L 19 R 635/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 419/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 635/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.09.2001 insoweit abgeändert, als die Kläger auf die Widerklage der Beklagten verurteilt werden, einen Betrag von 15.455,79 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger beider Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger der Beklagten einen Betrag von 15.455,79 Euro (30.228,90 DM) zu erstatten haben.

Die am 07.06.1981 verstorbene C. G. bezog von der Beklagten Witwenrente aus der Versicherung ihres am 23.02.1973 verstorbenen Ehemannes M. G ... Über ihren Tod hinaus wurden die monatlichen Rentenzahlungen auf das Konto ihrer Tochter und Bevollmächtigten A. G. überwiesen. Im Rahmen einer Überprüfungsaktion erfuhr die Beklagte im Dezember 1998 vom Tode der Rentenberechtigten. Sie errechnete für die Zeit vom 01.07.1981 bis 31.01.1999 eine Überzahlung der Rentenleistungen in Höhe von 56.690,62 DM. Auf Anforderung des Postrentendienstzentrums A. überwies die kontoführende Kreis- und Stadtsparkasse H. einen Betrag in Höhe von 7.948,72 DM (Rentenzahlungen für die Zeit vom 01.01.1997 bis 31.01.1999). Dem nachfolgenden Rückforderungsersuchen des Postrentendienstzentrums vom 28.01.1999 und der Beklagten vom 26.02.1999 entsprach die Kreis- und Stadtsparkasse H. insofern, als sie einen weiteren Betrag von 18.513,00 DM überwies. Hierzu teilte das Geldinstitut unter dem 05.03.1999 mit, dass das Konto der A. G. zum Zeitpunkt des Eingangs der Rentenrückforderung am 01.02.1999 durch das Postrentendienstzentrum ein Guthaben von 18.514,04 DM aufgewiesen habe. Verfügungen seien nach Eingang der Rentenüberweisungen nicht getroffen worden.

Die Kontoinhaberin A. G. ist am 18.03.1999 ebenfalls verstorben. Mit gleichlautenden Bescheiden vom 30.11.1999 forderte die Beklagte von den Klägern als Miterben der ungeteilten Erbengemeinschaft nach A. G. die Rückzahlung der überzahlten Rentenleistungen, und zwar in Höhe des noch verbleibenden Betrages von 30.228,90 DM. Die dagegen erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit gleichlautenden Widerspruchsbescheiden vom 08.05.2000 zurück. Die Tochter der Rentenberechtigten, A. G. , sei nach § 118 Abs 4 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zur Erstattung der Überzahlung verpflichtet gewesen. Bei diesem Erstattungsanspruch, für den die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gelte, handele es sich um eine Nachlassverbindlichkeit, für die für die Kläger als Miterben eine gesamtschuldnerische Haftung bestehe.

Hiergegen erhoben die Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG). Zur Begründung führten sie aus, dass es an einer Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Überzahlung fehle. Erben gegenüber könne sich die Beklagte allenfalls auf die Vorschrift des § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI berufen, nach der ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unberührt bleibe. Dies gelte jedoch nicht gegenüber den Klägern als Erben der verstorbenen Tochter der Rentenberechtigten. Darüber hinaus sei nicht nur den Erben, sondern auch den Klägern als "Erbeserben" nach § 45 SGB X Vertrauensschutz zuzubilligen. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Rückforderungsansprüche hinsichtlich der vor dem 01.01.1995 geleisteten Rentenzahlungen verjährt seien. Es gelte die Verjährungsfrist für Sozialleistungsansprüche.

Das SG hat die Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 27.09.2001 antragsgemäß die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Ein Rückforderungsanspruch gegen die Kläger scheide aus, da allein die verstorbene Tochter der Rentenberechtigten die überzahlten Leistungen in Empfang genommen oder über diese verfügt habe. Ein Rückgriff auf erb- rechtliche Vorschriften sei nicht möglich.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Es sei unstreitig, dass die Kläger weder als Verfügende noch als Empfänger der überzahlten Rentenleistungen iS des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI anzusehen seien. Jedoch sei die Rückzahlungsverpflichtung der A. G. im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Kläger als deren Erben übergegangen. Die Verjährungsregelung für Sozialleistungsansprüche sei nicht anwendbar, da sie nicht für Rückforderungsansprüche gelte. Dies zeige auch die ab 29.06.2002 geänderte Fassung des § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI, die eine Verjährungsfrist von vier Jahren bestimme, und zwar mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der zuständige Träger der Rentenversicherung Kenntnis von der Überzahlung und vom Erstattungsverpflichteten erlangt habe. Gegen die Tochter der Rentenberechtigten habe daneben ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs 2 SGB X in Verbindung mit § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI bestanden, der ebenfalls auf die Kläger als Erben übergegangen sei. Das Vorliegen von Vertrauensschutz sei hier allein bei der verstorbenen A. G. zu prüfen. Für den Fall, dass der Senat die angefochtenen Bescheide wegen fehlender Verwaltungsaktbefugnis für rechtswidrig erachten sollte, werde hilfsweise im Wege der Eventualwiederklage beantragt, die Kläger als Gesamtschuldner zur Zahlung zu verurteilen (Schriftsatz vom 07.05.2002 mit Eingang am 10.05.2002 bei Gericht).

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.09.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Kläger zur Zahlung eines Betrages von 15.455,79 Euro an die Beklagte zu verurteilen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen und die hilfsweise erhobene Wi derklage abzuweisen.

Der Rückzahlungsanspruch stelle schon deshalb keine Nachlassverbindlichkeit dar, weil dieser vor dem Tod der A. G. weder rechtshängig gemacht noch beziffert worden sei. Die Haftung der Erben sei auch nicht nach den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen, sondern nach der speziellen Vorschrift des § 118 SGB VI zu beurteilen. Diese sehe einen Gutglaubensschutz und eine Entlastung des Erben des Rentenberechtigten vor, wenn dieser weder über die Geldleistung verfügt noch diese in Empfang genommen habe. Dies müsse erst recht gegenüber den Klägern, den "Erbeserben", gelten. Auszugehen sei von der Verjährungsfrist für Sozialleistungsansprüche, da die Beklagte die Erstattung mittels Bescheid gefordert habe.

Während des Berufungsverfahrens sind die Kläger L. K. und G. P. verstorben und für diese der Kläger zu 1) als Erbe der L. K. und die Kläger zu 6) und 7) als Erben des G. P. in den Rechtsstreit eingetreten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151, Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und zum Teil begründet. Zu Recht hat das SG die Bescheide vom 30.11.1999 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.05.2000 aufgehoben. Indes ist die Widerklage der Beklagten begründet, so dass die Kläger zur Zahlung eines Betrages von 15.455,79 Euro an die Beklagte zu verurteilen waren.

Die Beklagte kann von den Klägern die Erstattung der überzahlten Rentenzahlungen verlangen. Allerdings war die Beklagte nicht befugt, die Erstattungsforderung gegenüber den Klägern mittels Verwaltungsakt festzusetzen (1). Dagegen hat die von der Beklagten erhobene Eventualwiderklage Erfolg (2).

(1) Zutreffend geht das SG davon aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Erstattungsforderung nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI in der Person der Tochter der Rentenberechtigten, A. G. , erfüllt waren. Die bis zum 28.06.2002 geltende Fassung dieser Vorschrift hat folgenden Wortlaut: Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind die Personen, die die Geldleistungen in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, so dass dieser nicht nach Absatz 3 von dem Geldinstitut zurücküberwiesen wird, dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Gemäß § 102 Abs 5 SGB VI werden Renten bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind. Nach dem Tode der Rentenberechtigten C. G. am 07.06.1981 sind damit die monatlichen Rentenzahlungen vom 01.07.1981 bis 31.01.1999 zu Unrecht erfolgt. Die Tochter der Rentenberechtigten war als Inhaberin des Kontos, dem die Rentenzahlungen zugeflossen sind, Empfänger der Rentenzahlungen. Sie war daher nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI zur Erstattung der Überzahlung verpflichtet, und zwar auch hinsichtlich derjenigen überzahlten Rentenleistungen, die sie vor Inkrafttreten der Vorschrift des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI am 01.01.1996 in Empfang genommen hat. Denn die Vorschrift regelt ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auch die Rechtsfolgen bereits gegebener Sachverhalte (vgl Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 25.01.2001, Az: B 4 RA 64/99 R, SozR 3-1500 § 54 Nr 45 S 96). Auf ein Verschulden der A. G. kommt es nicht an, da die Rentenzahlungen für die Zeit nach dem Tod der Berechtigten als unter Vorbehalt der Rückforderung erbracht gelten (§ 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI). Dem Träger steht insofern kein Ermessen zu. Ebenso finden die Vorschriften über Rücknahme bzw Aufhebung von Verwaltungsakten keine Anwendung (BT Drucks 13/2590 S 25).

Daneben kommt eine Inanspruchnahme der A. G. als Erbin der Rentenberechtigten nach § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs 2 Satz 1 SGB X nicht in Betracht. Die zum 01.01.1996 eingeführte Vorschrift des § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI (seit 29.06.2002: Satz 5) bestimmt, dass ein Anspruch gegen die Erben des Berechtigten nach § 50 SGB X unberührt bleibt. Nach § 50 Abs 2 Satz 1 SGB X sind "zu Unrecht erbrachte Leistungen", soweit sie ohne Verwaltungsakt erbracht worden sind, zu erstatten. Dieser Anspruch besteht selbstständig gegenüber dem Rückforderungsanspruch des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI (vgl Urteil des BSG vom 29.07.1998, Az: B 9 V 5/98 R, SozR 3-2600 § 118 Nr 2 S 12). Zwar hat die Beklagte nach dem Todesmonat die Rentenleistungen weiter auf das Konto der A. G. überwiesen und auch ohne Verwaltungsakt, da sich dieser nach dem Tode der Rentenberechtigten auf andere Weise erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X). Jedoch hat die Beklagte die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X bzw §§ 48 Abs 4 Satz 1 iV mit 45 Abs 4 Satz 2 SGB X zu berücksichtigen. Sie hat innerhalb eines Jahres nach Kenntnis aller rechtserheblichen Tatsachen den Rückforderungsanspruch gegenüber der Erbin nach § 50 SGB X geltend zu machen. Dies ist bis zum Tode der A. G. am 18.03.1999 nicht geschehen, so dass eine Rückforderung nach § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI iV mit § 50 SGB X ausscheidet.

Allerdings konnte die Beklagte die Erstattungsforderung gegenüber den Klägern nicht durch Verwaltungsakt geltend machen; sie ist daher auf den Weg der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zu verweisen. Nach der Rechtsprechung des BSG darf der Anspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI gegenüber Dritten nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt werden (vgl Urteile vom 28.08.1997, Az: 8 RKn 2/97, SozR 3-2600 § 118 Nr 1 S 4 ff, und vom 20.12.2001, Az: B 4 RA 54/01 R, SozR 3-2600 § 118 Nr 9 S 57 f). Anders als nach Satz 2 der ab 29.06.2002 geltenden Neufassung des § 118 Abs 4 SGB VI, nach dem der Träger der Rentenversicherung Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakte geltend zu machen hat, enthält § 118 Abs 4 SGB VI in der bisherigen Fassung keine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes (vgl zur Maßgeblichkeit der Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung und Geltendmachung des Erstattungsanspruches das Urteil des BSG vom 11.12.2002, Az: B 5 RJ 42/01 R, SozR 3-2600 § 118 Nr 11 S 74 f). Denn gegenüber Dritten, die außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses zwischen Versicherten und Versicherungsträger stehen, fehlt es an einer hinreichend engen Rechtsbeziehung, wie sie in einem Sozialrechtsverhältnis, für den der Erlass eines Verwaltungsaktes die typische Handlungsform ist, besteht. Dies gilt ebenso für die Inanspruchnahme der Kläger, denn diese sind als Erben der A. G. nicht in das Sozialrechtsverhältnis zwischen der Rentenberechtigten C. G. und dem beklagten Rentenversicherungsträger eingetreten. Allein der Umstand, dass der Erstattungsanspruch als vermögensrechtliche Verpflichtung den Nachlass der A. G. belastet, genügt nicht, um ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten zu begründen.

(2) Jedoch kann die Beklagte ihre Ansprüche mittels Eventualwiderklage mit Erfolg verfolgen. Die Widerklage ist zulässig. Zunächst ist sie statthaft (vgl §§ 100, 153 Abs 1 SGG). Insbesondere bedarf sie nicht der Einwilligung der Kläger (vgl Meyer-Ladewig SGG, 7.Aufl, RdNr 3 a zu § 100). Die Widerklage kann auch in Form einer Eventualwiderklage erhoben werden, die mit dem Hauptvortrag des Widerklägers in einem "echten" Eventualverhälntis steht und damit vom Eintritt eines innerprozessualen Ereignisses abhängt (Urteil des BSG vom 25.01.2001, aaO S 92). Die Beklagte hat die Widerklage erhoben, falls - wie vorliegend - die Anfechtungsklage der Kläger mangels Verwaltungsaktbefugnis der Beklagten Erfolg haben sollte. Sie hat damit die Entscheidung über die Widerklage davon abhängig gemacht, ob die Kläger mit ihrer Klage obsiegen.

Auch für die Widerklage ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Bei dem Anspruch auf Erstattung von Geldleistungen nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung, nämlich um eine Streitigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 51 Abs 1 Nr 1 SGG). Denn die Vorschrift des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI regelt besondere öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche des Rentenversicherungsträgers wegen Geldleistungen, die - bedingt durch den Tod des Überweisungsadressaten - fehlgegangen sind (vgl Urteil des BSG vom 14.11.2002, Az: B 13 RJ 7/02 R, HVBG-INFO 2003, 197). Die Erstattungsansprüche haben ihren öffentlich-rechtlichen Charakter nicht dadurch verloren, dass das mit den Erstattungsansprüchen belastete Gesamtvermögen der Tochter der Rentenberechtigten auf die Kläger im Erbgang überging. Öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten gehen in entsprechender Anwendung der §§ 1922, 1967 BGB beim Erbgang auch als öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten auf den Erben über (vgl Urteil des BSG vom 17.12.1965, Az: 8 RV 749/64, BSGE 24, 190, 191, 193).

Die Widerklage ist auch nicht wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses der Beklagten unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht schon deshalb, weil die Beklagte sich durch Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes auf einfacherem Weg selbst einen vollstreckbaren Zahlungstitel verschaffen könnte. Denn nach dem zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage am 10.05.2002 geltenden Recht gab es keine gesetzliche Ermächtigung, die es ermöglicht hätte, den Erstattungsbetrag durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Die Neuregelung des § 118 Abs 4 Satz 2 SGB VI ist erst am 29.06.2002 in Kraft getreten.

Ein nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI vorrangig geltend zu machender Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen das Geldinstitut ist auszuschließen. Wegen der Rückforderung von Rentenleistungen nach dem Tod des Berechtigten kann erst dann geklagt werden, wenn feststeht, dass ein Erstattungsanspruch in der entsprechenden Höhe gegen das Geldinstitut, auf dessen Konto die Rentenzahlungen überwiesen wurden, nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann (vgl Urteil des BSG vom 08.06.2004, Az: B 4 RA 42/03 R, Amtl MittLVA Rheinpr 2004, 461 mwN). Zwar sind mit den Überweisungen der monatlichen Rentenzahlung nach dem Tode der Rentenberechtigten ebenfalls Ansprüche der Beklagten gegen das kontoführende Geldinstitut entstanden. Denn das Geldinstitut hat die Geldleistungen der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurück zu überweisen, wenn diese die Geldleistungen als zu Unrecht erbracht zurückfordern (§ 118 Abs 3 Satz 2 SGB V). Jedoch besteht eine solche Verpflichtung des Geldinstituts nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann (§ 118 Abs 3 Satz 3 SGB V). Vorliegend hat die Kreis- und Stadtsparkasse H. nach der Überweisung eines Betrages von 7.948,72 DM das zum Zeitpunkt des Rückforderungsverlangens des Postrentendienstes noch bestehende Kontoguthaben in Höhe von 18.513,00 DM an die Beklagte überwiesen. Eine Klage der Beklagten gegen das Geldinstitut auf Rücküberweisung eines darüber hinausgehenden Betrages wäre unbegründet, weil dem Rücküberweisungsanspruch insoweit der Entreicherungseinwand des § 118 Abs 3 S 3 SGB VI entgegenstünde. Die Beklagte kann damit nicht unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses darauf verwiesen werden, sich über das noch auf dem Konto befindliche Guthaben hinaus zunächst an das Geldinstitut zu wenden.

Die Leistungsklage ist auch begründet. Zu Recht fordert die Beklagte die Rückzahlung von den Klägern. Nach dem Tode der Tochter der Rentenberechtigten treten die Erben in die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung des Erblassers entsprechend den §§ 1922, 1967 BGB ein und haften als Gesamtschuldner (§§ 421, 2058 BGB). Zwar fehlt im Sozialrecht eine ausdrückliche Regelung, nach der bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden auf den Rechtsnachfolger übergehen. Jedoch ergibt sich insbesondere aus den Bestimmungen über die Sonderrechtsnachfolge, dass sich die Haftung des Erben nach den Vorschriften des BGB richtet, soweit nicht die vorrangige Regelung der Sonderrechtsnachfolge eintritt (vgl § 58 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -; Urteil des BSG vom 15.09.1988, Az: 9/9a RV 32/86, SozR 1300 § 45 Nr 40 S 127 mwN). Dies gilt jedenfalls, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Verhältnisse oder Umstände handelt, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verbunden sind. Das ist bei einer Rückforderung wegen überzahlter Witwenrente nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist es für den Übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich, dass die Erstattungsverpflichtung noch zu Lebzeiten der Erblasserin gegen diese hätten durchgesetzt werden können. Insofern hat es keiner vorherigen Festsetzung durch Verwaltungsakt oder Rechtshängigkeit der Klageforderung bedurft. Denn zu den "vom Erblasser herrührenden Schulden" iS von § 1967 Abs 2 BGB gehören nicht nur solche, die bis zum Erbfall entstanden sind, sondern aufgrund der Gesamtrechtsfolge gehen auf den Erben alle vermögensrechtlichen Beziehungen über, auch wenn ihre Folgen erst nach dem Erbfall eintreten (vgl Palandt-Edenhofer, BGB; 64.Aufl, § 1967 RdNr 2).

Auf Vertrauensschutz können sich die Kläger nicht berufen. Allerdings verweisen sie auf die Gesetzesmaterialien. Danach greife bei Rückforderungsansprüchen gegen Erben, die nicht selbst über die Rentenzahlung verfügt hätten, nicht die verschärfte Haftung nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI, sondern fänden die Vertrauensschutzregelungen des SGB X Anwendung (BT-DRucks 13/3150 S 42). Jedoch sind die Vertrauensschutzregelungen nicht auf die Kläger als Erben der Erbin der Rentenberechtigten anwendbar, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Kläger die Rechtswidrigkeit der über den Tod der Rentenberechtigten hinaus gezahlten Rentenleistungen gekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt haben (vgl § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 bzw § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X).

Denn nur den Erben des Rentenberechtigten steht Vertrauensschutz insofern zu, als bei einer Inanspruchnahme nach § 50 SGB X (§ 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI) die §§ 45, 48 SGB X entsprechend anzuwenden sind. Für eine Begünstigung auch der Kläger als Erben der Erbin fehlt es bereits an einem sozialrechtlichen Leistungsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten. Als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch bezieht sich § 50 SGB X auf die Erstattung von Leistungen innerhalb eines auf Sozialleistungen bezogenen Sozialrechtsverhältnisses, sei es eines mit dem Leistungsberechtigten oder mit dessen Rechtsnachfolgern (Urteile des BSG vom 28.08.1997, Az: 8 RKn 2/97, SozR 3-2600 § 118 Nr 1 S 5, und vom 29.10.1986, Az: 7 RAr 77/85, SozR 1300 § 50 Nr 13 S 20). Soweit Leistungen ohne einen Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht werden, wird nach § 50 Abs 2 Satz 2 SGB X sichergestellt, dass mit der entsprechenden Anwendung der §§ 45, 48 SGB X derselbe Vertrauensschutz erreicht wird, wie bei einer Lesitung aufgrund eines Verwaltungsaktes besteht. Indes haben die Kläger die überzahlten Rentenleistungen nicht innerhalb eines Sozialrechtsverhältnisses mit der Beklagten von dieser erhalten und sind auch nicht in das Sozialrechtsverhältnis zwischen der Rentenberechtigten und der Beklagten eingetreten. Vielmehr haben sie die überzahlten Leistungen infolge der Gesamtrechtsnachfolge erlangt. Die Regelungen der §§ 45, 48 SGB X sind daher nicht entsprechenden anwendbar.

Auf die Einrede der Verjährung können sich die Kläger nicht berufen. Allerdings gehen sie zutreffend davon aus, dass der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB 1 SGB VI der vierjährigen Verjährungsfrist unterliegt. Zur Verjährung besteht - bis zur Einfügung des § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI am 29.06.2002 - keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Die Verjährungsregelungen insbesondere der § 45 Abs 1 SGB I, § 50 Abs 4 SGB X und § 113 SGB X finden unmittelbar keine Anwendung. Das Fehlen einer unmittelbar anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung hat jedoch nicht zur Folge, dass die regelmäßige dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB (ab 01.01.2002: dreijährige) gilt. Vielmehr sind hinsichtlich der Verjährungsfrist diejenigen Verjährungsvorschriften des öffentlichen und bürgerlichen Rechts heranzuziehen, die ihrem Wesen und Inhalt nach dem streitigen Anspruch vergleichbare Ansprüche betreffen. Insofern hat die Rechtsprechung des BSG darauf hingewiesen, dass die Vorschrift des § 45 Abs 1 SGB I, nach der Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie entstanden sind, als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips der vierjährigen Verjährung im Sozialrecht anzusehen sei (vgl Urteil vom 17.06.1999, Az: B 3 KR 6/99 R; SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 27 ff, 30 mwN, und vom 01.08.1991, Az: 6 RKa 9/89, SozR 3-1300 § 113 Nr 1 S 5). Unabhängig davon, dass die nach dem Tode der Rentenberechtigten zu Unrecht gezahlten Rentenleistungen ihre Eigenschaft als Sozialleistungen iS des § 45 Abs 1 SGB I verloren hatten, geht es vorliegend um einen sozialversicherungsrechtlichen und damit öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, über den nicht nach Maßgabe des Zivilrechts - etwa als Bereicherungsanspruch nach §§ 812 BGB ff - zu entscheiden ist. Es ist daher zur Wahrung von Rechtsklarheit und Einheitlichkeit die allgemeine sozialrechtlichen Verjährungsvorschrift des § 45 Abs 1 SGB I entsprechend anzuwenden, so dass der Erstattungsanspruch des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährt, in dem der Anspruch entstanden ist (so im Ergebnis auch Urteil des LSG Sachsen vom 12.10.1999, Az: L 5 RJ 89/99, HVBG-INFO 2000, 2105, Urteil des LSG Saarland vom 25.04.2002, Az: L 1 RA 41/00, HVBG-INFO 2002, 3435, Urteil des LSG Bayern vom 13.01.2004, L 5 RJ 438/02).

Hinsichtlich des Beginns der Verjährung ist entsprechend § 45 Abs 1 SGB I der Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruches maßgebend. Entgegen der Auffassung des LSG Schleswig-Holstein (Urteil vom 07.05.2003, Az: L 8 RA 84/02, Breithaupt 2004, 422, 425 f) steht diesem Verjährungsbeginn nicht der Rechtsgedanke des § 50 Abs 4 SGB X entgegen, nach dem für den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes abzustellen ist, mit dem der Rückforderungsanspruch geltend gemacht wurde. Denn die Verjährung nach § 50 Abs 4 SGB X betrifft einen Sonderfall, nämlich die Erstattung von Leistungen innerhalb eines auf Sozialleistungen bezogenen Sozialrechtsverhältnisses, sei es eines mit dem Leistungsberechtigten oder mit dessen Rechtsnachfolgern. Dagegen handelt es sich beim Erstattungsanspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI um einen Anspruch gegen außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses stehende Dritte, die die überzahlte Rentenleistung im Empfang genommen oder über diese verfügt haben. Gegen diese Dritten kann der Erstattungsanspruch nicht mittels Verwaltungsakt durchgesetzt werden, so dass der Beginn der Verjährung nach § 50 Abs 4 SGB X nicht maßgebend ist.

Für den Beginn der Verjährungsfrist kommt es mithin auf den Zeitpunkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs an, also auf den Zeitpunkt der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes. Danach ist nicht allein entscheidend, ob der Verpflichtete eine zu Unrecht für einen bestimmten Bezugszeitraum überwiesene Rente in Empfang genommen oder über diese verfügt hat. Hinzu kommt, dass der Verpflichtete die Rente in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt hat, so dass dieser nicht nach § 118 Abs 3 SGB VI von dem Geldinstitut zurücküberwiesen wird (§ 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI id bis 28.06.2002 geltenden Fassung). Demnach besteht ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger der Rentenzahlungen erst dann, wenn feststeht, dass das Geldinstitut nicht zur Erstattung herangezogen werden kann. Prozessrechtlich folgt hieraus - wie ausgeführt -, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Zahlungsklage des Rentenversicherungsträgers die vorrangige Inanspruchnahme des Geldinstituts voraussetzt. Materiell bedeutet dies, dass der Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung (entsprechend § 158 Abs 1 BGB) der nicht ausreichenden Deckung des Versichertenkontos im Zeitpunkt der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers steht. Nachdem im März 1999 aufgrund der Mitteilung der Kreis- und Stadtsparkasse H. feststand, dass ein weiteres Guthaben auf dem Konto der A. G. nicht zur Verfügung stand, ist vom Beginn der Verjährungsfrist am 01.01.2000 auszugehen. Die Beklagte hat am 10.05.2002 Widerklage auf Leistung erhoben und dadurch die Hemmung der Verjährungsfrist herbeigeführt (§§ 45 Abs 2, 70 SGB I in Verbindung mit § 204 Abs 1 Nr 1 BGB in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung). Nach § 204 Abs 2 Satz 1 BGB endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens, so dass die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger beider Instanzen, weil diese jedenfalls soweit obsiegt haben, als die Rückforderungsbescheide aufzuheben waren.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG). Die Verjährung des Anspruches nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI ist nunmehr gesetzlich geregelt, und zwar in Satz 4 dieser Vorschrift in der ab 29.06.2002 geltenden Fassung.
Rechtskraft
Aus
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