Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 124/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 322/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hat der Versicherte einen geregelten Facharbeiterberuf und sodann einen rein innerbetrieblichen Aufstieg genommen, der auf Berufserfahrungen und unstreitigen fachlichen Qualifikationen beruht, so berechtigt diese berufliche Position kein Abweichen vom Grundsatz der abstrakten Schadensbewertung bei Bemessung der MdE.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 13. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Höhe der Verletztenrente.
Der am ...1944 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben zunächst eine Lehre als Spengler und Installateur absolviert. Vom Abschluss seiner Wehrdienstzeit bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben war er bei ein und derselben Rohrbaufirma beschäftigt. Etwa zwei bis drei Jahre nach dem Beschäftigungsbeginn absolvierte er einen Vorarbeiterlehrgang, der etwa vier Wochen dauerte. In den Jahren 1969 oder 1970 besuchte er einen Lehrgang für die Ausbildung zum Hilfsschachtmeister für die Dauer von etwa drei bis vier Monaten. Nach etwa fünf Jahren Hilfsschachtmeistertätigkeit wurde er nach einer innerbetrieblichen Prüfung von seinem Arbeitgeber zum Schachtmeister ernannt. Eine Prüfung vor dem Ausschuss der Industrie- und Handelskammer fand nicht statt. Nach dem Entgeltnachweis seines Arbeitgebers vom 30.01.1992 verdiente der Kläger in der Zeit vom 17.12.1990 bis 16.12.1991 brutto DM 58.083,00, hinzu kam Kurzarbeitergeld in Höhe von DM 4.522,00.
Neben laufenden Behandlungsberichten holte die Beklagte zunächst ein Gutachten von dem Orthopäden Dr ..., Klinik Bavaria in Schaufling vom 29.07.1993 ein. Dessen Diagnosen lauteten: Posttraumatische Femurkopfnekrose rechts und initiale Coxarthrose links bei Zustand nach konservativ behandelter Hüftluxationsfraktur und Acetabulumfraktur beidseits, posttraumatische Gonarthrose rechts nach osteosynthetisch versorgter erstgradig offener Tibiakopfdepressionsfraktur rechts mit knöchernem Intercondylenhöckerausriss und Zerquetschung Ligamentum patellae rechts, Rekonstruktion. Die dadurch beeinträchtigte Erwerbsfähigkeit betrage 50 Grad. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Versicherte leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig im Wechselrhythmus ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Klettern oder Steigen durchführen.
Da das Gutachten aus Sicht der Beklagten verschiedene Mängel aufwies, holte sie ein weiteres Gutachten von dem Chirurgen Dr ..., München, vom 14.01.1994 ein. Dieser führte im Ergebnis aus, der Kläger habe sich bei dem Unfall zunächst eine allgemeine Körperprellung mit einer Gehirnerschütterung zugezogen, einen linksseitigen Schlüsselbeinbruch, einen Strecksehnenriss am linken Mittelfinger, Schürfwunden an der rechten Hand und am rechten Knie, einen Verrenkungsbruch des rechten Hüftgelenkes, einen Spaltbruch der linken Hüftpfanne und einen medialen Schienbeinkopfbruch rechts. Schon im Rahmen der ersten Arbeitsunfähigkeitsphase seien die Gehirnerschütterung, der Schlüsselbeinbruch links, der Strecksehnenabriss am linken Mittelfinger, alle Schürfungen und der Spaltbruch seitens des linken Hüftgelenkes folgenlos ausgeheilt. Insofern würden keinerlei Beschwerden mehr geäußert, von gewissen, nicht recht objektivierbaren Überlastungsbeschwerden am linken Hüftgelenk abgesehen. Am rechten Hüftgelenk bestehe ein rasch fortschreitender Aufbrauchschaden des ganzen Hüftgelenkknorpels. Als Folgen des Unfalls bestünden noch: Eine stärkere Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenkes in leichter Außendrehkontraktur, eine letztgradige Streck- und stärkere Beugehemmung des rechten Kniegelenkes (eine Bewegungseinschränkung habe nicht vorbestanden), ein geringer Teil des Verschleißschadens des rechten Kniegelenkes und der zweitgradigen, anteromedialen Rotationsinstabilität, der größte Teil der Muskelminderung des rechten Beines, die Minderung der Sohlenverschwielung rechts, eine starke Geh- und Stehbehinderung, die röntgenologische Kalksalzverarmung des rechten Beinskelettes und glaubhafte subjektive Beschwerden. Die MdE hierfür betrage 40 v.H ... Dabei sei davon auszugehen, dass der Befund am rechten Hüftgelenk mit 30 % in Ansatz zu bringen sei und der Befund am rechten Kniegelenk mit 20 %. In funktioneller Hinsicht ergebe sich am rechten Bein eine gewisse Überlagerung, so dass die Gesamt-MdE bzw. die MdE überhaupt eben nur mit 40 % in Ansatz gebracht werden könne. Zurückblickend sei die MdE um 40 v.H. bereits ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 12.04.1993 anzunehmen. Für die Zeit vom 02.11.1992 bis 11.04.1993 sei eine MdE um 50 v.H. anzunehmen. Eine mitarbeitende Funktion am Bau werde der Versicherte sicher nie mehr ausüben können.
Mit Bescheid vom 04.03.1994 gewährte die Beklagte Dauerrente und zwar für die Zeit vom 02.11.1992 bis 12.04.1993 nach einer MdE um 50 v.H. und ab da nach einer MdE um 40 v.H.
Der Kläger legte hierzu Widerspruch ein. Die behandelnden Orthopäden Dr ... und Dr ..., Cham, äußerten u.a., die MdE sei zu niedrig angesetzt, sie betrage mindestens 60 bis 70 v.H.
Die Beklagte holte weiter laufende Behandlungsberichte und ein Gutachten von dem Chirurgen Dr ..., Krankenhaus Dritter Orden München, vom 20.03.1996 ein, wo dem Kläger während eines stationären Aufenthalts vom 28.09. bis 18.10.1995 eine zementfreie Hüft-TEP rechts implantiert worden war. Dieser kam im Wesentlichen zu dem Ergebnis, als Dauerschaden bleibe eine einsteifende sekundärarthrotische Coxarthrose rechts sowie eine chronische Kniegelenksinstabilität mit ebenfalls deutlich sekundärarthrotischen Veränderungen bestehen. An der festgelegten Minderung der Erwerbsfähigkeit ab dem 02.11.1992 solle man festhalten, diese Einschätzung sei entsprechend den Befundbeschreibungen der Aktenlage realistisch. Der derzeitige Zustand des rechten Hüftgelenkes bedinge eine MdE um 30 v.H., der Schaden im Bereich des rechten Kniegelenkes unter Berücksichtigung des Vorschadens bedinge eine MdE um 20 v.H. Der Versicherte könne noch sämtliche Arbeiten, die im zeitlichen Wechsel von Sitzen und Stehen erfolgten, verrichten. Eine sitzende Tätigkeit könne vollschichtig erledigt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren begehrte der Versicherte eine Verletztenrente nach einer MdE um 60 v.H. Das Sozialgericht holte ein Gutachten von dem Orthopäden Dr ..., Schwarzach, vom 04.01.1996 ein, der zu dem Ergebnis kam, derzeit bestehe eine funktionstüchtige Hüftendoprothese bei einer guten Funktion und einem röntgenologisch stabilen Einbau. Die MdE hierfür sei mit 30 v.H. einzuschätzen, da jede Hüftendoprothese, auch wenn sie klinisch und funktionell gut funktioniere, doch eine erhebliche Belastung bedeute. Betrachte man die in den Akten dokumentierten Funktionsbeeinträchtigungen, so sei für das Hüftgelenk von einer MdE um 30 v.H. bis zur Implantation der Endoprothese auszugehen. Der Beurteilung des Dr ... bezüglich der Gesamt-MdE von 50 v.H. könne für den betreffenden Zeitraum sicherlich gefolgt werden. Von seiten des rechten Kniegelenkes, das bei dem Unfall ebenfalls erheblich verletzt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass hier bereits 1979 ein Unfall stattgefunden habe, der damals zu einer Verletzung des Innenbandes, des vorderen Kreuzbandes und des Innenmeniskus geführt habe. Dieses Kniegelenk sei zweifellos vorgeschädigt, wie auch die Röntgenbefunde vom Unfalltag zeigten (beginnende mediale degenerative Veränderungen). Der Unfall habe somit ein vorgeschädigtes Gelenk betroffen und die jetzt bestehenden Folgen könnten nicht alleine dem Unfall angelastet werden. Wenn man die Vorschädigung berücksichtige, so sei eine MdE um 20 v.H. allein für die Unfallfolgen sicherlich ausreichend und angemessen. Die Gesamt-MdE betrage 40 v.H. Das Gutachten des Dr ... mit einer MdE um 50 v.H. erscheine aufgrund der damals erhobenen Befunde und der Funktionsbeeinträchtigungen als nicht korrekt.
In der Folge kam es zu einem Streit darüber, ob eine am 25.02.1997 erklärte Klagerücknahme rechtswirksam geworden sei. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 28.04.1997, mit dem festgestellt wurde, dass die Klage zurückgenommen worden sei, hob das Bayer. Landessozialgericht mit Urteil vom 11.03.1998 auf.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.07.1998 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und auf die Gründe der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen Bezug genommen.
Mit der dagegen eingelegten Berufung begehrt der Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. Er ist der Meinung, dass seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten als Schachtmeister im Tiefbau, die nunmehr unfallbedingt nicht mehr verwertet werden könnten, eine Höherbewertung der MdE rechtfertigten. Im Übrigen hält er eine höhere Bewertung der einzelnen Gesundheitsstörungen im Rahmen des geltenden Bewertungsspielraumes für möglich und beanstandet die seiner Meinung nach nicht ausreichende Berücksichtigung der Schmerzsituation. Gleichzeitig hatte der Kläger bei der Beklagten die Änderung der angefochtenen Bescheide beantragt. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 13.06.1997 und auf den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.1997 den Antrag als unbegründet abgelehnt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Chirurgen Prof.Dr ..., Universitätsklinik Ulm. Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 05.10.1999 unter Berücksichtigung der Vorbefunde, der Vorgeschichte und des aktuellen Zustandes zu den gleichen Ergebnissen wie die Sachverständigen Dr ... und Dr ...
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 13.07.1998 sowie den Bescheid vom 04.03.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.1996 und den Bescheid vom 13.06.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.1997 aufzuheben bzw. abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. über den 12.04.1993 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Regensburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Für die Entschädigung maßgebliches Recht sind auch im Berufungsverfahren die Vorschriften der RVO, da der Unfall vor dem 01.01.1997 geschehen ist und Leistungen vor diesem Zeitraum geltend gemacht werden (§ 212, 214 Abs.3 SGB VII).
So weit es den rein medizinischen Sachverhalt betrifft, steht dem Kläger eine höhere Rente, als sie von der Beklagten gewährt wurde, nicht zu. Das ergibt sich aus den Gutachten des Dr ..., des Dr ... und des Prof.Dr ... Eine abweichende gutachterliche Einschätzung findet sich nur in dem Gutachten des Dr ... vom 29.07.1993, das von den übrigen Sachverständigen, auch nach Überzeugung des Senats zu Recht, als unzureichend und in der Bewertung nicht zutreffend angesehen wird.
Auch der Kläger stellt dieses Ergebnis nicht begründet in Frage. Einwendungen, die fachmedizinisch oder rechtlich begründet wären, hat er nicht vorgetragen. Abgesehen davon, dass die behauptete Möglichkeit der Höherbewertung nicht nachvollziehbar substantiiert ist, würde sie noch nicht den Schluss auf die Rechtswidrigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Bewertung zulassen.
Ein Anspruch auf eine höhere Verletztenrente kann auch nicht aus § 581 Abs.2 RVO hergeleitet werden. Die Vorschrift bestimmt, dass bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen sind, die der Verletzte dadurch erleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, so weit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen werden, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann. Allerdings läßt diese unfallversicherungsrechtliche Regelung keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit zu. Ein die Höherbewertung der MdE rechtfertigender Nachteil liegt dann vor, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung einer unbilligen Härte sind insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch der Umstand anzusehen, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistet hat (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr.1). Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen Umständen des Einzelfalles kann sich eine höhere Bewertung der MdE ergeben, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann. Die einzelnen Umstände des jeweiligen Falles dürfen dabei nicht isoliert, sondern nur in ihrer Gesamtheit beurteilt werden.
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Tatsache, dass der Kläger nach dem unfallbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit den Leistungen aus der Rentenversicherung und aus der Unfallversicherung finanziell nicht schlechter abgesichert ist, als bei einer Fortführung der Erwerbstätigkeit und damit ein wirtschaftlicher Härtefall gar nicht vorliegt (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr.8). Es fehlt bereits an einer beruflichen Position, die es rechtfertigen würde, zum Ausgleich eines Härtefalles von der generell anzuwendenden abstrakten Bewertung der Unfallfolgen abzuweichen. Das Vorliegen der besonderen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen ist unabdingbares Merkmal des § 581 Abs.2 RVO. Es kann, wenn die Bewertung der Unfallfolgen nicht grundsätzlich bezogen auf den jeweils ausgeübten Beruf erfolgen soll, nur dann vorliegen, wenn der betreffende Beruf aus der Masse der Berufe im Arbeitsleben herausgehoben ist. Für die Einkommensverhältnisse des Klägers trifft dies jedenfalls nicht zu. Es trifft aber auch nicht für die berufliche Qualifikation zu. Zusammengefasst für die über 25-jährige Berufslaufbahn des Klägers ergibt sich, dass er einen geregelten Facharbeiterberuf erlernt hat und sodann einen rein innerbetrieblichen Aufstieg genommen hat. Dieser Aufstieg basierte auf der Berufserfahrung auf der einen Seite und verhältnismäßig kurzfristigen fachlichen Qualifikationen. Weder ist er damit über die Position eines innerbetrieblichen Vorarbeiters hinaus gelangt, noch hat er weitere staatlich geregelte Qualifikationen erreicht. Der Kläger hat damit lediglich eine fachliche und berufliche Position erlangt, wie sie in breiten Bereichen des Arbeitslebens nach langjähriger Berufserfahrung üblich sind. Ein Abweichen vom Grundsatz der abstrakten Schadensbewertung ist im vorliegen Fall deshalb nicht veranlasst.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Höhe der Verletztenrente.
Der am ...1944 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben zunächst eine Lehre als Spengler und Installateur absolviert. Vom Abschluss seiner Wehrdienstzeit bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben war er bei ein und derselben Rohrbaufirma beschäftigt. Etwa zwei bis drei Jahre nach dem Beschäftigungsbeginn absolvierte er einen Vorarbeiterlehrgang, der etwa vier Wochen dauerte. In den Jahren 1969 oder 1970 besuchte er einen Lehrgang für die Ausbildung zum Hilfsschachtmeister für die Dauer von etwa drei bis vier Monaten. Nach etwa fünf Jahren Hilfsschachtmeistertätigkeit wurde er nach einer innerbetrieblichen Prüfung von seinem Arbeitgeber zum Schachtmeister ernannt. Eine Prüfung vor dem Ausschuss der Industrie- und Handelskammer fand nicht statt. Nach dem Entgeltnachweis seines Arbeitgebers vom 30.01.1992 verdiente der Kläger in der Zeit vom 17.12.1990 bis 16.12.1991 brutto DM 58.083,00, hinzu kam Kurzarbeitergeld in Höhe von DM 4.522,00.
Neben laufenden Behandlungsberichten holte die Beklagte zunächst ein Gutachten von dem Orthopäden Dr ..., Klinik Bavaria in Schaufling vom 29.07.1993 ein. Dessen Diagnosen lauteten: Posttraumatische Femurkopfnekrose rechts und initiale Coxarthrose links bei Zustand nach konservativ behandelter Hüftluxationsfraktur und Acetabulumfraktur beidseits, posttraumatische Gonarthrose rechts nach osteosynthetisch versorgter erstgradig offener Tibiakopfdepressionsfraktur rechts mit knöchernem Intercondylenhöckerausriss und Zerquetschung Ligamentum patellae rechts, Rekonstruktion. Die dadurch beeinträchtigte Erwerbsfähigkeit betrage 50 Grad. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Versicherte leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig im Wechselrhythmus ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Klettern oder Steigen durchführen.
Da das Gutachten aus Sicht der Beklagten verschiedene Mängel aufwies, holte sie ein weiteres Gutachten von dem Chirurgen Dr ..., München, vom 14.01.1994 ein. Dieser führte im Ergebnis aus, der Kläger habe sich bei dem Unfall zunächst eine allgemeine Körperprellung mit einer Gehirnerschütterung zugezogen, einen linksseitigen Schlüsselbeinbruch, einen Strecksehnenriss am linken Mittelfinger, Schürfwunden an der rechten Hand und am rechten Knie, einen Verrenkungsbruch des rechten Hüftgelenkes, einen Spaltbruch der linken Hüftpfanne und einen medialen Schienbeinkopfbruch rechts. Schon im Rahmen der ersten Arbeitsunfähigkeitsphase seien die Gehirnerschütterung, der Schlüsselbeinbruch links, der Strecksehnenabriss am linken Mittelfinger, alle Schürfungen und der Spaltbruch seitens des linken Hüftgelenkes folgenlos ausgeheilt. Insofern würden keinerlei Beschwerden mehr geäußert, von gewissen, nicht recht objektivierbaren Überlastungsbeschwerden am linken Hüftgelenk abgesehen. Am rechten Hüftgelenk bestehe ein rasch fortschreitender Aufbrauchschaden des ganzen Hüftgelenkknorpels. Als Folgen des Unfalls bestünden noch: Eine stärkere Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenkes in leichter Außendrehkontraktur, eine letztgradige Streck- und stärkere Beugehemmung des rechten Kniegelenkes (eine Bewegungseinschränkung habe nicht vorbestanden), ein geringer Teil des Verschleißschadens des rechten Kniegelenkes und der zweitgradigen, anteromedialen Rotationsinstabilität, der größte Teil der Muskelminderung des rechten Beines, die Minderung der Sohlenverschwielung rechts, eine starke Geh- und Stehbehinderung, die röntgenologische Kalksalzverarmung des rechten Beinskelettes und glaubhafte subjektive Beschwerden. Die MdE hierfür betrage 40 v.H ... Dabei sei davon auszugehen, dass der Befund am rechten Hüftgelenk mit 30 % in Ansatz zu bringen sei und der Befund am rechten Kniegelenk mit 20 %. In funktioneller Hinsicht ergebe sich am rechten Bein eine gewisse Überlagerung, so dass die Gesamt-MdE bzw. die MdE überhaupt eben nur mit 40 % in Ansatz gebracht werden könne. Zurückblickend sei die MdE um 40 v.H. bereits ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 12.04.1993 anzunehmen. Für die Zeit vom 02.11.1992 bis 11.04.1993 sei eine MdE um 50 v.H. anzunehmen. Eine mitarbeitende Funktion am Bau werde der Versicherte sicher nie mehr ausüben können.
Mit Bescheid vom 04.03.1994 gewährte die Beklagte Dauerrente und zwar für die Zeit vom 02.11.1992 bis 12.04.1993 nach einer MdE um 50 v.H. und ab da nach einer MdE um 40 v.H.
Der Kläger legte hierzu Widerspruch ein. Die behandelnden Orthopäden Dr ... und Dr ..., Cham, äußerten u.a., die MdE sei zu niedrig angesetzt, sie betrage mindestens 60 bis 70 v.H.
Die Beklagte holte weiter laufende Behandlungsberichte und ein Gutachten von dem Chirurgen Dr ..., Krankenhaus Dritter Orden München, vom 20.03.1996 ein, wo dem Kläger während eines stationären Aufenthalts vom 28.09. bis 18.10.1995 eine zementfreie Hüft-TEP rechts implantiert worden war. Dieser kam im Wesentlichen zu dem Ergebnis, als Dauerschaden bleibe eine einsteifende sekundärarthrotische Coxarthrose rechts sowie eine chronische Kniegelenksinstabilität mit ebenfalls deutlich sekundärarthrotischen Veränderungen bestehen. An der festgelegten Minderung der Erwerbsfähigkeit ab dem 02.11.1992 solle man festhalten, diese Einschätzung sei entsprechend den Befundbeschreibungen der Aktenlage realistisch. Der derzeitige Zustand des rechten Hüftgelenkes bedinge eine MdE um 30 v.H., der Schaden im Bereich des rechten Kniegelenkes unter Berücksichtigung des Vorschadens bedinge eine MdE um 20 v.H. Der Versicherte könne noch sämtliche Arbeiten, die im zeitlichen Wechsel von Sitzen und Stehen erfolgten, verrichten. Eine sitzende Tätigkeit könne vollschichtig erledigt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren begehrte der Versicherte eine Verletztenrente nach einer MdE um 60 v.H. Das Sozialgericht holte ein Gutachten von dem Orthopäden Dr ..., Schwarzach, vom 04.01.1996 ein, der zu dem Ergebnis kam, derzeit bestehe eine funktionstüchtige Hüftendoprothese bei einer guten Funktion und einem röntgenologisch stabilen Einbau. Die MdE hierfür sei mit 30 v.H. einzuschätzen, da jede Hüftendoprothese, auch wenn sie klinisch und funktionell gut funktioniere, doch eine erhebliche Belastung bedeute. Betrachte man die in den Akten dokumentierten Funktionsbeeinträchtigungen, so sei für das Hüftgelenk von einer MdE um 30 v.H. bis zur Implantation der Endoprothese auszugehen. Der Beurteilung des Dr ... bezüglich der Gesamt-MdE von 50 v.H. könne für den betreffenden Zeitraum sicherlich gefolgt werden. Von seiten des rechten Kniegelenkes, das bei dem Unfall ebenfalls erheblich verletzt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass hier bereits 1979 ein Unfall stattgefunden habe, der damals zu einer Verletzung des Innenbandes, des vorderen Kreuzbandes und des Innenmeniskus geführt habe. Dieses Kniegelenk sei zweifellos vorgeschädigt, wie auch die Röntgenbefunde vom Unfalltag zeigten (beginnende mediale degenerative Veränderungen). Der Unfall habe somit ein vorgeschädigtes Gelenk betroffen und die jetzt bestehenden Folgen könnten nicht alleine dem Unfall angelastet werden. Wenn man die Vorschädigung berücksichtige, so sei eine MdE um 20 v.H. allein für die Unfallfolgen sicherlich ausreichend und angemessen. Die Gesamt-MdE betrage 40 v.H. Das Gutachten des Dr ... mit einer MdE um 50 v.H. erscheine aufgrund der damals erhobenen Befunde und der Funktionsbeeinträchtigungen als nicht korrekt.
In der Folge kam es zu einem Streit darüber, ob eine am 25.02.1997 erklärte Klagerücknahme rechtswirksam geworden sei. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 28.04.1997, mit dem festgestellt wurde, dass die Klage zurückgenommen worden sei, hob das Bayer. Landessozialgericht mit Urteil vom 11.03.1998 auf.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.07.1998 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und auf die Gründe der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen Bezug genommen.
Mit der dagegen eingelegten Berufung begehrt der Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. Er ist der Meinung, dass seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten als Schachtmeister im Tiefbau, die nunmehr unfallbedingt nicht mehr verwertet werden könnten, eine Höherbewertung der MdE rechtfertigten. Im Übrigen hält er eine höhere Bewertung der einzelnen Gesundheitsstörungen im Rahmen des geltenden Bewertungsspielraumes für möglich und beanstandet die seiner Meinung nach nicht ausreichende Berücksichtigung der Schmerzsituation. Gleichzeitig hatte der Kläger bei der Beklagten die Änderung der angefochtenen Bescheide beantragt. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 13.06.1997 und auf den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.1997 den Antrag als unbegründet abgelehnt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Chirurgen Prof.Dr ..., Universitätsklinik Ulm. Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 05.10.1999 unter Berücksichtigung der Vorbefunde, der Vorgeschichte und des aktuellen Zustandes zu den gleichen Ergebnissen wie die Sachverständigen Dr ... und Dr ...
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 13.07.1998 sowie den Bescheid vom 04.03.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.1996 und den Bescheid vom 13.06.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.1997 aufzuheben bzw. abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. über den 12.04.1993 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Regensburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Für die Entschädigung maßgebliches Recht sind auch im Berufungsverfahren die Vorschriften der RVO, da der Unfall vor dem 01.01.1997 geschehen ist und Leistungen vor diesem Zeitraum geltend gemacht werden (§ 212, 214 Abs.3 SGB VII).
So weit es den rein medizinischen Sachverhalt betrifft, steht dem Kläger eine höhere Rente, als sie von der Beklagten gewährt wurde, nicht zu. Das ergibt sich aus den Gutachten des Dr ..., des Dr ... und des Prof.Dr ... Eine abweichende gutachterliche Einschätzung findet sich nur in dem Gutachten des Dr ... vom 29.07.1993, das von den übrigen Sachverständigen, auch nach Überzeugung des Senats zu Recht, als unzureichend und in der Bewertung nicht zutreffend angesehen wird.
Auch der Kläger stellt dieses Ergebnis nicht begründet in Frage. Einwendungen, die fachmedizinisch oder rechtlich begründet wären, hat er nicht vorgetragen. Abgesehen davon, dass die behauptete Möglichkeit der Höherbewertung nicht nachvollziehbar substantiiert ist, würde sie noch nicht den Schluss auf die Rechtswidrigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Bewertung zulassen.
Ein Anspruch auf eine höhere Verletztenrente kann auch nicht aus § 581 Abs.2 RVO hergeleitet werden. Die Vorschrift bestimmt, dass bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen sind, die der Verletzte dadurch erleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, so weit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen werden, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann. Allerdings läßt diese unfallversicherungsrechtliche Regelung keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit zu. Ein die Höherbewertung der MdE rechtfertigender Nachteil liegt dann vor, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung einer unbilligen Härte sind insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch der Umstand anzusehen, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistet hat (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr.1). Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen Umständen des Einzelfalles kann sich eine höhere Bewertung der MdE ergeben, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann. Die einzelnen Umstände des jeweiligen Falles dürfen dabei nicht isoliert, sondern nur in ihrer Gesamtheit beurteilt werden.
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Tatsache, dass der Kläger nach dem unfallbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit den Leistungen aus der Rentenversicherung und aus der Unfallversicherung finanziell nicht schlechter abgesichert ist, als bei einer Fortführung der Erwerbstätigkeit und damit ein wirtschaftlicher Härtefall gar nicht vorliegt (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr.8). Es fehlt bereits an einer beruflichen Position, die es rechtfertigen würde, zum Ausgleich eines Härtefalles von der generell anzuwendenden abstrakten Bewertung der Unfallfolgen abzuweichen. Das Vorliegen der besonderen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen ist unabdingbares Merkmal des § 581 Abs.2 RVO. Es kann, wenn die Bewertung der Unfallfolgen nicht grundsätzlich bezogen auf den jeweils ausgeübten Beruf erfolgen soll, nur dann vorliegen, wenn der betreffende Beruf aus der Masse der Berufe im Arbeitsleben herausgehoben ist. Für die Einkommensverhältnisse des Klägers trifft dies jedenfalls nicht zu. Es trifft aber auch nicht für die berufliche Qualifikation zu. Zusammengefasst für die über 25-jährige Berufslaufbahn des Klägers ergibt sich, dass er einen geregelten Facharbeiterberuf erlernt hat und sodann einen rein innerbetrieblichen Aufstieg genommen hat. Dieser Aufstieg basierte auf der Berufserfahrung auf der einen Seite und verhältnismäßig kurzfristigen fachlichen Qualifikationen. Weder ist er damit über die Position eines innerbetrieblichen Vorarbeiters hinaus gelangt, noch hat er weitere staatlich geregelte Qualifikationen erreicht. Der Kläger hat damit lediglich eine fachliche und berufliche Position erlangt, wie sie in breiten Bereichen des Arbeitslebens nach langjähriger Berufserfahrung üblich sind. Ein Abweichen vom Grundsatz der abstrakten Schadensbewertung ist im vorliegen Fall deshalb nicht veranlasst.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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