L 9 AS 3261/18 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3261/18 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anträge des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die formgerecht gestellten Anträge des Antragstellers im am 10.09.2018 eingegangenen Schreiben des Antragstellers vom 02.09.2018, gerichtet auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, bleiben ohne Erfolg. Der Senat legt dabei zugrunde, dass der Kläger mit den gestellten Eilanträgen begehrt, außerhalb des anhängigen Berufungsverfahrens vorab Entscheidungen des Senats im Sinne der gestellten "Eilanträge" zu erlangen. Dieses Begehren bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Anträge entweder bereits unzulässig oder aber nicht begründet sind.

Für die gestellten Anträge kommt zunächst – abgesehen von den Anträgen betreffend der durch Verwaltungsakt ersetzten Eingliederungsvereinbarungen – eine einstweilige Anordnung in Betracht.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist neben einem Anordnungsanspruch, also dem materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht, ein Anordnungsgrund. Darunter ist die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu verstehen. Dem Antragsteller muss es unzumutbar sein, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG ist § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden, weswegen die Verpflichtung besteht, den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Der Senat ist für die vom Kläger gestellten Anträge das Gericht der Hauptsache nur insoweit, als eine Berufung des Antragstellers gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart (SG) anhängig ist. Diese Berufung (L 9 AS 883/18) richtet sich gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 31.01.2018, welchem die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt vom 07.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2017 (eine durch Verwaltungsakt ersetzte Eingliederungsvereinbarung mit einer Gültigkeit vom 07.04.2017 bis 07.10.2017, vgl. Niederschrift im Verfahren vor dem SG vom 28.09.2017) und die Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung eines Darlehens zur Gründung einer Zeitung im Rahmen von Eingliederungsleistungen zugrundeliegen.

Soweit der Antragsteller sich mit seinen Eilanträgen direkt an das Landessozialgericht wendet und Heizkosten für 2015 bis Herbst 2016 verlangt (Eilantrag 3.1.1 im Schreiben vom 02.09.2018), sich gegen die Ablehnung von Leistungen im Jahr 2015 wendet und die Zahlung von 9.500 EUR verlangt (Eilantrag 3.1.2), die Erstattung von Bewerbungskosten (Eilantrag 3.1.3), die Erstattung der Kosten für ein digitales Fernsehgerät vorab (Eilantrag 3.1.4) und die Erstattung der Kosten einer Reparatur einer Wasserleitung verlangt (Eilantrag 3.1.5), sind die Anträge schon deshalb unzulässig, weil dem Landessozialgericht hierfür keine erstinstanzliche Entscheidungszuständigkeit zukommt (vgl. § 29 SGG). Andere Rechtsgründe, die eine solche Zuständigkeit ausnahmsweise begründen könnten, sind für die hier streitig gestellten Sachverhalte nicht ersichtlich. Von einer Verweisung sieht der Senat ab, da ein Anordnungsanspruch (eine ablehnende aber noch nicht bestandskräftige Entscheidung durch den Antragsgegner sowie eine Anspruchsgrundlage) sowie die oben beschriebene besondere Dringlichkeit, hierüber vorab und außerhalb eines Hauptsacheverfahrens zu entscheiden, nicht dargetan und glaubhaft gemacht sind.

Darüber hinaus gilt Folgendes:

Zum Eilantrag 1:

Dem Eilantrag Ziffer 1 lässt sich kein vollstreckungsfähiger Antrag entnehmen. Soweit der Antragsteller eine rechtsverbindliche Mitteilung begehrt, wie er sich gegen Rechtsbrüche und dergleichen des Jobcenters Landkreis B. erwehren kann, ist er darauf hinzuweisen, dass das Gericht nicht zu einer Rechtsberatung befugt ist, sondern grundsätzlich auf Klage bzw. nach Einlegung eines Rechtsmittels über die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Behörde zu entscheiden hat. Insoweit lassen sich dem Vortrag des Antragstellers weder konkrete Entscheidungen noch justiziable Handlungen des Antragsgegners entnehmen, die einer Überprüfung durch den Senat zugänglich wären.

Zum Eilantrag 2a:

Das Landessozialgericht hat keine Befugnis durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. § 105 SGG bezieht sich auf das erstinstanzliche Verfahren. Eine Zuständigkeit des Senats, erstinstanzlich (und abschließend) zu entscheiden ist nicht ersichtlich (siehe hierzu bereits die Ausführungen oben). Es fehlt auch hier an einem vollstreckungsfähigen Antrag. Der Antrag ist auch nicht schlüssig. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb der Antragsteller gehindert sein soll, einen rechtsverbindlichen Arbeitsvertrag abzuschließen. Weder die genannten Maßnahmen zur Wiedereingliederung noch die Aufforderung, Eigenbemühungen zu belegen, verhindern die Aufnahme einer Beschäftigung. Die Schlussfolgerungen des Antragstellers bezüglich eigenen strafbaren Handelns oder eines strafbaren Handelns eines potentiellen Arbeitgebers bei einer Einstellung des Antragstellers teilt der Senat nicht. Soweit der Antragsteller Weiterbildungskurse und eine Unterstützung für einen "selbstständigen Arbeitsplatz" begehrt, ist der Antrag zudem auch deshalb unzulässig, weil weder die konkrete(n) Maßnahme(n) bezeichnet ist/sind, noch eine konkrete Ablehnung einer begehrten Maßnahme durch den Antragsgegner dargetan wird. Der Antrag dürfte sich nach Ablauf der vom Antragsteller vorgegebenen Frist ohnehin durch Zeitablauf erledigt haben.

Zum Eilantrag 2b:

Soweit der Antragsteller durch Gerichtsbescheid entschieden haben will, ihm Verdienstausfall als Schadensersatz zuzusprechen, gelten die oben gemachten Ausführungen entsprechend. Ein Antrag auf eine vorläufige Entscheidung im Rahmen eines Antrages auf Gewährung einstweiligen, also vorläufigen Rechtsschutzes vermag der Senat dem Schreiben nicht zu entnehmen. Sofern der Kläger das Schadensersatzbegehren auf § 839 Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i. V. m. Art. 34 Grundgesetz (GG) stützen sollte, wären hierfür nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, sondern gemäß Art. 34 Satz 3 GG, § 17 Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ausschließlich die Zivilgerichte zuständig. Ein Ausnahmefall, der dem Senat über die Bindungswirkung des § 17a Abs. 5 GVG als Rechtsmittelgericht eine eigene Kompetenz geben könnte, über den Amtshaftungsanspruch zu entscheiden, liegt nicht vor. Denn das SG hat keine "Entscheidung in der Hauptsache" i. S. v. § 17a Abs. 5 GVG über einen Amtshaftungsanspruch getroffen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten wäre insoweit mithin unzulässig.

Zum Eilantrag 4:

Unzulässig ist auch der Eilantrag 4, mit dem der Antragsteller begehrt, sämtliche gegen ihn verhängte, durch Verwaltungsakt ersetzte Eingliederungsvereinbarungen unverzüglich für ungültig zu erklären. Der Senat ist nicht befugt, Entscheidungen des Jobcenters, die nicht oder erfolglos mit Rechtsmitteln angefochten sind und deswegen zwischen den Beteiligten bindend geworden sind (§ 77 SGG) aufzuheben oder auch nur vorläufig außer Vollzug zu setzen. Der Senat hat zudem keine Befugnis, dem Jobcenter Landkreis B. vorzuschreiben, wie es mit dem Antragsteller in Kontakt zu treten hat. Sofern der Antragsteller Akteneinsicht in die bei der Behörde geführten Akten begehrt, bedarf es hierfür keines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, sondern lediglich eines Antrages beim Jobcenter. Eine Verweigerung der Akteneinsicht kann gerichtlich überprüft werden. Gegenstand des beim Senat anhängigen Rechtsstreits ist allein der Bescheid vom 07.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2017 mit dem der Antragsgegner eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt hat. Nachdem dieser Eingliederungsvereinbarung nur eine Gültigkeit vom 07.04.2017 bis 07.10.2017 zukommt, hat sich diese bereits durch Zeitablauf erledigt. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hiergegen im Sinne der allein in Betracht kommenden Anordnung einer aufschiebenden Wirkung von Klage und Berufung (§ 86b Abs. 1 SGG) ist insoweit nicht ersichtlich, da Rechtspositionen des Antragstellers durch die Anordnung nicht mehr verbessert würden. Es ist daher im anhängigen Berufungsverfahren zu klären, ob für eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Rechtsmittels, ggfs. im Sinne einer Fortsetzungsfeststellungsklage, bestehen kann. Soweit der Antragsteller auch auf eine "Fortschreibung der Eingliederungsvereinbarung" per Verwaltungsakt im Juni 2018 verweist, ist diese nicht Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens und sind Einwendungen hiergegen wegen einer fehlenden erstinstanzlichen Zuständigkeit des Senats nicht in zulässigerweise in dem hier anhängigen Verfahren geltend zu machen.

Zum Eilantrag 5 (und 3.1.6):

Soweit der Antragsteller begehrt, seinen "beiden Zeitungsanträgen" stattzugeben und ihm die entsprechenden Geldmittel zuzuweisen, liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. die Ausführungen oben) ebenfalls nicht vor. Unabhängig davon, dass der Senat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des SG in dem mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheid bzw. des Antragsgegners im Widerspruchsbescheid vom 22.06.2017 auch Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs hat, da die Entscheidung im Ermessen des Antragsgegners steht und daher nur begrenzt gerichtlich überprüfbar ist, liegen keine Gründe für die Annahme vor, dass eine besondere Dringlichkeit einer Entscheidung für vorläufige Leistungen außerhalb des anhängigen Berufungsverfahrens und vor Abschluss desselben besteht. Eine solche lässt sich auch nicht mit dem Schreiben vom 06.09.2018 begründen, worin der Antragsteller auf eine existentielle, unter Umständen lebensbedrohliche Notlage hinweist. Insoweit verweist der Antragsteller zum einen auf eine Situation in den Monaten Juni, Juli und August 2017 bzw. Januar 2018 und verschweigt, dass er vom Antragsgegner derzeit uneingeschränkt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitslosengeld II) bezieht und sein Lebensunterhalt dadurch gesichert ist. Anderes hat er weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Die hier streitigen Leistungen beziehen sich darüber hinaus nicht auf den Ausgleich eines Kontokorrents, sondern auf eine Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit durch die Gewährung eines Darlehens. Die Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung kann daher nicht mit bestehenden Schulden gegenüber einem Bankinstitut begründet werden, sondern muss sich auf Nachteile, die mit der Ablehnung und dem Zuwarten einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache zusammenhängen, begründet sein. Solche Gründe dürften gerade mit Blick darauf, dass es sich insoweit nicht um Leistungen handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht (sondern nur im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers stehen) nur in Ausnahmefällen vorliegen.

Der Antrag war daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved