Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 1167/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 128/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urtiel des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Beginn der Witwerrente aus der Versicherung der I. Z. , geb. 1941, verstorben 25.02.1988.
Der 1942 geborene Kläger beantragte am 21.10.1997 bei der Beklagten die Gewährung von Witwerrente. Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Bescheid vom 13.03.1998 und bewilligte große Witwerrente ab 01.10.1996 (in Höhe von damals 233,52 DM monatlich). Zum Beginn der Rente ist vermerkt, dass diese für längstens 12 Kalendermonate vor dem Monat der Antragstellung geleistet werde (§ 99 Abs 2 SGB VI). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 15.04.1998 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 20.05.1998 stellte die Beklagte die Rente des Klägers neu fest aufgrund der durch das RRG 1999 geänderten Bewertung von Zeiten der Kindererziehung. Der Kläger verlangte mit dem Widerspruch, die Witwerrente rückwirkend ab 01.02.1989 zu zahlen. Er ließ vorbringen, seine Tochter, Frau S. , habe mit einer Bekannten, Frau J. , die Angestellte bei der LVA Oberfranken und Mittelfranken sei, Kontakt aufgenommen. Man sei zunächst davon ausgegangen, dass die verstorbene Versicherte bis zu ihrem Tod noch keine 60 Monate an Beiträgen zurückgelegt habe. Es sei dann am 07.09.1989 ein Antrag auf Beitragserstattung gemäß § 1303 RVO gestellt worden. Danach habe die Bekannte der Tochter jedoch in Erfahrung gebracht, dass tatsächlich mehr als 60 Monate an Beiträgen für die Versicherte vorhanden seien. Dies habe Frau J. der Tochter des Klägers mitgeteilt, und zwar telefonisch und habe gleichzeitig erklärt, dass der Antrag abgelehnt würde. Dies habe die Tochter des Klägers diesem weitergegeben. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass die Angelegenheit damit erledigt wäre und er keine weitere schriftliche Antragsablehnung erhalten würde. Sowohl der Kläger wie auch seine Tochter seien davon ausgegangen, dass keinerlei Möglichkeiten mehr bestünden, Zahlungen von der Beklagten zu erhalten. Erst nach Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren habe der Kläger erstmals den Entwurf des Bescheides vom 16.01.1990 gesehen. Dieses Schreiben sei ihm zu keinem Zeitpunkt zugegangen. Er habe deshalb auch nicht gewusst, dass er anstelle des Antrags auf Beitragsrückerstattung Antrag auf Witwerrente hätte stellen können oder müssen. Eine entsprechende Aufklärung, die nach seiner Auffassung notwendig und geboten gewesen sei, habe er von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt erhalten. Erstmals durch einen Hinweis seines Bevollmächtigten im Oktober 1997 habe der Kläger Kenntnis davon erlangt, dass er die Möglichkeit habe, anstelle der Beitragsrückerstattung Witwerrente zu beantragen. Aufgrund dieses Sachverhalts habe die Beklagte ihre Aufklärungs- und Beratungspflicht schuldhaft gegenüber dem Kläger verletzt, was einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründe. Der entstandene Schaden sei dem Kläger zu ersetzen; dieser müsse so gestellt werden, als wenn er bei Antragstellung am 07.09.1989 ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre. Aufgrund der Tatsache, dass ausweislich des Bescheidentwurfs am 16.01.1990 der Kläger spätestens ab Februar 1990 einen Antrag auf Witwerrente mit einjähriger Rückwirkung hätte stellen können, hätte er spätestens ab Februar 1989 Witwerrente erhalten können. Ihm sei ein Schaden entstanden in Höhe der Witwerrente für den Zeitraum Februar 1989 bis einschließlich September 1996.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24.11.1998 zurück. Nach der Vorschrift des § 99 Abs 2 SGB VI werde eine Hinterbliebenenrente nicht für mehr als 12 Kalendermonate vor dem Monat, in dem sie beantragte werde, gewährt. Der Kläger habe erst am 21.10.1997 Witwerrente beantragt, so dass der Rentenbeginn zutreffend auf den 01.10.1996 gelegt worden sei. Ein früherer Rentenbeginn im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sei nicht möglich. Die Beklagte habe keine Aufklärungs- bzw Beratungspflicht verletzt, da der Antrag auf Beitragserstattung vom 07.09.1989 mit Bescheid vom 16.01.1990 abgelehnt worden sei, und zwar wegen Erfüllung der Wartezeit für Hinterbliebenenrenten. Im Bescheid sei dem Kläger auch ausdrücklich nahegelegt worden, einen Witwerrentenantrag zu stellen. Der Bescheid sei dem Kläger auch zugegangen, da aus den Akten die Aufgabe des eingeschriebenen Briefes zur Post nebst Aufgabetag zweifelsfrei festgestellt werden könne und somit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Nachweis iS der Vorschriften des BayVwZVG erbracht sei. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Zugangsfiktion des Art 4 Abs 1 Satz 1 BayVwZVG nach der Rechtsprechung nicht wie hier vorliegend durch schlichtes Bestreiten entkräftet werden könne.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 28.12.1998 Klage beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Er hat beantragt, den Bescheid vom 13.03.1998 idF des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dass die im Rentenbescheid festgesetzte Rente rückwirkend ab 01.10.1992 beginnen solle und eine Nachzahlung für die Zeit vom 01.10.1992 bis 30.04.1998 in Höhe von 15.511,42 DM festgesetzt werde. Der Kläger bestritt weiterhin, den Ablehnungsbescheid vom 16.01.1990 jemals erhalten zu haben und stellte auch in Frage, dass der Originalbescheid - sofern er an den Kläger übersandt worden sein sollte - tatsächlich den aufklärenden Zusatz hatte.
In der mündlichen Verhandlung am 20.02.2003 hat das Gericht Frau K. S. , Frau A. J. und Frau A. S. als Zeuginnen einvernommen und den Kläger selbst angehört; wegen des Inhalts der Aussagen wird auf die Niederschrift verwiesen. Mit Urteil vom 11.12.2003 hat das SG die Klage - mit dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 28.12.1998 - abgewiesen. Zur Begründung hat das SG Bayreuth ausgeführt, die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches seien nicht gegeben. Als Tatbestandsvoraussetzungen müssten vorliegen: Objektives Fehlverhalten der Verwaltung; Veranlassung des Versicherten zu einer "Fehlhandlung". Es fehle schon an einem Fehlverhalten der Verwaltung. Damit sei gemeint, dass der Rechtsträger nur für ein solches Fehlverhalten einstehen müsse, für das er verantwortlich sei. Daran fehle es in vorliegenden Falle. Die Zeugin J. sei nicht für die Bearbeitung der Rentenakte des Klägers bzw. der Verstorbenen zuständig gewesen. Dies sei auch der Tochter des Klägers, Frau S. , bekannt gewesen. Diese habe bewusst die "informelle Ebene" gewählt, vermutlich um eine unbürokratische und schnelle Erledigung der Angelegenheit zu erlangen. Für ein Fehlverhalten auf dieser informellen Ebene hafte ein Rechtsträger jedoch nicht. Die Beklagte unterhalte in B. eine Auskunfts- und Beratungsstelle, die für verbindliche Informationen zuständig sei. An diese hätte der Kläger sich wenden können. Das Gericht lasse dahingestellt, ob der Bescheid vom 16.01.1990 dem Kläger tatsächlich bekanntgegeben worden sei. Es müsse berücksichtigt werden, dass zwischen dem Antrag auf Beitragserstattung vom September 1989 und dem Antrag auf Hinterbliebenenrente vom Oktober 1997 acht Jahre vergangen seien. Das Gericht sei der Auffassung, dass in Anknüpfung an den Gedanken der Verwirkung das Mitverschulden des Klägers am Entstehen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so groß sei, dass es den Zurechnungsanteil der Beklagten überwiege. Unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 20.10.1983 und vom 28.04.1997 sei vom Kläger zu fordern gewesen, dass er sich spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung bei der Beklagten nach dem Sachstand hätte erkundigen müssen. Bei der Annahme des Klägers und seiner Tochter, eine schriftliche Ablehnung des Antrags auf Beitragserstattung dürfte oder müsse nicht erfolgen, handele es sich um einen schlichten Irrtum auf der Klägerseite, der die Rechtsposition der Beklagten nicht beeinträchtigen könne. Die Beklagte sei schließlich auch nicht verpflichtet gewesen, zu kontrollieren, ob ein Zugangsnachweis für den Bescheid vom 16.01.1990 vorhanden sei. Eine konkrete gesetzliche Verpflichtung, eine Postzugangskontrolle durchzuführen oder eine Art "Erfolgskontrolle" bei gegebenen Hinweisen, bestehe für die Beklagte nicht. Es gehöre zum Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung, dass diese im Leistungsbereich nur auf Antrag tätig werde, von wenigen, hier nicht vorliegenden, Ausnahmen abgesehen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 03.03.2004 Berufung beim SG Bayreuth eingelegt. Er wiederholt seine Anträge aus dem Klageverfahren mit der Forderung nach einem Rentenbeginn für die Witwerrente zum 01.10.1992. Der Kläger ließ im Wesentlichen vorbringen, er sei von keiner Stelle darauf hingewiesen worden, dass er anstelle des Antrags auf Beitragserstattung Witwerrentenantrag hätte stellen müssen. Vielmehr sei er zusammen mit seiner Tochter davon ausgegangen, dass er keinerlei Ansprüche gegen die Beklagte habe und sein Erstattungsanspruch mit der - telefonischen - Erklärung von Frau J. erledigt sei. Weder der juristisch nicht vorgebildete Kläger noch dessen Tochter hätten einen schriftlichen Ablehnungsbescheid der Beklagten erwartet. Aus der Sicht der Tochter des Klägers sei Frau J. eine geeignete und kompetente Ansprechpartnerin der Beklagten gewesen, ohne dass sie gewusst habe, dass bindende Auskünfte der Beklagten nur vom zuständigen Rentenberater erteilt werden dürften. Der Kläger betonte nochmals, vom Bescheid/Entwurf vom 16.01.1990 erstmals auf der Grundlage der Akteneinsicht während des Widerspruchsverfahrens im Jahre 1998 Kenntnis erlangt zu haben. Er und seine Tochter hätten davon ausgehen dürfen, dass Frau J. als Vertreterin der Beklagten gehandelt habe. Deren Auskünfte müsste sich die Beklagte zurechnen lassen. Der juristisch unbelastete Kläger sei bis zum Jahre 1997 der Meinung gewesen, die Beitragserstattung sei telefonisch abgelehnt worden. Aus diesem Grund habe für ihn auch kein Anlass bestanden, wegen des noch ausstehenden Bescheids auf Ablehnung der Beitragserstattung nachzusetzen. Es könne deshalb auch nicht darauf ankommen, welcher Zeitraum zwischen der Antragsstellung auf Beitragserstattung und dem später gestellten Witwerrentenantrag gelegen habe. Im Übrigen hätte die Beklagte durch einfache Rückfrage feststellen können, dass der Kläger den Bescheid vom 16.01.1990 nie erhalten habe. Das Fehlverhalten der Beklagten habe letztendlich dazu geführt, dass dem Kläger für die Zeit ab 01.10.1992 bis 30.04.1998 (gemeint wohl 30.09.1996) keine Witwerrente von der Beklagten gezahlt worden sei, weshalb diesem die geltend gemachte Nachzahlung zustehe. Die Beklagte hält dem entgegen, dass die informelle Auskunft einer ihrer Mitarbeiterinnen an die Tochter des Klägers als ehemalige Schulfreundin im privaten Rahmen für das hier anhängige Streitverfahren rechtlich unerheblich sei. Es entspreche nicht der gebotenen Sorgfalt, wenn ein Versicherter sich jahrelang nicht für den rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens interessiere. Zumindest der Tochter des Klägers hätte auffallen müssen, dass das Beitragserstattungsverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sei, wenn man unterstellt, dass der Bescheid vom 16.01.1990 dem Kläger nicht zugegangen sei. Im Übrigen sei es nicht Aufgabe der Beklagten, den Zugang ihrer Bescheide zu überprüfen und zu überwachen, wie der Bevollmächtigte des Klägers fordere.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.12.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.03.1998 in der Fassung des Widerspruchsbecheides vom 24.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Witwerrente bereits ab 01.02.1989 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten mit Teilakte Beitragserstattung sowie die Prozessakte des SG Bayreuth vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger die beantragte Witwerrente nicht bereits ab 01.02.1989, sondern erst ab 01.10.1996 zusteht. Es hat die tragenden Gründe seiner Entscheidung zutreffend dargelegt.
Dies ist zum einen die Tatsache, dass die Zeugin J. nicht berechtigt, auch nicht verpflichtet war, verbindliche Auskünfte für die Beklagte abzugeben. Dies zumindest musste der Tochter des Klägers bekannt sein. Die Tochter des Klägers, die für ihn in dieser Angelegenheit in zulässiger Weise gehandelt hat, war schon zur damaligen Zeit als ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte tätig (vgl. Schriftsatz der Klägerseite vom 12.11.2003 an das SG). Da bei der Ausbildung für diesen Beruf - wie allgemein bekannt - auch die Grundzüge des Verwaltungshandelns von Behörden und Ämtern vermittelt werden, musste der Tochter des Klägers gewärtig sein, dass jedes Verwaltungshandeln durch einen schriftlichen Bescheid abgeschlossen wird, nicht aber durch eine telefonische Rückfrage bei einer mit der Sache nicht befassten Bediensteten.
Nach den Vermerken in der Akte der Beklagten, kann davon ausgegangen werden, dass der Bescheid vom 16.01.1990, dessen Entwurf sich in den Akten der Beklagten befindet und der den Vermerk trägt "abgesandt: 16. Januar 1990", dem Kläger auch zuging. Dieser Bescheid enthielt auch den ausdrücklichen Zusatz: "Es wird Ihnen daher nahegelegt einen Witwerrentenantrag über das Städt. Versicherungsamt B. zu stellen". Aber auch wenn man unterstellt, dass der fragliche Bescheid vom 16.01.1990 dem Kläger nicht zugegangen ist, hätte es bei Anlegung der üblichen Sorgfalt nahegelegen, dass sich der Betroffene nach dem Stand des Verfahrens erkundigt oder entsprechende Rückfragen veranlasst hätte, da ja aus seiner Sicht ein schriftlicher Verwaltungsakt nicht ergangen war. Welcher Zeitraum hierfür anzusetzen ist, mag dahinstehen; jedenfalls erscheint ein Zeitraum von acht Jahren des Ruhigverhaltens zu lang, um daraus die vom Kläger gewünschten Konsequenzen herleiten zu können. Es war keineswegs Aufgabe der Beklagten, wie der Kläger meint, bei ihm Rückfrage zu halten, weshalb er keinen Witwerrentenantrag gestellt habe. Derartige Rückfragen erfolgen auch nicht bei allen anderen Bescheiden ablehnender oder gewährender Art; ebenso wenig hat die Beklagte eine Art "Erfolgskontrolle" zu führen, ob den von ihr gegebenen Hinweisen oder Empfehlungen von Seiten der Versicherten nachgekommen wird.
Einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch als Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist bereits aus diesen Gründen der Boden entzogen.
Im Übrigen weist der Senat die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.
Da die Berufung des Klägers zurückzuweisen war, sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Beginn der Witwerrente aus der Versicherung der I. Z. , geb. 1941, verstorben 25.02.1988.
Der 1942 geborene Kläger beantragte am 21.10.1997 bei der Beklagten die Gewährung von Witwerrente. Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Bescheid vom 13.03.1998 und bewilligte große Witwerrente ab 01.10.1996 (in Höhe von damals 233,52 DM monatlich). Zum Beginn der Rente ist vermerkt, dass diese für längstens 12 Kalendermonate vor dem Monat der Antragstellung geleistet werde (§ 99 Abs 2 SGB VI). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 15.04.1998 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 20.05.1998 stellte die Beklagte die Rente des Klägers neu fest aufgrund der durch das RRG 1999 geänderten Bewertung von Zeiten der Kindererziehung. Der Kläger verlangte mit dem Widerspruch, die Witwerrente rückwirkend ab 01.02.1989 zu zahlen. Er ließ vorbringen, seine Tochter, Frau S. , habe mit einer Bekannten, Frau J. , die Angestellte bei der LVA Oberfranken und Mittelfranken sei, Kontakt aufgenommen. Man sei zunächst davon ausgegangen, dass die verstorbene Versicherte bis zu ihrem Tod noch keine 60 Monate an Beiträgen zurückgelegt habe. Es sei dann am 07.09.1989 ein Antrag auf Beitragserstattung gemäß § 1303 RVO gestellt worden. Danach habe die Bekannte der Tochter jedoch in Erfahrung gebracht, dass tatsächlich mehr als 60 Monate an Beiträgen für die Versicherte vorhanden seien. Dies habe Frau J. der Tochter des Klägers mitgeteilt, und zwar telefonisch und habe gleichzeitig erklärt, dass der Antrag abgelehnt würde. Dies habe die Tochter des Klägers diesem weitergegeben. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass die Angelegenheit damit erledigt wäre und er keine weitere schriftliche Antragsablehnung erhalten würde. Sowohl der Kläger wie auch seine Tochter seien davon ausgegangen, dass keinerlei Möglichkeiten mehr bestünden, Zahlungen von der Beklagten zu erhalten. Erst nach Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren habe der Kläger erstmals den Entwurf des Bescheides vom 16.01.1990 gesehen. Dieses Schreiben sei ihm zu keinem Zeitpunkt zugegangen. Er habe deshalb auch nicht gewusst, dass er anstelle des Antrags auf Beitragsrückerstattung Antrag auf Witwerrente hätte stellen können oder müssen. Eine entsprechende Aufklärung, die nach seiner Auffassung notwendig und geboten gewesen sei, habe er von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt erhalten. Erstmals durch einen Hinweis seines Bevollmächtigten im Oktober 1997 habe der Kläger Kenntnis davon erlangt, dass er die Möglichkeit habe, anstelle der Beitragsrückerstattung Witwerrente zu beantragen. Aufgrund dieses Sachverhalts habe die Beklagte ihre Aufklärungs- und Beratungspflicht schuldhaft gegenüber dem Kläger verletzt, was einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründe. Der entstandene Schaden sei dem Kläger zu ersetzen; dieser müsse so gestellt werden, als wenn er bei Antragstellung am 07.09.1989 ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre. Aufgrund der Tatsache, dass ausweislich des Bescheidentwurfs am 16.01.1990 der Kläger spätestens ab Februar 1990 einen Antrag auf Witwerrente mit einjähriger Rückwirkung hätte stellen können, hätte er spätestens ab Februar 1989 Witwerrente erhalten können. Ihm sei ein Schaden entstanden in Höhe der Witwerrente für den Zeitraum Februar 1989 bis einschließlich September 1996.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24.11.1998 zurück. Nach der Vorschrift des § 99 Abs 2 SGB VI werde eine Hinterbliebenenrente nicht für mehr als 12 Kalendermonate vor dem Monat, in dem sie beantragte werde, gewährt. Der Kläger habe erst am 21.10.1997 Witwerrente beantragt, so dass der Rentenbeginn zutreffend auf den 01.10.1996 gelegt worden sei. Ein früherer Rentenbeginn im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sei nicht möglich. Die Beklagte habe keine Aufklärungs- bzw Beratungspflicht verletzt, da der Antrag auf Beitragserstattung vom 07.09.1989 mit Bescheid vom 16.01.1990 abgelehnt worden sei, und zwar wegen Erfüllung der Wartezeit für Hinterbliebenenrenten. Im Bescheid sei dem Kläger auch ausdrücklich nahegelegt worden, einen Witwerrentenantrag zu stellen. Der Bescheid sei dem Kläger auch zugegangen, da aus den Akten die Aufgabe des eingeschriebenen Briefes zur Post nebst Aufgabetag zweifelsfrei festgestellt werden könne und somit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Nachweis iS der Vorschriften des BayVwZVG erbracht sei. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Zugangsfiktion des Art 4 Abs 1 Satz 1 BayVwZVG nach der Rechtsprechung nicht wie hier vorliegend durch schlichtes Bestreiten entkräftet werden könne.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 28.12.1998 Klage beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Er hat beantragt, den Bescheid vom 13.03.1998 idF des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dass die im Rentenbescheid festgesetzte Rente rückwirkend ab 01.10.1992 beginnen solle und eine Nachzahlung für die Zeit vom 01.10.1992 bis 30.04.1998 in Höhe von 15.511,42 DM festgesetzt werde. Der Kläger bestritt weiterhin, den Ablehnungsbescheid vom 16.01.1990 jemals erhalten zu haben und stellte auch in Frage, dass der Originalbescheid - sofern er an den Kläger übersandt worden sein sollte - tatsächlich den aufklärenden Zusatz hatte.
In der mündlichen Verhandlung am 20.02.2003 hat das Gericht Frau K. S. , Frau A. J. und Frau A. S. als Zeuginnen einvernommen und den Kläger selbst angehört; wegen des Inhalts der Aussagen wird auf die Niederschrift verwiesen. Mit Urteil vom 11.12.2003 hat das SG die Klage - mit dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 28.12.1998 - abgewiesen. Zur Begründung hat das SG Bayreuth ausgeführt, die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches seien nicht gegeben. Als Tatbestandsvoraussetzungen müssten vorliegen: Objektives Fehlverhalten der Verwaltung; Veranlassung des Versicherten zu einer "Fehlhandlung". Es fehle schon an einem Fehlverhalten der Verwaltung. Damit sei gemeint, dass der Rechtsträger nur für ein solches Fehlverhalten einstehen müsse, für das er verantwortlich sei. Daran fehle es in vorliegenden Falle. Die Zeugin J. sei nicht für die Bearbeitung der Rentenakte des Klägers bzw. der Verstorbenen zuständig gewesen. Dies sei auch der Tochter des Klägers, Frau S. , bekannt gewesen. Diese habe bewusst die "informelle Ebene" gewählt, vermutlich um eine unbürokratische und schnelle Erledigung der Angelegenheit zu erlangen. Für ein Fehlverhalten auf dieser informellen Ebene hafte ein Rechtsträger jedoch nicht. Die Beklagte unterhalte in B. eine Auskunfts- und Beratungsstelle, die für verbindliche Informationen zuständig sei. An diese hätte der Kläger sich wenden können. Das Gericht lasse dahingestellt, ob der Bescheid vom 16.01.1990 dem Kläger tatsächlich bekanntgegeben worden sei. Es müsse berücksichtigt werden, dass zwischen dem Antrag auf Beitragserstattung vom September 1989 und dem Antrag auf Hinterbliebenenrente vom Oktober 1997 acht Jahre vergangen seien. Das Gericht sei der Auffassung, dass in Anknüpfung an den Gedanken der Verwirkung das Mitverschulden des Klägers am Entstehen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so groß sei, dass es den Zurechnungsanteil der Beklagten überwiege. Unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 20.10.1983 und vom 28.04.1997 sei vom Kläger zu fordern gewesen, dass er sich spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung bei der Beklagten nach dem Sachstand hätte erkundigen müssen. Bei der Annahme des Klägers und seiner Tochter, eine schriftliche Ablehnung des Antrags auf Beitragserstattung dürfte oder müsse nicht erfolgen, handele es sich um einen schlichten Irrtum auf der Klägerseite, der die Rechtsposition der Beklagten nicht beeinträchtigen könne. Die Beklagte sei schließlich auch nicht verpflichtet gewesen, zu kontrollieren, ob ein Zugangsnachweis für den Bescheid vom 16.01.1990 vorhanden sei. Eine konkrete gesetzliche Verpflichtung, eine Postzugangskontrolle durchzuführen oder eine Art "Erfolgskontrolle" bei gegebenen Hinweisen, bestehe für die Beklagte nicht. Es gehöre zum Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung, dass diese im Leistungsbereich nur auf Antrag tätig werde, von wenigen, hier nicht vorliegenden, Ausnahmen abgesehen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 03.03.2004 Berufung beim SG Bayreuth eingelegt. Er wiederholt seine Anträge aus dem Klageverfahren mit der Forderung nach einem Rentenbeginn für die Witwerrente zum 01.10.1992. Der Kläger ließ im Wesentlichen vorbringen, er sei von keiner Stelle darauf hingewiesen worden, dass er anstelle des Antrags auf Beitragserstattung Witwerrentenantrag hätte stellen müssen. Vielmehr sei er zusammen mit seiner Tochter davon ausgegangen, dass er keinerlei Ansprüche gegen die Beklagte habe und sein Erstattungsanspruch mit der - telefonischen - Erklärung von Frau J. erledigt sei. Weder der juristisch nicht vorgebildete Kläger noch dessen Tochter hätten einen schriftlichen Ablehnungsbescheid der Beklagten erwartet. Aus der Sicht der Tochter des Klägers sei Frau J. eine geeignete und kompetente Ansprechpartnerin der Beklagten gewesen, ohne dass sie gewusst habe, dass bindende Auskünfte der Beklagten nur vom zuständigen Rentenberater erteilt werden dürften. Der Kläger betonte nochmals, vom Bescheid/Entwurf vom 16.01.1990 erstmals auf der Grundlage der Akteneinsicht während des Widerspruchsverfahrens im Jahre 1998 Kenntnis erlangt zu haben. Er und seine Tochter hätten davon ausgehen dürfen, dass Frau J. als Vertreterin der Beklagten gehandelt habe. Deren Auskünfte müsste sich die Beklagte zurechnen lassen. Der juristisch unbelastete Kläger sei bis zum Jahre 1997 der Meinung gewesen, die Beitragserstattung sei telefonisch abgelehnt worden. Aus diesem Grund habe für ihn auch kein Anlass bestanden, wegen des noch ausstehenden Bescheids auf Ablehnung der Beitragserstattung nachzusetzen. Es könne deshalb auch nicht darauf ankommen, welcher Zeitraum zwischen der Antragsstellung auf Beitragserstattung und dem später gestellten Witwerrentenantrag gelegen habe. Im Übrigen hätte die Beklagte durch einfache Rückfrage feststellen können, dass der Kläger den Bescheid vom 16.01.1990 nie erhalten habe. Das Fehlverhalten der Beklagten habe letztendlich dazu geführt, dass dem Kläger für die Zeit ab 01.10.1992 bis 30.04.1998 (gemeint wohl 30.09.1996) keine Witwerrente von der Beklagten gezahlt worden sei, weshalb diesem die geltend gemachte Nachzahlung zustehe. Die Beklagte hält dem entgegen, dass die informelle Auskunft einer ihrer Mitarbeiterinnen an die Tochter des Klägers als ehemalige Schulfreundin im privaten Rahmen für das hier anhängige Streitverfahren rechtlich unerheblich sei. Es entspreche nicht der gebotenen Sorgfalt, wenn ein Versicherter sich jahrelang nicht für den rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens interessiere. Zumindest der Tochter des Klägers hätte auffallen müssen, dass das Beitragserstattungsverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sei, wenn man unterstellt, dass der Bescheid vom 16.01.1990 dem Kläger nicht zugegangen sei. Im Übrigen sei es nicht Aufgabe der Beklagten, den Zugang ihrer Bescheide zu überprüfen und zu überwachen, wie der Bevollmächtigte des Klägers fordere.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.12.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.03.1998 in der Fassung des Widerspruchsbecheides vom 24.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Witwerrente bereits ab 01.02.1989 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten mit Teilakte Beitragserstattung sowie die Prozessakte des SG Bayreuth vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger die beantragte Witwerrente nicht bereits ab 01.02.1989, sondern erst ab 01.10.1996 zusteht. Es hat die tragenden Gründe seiner Entscheidung zutreffend dargelegt.
Dies ist zum einen die Tatsache, dass die Zeugin J. nicht berechtigt, auch nicht verpflichtet war, verbindliche Auskünfte für die Beklagte abzugeben. Dies zumindest musste der Tochter des Klägers bekannt sein. Die Tochter des Klägers, die für ihn in dieser Angelegenheit in zulässiger Weise gehandelt hat, war schon zur damaligen Zeit als ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte tätig (vgl. Schriftsatz der Klägerseite vom 12.11.2003 an das SG). Da bei der Ausbildung für diesen Beruf - wie allgemein bekannt - auch die Grundzüge des Verwaltungshandelns von Behörden und Ämtern vermittelt werden, musste der Tochter des Klägers gewärtig sein, dass jedes Verwaltungshandeln durch einen schriftlichen Bescheid abgeschlossen wird, nicht aber durch eine telefonische Rückfrage bei einer mit der Sache nicht befassten Bediensteten.
Nach den Vermerken in der Akte der Beklagten, kann davon ausgegangen werden, dass der Bescheid vom 16.01.1990, dessen Entwurf sich in den Akten der Beklagten befindet und der den Vermerk trägt "abgesandt: 16. Januar 1990", dem Kläger auch zuging. Dieser Bescheid enthielt auch den ausdrücklichen Zusatz: "Es wird Ihnen daher nahegelegt einen Witwerrentenantrag über das Städt. Versicherungsamt B. zu stellen". Aber auch wenn man unterstellt, dass der fragliche Bescheid vom 16.01.1990 dem Kläger nicht zugegangen ist, hätte es bei Anlegung der üblichen Sorgfalt nahegelegen, dass sich der Betroffene nach dem Stand des Verfahrens erkundigt oder entsprechende Rückfragen veranlasst hätte, da ja aus seiner Sicht ein schriftlicher Verwaltungsakt nicht ergangen war. Welcher Zeitraum hierfür anzusetzen ist, mag dahinstehen; jedenfalls erscheint ein Zeitraum von acht Jahren des Ruhigverhaltens zu lang, um daraus die vom Kläger gewünschten Konsequenzen herleiten zu können. Es war keineswegs Aufgabe der Beklagten, wie der Kläger meint, bei ihm Rückfrage zu halten, weshalb er keinen Witwerrentenantrag gestellt habe. Derartige Rückfragen erfolgen auch nicht bei allen anderen Bescheiden ablehnender oder gewährender Art; ebenso wenig hat die Beklagte eine Art "Erfolgskontrolle" zu führen, ob den von ihr gegebenen Hinweisen oder Empfehlungen von Seiten der Versicherten nachgekommen wird.
Einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch als Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist bereits aus diesen Gründen der Boden entzogen.
Im Übrigen weist der Senat die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.
Da die Berufung des Klägers zurückzuweisen war, sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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