L 2 P 42/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 P 68/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 42/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 P 2/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Mai 2003 wird abgeändert.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.157,46 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) auf 1.494,61 Euro seit dem 27. Dezember 2001, auf 1.617,16 Euro seit 1. März 2002, auf 1.903,11 Euro seit 1. Oktober 2002, auf 2.157,46 Euro seit 1. Mai 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Wider-Widerklage abgewiesen.
III. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
IV. Die Klägerin trägt 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten im Berufungsverfahren.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob zwischen der Widerbeklagten und Wider-Widerklägerin (im Folgenden: Klägerin) und dem Widerkläger und Wider-Widerbeklagten (im Folgenden: Beklagten) seit dem 1. Januar 1995 ein privates Versicherungsverhältnis über die Pflegepflichtversicherung nach dem Tarif PVN besteht und hieraus Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 1997 zu entrichten sind.

Der Beklagte ist seit dem 1. Januar 1967 bei der Klägerin privat krankenversichert. Die Klägerin informierte den Beklagten mit einem Standardschreiben im November 1994 über die ab 1. Januar 1995 bestehende Verpflichtung, eine Pflegepflichtversicherung abzuschließen. Dem Schreiben war ein Versicherungsschein, ein Merkblatt zur Pflegepflichtversicherung sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (AVB/PPV 95) beigefügt. Es enthielt ferner das Angebot zum Abschluss einer Pflegepflichtversicherung mit folgenden Formulierungen: "Mit der Übersendung dieser Unterlagen schlagen wir Ihnen vor, die private Pflege-Pflichtversicherung bei unserem Unternehmen abzuschließen. Wir gehen davon aus, dass Sie mit dem Vertrag bei uns einverstanden sind, wenn Sie uns nicht innerhalb von 4 Wochen ausdrücklich mitteilen, dass Sie sich für einen anderen Pflegeversicherer entscheiden. ( ...) Sofern Sie dem Zustandekommen des Pflege-Pflichtversicherungsvertrages bei uns nicht widersprechen, gestatten wir uns weiterhin davon auszugehen, dass Sie mit der Abbuchung der Beiträge durch uns aufgrund der für Ihre Krankenversicherung bestehenden Lastschriftermächtigung einverstanden sind."

Der Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht. Ab dem 1. Januar 1995 führte die Klägerin auch die private Pflegepflichtversicherung durch. Der Beklagte zahlte zunächst die Beiträge für die Pflegepflichtversicherung.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 1995 an die Klägerin vertrat der Beklagte die Auffassung, der geführte Tarif PVN sei ungültig. Der Klägerin liege von ihm weder ein unterzeichneter Versicherungsantrag bzw. -vertrag noch eine Einzugsermächtigung vor. Er forderte die Klägerin auf die abgebuchten PVN-Beiträge von insgesamt 526,50 DM (9 x 58,50 DM) zurück zu überweisen. Diese vertrat demgegenüber die Auffassung, der Beklagte sei seit dem 1. Januar 1995 pflegepflichtversichert. Mit Schreiben vom 14. Februar 1996 verwies sie u.a. auf ein Gutachten des Prof. Dr. I. (Universität B.) zur "Begründung von Pflegeversicherungsverhältnissen im Bereich der privaten Krankenversicherung". Da der Beklagte dem Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Pflegepflichtversicherungsvertrages nicht widersprochen habe und im Übrigen auch nicht von seinem Wahlrecht gemäß § 23 Abs. 2 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Gebrauch gemacht habe, sei der Vertrag mit der Klägerin zustande gekommen.

Wegen Erhöhung des Beitrags Tarif PVN zum 1. Juli 1996 kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 23. Juni 1996 diesen Tarif zum 1. Juli 1996. Sein Pflegerisiko habe er anderweitig abgesichert. Die Krankenversicherung solle fortbestehen. Mit Schreiben vom 11. Juli 1996 wies die Klägerin die Kündigung zurück. Gemäß § 23 Abs. 1 SGB XI sei der Beklagte verpflichtet, seine Pflegeversicherung bei der Klägerin aufrecht zu erhalten, solange er dort mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen krankenversichert sei. Die Pflegeversicherung könne gemäß § 13 Abs. 2 S. 2 MB/PPV wegen einer Beitragsanpassung demzufolge nur gekündigt werden, sofern die private Krankenversicherung bereits beendet sei. Im Übrigen erfolge die Beitragsanpassung zum 1. Juli 1996 nicht aufgrund der Anpassungsklausel des § 8 b Abs. 1 und 3 MB/PPV, sondern aufgrund der gesetzlichen Vorgaben (§ 55 Abs. 1 und 2 SGB XI i.V.m. § 8 Abs. 5 MB/PPV - Einführung der stationären Pflegestufe zum 1. Juli 1996), die bereits bei Inkrafttreten der Pflegepflichtversicherung am 1. Januar 1995 festgesetzt worden seien.

Mit der Klage zum Sozialgericht München vom 30. Juni 1997 begehrte die Klägerin den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.462,50 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Forderung setze sich zusammen aus den Beiträgen für Februar 1996 bis Juni 1996 in Höhe von monatlich 58,50 DM (292,50 DM) und den Beiträgen für Juli 1996 bis Juni 1997 in Höhe von monatlich 97,50 DM (1.170,00 DM). Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen und nicht wirksam gekündigt worden.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, und erhob Widerklage mit dem Antrag festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten seit dem 1. Januar 1995 kein Versicherungsverhältnis über eine Pflegepflichtversicherung nach dem Tarif PVN gemäß § 23 Abs. 1 SGB XI besteht. Gleichzeitig beantragte er die Klägerin zu verurteilen, an ihn 526,50 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. Es sei kein wirksamer Versicherungsvertrag zustande gekommen, da eine entsprechende Willenserklärung von ihm nicht abgegeben worden sei. Ein bloßes Schweigen löse keine Rechtsfolgen zu Lasten des Schweigenden aus. Die Ausnahme gemäß handelsrechtlichen Vorschriften greife vorliegend nicht ein. Zudem bestünden gegen das SGB XI massive verfassungsrechtliche Bedenken.

Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 1997 nahm die Klägerin die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des Sozialgerichts München zurück. Sie behielt sich die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs je nach Ausgang des Widerklageverfahrens vor. Sie beantragte ferner, die Widerklage abzuweisen. Der Feststellungs- sowie der Leistungsantrag des Beklagten sei unbegründet.

Die Widerbeklagte beantragte mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2001, eingegangen am 27. Dezember 2001, erneut, die Widerklage abzuweisen; ferner stellte sie zugleich als Klägerin den Antrag, den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.263,20 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Summe beziehe sich auf die rückständigen Beiträge für die Pflegepflichtversicherung für den Zeitraum vom Januar 1997 bis Dezember 2001. Mit Schriftsatz vom 7. März 2002 erweiterte sie ihre Widerklage auf die Zahlung von 2.813,58 EUR nebst Zinsen, da zwischenzeitlich weitere Beiträge (Januar 2002 bis März 2002) fällig geworden seien. Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2002 erweiterte sie die Zahlungsklage auf 3.099,53 EUR (Beiträge für April 2002 bis Oktober 2002), mit Schriftsatz vom 2. Mai 2003 auf 3.353,88 EUR (Beiträge für November 2002 bis Mai 2003).

Mit Urteil vom 15. Mai 2003 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten, an die Klägerin 3.353,88 EUR nebst 5 % Zinsen zu zahlen. Die Widerklage wies es ab. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die erhobenen Widerklagen seien zulässig; begründet sei jedoch lediglich die Widerklage der Klägerin. Es sei mit Wirkung zum 1. Januar 1995 ein privater Pflegepflichtversicherungsvertrag zustande gekommen, der nicht wirksam gekündigt worden sei. Das Zustandekommen des Vertrages richte sich nach allgemeinem Zivilrecht. Allerdings führe der bestehende Kontrahierungszwang dazu, dass bereits das bloße Schweigen des Versicherungspflichtigen auf ein Angebot des Versicherungsunternehmens zum Abschluss eines privaten Pflegepflichtversicherungsvertrages als Annahme des Angebots zu werten sei. Von dem Wahlrecht nach § 23 Abs. 2 SGB XI habe der Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Der Vertrag sei auch nicht wirksam gekündigt worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die nach den Regelungen des SGB XI bestehende Verpflichtung zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages bestünden nicht (vgl. BVerfG v. 3. April 2001, NJW 2001, 1709).

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, es sei kein Versicherungsvertrag über eine Pflegepflichtversicherung zustande gekommen. Es liege keine Erklärung dahingehend vor, dass er bei der Klägerin Versicherungsschutz bezüglich der Pflegeversicherung wünsche. Zwar bestehe gemäß § 23 Abs. 1 SGB XI eine Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Pflegepflichtversicherung, es bestehe jedoch kein Kontrahierungszwang zu seinen Lasten, bei der Klägerin Versicherungsschutz zu nehmen. Die Klägerin sei nicht berechtigt, gegen seinen Willen ein Versicherungsverhältnis durchzuführen. Es werde bestritten, dass er im November 1994 durch ein Angebotsschreiben oder einen Informationsbrief in Form eines Massen-Serienbriefes informiert wurde. Er sei von der Klägerin nicht hinreichend informiert worden; er habe wegen beruflicher Abwesenheit erst nach einiger Zeit gemerkt, dass der Beitrag erhöht worden sei. Er habe aber daraufhin frühzeitig dagegen protestiert. Die Kündigung sei nur vorsorglich erfolgt. Trotz dieser Kündigung sei er der Rechtsmeinung gewesen, dass von vornherein ein Versicherungsvertrag nicht zustande gekommen ist. Im Übrigen sei ein Teil der Forderungen gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verjährt. Die Klägerin habe am 20. Dezember 2001 Wider-Widerklage erhoben. Damit seien alle Ansprüche bis zum 31. Dezember 1998 verjährt. Die Einrede der Verjährung wurde erhoben. Die Unterbrechung aufgrund der Klage vom Juni 1997 sei aufgrund der Rücknahme der Klage entfallen. Hinsichtlich des Zinssatzes müsse es für die am 1. Mai 2000 bereits fällig gewordenen Forderungen bei dem früheren Zinssatz von 4 % gemäß § 288 BGB alter Fassung verbleiben (§ 288 BSG, Art. 229 Abs. 1 S. 3 EGBGB). Schließlich sei auch die Kostengrundentscheidung zu beanstanden.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Aufgrund der Untätigkeit des Beklagten auf die Übersendung des Vertragsangebotes sowie aufgrund des Umstandes, dass die Beiträge für Januar 1995 bis September 1995 gezahlt worden seien, sei ein Versicherungsvertrag zustande gekommen. Der Beklagte habe auf das Angebot der Klägerin, einen Pflegepflichtversicherungsvertrag abzuschließen, erst nach über 10 Monaten mit Schreiben vom 2. Oktober 1995 reagiert. Zu diesem Zeitpunkt sei der Vertrag schon längst zustande gekommen gewesen. Dafür, dass das Schreiben der Klägerin vom November 1994 nicht zugegangen ist, sei substantiiert nichts vorgetragen worden, worauf auch das Sozialgericht zutreffend hingewiesen habe. Im Schreiben vom 2. Oktober 1995 machte der Beklagte lediglich geltend, keinen Antrag unterschrieben zu haben. Auch aus den Detailkenntnissen des Beklagten, wie sie im Schreiben vom 2. Oktober 1995 sichtbar würden, ergebe sich, dass dieser die Materialien des Schreibens vom November 1994 erhalten hatte. Dies lasse sich auch aus der Antwort des Beklagten vom 13. November 1995 auf das Schreiben der Klägerin vom 6. November 1995 ableiten. Mit keinem Wort behauptete der Beklagte zu diesem Zeitpunkt, das Angebotsschreiben vom November 1994 nicht erhalten zu haben. In der Klageerwiderung vom 13. August 1997 werde ebenfalls nur die Problematik des Schweigens erörtert. Der Beklagte sei mit der Einrede der Verjährung im Berufungsverfahren gemäß § 531 Abs. 2 Ziff. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen. Im Übrigen gelte für Beitragsforderungen zur privaten Pflegeversicherung gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) eine vierjährige Verjährungsfrist. Die geltend gemachten Forderungen seit Januar 1997 seien somit nicht verjährt. Der Zinsanspruch sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da keine Verzinsung ab Fälligkeit begehrt wurde, sondern des seit 1. Dezember 2001 fälligen Gesamtrückstandes ab Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Mai 2003 aufzuheben und festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten seit dem 1. Januar 1995 kein Versiche rungsverhältnis über eine Pflege-Pflichtversicherung nach dem Tarif PVN gemäß § 23 Abs. 1 SGB IX besteht, und

2. die Widerklage der Klägerin abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Mai 2003 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da der Prozessbevollmächtigte ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Falle des Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und aufgrund der erhobenen Verjährungseinrede teilweise begründet. Dies führt zur teilweisen Abänderung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Widerklage des Beklagten ist gemäß § 100 SGG zulässig; durch die später erfolgte Rücknahme der ursprünglichen Klage wurde sie nicht unzulässig, da die Widerklage nicht vom Schicksal der Grundklage abhängig ist.

Bei der erneuten Klage vom 20. Dezember 2001 handelt es sich um eine Wider-Widerklage. Diese ist grundsätzlich wie eine Widerklage zulässig (BGH MDR 1959, 571). Die Klägerin konnte auch nach Rücknahme der Klage den teilweise deckungsgleichen Klageanspruch im Wege der Widerklage gegen die Widerklage geltend machen (Rosenberg-Schwab, Zivilprozessrecht, § 99 II 6 mit Hinweis auf BGH ZZP 68, 192).

Der Antrag des Beklagten im Rahmen des Berufungsverfahrens, wie er sich aus dem Schriftsatz vom 27. August 2003 ergibt, ist zum einen nur mehr auf Feststellung, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten seit dem 1. Januar 1995 kein Versicherungsverhältnis über eine private Pflegepflichtversicherung besteht, gerichtet, zum anderen auf Abweisung der Wider-Widerklage der Klägerin, mit der diese als Hauptforderung die Zahlung von 3.353,88 EUR für rückständige Beiträge aus dem Pflegepflichtversicherungsvertrag für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 31. Mai 2003 begehrt.

Zutreffend geht das Sozialgericht davon aus, dass ein privater Versicherungsvertrag zustande gekommen ist und dieser nicht wirksam gekündigt werden konnte.

Der Abschluss einer privaten Pflichtversicherung im Bereich der Pflegeversicherung erfolgt nicht durch Gesetz, sondern durch den Abschluss eines entsprechenden Versicherungsvertrages. Hierbei sind lediglich gesetzlich vorgegebene Einschränkungen der Abschluss- und Gestaltungsfreiheit zu beachten (z.B. §§ 23, 110 SGB XI).

Ein privater Versicherungsvertrag ist durch Angebot und Annahme zustande gekommen (§§ 145, 147 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB). Mit Standardschreiben vom November 1994 informierte die Klägerin die bei ihr Krankenversicherten über die ab 1. Januar 1995 bestehende Verpflichtung, eine Pflegepflichtversicherung abzuschließen. Da es sich auch im Bereich der Pflegeversicherung um eine Massenverwaltung handelt, war die Übersendung von Standardschreiben, die im Einzelnen nicht abgespeichert wurden, nicht zu beanstanden. Es ergeben sich eindeutige Indizien, dass der Beklagte dieses Schreiben auch tatsächlich - trotz später angegebener längerer Abwesenheit im Ausland - erhalten hat. Es wurde von diesem zunächst nicht vorgetragen, dieses Schreiben nicht erhalten zu haben. Der Beklagte brachte lediglich vor, dass aufgrund seines Schweigens kein Vertrag zustande gekommen sei. Dies ergibt sich aus den Schreiben des Beklagten vom 2. Oktober 1995 und 13. November 1995 sowie aus der Klageerwiderung vom 13. August 1997. Ferner wurden die Beiträge im Tarif PVN vom Beklagten zumindest über etliche Monate beglichen. Auch hieraus ergibt sich, dass der Beklagte über die Neuerung durch die Klägerin aufgrund des Informationsschreibens in Kenntnis gesetzt wurde und das Schreiben vom November 1994 somit erhalten hat.

Das Vertragsangebot wurde vom Beklagten angenommen. Zwar widersprach dieser dem Angebot der Klägerin nicht; auch nahm er es nicht ausdrücklich an. Grundsätzlich ist Schweigen weder Zustimmung noch Ablehnung, sondern überhaupt keine Willenserklärung im Sinne des § 116 BGB (Palandt, BGB, 65. Aufl., § 116 Rdnr. 7). Nur in gesetzlich geregelten Einzelfällen sowie in besonderen Sonderfällen kommt dem Schweigen Rechtsbedeutung im Sinne einer Ablehnung oder einer Zustimmung zu. Ein Vertrag kann beispielsweise durch Schweigen abgeschlossen werden, wenn der Schweigende nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet gewesen wäre, seinen abweichenden Willen zu äußern. Für die Zurechnung des Schweigens als Zustimmung müssen besondere Umstände dies rechtfertigen (Palandt, a.a.O., Rdnr. 10). Schweigen ist ferner als Zustimmung auszulegen, wenn auf ein Angebot, das auf Grund von alle wichtigen Punkte betreffenden Vorverhandlungen ergeht, geschwiegen wird (BGH ZIP 1995, 574 f). Teilweise wird deshalb angenommen, dass auch das Schweigen auf das Angebot des privaten Krankenversicherungsunternehmens zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages als Zustimmung gilt, weil eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer Pflegeversicherung gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XI besteht (z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2002, Az.: L 4 P 2487/01; a.A. z.B. Prölss, in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 178 b Rdnr. 20).

Der Senat kann vorliegend diese Frage ausdrücklich offen lassen, da der Vertrag jedenfalls durch konkludentes Handeln des Beklagten zustande gekommen ist (Palandt, a.a.O., Rdnr. 6). Die Annahme eines Angebots durch Schweigen ist von einer konkludenten Annahme zu trennen. Zur Frage des Zustandekommens eines privaten Pflegeversicherungsvertrages hat das BSG mit Beschluss vom 21. Mai 2003 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Vertragsangebote durch konkludentes Verhalten angenommen werden können (BSG, Beschluss, Az.: B 12 P 1/03 B m.w.N.). Der Beklagte zahlte ab Januar 1995 bis einschließlich September 1995 die Beiträge für die Pflegepflichtversicherung ohne jegliche Beanstandung oder Vorbehalte. Auch soweit er sich zu dieser Zeit im Ausland aufgehalten haben sollte, hätte die Obliegenheit bestanden, sich Überblick über die Kontobewegungen zu verschaffen, so dass die Nichtbeanstandung der Abbuchung durch die Beklagte auch bei längerem Auslandsaufenthalt dem Beklagten als konkludentes Verhalten zuzurechnen ist. Erst mit Schreiben vom 23. Juni 1996 kündigte er die Pflegepflichtversicherung zum 1. Juli 1996 unter Bezugnahme auf die Erhöhung der Beiträge Tarif PVN zum 1. Juli 1996. Hieraus ergibt sich nach Überzeugung des Senats, dass der Beklagte das Angebot der Klägerin auf Abschluss der privaten Pflegeversicherung bei ihr angenommen hat.

Damit ist gemäß §§ 145, 147 BGB ein wirksamer Versicherungsvertrag zustande gekommen. Auch hat der Beklagte hinsichtlich des Vertragsschlusses keinen entgegenstehenden Wille zu erkennen gegeben. Schließlich machte der Beklagte nicht innerhalb von sechs Monaten von dem gemäß § 23 Abs. 2 SGB XI gegebenen Wahlrecht Gebrauch.

Der Vertrag wurde mit Schreiben vom 23. Juni 1996 nicht wirksam zum 1. Juli 1996 gekündigt. Zutreffend verwies das Sozialgericht darauf, dass gemäß § 23 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 13 Abs. 2 S. 2 MB/PPV 1995 die Pflegepflichtversicherung vom Versicherten nur gekündigt werden kann, wenn die für die versicherte Person bestehende private Krankenversicherung mit Anspruch auf Kostenerstattung für allgemeine Krankenhausleistungen endet. Dies war vorliegend unstreitig nicht der Fall. Die Klägerin konnte somit mit Schreiben vom 11. Juli 1996 die Kündigung als rechtsunwirksam zurückweisen. Der Vertrag muss grundsätzlich aufrecht erhalten werden und darf nur nach § 27 SGB XI gekündigt werden, wenn Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung eintritt (so auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Ein außerordentliches Kündigungsrecht bestand aufgrund der Beitragsanpassung zum 1. Juli 1996 ebenfalls nicht. Die Anpassung war bereits bei Inkrafttreten der Pflegepflichtversicherung am 1. Januar 1995 gemäß § 55 Abs. 1 und 2 SGB XI in Verbindung mit § 8 Abs. 5 MB/PPV vom Gesetzgeber festgesetzt worden. Sie erfolgte nicht aufgrund der Anpassungsklausel des § 8 b Abs. 1 und 3 MB/PPV. Schließlich greifen auch die sonstigen Kündigungsrechte nach § 13 MB/PPV nicht ein.

Dem Klageanspruch steht jedoch teilweise die Einrede der Verjährung entgegen, die vom Beklagten mit der Berufungsbegründung vom 27. August 2003 vorgebracht wurde. Dabei richtet sich die Verjährung nach § 12 Abs. 1 VVG und nicht nach der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Der Pflegeversicherungsvertrag ist dem Bereich des Zivilrechts und nicht dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Dem Versicherungsschutz liegt, wie dargelegt, ein privatrechtlicher Versicherungsvertrag zugrunde. Trotz der Zuweisung zu den Gerichten des Sozialgerichtsbarkeit für die private Pflegepflichtversicherung finden deshalb u.a. grundsätzlich die Vorschriften des VVG Anwendung (BSG, Beschluss vom 8. August 1996, BSGE 79, 80 ff; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juni 1998, Az.: L 4 P 2801/97 zur Anwendung des § 12 Abs. 3 VVG; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.01.2006, Az.: L 3 P 9/05 zur Anwendung des § 12 Abs. 1 VVG; Römer, PKV 96, S. 47).

Nach § 12 Abs. 1 VVG verjähren Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 MB/PPV 1996 werden die Monatsbeiträge am ersten eines jeden Monats fällig.

Durch die Erhebung der Klage vom 30. Juni 1997 wurde die Streitsache rechtshängig (§ 94 SGG) und die Verjährung damit unterbrochen (§ 45 Abs. 2 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB I, § 209 BGB a.F.). Durch die Rücknahme der Klage vom 2. Oktober 1997 gilt die Unterbrechung durch Klageerhebung gemäß § 212 Abs. 1 BGB a.F. als nicht erfolgt. Dies gilt unabhängig vom Fortbestehen der Widerklage des Beklagten. Ein Verzicht auf die Verjährungseinrede wurde vom Beklagten in diesem Zusammenhang nicht erklärt. Eine erneute Klage in Form einer Wider-Widerklage wurde erst am 20. Dezember 2001 und somit nach Ablauf der 6-Monatsfrist des § 212 Abs. 2 BGB a.F. erhoben. Damit sind alle Ansprüche bis zum 31. Dezember 1998 verjährt.

Der Beklagte ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht mit der Erhebung der Verjährungseinrede ausgeschlossen. Die Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO, auf die sich die Klägerin bezieht, kommt nicht über § 202 SGG zur Anwendung (so auch Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, Anhang 8, § 531 ZPO). Regelungen der ZPO sind nicht subsidiär gemäß § 202 SGG heranzuziehen, soweit grundsätzliche Unterschiede der Verfahrensart dies ausschließen. Die Regelung des § 531 ZPO ist Ausfluss der Parteienmaxime sowie des Beibringungsgrundsatzes, die im Rahmen des zivilgerichtlichen Verfahrens gelten. Diese stehen im Unterschied zu der Untersuchungsmaxime des SGG im Sinne des § 103 SGG.

Anhaltspunkte, dass die Geltendmachung der Verjährung einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt und deshalb verwirkt ist, sind nicht ersichtlich. Insbesondere reicht das bloße Untätigbleiben nicht aus; es muss darüber hinaus ein konkretes Verhalten des Beklagten hinzukommen, das bei der Klägerin die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass die Verjährungseinrede nicht mehr geltend gemacht werde. Dies ist hier nicht erkennbar.

Die Beitragsforderungen für die Zeit vom Januar 1997 bis einschließlich Dezember 1998 in Höhe von 2.340,00 DM bzw. 1.196,42 EUR (24 Monate zu 97,50 DM) sind damit verjährt.

Zutreffend ging das Sozialgericht von einem Zinssatz in Höhe von 5 v.H. über den Basiszins der EZB aus. Soweit sich der Beklagte auf Art. 229 § 1 S. 3 EGBGB in Verbindung mit § 288 BGB beruft, betrifft dies lediglich einen Anspruch auf Verzugszinsen. Der Anspruch auf die Verzugszinsen richtet sich nach §§ 247, 286, 288 BGB. Der Zinssatz von 5 v.H. gilt hierbei für alle Geldforderungen, die seit dem 1. Mai 2000 fällig geworden sind. Für die am 1. Mai 2000 bereits fälligen Forderungen bleibt es bei dem Zinssatz von 4 v.H. gemäß § 288 BGB a.F. (Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB). Die Klägerin macht jedoch mit Klageschrift vom 20. Dezember 2001 nicht Verzugszinsen, sondern Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit der Wider-Widerklage geltend. Nach § 291 S. 1 BGB hat der Schuldner eine Geldschuld unabhängig vom Verzug ab Eintritt der Rechtshängigkeit zu verzinsen. Dabei gilt gemäß § 291 S. 2 BGB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 S. 2 BGB der erhöhte Zinssatz von 5 v.H. Zwischen den Ansprüchen auf Verzugszinsen und auf Prozesszinsen besteht Anspruchskonkurrenz (so auch OLG Saarbrücken, NJW-RR 1987, 471). Dabei gilt aufgrund des Wortlautes und der Regelungsinhaltes nicht die Übergangsregelung des Art. 229 § 1 EGBGB, die lediglich auf § 288 BGB, nicht jedoch auf § 291 BGB anzuwenden ist. Der Zinsanspruch ist damit ab Rechtshängigkeit (27. Dezember 2001) in Höhe von 5 v.H. über den Basiszinssatz des EZB gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Änderung des § 193 Abs. 4 SGG durch das 6. SGG-Änderungsgesetz trat erst mit Wirkung vom 2. Januar 2002 in Kraft. Die erneute Klage wurde jedoch bereits am 20. Dezember 2001 anhängig. Nach § 193 Abs. 4 Satz 1 SGG a.F. waren nicht erstattungsfähig "die Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts". Eine Anwendung dieser Vorschrift auf private Versicherungsunternehmen ist bei dieser Gesetzesfassung abgelehnt worden (vgl. Urteil des Senats vom 11. April 2002, Az.: B 3 P 10/01 R; abweichend LSG Saarland VersR 1998, 1130, mit wiederum ablehnender Anmerkung von Jestaedt). Für das Verfahren vor dem Sozialgericht gilt somit noch § 193 SGG in der Fassung des 5. SGG-Änderungsgesetzes mit der Möglichkeit, außergerichtliche Kosten privater Pflegepflichtversicherungsunternehmen anderen Beteiligten aufzuerlegen.

Für das Berufungsverfahren, das erst am 4. September 2003 anhängig wurde, gilt § 193 SGG n.F. Nach § 193 i.V.m. 184 SGG in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes sind u.a. private Pflegepflichtversicherungsunternehmen nicht mehr zur Geltendmachung der außergerichtlichen Kosten berechtigt (siehe auch LSG NRW v. 10. März 2003, Az.: L 3 P 49/02, nachfolgend: BSG vom 12. Februar 2004, Az.: B 12 P 5/03 R). Außergerichtliche Kosten der Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens können dem Beklagten deshalb nicht mehr auferlegt werden (§ 193 Abs. 4 SGG n.F.). Eine Kostenbeteiligung der Klägerin an den außergerichtlichen Kosten des Beklagten im Berufungsverfahren ist allerdings wie erfolgt angezeigt.

Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts war nicht zu beanstanden. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Verjährungseinrede erst im Rahmen des Berufungsverfahrens erhoben wurde. Da die Widerklage in vollem Umfang unbegründet war und erst die Berufung aufgrund der nun erhobenen Verjährungseinrede teilweise begründet ist, erscheint es dem Senat unbillig, die Rücknahme der ursprünglichen Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit anteilsmäßig im Rahmen des § 193 SGG für das Verfahren vor dem Sozialgericht zu berücksichtigen.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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