Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 SF 5034/02 P
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 181/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 30/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. Juni 2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 9. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2002 abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist eine Beitragsnachforderung in Höhe von 9.763,63 EUR betreffend die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.08.1999.
Die Klägerin betreibt ein Schuhgeschäft, bei der die Beigeladene zu 2) - Tochter der Inhaberin - bis Ende 1996 versicherungspflichtig als Verkäuferin und ab 01.01.1997 als Geschäftsführerin angestellt war. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Ab 01.01.1997 wurden keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet.
Am 21.09.1999 führte die Beklagte bei dem mit der Lohnabrechnung der Klägerin betrauten Steuerberater betreffend die Zeit vom 01.12.1995 bis 31.08.1999 eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte sie anhand der Lohnkonten fest, dass die Beigeladene zu 2) 1996 ein monatliches Entgelt in Höhe von 5.074,00 DM und ab 01.01.1997 ein Entgelt in Höhe von 6.200,00 DM erhielt.
Mit Schreiben vom 19.07.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, zwar habe die Beigeladene zu 2) mit dem Entgelt 1997 die Jahresarbeitsentgeltgrenze 1997 (6.150,00 DM) überschritten, jedoch nicht die des darauffolgenden Jahres (1998: 6.300,00 DM), so dass eine Nachforderung zu erheben sei. Hierzu teilte der Steuerberater der Klägerin am 20.09.2000 mit, die Beigeladene zu 2) habe ab 1997 eine Tantieme - Zusage in Höhe von 3.000,00 DM erhalten (entsprechende Bestätigungen der Klägerin ohne Datum wurden vorgelegt). Am 27.10.2000 räumte er ein, die Tantieme 1997 sei wegen Nichterreichens des Jahresergebnisses nicht ausbezahlt worden. Die Tantieme 1998 sei 1999 mit einem Betrag von 3.000,00 DM ausbezahlt worden.
Mit Bescheid vom 09.11.2000 machte die Beklagte eine Nachforderung in Höhe von 30.461,20 DM wegen der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 2) zur Kranken- und Pflegeversicherung über den 31.12.1996 hinaus geltend. Im Widerspruchsverfahren trug der Steuerberater vor, die Beigeladene zu 2) habe ab 1997 eine garantierte Sonderzahlung in Höhe von 1.800,00 DM netto erhalten, die am 02.02.1998 auch für 1997 ausbezahlt worden sei. Am 17.08.1998 habe sie für die Sonderzahlung 1998 einen Vorschuss in Höhe von 2.340,00 DM erhalten. Er legte korrigierte Jahresmeldungen für die Jahre 1997 und 1998 sowie zwei Kontoauszüge betreffend die angeführten Zahlungen vor. Dazu stellte der Prüfdienst am 27.02.2001 fest, der jetzige Vortrag widerspreche den bisher gemachten Ausführungen zur Nichtauszahlung der Tantieme, die auch nicht aus den Sachkonten ersichtlich gewesen sei. Wenn die Sonderzahlung außerhalb der Lohn- und Finanzbuchhaltung erfolgt sei, habe keine "hinreichende Sicherheit" betreffend zu erwartender Bezüge bestanden. Im Widerspruchsbescheid vom 18.04.2002 heißt es, ob die am 02.02.1998 gezahlte Dividende für 1997, die in den Sachkonten als "Verkaufsprovision" gebucht sei, tatsächlich "garantiert vereinbart" gewesen sei, habe nicht nachgewiesen werden können; ebensowenig die Tantieme 1998, die teilweise im September 1998 zur Auszahlung gekommen sei.
Dagegen hat die Klägerin am 14.05.2002 Klage erhoben und die Versicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 2) ab 01.01.1998 geltend gemacht. Unstreitig habe wegen § 6 Abs.4 SGB V 1997 Versicherungspflicht bestanden. Ab 1997 hingegen habe die Beigeladene zu 2) tatsächlich - wie rückwirkend nachgewiesen - fortlaufend die Jahresarbeitsentgeltgrenze wegen der Tantiemenzahlung deutlich überschritten. Nach einem Erörterungstermin am 26.03.2004 hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2004 die strittigen Bescheide insoweit aufgehoben, als Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung vom 01.01.1998 bis 31.08.1999 erhoben worden sind. Die Beigeladene zu 2) sei versicherungsfrei gewesen, weil diese ab 01.01.1997 in Übereinstimmung mit der Klägerin davon ausgegangen sei, die Jahresarbeitsentgeltgrenze ab 1997 zu überschreiten, was auch tatsächlich geschehen sei. Deswegen habe sich die Beigeladene zu 2) auch um privaten Krankenversicherungsschutz bemüht. Die Beklagte wende die Vorschrift, die dem Schutz des Arbeitnehmers diene, ohne vernünftigen Grund zu seinem Nachteil an. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wüssten selbst am Besten, ob die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten werde. Der Arbeitnehmer laufe Gefahr, zweimal für den Krankenversicherungsschutz bezahlen zu müssen, falls er vom Arbeitgeber in Rückgriff genommen werde, wollte man der Ansicht der Beklagten folgen.
Gegen den am 15.07.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 13.08.2004 Berufung eingelegt. Es lägen keinerlei Nachweise dafür vor, dass die Sonderzahlungen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten waren. Mangels schriftlichen Arbeitsvertrags etc. bestehe kein Nachweis über die Zusage einer Tantieme. Erhöhte Beweisanforderungen bestünden deshalb, da zum 01.01. 1997, dem Beginn des privaten Krankenversicherungsschutzes, unstreitig die Voraussetzungen des § 6 Abs.4 SGB V nicht erfüllt waren.
Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Aufhebungsantrag der Beklagten angeschlossen. Die Anrechnung der Einmalzahlungen auf das Jahresarbeitsentgelt habe vorliegend nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht erfolgen dürfen. Die Auffassung des Sozialgerichts würde die Versicherungsfreiheit in das Ermessen des Beteiligten stellen. Ein entsprechendes Dispositonsrecht stehe der Beteiligten nicht zu.
Dazu hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, entscheidend sei, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze ab 1997 tatsächlich eindeutig überschritten war. Er hat auf einen am 21.12.2001 erstellten Versicherungsverlauf der Beklagten mit entsprechenden Werten hingewiesen und Vertrauensschutz beansprucht. Demgegenüber hat die Beklagte den tatsächlichen Zufluss der Sonderzahlungen an die Beigeladene zu 2) bestritten und auf die ursprünglichen Meldungen der Klägerin als Arbeitgeberin verwiesen.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29.06.2004 aufzuheben und die Klage gegen ihren Bescheid vom 09.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 abzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich diesem Antrag an.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29.06.2004 zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich diesem Antrag an.
Sie erklärt unter anderem, mit ihrer Mutter übereingekommen zu sein, dass ihr Gehalt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Landshut mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2004 den Bescheid vom 09.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.08. 1999 aufgehoben. Die Beigeladene zu 2) war vom 01.01.1998 bis 31.08.1999 versicherungspflichtig beschäftigt. Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung ist nicht nachgewiesen.
Die Beklagte macht die Klägerin im Rahmen einer Betriebsprüfung zu Recht für eine Beitragsnachforderung in Höhe von 9.763,63 EUR gemäß § 28p, 28e Abs.1 Satz 1, 28d SGB IV haftbar. Die Klägerin kann sich nicht auf Versicherungsfreiheit gemäß §§ 6 Abs.1 Ziffer 1 SGB V, 20 Abs.1 SGB XI berufen. Danach sind versicherungsfrei Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt 75 v.H. der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (Jahresarbeitsentgeltgrenze) übersteigt. Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten, endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn das Entgelt die vom Beginn des nächsten Kalenderjahrs an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt (§ 6 Abs.4 SGB V). Zweifellos hat die Beigeladene zu 2) im Jahr 1997 die damals geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze von 73.800,00 DM bzw. 6.150,00 DM überschritten. Die Beigeladene zu 2) hat 1997 ein regelmäßiges Entgelt von 6.200,00 DM bezogen. Die Folge der Versicherungsfreiheit gemäß § 6 Abs.4 Satz 1 SGB V tritt jedoch nicht ein, weil das Entgelt die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres (1998) an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze von 6.300,00 DM nicht übersteigt (§ 6 Abs.4 Satz 2 SGB V).
Entscheidend war daher, ob die angeblich vereinbarte Sonderzahlung in Höhe von 3.000,00 DM zum regelmäßigen Entgelt gehört. Ob das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt, ist danach zu beurteilen, welche Zahlungen der Beschäftigte bei vorausschauender, den Zeitraum eines Jahres umfassender Betrachtung zu erwarten hat. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind einmalige Bezüge zu berücksichtigen, wenn die Zahlung für den Beschäftigten nach der bisherigen Übung auch künftig mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (Urteil des Bundessozialgerichts in SozR 2200 § 165 Nr.65 S.90). Durch die Berücksichtigung von Zuwendungen, die nur einmal im Jahr, aber jedes Jahr aufs Neue gezahlt werden, werden praktisch alle wiederkehrenden Einnahmen bei der Entscheidung über Versicherungspflicht oder -freiheit erfasst. Das ist auch sachgemäß, weil sie die Höhe des Arbeitsentgelts wesentlich mitbestimmen, an die das Gesetz das Vorhandensein oder Fehlen von Schutzbedürfnis und damit Versicherungspflicht oder -freiheit knüpft. Zutreffend stellt die Beklagte daher darauf ab, ob die Beigeladene zu 2) die angeblich zu Beginn der Geschäftsführertätigkeit Anfang 1997 zugesagte Tantieme mit hinreichender Sicherheit erwarten konnte. Hieran bestehen erhebliche Zweifel.
Zwar hat die Beigeladene zu 2) in der mündlichen Verhandlung am 01.03.2005 angegeben, 1997 mit ihrer Mutter Sonderzahlungen vereinbart zu haben, soweit sie zum Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze notwendig waren. Dies würde erklären, weshalb 1997, als die monatlichen Entgelte bereits über der maßgeblichen Grenze lagen, tatsächlich keine Einmalzahlung erfolgt ist. Gegen diese angesichts der Verwandtschaft der Beteiligten durchaus denkbare Vertragsgestaltung spricht jedoch, dass diese Version erstmals 2005, sechs Jahre nach der Betriebsprüfung, 1999 vorgetragen wird und davor die Abhängigkeit der Sonderzahlung von anderen Gegebenheiten geschildert wurde. So hat der Steuerberater der Kägerin am 27.10.2000 eingeräumt, die zugesagte Tantieme über 3.000,00 DM sei 1997 wegen Nichterreichens des Jahresergebnisses nicht gezahlt worden. Tatsächlich sind die 1998 geflossenen Einmahlzahlungen auch nicht im Lohnkonto der Beigeladenen zu 2) enthalten, sondern als Verkaufsprovisionen gebucht worden. Hinzu kommt, dass die 1998 gezahlten Beträge von 1.800,00 DM und 2.340,00 DM nicht eindeutig der Beigeladenen zu 2) zugeordnet werden können. Die vorgelegten Kontoauszüge der Klägerin lassen den Empfänger der Zahlungen nicht erkennen, beim Kontoauszug vom 16.08. bis 17.08.1998 wurde die maßgebliche Zeile abgedeckt. Schriftliche Vereinbarungen schließlich, wie von dem seit 01.01.1995 geltenden Nachweisgesetz gefordert, fehlen völlig. Die von der Inhaberin unterzeichneten Erklärungen über eine Tantieme-Zusage entbehren mangels Datumsangabe jeglichen Beweiswerts. Es ist daher nicht nachgewiesen, dass der Beigeladenen zu 2) ab 1997 eine vom Verkaufsergebnis unabhängige Tantieme zugesichert war. Dies hat zur Folge, dass auch ab Ende 1998 keine Versicherungsfreiheit entritt, weil zweifelhaft ist, ob die Beigeladene zu 2) für 1999 über ihren monatlichen Verdienst von 6.200,00 DM hinaus eine Sonderzahlung in einer Höhe erwarten konnte, die das Über- schreiben der Jahresarbeitsentgeltgrenze in Höhe von 76.500,00 DM gewährleistete. Zweifel an den die Versicherungsfreiheit begründenden Umständen gehen zu Lasten der Klägerin, die sich auf diese beruft. Der Klägerbevollmächtigte kann aus dem 2001 von der Beklagten erstellten Versicherungsverlauf keinen Vertrauensschutz ableiten. Der Kontoauszug beruht auf den vom Steuerberater nachträglich im Lauf des Widerspruchsverfahrens korrigierten Meldungen und enthält die strittigen Sonderzahlungen. Die Mitteilung des Versicherungsverlaufs ist mangels Regelungswirkung kein Verwaltungsakt, an den der Versicherungsträger gebunden wäre. Ein Feststellungsbescheid gemäß § 149 Abs.5 SGB VI ist unstreitig nicht ergangen.
Zutreffend weist die Beigeladene zu 1) darauf hin, das Erstgericht habe es sich zu einfach gemacht, wenn es darauf hinweise, Arbeitgeber und Arbeitnehmer wüssten naturgemäß am Besten darüber Bescheid, ob die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten werde oder nicht. Die korrekte Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts erschöpft sich nicht im bloßen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Entgelt und der alljährlich bekanntgegebenen Jahresarbeitsentgeltgrenze. Vielmehr ist zunächst zu beurteilen, welche Entgeltbestandteile auf das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt überhaupt anrechenbar sind. Hierfür sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist es nicht freigestellt, nach eigenem Ermessen über den Eintritt von Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit zu entscheiden. Ein solches Dispositionsrecht ist in den Vorschriften zur Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts nicht enthalten und widerspricht dem gesamten System von Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit. Zum Schutz des Arbeitnehmers vor einer Doppelversicherung steht diesem ein Sonderkündigungrecht gemäß § 5 Abs.9 SGB V zu, so dass die vom Sozialgericht gesehene Gefahr nicht existiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.2 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist eine Beitragsnachforderung in Höhe von 9.763,63 EUR betreffend die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.08.1999.
Die Klägerin betreibt ein Schuhgeschäft, bei der die Beigeladene zu 2) - Tochter der Inhaberin - bis Ende 1996 versicherungspflichtig als Verkäuferin und ab 01.01.1997 als Geschäftsführerin angestellt war. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Ab 01.01.1997 wurden keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet.
Am 21.09.1999 führte die Beklagte bei dem mit der Lohnabrechnung der Klägerin betrauten Steuerberater betreffend die Zeit vom 01.12.1995 bis 31.08.1999 eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte sie anhand der Lohnkonten fest, dass die Beigeladene zu 2) 1996 ein monatliches Entgelt in Höhe von 5.074,00 DM und ab 01.01.1997 ein Entgelt in Höhe von 6.200,00 DM erhielt.
Mit Schreiben vom 19.07.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, zwar habe die Beigeladene zu 2) mit dem Entgelt 1997 die Jahresarbeitsentgeltgrenze 1997 (6.150,00 DM) überschritten, jedoch nicht die des darauffolgenden Jahres (1998: 6.300,00 DM), so dass eine Nachforderung zu erheben sei. Hierzu teilte der Steuerberater der Klägerin am 20.09.2000 mit, die Beigeladene zu 2) habe ab 1997 eine Tantieme - Zusage in Höhe von 3.000,00 DM erhalten (entsprechende Bestätigungen der Klägerin ohne Datum wurden vorgelegt). Am 27.10.2000 räumte er ein, die Tantieme 1997 sei wegen Nichterreichens des Jahresergebnisses nicht ausbezahlt worden. Die Tantieme 1998 sei 1999 mit einem Betrag von 3.000,00 DM ausbezahlt worden.
Mit Bescheid vom 09.11.2000 machte die Beklagte eine Nachforderung in Höhe von 30.461,20 DM wegen der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 2) zur Kranken- und Pflegeversicherung über den 31.12.1996 hinaus geltend. Im Widerspruchsverfahren trug der Steuerberater vor, die Beigeladene zu 2) habe ab 1997 eine garantierte Sonderzahlung in Höhe von 1.800,00 DM netto erhalten, die am 02.02.1998 auch für 1997 ausbezahlt worden sei. Am 17.08.1998 habe sie für die Sonderzahlung 1998 einen Vorschuss in Höhe von 2.340,00 DM erhalten. Er legte korrigierte Jahresmeldungen für die Jahre 1997 und 1998 sowie zwei Kontoauszüge betreffend die angeführten Zahlungen vor. Dazu stellte der Prüfdienst am 27.02.2001 fest, der jetzige Vortrag widerspreche den bisher gemachten Ausführungen zur Nichtauszahlung der Tantieme, die auch nicht aus den Sachkonten ersichtlich gewesen sei. Wenn die Sonderzahlung außerhalb der Lohn- und Finanzbuchhaltung erfolgt sei, habe keine "hinreichende Sicherheit" betreffend zu erwartender Bezüge bestanden. Im Widerspruchsbescheid vom 18.04.2002 heißt es, ob die am 02.02.1998 gezahlte Dividende für 1997, die in den Sachkonten als "Verkaufsprovision" gebucht sei, tatsächlich "garantiert vereinbart" gewesen sei, habe nicht nachgewiesen werden können; ebensowenig die Tantieme 1998, die teilweise im September 1998 zur Auszahlung gekommen sei.
Dagegen hat die Klägerin am 14.05.2002 Klage erhoben und die Versicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 2) ab 01.01.1998 geltend gemacht. Unstreitig habe wegen § 6 Abs.4 SGB V 1997 Versicherungspflicht bestanden. Ab 1997 hingegen habe die Beigeladene zu 2) tatsächlich - wie rückwirkend nachgewiesen - fortlaufend die Jahresarbeitsentgeltgrenze wegen der Tantiemenzahlung deutlich überschritten. Nach einem Erörterungstermin am 26.03.2004 hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2004 die strittigen Bescheide insoweit aufgehoben, als Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung vom 01.01.1998 bis 31.08.1999 erhoben worden sind. Die Beigeladene zu 2) sei versicherungsfrei gewesen, weil diese ab 01.01.1997 in Übereinstimmung mit der Klägerin davon ausgegangen sei, die Jahresarbeitsentgeltgrenze ab 1997 zu überschreiten, was auch tatsächlich geschehen sei. Deswegen habe sich die Beigeladene zu 2) auch um privaten Krankenversicherungsschutz bemüht. Die Beklagte wende die Vorschrift, die dem Schutz des Arbeitnehmers diene, ohne vernünftigen Grund zu seinem Nachteil an. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wüssten selbst am Besten, ob die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten werde. Der Arbeitnehmer laufe Gefahr, zweimal für den Krankenversicherungsschutz bezahlen zu müssen, falls er vom Arbeitgeber in Rückgriff genommen werde, wollte man der Ansicht der Beklagten folgen.
Gegen den am 15.07.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 13.08.2004 Berufung eingelegt. Es lägen keinerlei Nachweise dafür vor, dass die Sonderzahlungen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten waren. Mangels schriftlichen Arbeitsvertrags etc. bestehe kein Nachweis über die Zusage einer Tantieme. Erhöhte Beweisanforderungen bestünden deshalb, da zum 01.01. 1997, dem Beginn des privaten Krankenversicherungsschutzes, unstreitig die Voraussetzungen des § 6 Abs.4 SGB V nicht erfüllt waren.
Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Aufhebungsantrag der Beklagten angeschlossen. Die Anrechnung der Einmalzahlungen auf das Jahresarbeitsentgelt habe vorliegend nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht erfolgen dürfen. Die Auffassung des Sozialgerichts würde die Versicherungsfreiheit in das Ermessen des Beteiligten stellen. Ein entsprechendes Dispositonsrecht stehe der Beteiligten nicht zu.
Dazu hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, entscheidend sei, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze ab 1997 tatsächlich eindeutig überschritten war. Er hat auf einen am 21.12.2001 erstellten Versicherungsverlauf der Beklagten mit entsprechenden Werten hingewiesen und Vertrauensschutz beansprucht. Demgegenüber hat die Beklagte den tatsächlichen Zufluss der Sonderzahlungen an die Beigeladene zu 2) bestritten und auf die ursprünglichen Meldungen der Klägerin als Arbeitgeberin verwiesen.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29.06.2004 aufzuheben und die Klage gegen ihren Bescheid vom 09.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 abzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich diesem Antrag an.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29.06.2004 zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich diesem Antrag an.
Sie erklärt unter anderem, mit ihrer Mutter übereingekommen zu sein, dass ihr Gehalt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Landshut mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2004 den Bescheid vom 09.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.08. 1999 aufgehoben. Die Beigeladene zu 2) war vom 01.01.1998 bis 31.08.1999 versicherungspflichtig beschäftigt. Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung ist nicht nachgewiesen.
Die Beklagte macht die Klägerin im Rahmen einer Betriebsprüfung zu Recht für eine Beitragsnachforderung in Höhe von 9.763,63 EUR gemäß § 28p, 28e Abs.1 Satz 1, 28d SGB IV haftbar. Die Klägerin kann sich nicht auf Versicherungsfreiheit gemäß §§ 6 Abs.1 Ziffer 1 SGB V, 20 Abs.1 SGB XI berufen. Danach sind versicherungsfrei Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt 75 v.H. der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (Jahresarbeitsentgeltgrenze) übersteigt. Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten, endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn das Entgelt die vom Beginn des nächsten Kalenderjahrs an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt (§ 6 Abs.4 SGB V). Zweifellos hat die Beigeladene zu 2) im Jahr 1997 die damals geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze von 73.800,00 DM bzw. 6.150,00 DM überschritten. Die Beigeladene zu 2) hat 1997 ein regelmäßiges Entgelt von 6.200,00 DM bezogen. Die Folge der Versicherungsfreiheit gemäß § 6 Abs.4 Satz 1 SGB V tritt jedoch nicht ein, weil das Entgelt die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres (1998) an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze von 6.300,00 DM nicht übersteigt (§ 6 Abs.4 Satz 2 SGB V).
Entscheidend war daher, ob die angeblich vereinbarte Sonderzahlung in Höhe von 3.000,00 DM zum regelmäßigen Entgelt gehört. Ob das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt, ist danach zu beurteilen, welche Zahlungen der Beschäftigte bei vorausschauender, den Zeitraum eines Jahres umfassender Betrachtung zu erwarten hat. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind einmalige Bezüge zu berücksichtigen, wenn die Zahlung für den Beschäftigten nach der bisherigen Übung auch künftig mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (Urteil des Bundessozialgerichts in SozR 2200 § 165 Nr.65 S.90). Durch die Berücksichtigung von Zuwendungen, die nur einmal im Jahr, aber jedes Jahr aufs Neue gezahlt werden, werden praktisch alle wiederkehrenden Einnahmen bei der Entscheidung über Versicherungspflicht oder -freiheit erfasst. Das ist auch sachgemäß, weil sie die Höhe des Arbeitsentgelts wesentlich mitbestimmen, an die das Gesetz das Vorhandensein oder Fehlen von Schutzbedürfnis und damit Versicherungspflicht oder -freiheit knüpft. Zutreffend stellt die Beklagte daher darauf ab, ob die Beigeladene zu 2) die angeblich zu Beginn der Geschäftsführertätigkeit Anfang 1997 zugesagte Tantieme mit hinreichender Sicherheit erwarten konnte. Hieran bestehen erhebliche Zweifel.
Zwar hat die Beigeladene zu 2) in der mündlichen Verhandlung am 01.03.2005 angegeben, 1997 mit ihrer Mutter Sonderzahlungen vereinbart zu haben, soweit sie zum Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze notwendig waren. Dies würde erklären, weshalb 1997, als die monatlichen Entgelte bereits über der maßgeblichen Grenze lagen, tatsächlich keine Einmalzahlung erfolgt ist. Gegen diese angesichts der Verwandtschaft der Beteiligten durchaus denkbare Vertragsgestaltung spricht jedoch, dass diese Version erstmals 2005, sechs Jahre nach der Betriebsprüfung, 1999 vorgetragen wird und davor die Abhängigkeit der Sonderzahlung von anderen Gegebenheiten geschildert wurde. So hat der Steuerberater der Kägerin am 27.10.2000 eingeräumt, die zugesagte Tantieme über 3.000,00 DM sei 1997 wegen Nichterreichens des Jahresergebnisses nicht gezahlt worden. Tatsächlich sind die 1998 geflossenen Einmahlzahlungen auch nicht im Lohnkonto der Beigeladenen zu 2) enthalten, sondern als Verkaufsprovisionen gebucht worden. Hinzu kommt, dass die 1998 gezahlten Beträge von 1.800,00 DM und 2.340,00 DM nicht eindeutig der Beigeladenen zu 2) zugeordnet werden können. Die vorgelegten Kontoauszüge der Klägerin lassen den Empfänger der Zahlungen nicht erkennen, beim Kontoauszug vom 16.08. bis 17.08.1998 wurde die maßgebliche Zeile abgedeckt. Schriftliche Vereinbarungen schließlich, wie von dem seit 01.01.1995 geltenden Nachweisgesetz gefordert, fehlen völlig. Die von der Inhaberin unterzeichneten Erklärungen über eine Tantieme-Zusage entbehren mangels Datumsangabe jeglichen Beweiswerts. Es ist daher nicht nachgewiesen, dass der Beigeladenen zu 2) ab 1997 eine vom Verkaufsergebnis unabhängige Tantieme zugesichert war. Dies hat zur Folge, dass auch ab Ende 1998 keine Versicherungsfreiheit entritt, weil zweifelhaft ist, ob die Beigeladene zu 2) für 1999 über ihren monatlichen Verdienst von 6.200,00 DM hinaus eine Sonderzahlung in einer Höhe erwarten konnte, die das Über- schreiben der Jahresarbeitsentgeltgrenze in Höhe von 76.500,00 DM gewährleistete. Zweifel an den die Versicherungsfreiheit begründenden Umständen gehen zu Lasten der Klägerin, die sich auf diese beruft. Der Klägerbevollmächtigte kann aus dem 2001 von der Beklagten erstellten Versicherungsverlauf keinen Vertrauensschutz ableiten. Der Kontoauszug beruht auf den vom Steuerberater nachträglich im Lauf des Widerspruchsverfahrens korrigierten Meldungen und enthält die strittigen Sonderzahlungen. Die Mitteilung des Versicherungsverlaufs ist mangels Regelungswirkung kein Verwaltungsakt, an den der Versicherungsträger gebunden wäre. Ein Feststellungsbescheid gemäß § 149 Abs.5 SGB VI ist unstreitig nicht ergangen.
Zutreffend weist die Beigeladene zu 1) darauf hin, das Erstgericht habe es sich zu einfach gemacht, wenn es darauf hinweise, Arbeitgeber und Arbeitnehmer wüssten naturgemäß am Besten darüber Bescheid, ob die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten werde oder nicht. Die korrekte Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts erschöpft sich nicht im bloßen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Entgelt und der alljährlich bekanntgegebenen Jahresarbeitsentgeltgrenze. Vielmehr ist zunächst zu beurteilen, welche Entgeltbestandteile auf das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt überhaupt anrechenbar sind. Hierfür sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist es nicht freigestellt, nach eigenem Ermessen über den Eintritt von Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit zu entscheiden. Ein solches Dispositionsrecht ist in den Vorschriften zur Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts nicht enthalten und widerspricht dem gesamten System von Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit. Zum Schutz des Arbeitnehmers vor einer Doppelversicherung steht diesem ein Sonderkündigungrecht gemäß § 5 Abs.9 SGB V zu, so dass die vom Sozialgericht gesehene Gefahr nicht existiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.2 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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