelöst während des Wachzustands, aber auch in Träumen auftritt; die Intensität reicht von Einzelerinnerungen bis zu Flashbacks, vgl. Pschyrembel online Stichwort "Intrusion") und D (Ein- und Durchschlafstörungen) nicht erfüllt, sodass mit Dr. S. und Dr. E. eine Posttraumatische Belastungsstörung nicht leitliniengerecht festgestellt werden konnte. Der Senat kann mithin nicht feststellen, dass eine solche Erkrankung tatsächlich vorliegt. Bestätigt sieht sich der Senat durch die Ausführungen der Behandler der J.-Diakonie M. , die trotz länger andauernder Behandlung und Kontakten mit der Klägerin über viele Jahre hinweg, durchgehend keine solche Erkrankung feststellen konnten, obwohl diesen die kindheitlichen/jugendlichen und auch die aktuellen familiären Belastungssituationen der Klägerin bekannt sind.

Der Senat konnte auch die z.B. von Dr. B. angenommene Diagnose einer (kombinierten) Persönlichkeitsstörung und einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren nicht mit Überzeugung feststellen. Dr. S. hat in seinem Gutachten unter Hinweis auf die Diagnosekriterien nach ICD 10: F 61.0, ICD 10: F 45.41 ausgeführt, dass die Diagnosekriterien einer Persönlichkeitsstörung mit einer deutlichen Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen, Denken sowie in den Beziehungen zu anderen Menschen als nicht erfüllt anzusehen sind; eine solche Diagnose hat auch Dr. F. im Übrigen nicht angenommen. Die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren konnte der Senat auch nicht zu seiner Überzeugung feststellen. Es liegen – wie der Senat auch unter Bezug auf das Gutachten von Dr. P. feststellen konnte – keine derart ausgeprägten orthopädischen bzw. körperlichen Leiden bei der Klägerin vor, wie sie als Erklärung einer chronifizierten bzw. chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren erforderlich wären, wie der Senat mit Dr. S. feststellen kann. Der Gutachter hat ausgeführt, dass zur Erklärung eines inhaltlichen Zusammenhanges vom Organbefund zur Schmerzchronifizierung und zu einer "chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren" aber die Verhältnismäßigkeit ein wesentliches Kriterium ist. Dieses ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Schmerz der Klägerin ist gerade nicht Leitsymptom bzw. wesentliches Symptom einer psychischen Erkrankung. Auch Dr. F. hat eine solche Leitsymptomatik nicht dargestellt. Die als Verdachtsdiagnose von Dr. P. fachfremd angenommene Somatisierungsstörung hat sich somit aus psychiatrischer Sicht nicht bestätigt.

Schlussendlich gilt aber, was Dr. S. zur Posttraumatischen Belastungsstörung dargelegt hatte, auch bei der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, nämlich, dass alleine die Diagnose an sich keine Minderung des zeitlichen Leistungsvermögens bedingt. Das ist auch der von der Klägerin über ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt ins Verfahren eingeführten AWMF-Leitlinie "Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankung" (Register-Nummer 051/029; im Internet: https://www.awmf.org/fileadmin/user upload/Leitlinien/051 D-Ges Psychosom Med u aerztliche Psychotherapie/051-029l S2k Konsultationsfassung Leitlinie 2018-08.pdf) in der Konsultationsfassung zu entnehmen. Dort heißt es (Seite 35 Ziffer 3.2.1.3 A3 Diagnosen): "Eine umfassende klinische Diagnostik mit Hilfe eines standardisierten klinischen Interviews (SKID, DIA-X o.ä.) erscheint nicht erforderlich, da der Begutachtungsschwerpunkt nicht auf eine umfassende Differentialdiagnostik abzielt, sondern auf der Beurteilung geminderter Leistungsfunktionen liegt. Psychologische oder psychodynamische Erklärungsmodelle der konkreten Störung sollten dann vorgenommen werden, wenn sie für die spezifische Problemstellung hilfreich und sinnvoll sind."

Zutreffend weist diese – bisher noch nicht geltende – Richtlinie, die aber - wie vom Klägerbevollmächtigten ausgeführt – keine Änderungen gegenüber früheren Leitlinien enthalten soll, darauf hin, dass es für die erwerbsminderungsrentenrechtliche Beurteilung nicht auf eine Diagnosestellung sondern die funktionellen Beeinträchtigungen von Erkrankungen im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit ankommt. Vorliegend konnte der Senat aber unter Berücksichtigung der zu seiner Überzeugung festgestellten Erkrankungen der Klägerin und unter zusätzlicher Annahme einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren nicht feststellen, dass psychische Erkrankungen oder Schmerzen das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf einen Umfang von weniger als 6 Stunden arbeitstäglich herabmindern. Vielmehr konnte sich der Senat davon überzeugen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, solche Tätigkeiten ohne Gefährdung ihrer Gesundheit arbeitstäglich zumindest 6 Stunden auszuüben.

Dr. S. hat bei seiner Untersuchung im psychopathologischen Befund keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung feststellen können. Die Klägerin, die tags zuvor vom Ehemann misshandelt worden war, war geistig gut flexibel. Kognitive oder mnestische Defizite relevanten Ausmaßes konnten nicht erhoben werden. Für eine hirnorganisch bedingte psychische Symptomatik ergab sich bei Dr. S. kein Anhalt. In der Grundstimmung wirkte die Klägerin niedergeschlagen, belastet, subdepressiv. Die affektive Resonanzfähigkeit war eingeschränkt und zum negativen Pol hin verschoben, aber nicht aufgehoben. Eine tiefgehende oder vitale depressive Stimmungslage lag nicht vor. Es ergab sich auch kein Anhalt für eine relevante Somatisierung. Für eine Persönlichkeitsstörung oder für eine sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung ergab sich in der Untersuchung bei Dr. S. ebenso kein ausreichender Hinweis. Das Elektroencephalogramm zeigte einen gut ausgeprägten Alpha-Grundrhythmus. Vigilanzschwankungen oder -minderungen lagen nicht vor. Die weiteren neurophysiologischen Untersuchungen waren sämtlich unauffällig. In Zusammenschau der Aktenlage, der Anamnese und der jetzt erhobenen Untersuchungsbefunde hat Dr. S. daher zutreffend die chronischen depressiven Verstimmungen reaktiver Genese in Form einer Dysthymia bei den lebensgeschichtlichen Belastungen und vor allem auch bei der aktuellen familiären bzw. ehelichen Problemen dargestellt. Der Ausprägungsgrad insgesamt der psychischen Symptomatik war zu seinem Untersuchungszeitpunkt als leicht bis mittel einzustufen, wobei die Klägerin nachvollziehbar an dem Untersuchungstag durch die körperliche Gewaltanwendung des Ehemanns am Vortag noch akut belastet war.

Dr. S. hat aus neurologisch-psychiatrischer und internistischer Sicht zumindest leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen in Tages- oder Früh-/Spätschicht für verrichtbar gehalten. Nachtschichtarbeit als psychogener Stressor sei zu vermeiden. Tätigkeiten mit vermehrt geistigen und psychischen Belastungen seien nicht leidensgerecht. Hierzu gehörten Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen. Das Umstellungs- und Anpassungsvermögen sei ausreichend gegeben. Auch das Verantwortungsbewusstsein sei nicht eingeschränkt. Tätigkeiten mit üblichem Publikumsverkehr seien möglich. Die Klägerin habe insoweit eine gute geistige Leistungsfähigkeit gezeigt. Sie sei geistig gut flexibel gewesen. Tätigkeiten mit vermehrt seelischen Belastungen seien nicht leidensgerecht, hierzu gehörten Tätigkeiten mit vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotential. Tätigkeiten unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen könne die Klägerin ohne Gefahr für ihre Gesundheit arbeitstäglich 6 Stunden verrichten.

Der Senat konnte sich im Hinblick auf die von den anderen Gutachtern Dr. B. , Dr. R. L. , Dr. E. und Dr. F. sowie Dr. P. mitgeteilten Befunde von der Richtigkeit dieser Leistungseinschätzung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überzeugen. Diese Überzeugung wird auch von den Ärzten der J.-Diakonie M. , also den behandelnden Ärzten, gestützt. Insbesondere konnte der Senat den anderen Gutachten und Arztauskünften keine Befunde entnehmen, die Zweifel an der Richtigkeit der Darlegungen des Gutachters Dr. S. aufkommen lassen. Soweit zeitweise, während Phasen schwerer depressiver Episoden, die Leistungsfähigkeit der Klägerin vorübergehend deutlich stärker beeinträchtigt war, so haben diese Episoden im vorliegend zu beurteilenden Zeitraum nie 6 Monate oder länger gedauert, sodass diese im Rahmen einer Arbeitsunfähigkeit noch nicht auf das rentenrechtliche Leistungsvermögen durchschlagen.

Der Senat konnte sich – insbesondere auch im Hinblick und besonderer Berücksichtigung der von der Klägerin angegebenen und den Gutachtern nachvollzogenen Schmerzen und biografischen sowie familiären Belastungen (sexueller und körperlicher Missbrauch seit der Kinderzeit) – davon überzeugen, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Dabei hat sie die dargestellten, von Dr. P. und Dr. S. angegebenen qualitativen Einschränkungen zu beachten. Dieses Leistungsvermögen ist im Hinblick auf den schwankenden Verlauf depressiver Erkrankungen mit den Gutachtern als Durchschnittsbetrachtung zu verstehen. Veränderungen i.S. von Verschlimmerungen im Rahmen der depressiven Episoden, mithin einer vorübergehenden Veränderung, ist mittels Arbeitsunfähigkeit Rechnung zu tragen. Diese führt aber nicht zu einer dauerhaften Erwerbsminderung.

Der Senat sieht sich in seiner Überzeugung, dass die Klägerin bei zumutbarer Willensanstrengung in der Lage ist, unter Berücksichtigung der von Dr. S. und Dr. P. dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen ohne Gefahr für ihre Gesundheit arbeitstäglich 6 Stunden leichte Tätigkeiten ausüben zu können, auch dadurch bestätigt, dass sie ihren Tagesablauf angemessen bzw. den Anforderungen entsprechend zu strukturieren vermag, auch bestehen keine Einschränkungen des Zeitmanagements. Auch liegen keine nachvollziehbaren, relevanten Störungen der sozialen Kompetenzen und der Alltagskompetenzen vor, zwar hat die Klägerin einen Rückzug in den häuslichen Bereich angegeben, teilt aber zugleich mit, sie habe versucht, den Sohn in die Schule zu begleiten, was aber nicht an ihren Erkrankungen sondern an der Erkrankung des Sohnes gescheitert ist. Zu den gutachterlichen Untersuchungen bei Dr. P. und Dr. S. ist sie jeweils alleine angereist. Eine weitgehende, objektivierbare bzw. ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit konnte der Senat nicht feststellen. Eine organisch bedingte vermehrte Erschöpfbarkeit konnten die Gutachter in den Gutachtensituationen nicht erkennen. Auch ein Summationseffekt der Beschwerden bedingt durch Leiden verschiedener Fachgebiete untereinander in dem Ausmaß, dass das zeitliche Leistungsvermögen eingeschränkt wäre, konnten die Gutachter Dr. P. und Dr. S. nicht darstellen und der Senat nicht feststellen. Das Gutachten von Dr. F. überzeugt hinsichtlich der abweichenden Leistungsbeurteilung nicht, denn schon dessen Diagnosestellung geht fehl, sodass seine auch hierauf gestützte Leistungsbeurteilung nicht überzeugen vermag.

Nachdem für die rentenrechtliche Beurteilung der Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht im ausgeübten Beruf maßgeblich ist, kommt der Umstand, dass Dr. P. die Klägerin als Arbeiterin und Reinigungskraft nicht mehr, Dr. S. dagegen noch für leistungsfähig erachtet, nicht an. Auch wenn diese unterschiedliche Beurteilung durch den jeweiligen Blick des Gutachters und seines Fachgebietes zu erklären sind, kommt es hierauf nicht an.

Der Senat konnte die Einwendungen der Klägerin gegen die Gutachten von Dr. P. und Dr. S. nicht als zutreffend feststellen. Zunächst stellen sich die pauschalen, auf die Person der jeweiligen Gutachter zielenden Anwürfe zum Ende einer klinischen bzw. ambulanten Tätigkeit, zu deren Honorarbasis usw. als bloße Provoaktionen der Gutachter dar – anders lassen sich die fachlich und sachlich unqualifizierten persönlichen Angriffe, die völlig ins Blaue hinein ohne konkreten Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit erhoben werden, nicht verstehen, sie passen aber zu den Einlassungen des Klägerbevollmächtigten zu den behandelnden Ärzten, die jeweils zunächst als "erfahren und kompetent" (so z.B. im Hinblick auf die Ärzte der J.-Diakonie M. vgl. Schreiben vom 15.01.2014) bezeichnet werden, um diese dann – wohl prozesstaktischen Überlegungen folgend und an deren Aussage orientiert -, wie es sonst eher nur von unvertretenen Klägern bekannt ist, nach deren Aussage gegenüber dem SG als eher ungeeignet (Schreiben vom 02.12.2014 zu den Aussagen der Ärzte der J.-Diakonie M. gegenüber dem SG) zu kritisieren.

Der Senat konnte im Übrigen feststellen, dass Dr. P. die Klägerin ausführlich untersucht, den Untersuchungsbefund umfassend dargestellt und gewürdigt hat. Er hat für den Senat eine widerspruchsfreie und schlüssige Begründung für seine Beurteilung gegeben, der sich der Senat zu seiner Überzeugung führend angeschlossen hat. Dabei hat der Senat und auch Dr. P. die Auswirkungen auf die alltägliche Teilhabe und Leistungsfähigkeit der Klägerin umfassend berücksichtigt. Insbesondere haben der Gutachter und der Senat die Auswirkungen auf die rentenrelevanten Erwerbstätigkeiten umfassend gewürdigt. Alleine, dass der Gutachter zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, als die Klägerin bzw. deren Bevollmächtigter es sich vorgestellt haben, macht das Gutachten nicht zu einem unverwertbaren Gutachten; vielmehr konnte der Senat bei dem von der Klägerin ausgewählten Gutachter Dr. F. bereits Mängel in der Diagnosestellung feststellen, die dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem SG deutlich offengelegt hat, sodass der Senat sich auch nicht in der Lage sah, dieser auf falschen Diagnosestellungen beruhenden Leistungseinschätzung zu folgen.

Soweit die Klägerin vorträgt, Dr. S. habe sie maximal 15 Minuten begutachtet, so folgt daraus nicht die Unverwertbarkeit des Gutachtens. Denn der Senat konnte mit den Angaben der Klägerin in deren Reisekostenabrechnung feststellen, dass der Begutachtungstermin bei Dr. S. von 9:40 Uhr bis 11:30 Uhr gedauert hat. Wesentliche Unterbrechungszeiten bei der Begutachtung hat die Klägerin nicht dargelegt. Angesichts der mehrere Seiten im Gutachten umfassenden "Anamnese nach Angaben" der Klägerin (vgl. Seite 6 bis 14 des Gutachtens) mit Wiedergabe zahlreicher Einzelheiten zu verschiedenen Aspekten (Aktuelle Beschwerden, Eigenanamnese, Familienanamnese etc.) lässt sich die von der Klägerin angegebene Dauer der Exploration mit nur 15 Minuten nicht nachvollziehen; zumal die Darlegungen im Gutachten erkennbar eine gedrängte Wiedergabe des tatsächlichen Umfangs und Inhalts der Exploration ist, sodass sich die Behauptung einer bloß kurzen Untersuchung als reine unsubstantiierte "Schutzbehauptung" darstellt, die den Senat nicht überzeugt.

Auch die inhaltlich geltend gemachten Mängel des Gutachtens Dr. S. konnte der Senat nicht feststellen. Zutreffend weist die Klägerin auf die Qualitätsstandards bei der Begutachtung hin, will aber solche Standards bereits angewendet sehen, obwohl die von ihr bezeichnete Leitlinie noch gar nicht in Kraft getreten ist. Im Hinblick auf die derzeit geltenden Qualitätsmaßstäbe konnte der Senat aber die behaupteten Umstände und Fehler nicht feststellen. Aber auch im Hinblick auf die von der Klägerin herangezogene Leitlinie (a.a.O.) konnte der Senat keine Fehler bei der Begutachtung durch Dr. S. feststellen. Sowohl Aufbau als auch Inhalt des Gutachtens entsprechen den Leitlinien. Soweit die Klägerin z.B. auf eine von Dr. S. diskutierte Aggravation bzw. Simulation abstellt, ist der von der Klägerin benannten Leitlinie zu entnehmen (Seite 74 zu Ziffer 3.2.5.2), dass die historisch gewachsene Unterscheidung von Verdeutlichungstendenz und Aggravation bislang nur konzeptioneller Art sei. Sie sei bislang nicht eindeutig operationalisiert, und es gebe keine empirischen Belege dafür, dass bewusstseinsnahe Aggravation und Verdeutlichungstendenz in der Praxis ausreichend zuverlässig und valide unterschieden werden könnten. Soweit sie dann darauf hinweist (vgl. Seite 74 der Leitlinie), dass Verdeutlichungsverhalten als ein Element der Gestaltung interpersoneller Beziehungen sich im Unterschied zur Aggravation gehäuft auch außerhalb des gutachterlichen Kontexts etwa gegenüber Angehörigen beobachten lasse, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sei es auch kulturell unterschiedlich stark ausgeprägt, so war es gerade Aufgabe des Gutachters Dr. S. unter Berücksichtigung der kulturellen Herkunft der Klägerin, deren Vortrag kritisch zu prüfen.

Nach Ziffer 3.2.6.1 der von der Klägerin genannten Leitlinie, dort Seite 86 ff., ist bei Begutachtungen im Kontext von Rentenanträgen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu beurteilen, inwieweit der zu Begutachtende den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprechen kann. Nach den Ausführungen der Richtlinie geht es um die Beurteilung der konkreten Leistungsfähigkeit in Bezug auf das spezifische Anforderungsprofil der Tätigkeit. Bei Begutachtungen im Kontext von Rentenanträgen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist zu beurteilen, inwieweit der zu Begutachtende den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprechen kann (Seite 86 der Richtlinie). Im Rahmen von Berufsunfähigkeitsbegutachtungen ist demgegenüber das Ausmaß an Beeinträchtigungen in der Teilhabe am Erwerbsleben bzw. für die konkrete berufliche Tätigkeit festzustellen. Des Weiteren ist in der Leitlinie ausgeführt, dass bei der Gesamtbeurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eine Integration der Leistungsfähigkeit des zu Begutachtenden für die einzelnen Aufgabenbereiche vorgenommen werden muss. Soll nicht die aktuelle Leistungsfähigkeit bewertet werden, sondern die zu erwartende berufliche Leistungsfähigkeit im nächsten halben Jahr, muss die Beurteilung der Aktivitätsressourcen oder –einschränkungen deren wahrscheinliche Entwicklung in diesem Zeitraum berücksichtigen; dabei sind insbesondere auch potenzielle Veränderungen durch die Teilnahme an therapeutischen oder rehabilitativen Maßnahmen zu berücksichtigen. Ausgehend vom Aktivitätenrating werden die Fähigkeiten entsprechend des Fähigkeitsstatus des zu Begutachtenden (Ausmaß an Beeinträchtigungen auf der Ebene der Aktivitäten) auf das berufsspezifische Anforderungsprofil übersetzt. Damit wird das Ausmaß an aktueller Partizipation bzw. der aktuellen beruflichen Leistungsfähigkeit erfasst (Seite 87).

Diesen Maßstäben ist das Gutachten von Dr. S. gerecht geworden. Er hat die Gesundheitsstörungen der Klägerin herausgearbeitet und die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen schlüssig dargelegt. Er hat die Erkrankungen und funktionellen Beeinträchtigungen in den Kontext der beruflichen Anforderungen für Tätigkeiten des allgemeienne Arbeitsmarktes gesetzt und eine Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit abgegeben. Der Senat konnte diese Beurteilung als schlüssig und widerspruchsfrei erkennen; Dr. S. hat dabei auch die Belastungen der Klägerin durch sexuellen Missbrauch in der Kinder- und Jugendzeit sowie die Belastungen durch den Ehemann und die familiäre Situation ausreichend gewürdigt und deren gesundheitlichen Auswirkungen in Beziehung zu den Anforderungen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gesetzt. Dagegen konnte der Senat im Gutachten von Dr. F. feststellen, dass dieser bereits die Gesundheitsstörungen unzutreffend beschrieben hat, sodass die auch hierauf beruhende Leistungseinschätzung des Dr. F. nicht überzeugen konnte.

Soweit Falschdarstellungen im Gutachten von Dr. S. , z.B. im Hinblick auf die Einnahme von Medikamenten, angegeben werden, muss der Senat feststellen, dass diese Behauptungen falsch sind. Dr. S. hat genau das, was die Klägerin angegeben hatte, nämlich zuletzt vor drei Tagen das Antidepressivum Citalopram eingenommen zu haben, in seinem Gutachten berücksichtigt. Auch soweit die Klägerin mit Schreiben vom 02.10.2018 anführt, Dr. S. habe sich auf die bloße Angabe "sehr widriger Umstände in der Ursprungsfamilie" gestützt und damit kein Interesse an den Umständen gezeigt, behauptet die Klägerin falsches. Denn Dr. S. hat nicht nur die Misshandlungen durch den Ehemann aktuell und in der Vergangenheit dargestellt und in seine Beurteilung mit einbezogen, vielmehr hat er auch das Verhältnis der Klägerin innerhalb der Familie zu ihren Eltern und Geschwistern, vor allem den sexuellen Missbrauch unter Geschwistern zu Lasten der Klägerin thematisiert und berücksichtigt.

Insgesamt konnte der Senat unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen feststellen, dass die Klägerin in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte Tätigkeiten arbeitstäglich 6 Stunden und mehr auszuüben; sie hat dabei die von Dr. P. und Dr. S. dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zu beachten. Dieses vollschichtige Leistungsvermögen besteht bezogen auf den Zeitpunkt des Rentenantrages sowie seither ununterbrochen; die Phasen schwerer depressiver Episoden haben sich auf den Umfang bloßer Arbeitsunfähigkeit beschränkt und den Zeitraum von 6 Monaten nicht erreicht. Insoweit führen auch weder körperliche und seelische Erkrankungen und Behinderungen zu einer zeitlichen, also quantitativen Limitierung des Leistungsvermögens noch ergibt sich aus den qualitativen Leistungseinschränkungen einzeln oder in Kombination eine solche zeitliche (quantitative) Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes. So liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die trotz zeitlich nicht relevant eingeschränktem Leistungsvermögen eine rentenrechtliche Erwerbsminderung annehmen lassen. So ist die Klägerin auch in der Lage, 4-mal täglich Wegstrecken von jeweils 500 Metern zurückzulegen und zu Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, wie der Senat auf der Grundlage der eingeholten Gutachten feststellen konnte. Die Klägerin ist damit nicht erwerbsgemindert, sie hat daher keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI.

Einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht der 1971 geborenen Klägerin, auch wenn der Gutachter Dr. P. angegeben hatte, sie könne ihren Beruf nicht mehr zumutbar ausüben, schon aus Rechtsgründen nicht zu (§ 240 Abs. 1 SGB IV).

Konnte der Senat damit nicht feststellen, dass die Klägerin i.S.d. § 43 SGB VI voll bzw. teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig i.S.d. § 240 Abs. 1 SGB VI ist, hat diese keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben zusammen mit den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).

Der Senat war daher weder auf Antrag noch von Amts wegen verpflichtet, weitere Ermittlungen anzustellen oder die gerichtlich bestellten Sachverständigen ergänzend zu befragen. Den im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Klägerbevollmächtigten gestellten Hilfsbeweisanträge ist daher nicht nachzukommen gewesen.

Der unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 21.09.2018 gestellte Hilfsantrag auf Einholung eines orthopädischen-unfallchirurgischen Gutachtens ist deshalb abzulehnen gewesen, weil Dr. P. für den Senat eine überzeugende Leistungsbeurteilung, insbesondere auch eine überzeugende Beurteilung der Wegefähigkeit aus orthopädischer Sicht abgegeben hat, wie oben dargelegt worden ist. Darüber hinaus benennt der Hilfsbeweisantrag auch keinen konkreten zu bestimmenden Arzt als Sachverständigen, so dass auch kein formgültiger Beweisantrag vorliegt. Dem weiteren Hilfsantrag, Dr. P. unter Vorlage des Schriftsatzes vom 21.09.2018 ergänzend zu hören, höchsthilfsweise ihn zur mündlichen Verhandlung zu laden, ist ebenfalls nicht stattzugeben gewesen. Nach § 202 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO kann das Gericht das Erscheinen des Sachverständigen zur Erläuterung des schriftlichen Gutachtens oder auch eine schriftliche Erläuterung der Ergänzung des Gutachtens anordnen. Dies setzt voraus, dass sich aus dem schriftlichen Gutachten Unklarheiten ergeben, die durch eine ergänzende mündliche oder schriftliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zu klären sind. Solche Unklarheiten sind vom Klägerbevollmächtigten weder substantiiert dargelegt worden noch waren solche für den Senat ersichtlich. Dr. P. hat seine Leistungsbeurteilung und die Beurteilung der Wegefähigkeit im schriftlichen Gutachten begründet. Hinsichtlich der schmerzbedingten Beeinträchtigungen hat er darauf verwiesen, dass dies in einem psychiatrisch-neurologischen Gutachten geklärt werden müsse. Soweit der Klägerbevollmächtigte auf eine angebliche fachfremde Fehlbeurteilung des orthopädischen Sachverständigen im Gutachten verweist, ist dies dem Gutachten gerade nicht zu entnehmen, wie oben dargelegt. Aufklärungsbedürftige Lücken des schriftlichen Gutachtens sind damit nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden.

Der weitere in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag unter Bezugnahme auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 01.10.2018 einen anderen Sachverständigen zu den von Dr. S. beantworteten Beweisfragen zu hören, ist bereits kein formgültiger Beweisantrag, da ein konkreter Arzt, der als Sachverständiger bestellt werden soll, nicht benannt ist. Dem Beweisersuchen war auch nicht als Beweisanregung von Amts wegen nachzukommen, denn die vom Klägerbevollmächtigten in dem unter Bezug genommenen Schriftsatz behaupteten Mängel des Gutachtens von Dr. S. sind, wie oben dargelegt, nicht gegeben. Das Gutachten hat bereits zur vollen Überzeugungsbildung des Senats beigetragen. Die höchsthilfsweise beantragte ergänzende Anhörung im Sinne von § 411 Abs. 3 ZPO kann ebenfalls rechtlich nicht verlangt werden. Dr. S. war nicht zum Termin zu laden, um sein Gutachten zu erläutern. Die Klägerin hat insoweit keine weiter zu klärenden Fragen vorgetragen, sondern lediglich die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens (dazu vgl. oben) behauptet. Das stellt aber auch aus ihrer Sicht (vgl. BSG 16.06.2016 – B 13 R 119/14 B – juris) keinen Grund dar, den Gutachter zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden. Das jedem Beteiligten zustehende Recht, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet, soll es dem Antragsteller erlauben, im Rahmen des Beweisthemas die Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um hierdurch zumindest auf die Grundlagen der als solche nicht überprüfbaren gerichtlichen Beweiswürdigung Einfluss nehmen zu können, unabhängig davon, ob das Gericht selbst ein Gutachten für erläuterungsbedürftig hält (BSG 16.06.2016 – B 13 R 119/14 B – juris). Da aber die Klägerin selbst nicht vorgetragen hat, inwieweit sie das Gutachten für erläuterungsbedürftig hält, war der Gutachter nicht in der mündlichen Verhandlung zu hören. Ihm war auch nicht der Schriftsatz der Klägerin vom 01.10.2018 vorzulegen, er war auch nicht mittels einer ergänzenden Stellungnahme zu hören. Denn insoweit hat die Klägerin keine Fragen aufgeworfen, die der Gutachter bisher noch nicht beantwortet hätte. Selbst wenn die von der Klägerin gestellte Frage, der Gutachter Dr. S. solle zum Beweis der Tatsache gehört werden, dass das Gutachten die von ihr gerügten Mängel aufweise, als wahr unterstellt würde, ergäbe sich daraus weder die Richtigkeit der Beurteilung von Dr. F. noch die Überzeugung des Gerichts, dass die Klägerin nur noch unter 6 Stunden arbeitstäglich leistungsfähig ist. Das Gutachten von Dr. S. war auch nicht Dr. F. zur ergänzenden Stellungnahme vorzulegen. Dieser Gutachter des SG-Verfahrens war vom SG bereits in der mündlichen Verhandlung gehört worden. Insoweit hat die Klägerin über ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt Gelegenheit gehabt, sich mit Frage an den vorinstanzlichen Gutachter nach § 109 SGG zu wenden. Das Recht auf ergänzende Anhörung des Sachverständigen nach § 411 Abs. 3 ZPO kann auch im Berufungsverfahren für den Sachverständigen geltend gemacht werden, der erstinstanzlich ein schriftliches Gutachten erstattet hat. Dies betrifft die Fälle, dass eine eigentlich in der Vorinstanz gebotene Anhörung unterlassen und deswegen in der Berufungsinstanz nachzuholen ist oder eine erneute Anhörung aus Sachgründen geboten ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 411 Rn. 5 m.w.N.) Aber auch insoweit hat die Klägerin keine Fragen formuliert, die Dr. F. vorzulegen wären; insbesondere ist nicht dargelegt, welche Punkte, die nicht bereits bei der persönlichen Anhörung von Dr. F. durch das SG geklärt worden sind, mit dem Gutachten von Dr. S. inhaltlich neu aufgeworfen und mit den gutachterlichen Feststellungen und Beurteilungen von Dr. F. jetzt erstmals abzuklären wären. Die bloße Angabe, die erneute Befragung des Gutachters der ersten Instanz werde ergeben, dass die von ihm getroffenen Feststellungen und darauf gegründeten Beurteilungen zutreffend seien, ist keine Frage zum Tatsachenbeweis, sondern zielt auf eine Beeinflussung der Beweiswürdigung. Darauf, den vorinstanzlichen Gutachter zu diesem Zweck zu hören, besteht aber kein Anspruch, auch nicht nach § 109 SGG. Vielmehr hat der Senat im Rahmen der alleine ihm zukommenden Beweiswürdigung die Tatsachen festzustellen. Die vom Senat vorzunehmende Beweiswürdigung als solche ist aber nicht als solche tauglicher Gegenstand einer Beweisaufnahme. Damit war aber auch Dr. F. nicht zur Erläuterung seines erstinstanzlichen Gutachtens zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu laden.

Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, hilfsweise die beantragten Gutachten bzw. die ergänzende schriftliche oder persönliche Anhörung von Dr. P. , Dr. S. und Dr. F. nach § 109 SGG einzuholen, war ebenfalls abzulehnen. Abgesehen davon, dass auch für einen Antrag nach § 109 SGG die Benennung eines konkreten Sachverständigen erforderlich ist, waren die Einzelanträge nach § 109 SGG auf Gutachtenserstattung und ergänzende Anhörung der Sachverständigen bereits nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Durch die Einholung der Gutachten und/oder der ergänzenden Anhörung der genannten Sachverständigen hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, denn der Senat hätte nicht im Termin über die Berufung durch Urteil entscheiden können.

Die Anträge nach § 109 SGG sind nicht innerhalb angemessener Frist gestellt worden, was auf grober Nachlässigkeit beruht. Eine grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und nicht getan wird, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 109 Anm. 11). Es entspricht keiner ordnungsgemäßen Prozessführung, wenn ein Beteiligter erkennen muss, dass vom Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt werden, er gleichwohl nicht innerhalb einer Frist von einem Monat, was in der Regel als angemessene Überlegungsfrist anzusehen ist (vgl. Keller, a.a.O. § 109 Rdnr. 11; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. stellvertretend Senatsbeschluss vom 13.04.2011 – L 8 U 2125/10 –, unveröffentlicht), einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 109 SGG stellt. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers war mit richterlicher Verfügung vom 22.08.2018 mitgeteilt worden, dass nach Vorlage der von Amts wegen eingeholten Gutachten kein Anlass für weitere Ermittlungen bestehe und die Sache für entscheidungsreif gehalten werde. Auch aus der in der Verfügung enthaltenen Anfrage, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe, musste sich für den Klägerbevollmächtigten eine Terminierungsvormerkung ergeben. Diese richterlichen Hinweise vom 22.08.2018 hat der Klägerbevollmächtigte ausweislich seines Schreibens vom 12.09.2018 auch erhalten. Bei dieser Ausgangslage hätte sich dem Bevollmächtigten der Klägerin aufdrängen müssen, dass ein etwa beabsichtigter Antrag nach § 109 SGG in angemessener Frist, d.h. bis spätestens Ende September 2018 erfolgen muss. Der Antrag nach § 109 SGG auf Bestellung eines anderen Gutachters anstelle von Dr. S. , auf ergänzende Anhörung von Dr. S. bzw. Dr. F. wurde jedoch erst in Folge der zwischenzeitlich erfolgten Terminierung (Terminsbestimmung vom 06.09.2018) mit Fax vom 01.10.2018 und damit nach Ablauf einer angemessenen Frist gestellt. Dies gilt auch für die anderen Anträge nach § 109 SGG. Die weiteren hilfsweise gestellten Anträge nach § 109 SGG, in denen auf den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 21.09.2018 Bezug genommen wird, sind erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellt worden, denn der Schriftsatz vom 21.09.2018 enthält zwar die vom Kläger zitierten vorrangigen Beweisanträge, denen von Amts wegen nachzukommen sei, doch die in diesem Zusammenhang nachrangigen Hilfsanträge nach § 109 SGG sind im Schriftsatz nicht gestellt worden, sondern erstmals in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift beantragt worden. Damit sind auch diese Anträge aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden. Hierzu hätte auch Gelegenheit bestanden, denn wie der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 12.09.2018 ausgeführt hat, wollte er nach Durchführung eines Besprechungstermins mit der Klägerin unter ausführlicher Erörterung der Gutachten eine Äußerungsfrist bis 21.09.2018 haben, der er dann auch mit Schriftsatz vom 21.09.2018 nachgekommen ist. Es ist nicht ersichtlich, weshalb in diesem Schriftsatz kein Antrag nach § 109 SGG gestellt worden ist. Darüber hinaus dürfte die mit dem Antrag nach § 109 SGG begehrte ergänzende Anhörung der Sachverständigen aus den oben genannten Gründen auch inhaltlich keine Beweiserhebung nach § 109 SGG rechtfertigen, wenn substanziell keine aufklärungsbedürftigen Lücken der bisherigen Gutachten vorgetragen sind. Insoweit reicht auch für den Antrag nach § 109 SGG nicht aus, dass ein anderes Gutachtensergebnis angestrebt wird.

Die Berufung der Klägerin war daher in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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