Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 433/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 118/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 1. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gültigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 11.07.2005 als öffentlich-rechtlicher Vertrag streitig.
Der 1950 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit 01.01.2005 Arbeitslosengeld II (Alg II).
Am 11.07.2005 wurde zwischen ihm und der Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung getroffen. Danach wurde nach § 16 Abs.1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. § 37 Abs.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zur Unterstützung für sechs Monate das Berufsbildungszentrum A. der L. GmbH (BBZ) eingeschaltet. Der Kläger wohnt etwa 7,7 km von dem BBZ entfernt.
Mit Schreiben vom 30.08.2005 wurde der Kläger von dem BBZ zu einem Termin am 08.09.2005 eingeladen. Auf seine Nachfrage vom 06.09.2005 wurde ihm mitgeteilt, dass ab Beginn des Vermittlungsauftrags pro Besuch ein Betrag von 3,29 EUR erstattet werde. Dementsprechend erfolgte beim Termin am 08.09.2005 die Abwicklung. Der Kläger hingegen machte eine Entschädigung von 0,22 EUR pro Kilometer für jeweils 22 km pro Besuch geltend. Wegen der Gefahr der Unterdeckung, gegen die dann im Einzelfall auch nur unzureichend gerichtlich vorgegangen werden könne und wegen weiterer drohender Aufwendungen aus dem Vermittlungsvertrag ohne finanzielle Deckung, legte der Kläger am 12.09.2005 gegen die Eingliederungsvereinbarung Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Der Widerspruch richte sich gegen die Eingliederungsvereinbarung. Diese stelle einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. Dagegen sei der Widerspruch nicht zulässig, da die Eingliederungsvereinbarung keinen Verwaltungsakt darstelle.
Mit der zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2005 beantragt, da die zugrundeliegende Eingliederungsvereinbarung vom 11.07.2005 verfassungswidrig sei, da sie gegen formelles und materielles Recht verstoße. Die Eingliederungsvereinbarung stelle einen Kontrahierungszwang dar. Er habe sich dem Abschluss nicht entziehen können. Eine pauschale Abrechnung der Fahrtkosten sei unzulässig, da die Fahrtkosten individuell je nach Bedarf entstehen würden (Individualisierungsprinzip). Außerdem seien nach dem Bundesreisekostengesetz die tatsächlichen darin aufgeführten Kosten zu erstatten. Nach dem Routenrechner stimme die Kilometerzahl von 15,54 km. Allerdings sei er der Auffassung, dass die tatsächlich gefahrenen Kilometer (= 22 Kilometer) übernommen werden müssten, da dies nicht vorhersehbar gewesen sei.
Die Beklagte hat erneut darauf hingewiesen, dass die Eingliederungsvereinbarung einen rechtlich bindenden öffentlich-rechtlichen Vertrag darstelle, welchen der Kläger am 11.07.2005 unterschrieben habe. In diesem Vertrag habe der Kläger mit ihr vereinbart, dass zur Vermittlung in eine Arbeit Dritte, nämlich, das BBZ, eingeschaltet werde. Die Einschaltung Dritter zur Unterstützung sei in § 16 Abs.1 SGB II i.V.m. § 37 SGB III geregelt. Der öffentlich-rechtliche Vertrag binde beide Seiten gleichermaßen an dessen Inhalt. Dem Kläger habe es bei der Vertragsunterzeichnung bereits freigestanden, sich gegen eine Einschaltung des BBZ zu wehren. Fahrtkosten würden, obwohl Fahrtkosten im Regelsatz enthalten seien, zusätzlich bei der Wahrnehmung der Termine beim Dritten erstattet. Grundsätzlich könne sie für die Beschäftigung gemäß § 16 Abs.1 SGB II i.V.m. §§ 45, 46 SGB III Fahrtkosten erstatten. Diese Leistung stelle nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Kann-Leistung dar, was bedeute, dass keine generelle Pflicht zur Erstattung der Fahrtkosten bestehe. Sie habe mit dem BBZ vereinbart, dass die Fahrtkosten-abrechnung grundsätzlich über das BBZ durchzuführen sei. Es sei festgelegt worden, dass die Abrechnung pauschal erfolge. Jeder Hilfeempfänger erhalte generell vier Streifen einer Streifenkarte, d.h. pro einfacher Fahrt zwei Streifen, als Fahrtkosten erstattet. Dabei sei davon ausgegangen worden, dass die maximale Strecke, die zurückzulegen sei, bei den Verkehrsbetrieben höchstens zwei Streifen koste. Daher würden die gesamten Fahrtkosten, sofern der Hilfebedürftige die öffentlichen Verkehrsbetriebe nütze, erstattet. Ein Verweis des Hilfebedürftigen auf das günstigste Verkehrsmittel, die öffentlichen Verkehrsmittel, sei zulässig. Im Stadtbereich A. stelle ein Pkw keine zwingende Notwendigkeit dar. Sofern der Kläger die Erstattung der Kosten für eine Pkw-Nutzung beantrage, sei der Antrag abzuweisen. Sofern der Kläger nicht bereit sei, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, werde er darauf verwiesen, den möglichen Differenzbetrag zwischen Pkw-Nutzung und öffentlichen Verkehrsmitteln selbst zu tragen. In diesem Fall, vorausgesetzt man setze einen Erstattungsanspruch von 0,22 EUR je km an, betrage der Differenzbetrag 0,08 EUR.
Mit Urteil vom 01.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte den Widerspruch als unzulässig verworfen. Die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II sei § 35 SGB III nachgebildet. Der Vertrag nach § 15 SGB II werde überwiegend als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von §§ 53 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angesehen. Gegen die gesetzliche Regelung würden keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Nichtigkeitsgründe für die Eingliederungsvereinbarung seien nicht ersichtlich. Im Ergebnis gehe es dem Kläger um eine abstrakte Vertragskontrolle der Eingliederungsvereinbarung. Dafür gebe es nach dem Verfahrensrecht des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine Rechtsgrundlage. Im sozialgerichtlichen Verfahren gebe es auch nicht die Möglichkeit eines abstrakten Normenkontrollverfahrens. Gegenstand des sozialgerichtlichen Klageverfahrens könne also nur eine ergangene oder erstrebte Regelung im Einzelfall durch einen Verwaltungsakt sein. Nach Aktenlage habe der Kläger zwischenzeitlich gegen diverse Ablehnungen von Reisekostenerstattungsanträgen Widerspruch eingelegt. Wenn über diese Widersprüche entschieden sei, könne dann gegebenenfalls der Klageweg beschritten werden. Dabei sei dann zu überprüfen, ob im Einzelfall die Ablehnung berechtigt gewesen sei.
Zur Begründung der Berufung weist der Kläger erneut darauf hin, dass die Eingliederungsvereinbarung nichtig und verfassungswidrig sei. Die Zuständigkeit des SG für eine Anfechtung ergebe sich aus dem sozialrechtlichen Verhältnis. Der Eingliederungsvertrag sei unter Drohung von Sanktionen nach § 31 SGB II unterschrieben worden, was einem Formenmissbrauch gleichkomme. Die Übertragung der Vermittlung auf Dritte (BBZ) sei ein Eingestehen der Unfähigkeit, nämlich die der Beklagten vom Gesetzgeber gestellte Aufgabe, die Betreuung und Vermittlung der Arbeitslosen zu erledigen. Weiter beantrage er, die tatsächlich entfallenden Kosten der Verpflichtung zur regelmäßigen Nutzung des Internets als Zuschuss nach § 16 Abs.2 Satz 1 SGB II zu übernehmen. Im Übrigen beantrage er die tatsächlichen Fahrtkosten nach dem Reisekostengesetz festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht habe es als Aufgabe der Sozialgerichte bezeichnet, die einzelnen Regelungen des SGB II verfassungsrechtlich zu überprüfen. Diesem Anspruch genüge das Urteil nicht, denn es setze sich nicht mit der unter Zwang abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung auseinander. Durch diese sei er aber direkt betroffen und benachteiligt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 01.12.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 aufzuheben und festzustellen, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 11.07.2005 rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Entscheidungsgründen in dem angefochtenen Urteil des SG an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Der Klageantrag des Klägers ist als auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung gerichtet auszulegen und damit als zulässiger Antrag im Sinne des § 55 Abs.1 Nr.1 SGG anzusehen. Denn, wenn wie hier, aus konkretem Anlass über Rechte und Pflichten gestritten wird, deren Bestehen oder Nichtbestehen unmittelbar von der Gültigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages abhängt, ist der Antrag (letztlich) auf Überprüfung eines konkreten Rechtsverhältnisses gerichtet. Eine solche Feststellungsklage (wie hier auf Festellung der Ungültigkeit der Eingliederungsvereinbarung) ist zulässig, weil nur so ein wirksamer Rechtsschutz gewährt werden kann.
In der Sache erweist sich aber der Feststellungsantrag wie auch das Rechtsmittel als unbegründet.
Zu Recht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 01.12.2005 die Klage abgewiesen, da der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20.09.2005 der Sach- und Rechtslage entspricht. Denn der Widerspruch gegen die Eingliederungsvereinbarung war unzulässig.
Denn die Eingliederungsvereinbarung im Sinne von § 15 SGB II stellt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von §§ 53 ff. SGB X dar (so Rixen in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 15 Rdnr.3, Müller in Hauck-Nofftz/Voelzke, § 15 Rndr.11 und Löns in Löns/Herold-Tews, § 15 Rdnr.2). Die Eingliederungvereinbarung konkretisiert das Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Erwerbsfähigen und der Agentur für Arbeit (BT-Drs. 15/1516, S.54) bzw. dem sonst zuständigen Leistungsträger. Es handelt sich um einen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von § 53 Abs.1 Satz 2 SGB X, weil das Rechtsverhältnis auch durch Verwaltungsakt geregelt werden könnte. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, gemäß § 31 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Buchst.a SGB II sanktioniert werden kann, also kein Kontrahierungszwang besteht. Gegen eine Verfassungswidrigkeit spricht, dass der Gesetzgeber ersichtlich der Meinung war, dass eine der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gerecht werdende Steuerung der Eingliederungsleistungen sich besser in Kooperation mit diesem bewerkstelligen lasse. Er bedient sich dazu des Regelungsinstruments des Vertrags, um sicherzustellen, dass Leistungsträger und erwerbsfähiger Hilfebedürftiger einander als "gleichberechtigte Partner" (Ausschussbericht, BT-Drs. 15/1749, S.32 zu § 15) begegnen. Davon erhoffte sich der Gesetzgeber eine passgenauere und situationsangemessenere Steuerung der Eingliederung in Arbeit als durch einen Verwaltungsakt, der trotz der grundsätzlich obligatorischen Anhörung ein einseitiges, nicht auf gleichberechtigte Partnerschaft angelegtes Regelungsinstrument bleibt. Dieses Ziel ist verfassungsrechtlich legitim. Auch das Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) ist nicht verletzt, denn spätestens der "wichtige Grund" im Sinne von § 31 Abs.1 Satz 2 SGB II stellt sicher, dass legitime Gründe für eine Ablehnung der Vereinbarung zur Geltung gebracht werden können.
Insgesamt stellt sich somit die Eingliederungsvereinbarung nicht als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar. Danach ist als Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme anzusehen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Was die vom Kläger beantragte Kostenerstattung anbelangt, so bleibt festzuhalten, dass es dem Kläger durchaus zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Zutreffend weist das SG in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dem Kläger die Möglichkeit verbleibt, gegen einzelne Kostenbescheide Widerspruch bzw. nach erfolglosem Widerspruch Klage zu erheben. Die Möglichkeit einer abstrakten Überprüfung im Sinne eines Normenkontrollverfahrens ist im SGG nicht vorgesehen.
Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 01.12.2005 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gültigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 11.07.2005 als öffentlich-rechtlicher Vertrag streitig.
Der 1950 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit 01.01.2005 Arbeitslosengeld II (Alg II).
Am 11.07.2005 wurde zwischen ihm und der Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung getroffen. Danach wurde nach § 16 Abs.1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. § 37 Abs.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zur Unterstützung für sechs Monate das Berufsbildungszentrum A. der L. GmbH (BBZ) eingeschaltet. Der Kläger wohnt etwa 7,7 km von dem BBZ entfernt.
Mit Schreiben vom 30.08.2005 wurde der Kläger von dem BBZ zu einem Termin am 08.09.2005 eingeladen. Auf seine Nachfrage vom 06.09.2005 wurde ihm mitgeteilt, dass ab Beginn des Vermittlungsauftrags pro Besuch ein Betrag von 3,29 EUR erstattet werde. Dementsprechend erfolgte beim Termin am 08.09.2005 die Abwicklung. Der Kläger hingegen machte eine Entschädigung von 0,22 EUR pro Kilometer für jeweils 22 km pro Besuch geltend. Wegen der Gefahr der Unterdeckung, gegen die dann im Einzelfall auch nur unzureichend gerichtlich vorgegangen werden könne und wegen weiterer drohender Aufwendungen aus dem Vermittlungsvertrag ohne finanzielle Deckung, legte der Kläger am 12.09.2005 gegen die Eingliederungsvereinbarung Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Der Widerspruch richte sich gegen die Eingliederungsvereinbarung. Diese stelle einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. Dagegen sei der Widerspruch nicht zulässig, da die Eingliederungsvereinbarung keinen Verwaltungsakt darstelle.
Mit der zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2005 beantragt, da die zugrundeliegende Eingliederungsvereinbarung vom 11.07.2005 verfassungswidrig sei, da sie gegen formelles und materielles Recht verstoße. Die Eingliederungsvereinbarung stelle einen Kontrahierungszwang dar. Er habe sich dem Abschluss nicht entziehen können. Eine pauschale Abrechnung der Fahrtkosten sei unzulässig, da die Fahrtkosten individuell je nach Bedarf entstehen würden (Individualisierungsprinzip). Außerdem seien nach dem Bundesreisekostengesetz die tatsächlichen darin aufgeführten Kosten zu erstatten. Nach dem Routenrechner stimme die Kilometerzahl von 15,54 km. Allerdings sei er der Auffassung, dass die tatsächlich gefahrenen Kilometer (= 22 Kilometer) übernommen werden müssten, da dies nicht vorhersehbar gewesen sei.
Die Beklagte hat erneut darauf hingewiesen, dass die Eingliederungsvereinbarung einen rechtlich bindenden öffentlich-rechtlichen Vertrag darstelle, welchen der Kläger am 11.07.2005 unterschrieben habe. In diesem Vertrag habe der Kläger mit ihr vereinbart, dass zur Vermittlung in eine Arbeit Dritte, nämlich, das BBZ, eingeschaltet werde. Die Einschaltung Dritter zur Unterstützung sei in § 16 Abs.1 SGB II i.V.m. § 37 SGB III geregelt. Der öffentlich-rechtliche Vertrag binde beide Seiten gleichermaßen an dessen Inhalt. Dem Kläger habe es bei der Vertragsunterzeichnung bereits freigestanden, sich gegen eine Einschaltung des BBZ zu wehren. Fahrtkosten würden, obwohl Fahrtkosten im Regelsatz enthalten seien, zusätzlich bei der Wahrnehmung der Termine beim Dritten erstattet. Grundsätzlich könne sie für die Beschäftigung gemäß § 16 Abs.1 SGB II i.V.m. §§ 45, 46 SGB III Fahrtkosten erstatten. Diese Leistung stelle nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Kann-Leistung dar, was bedeute, dass keine generelle Pflicht zur Erstattung der Fahrtkosten bestehe. Sie habe mit dem BBZ vereinbart, dass die Fahrtkosten-abrechnung grundsätzlich über das BBZ durchzuführen sei. Es sei festgelegt worden, dass die Abrechnung pauschal erfolge. Jeder Hilfeempfänger erhalte generell vier Streifen einer Streifenkarte, d.h. pro einfacher Fahrt zwei Streifen, als Fahrtkosten erstattet. Dabei sei davon ausgegangen worden, dass die maximale Strecke, die zurückzulegen sei, bei den Verkehrsbetrieben höchstens zwei Streifen koste. Daher würden die gesamten Fahrtkosten, sofern der Hilfebedürftige die öffentlichen Verkehrsbetriebe nütze, erstattet. Ein Verweis des Hilfebedürftigen auf das günstigste Verkehrsmittel, die öffentlichen Verkehrsmittel, sei zulässig. Im Stadtbereich A. stelle ein Pkw keine zwingende Notwendigkeit dar. Sofern der Kläger die Erstattung der Kosten für eine Pkw-Nutzung beantrage, sei der Antrag abzuweisen. Sofern der Kläger nicht bereit sei, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, werde er darauf verwiesen, den möglichen Differenzbetrag zwischen Pkw-Nutzung und öffentlichen Verkehrsmitteln selbst zu tragen. In diesem Fall, vorausgesetzt man setze einen Erstattungsanspruch von 0,22 EUR je km an, betrage der Differenzbetrag 0,08 EUR.
Mit Urteil vom 01.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte den Widerspruch als unzulässig verworfen. Die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II sei § 35 SGB III nachgebildet. Der Vertrag nach § 15 SGB II werde überwiegend als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von §§ 53 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angesehen. Gegen die gesetzliche Regelung würden keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Nichtigkeitsgründe für die Eingliederungsvereinbarung seien nicht ersichtlich. Im Ergebnis gehe es dem Kläger um eine abstrakte Vertragskontrolle der Eingliederungsvereinbarung. Dafür gebe es nach dem Verfahrensrecht des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine Rechtsgrundlage. Im sozialgerichtlichen Verfahren gebe es auch nicht die Möglichkeit eines abstrakten Normenkontrollverfahrens. Gegenstand des sozialgerichtlichen Klageverfahrens könne also nur eine ergangene oder erstrebte Regelung im Einzelfall durch einen Verwaltungsakt sein. Nach Aktenlage habe der Kläger zwischenzeitlich gegen diverse Ablehnungen von Reisekostenerstattungsanträgen Widerspruch eingelegt. Wenn über diese Widersprüche entschieden sei, könne dann gegebenenfalls der Klageweg beschritten werden. Dabei sei dann zu überprüfen, ob im Einzelfall die Ablehnung berechtigt gewesen sei.
Zur Begründung der Berufung weist der Kläger erneut darauf hin, dass die Eingliederungsvereinbarung nichtig und verfassungswidrig sei. Die Zuständigkeit des SG für eine Anfechtung ergebe sich aus dem sozialrechtlichen Verhältnis. Der Eingliederungsvertrag sei unter Drohung von Sanktionen nach § 31 SGB II unterschrieben worden, was einem Formenmissbrauch gleichkomme. Die Übertragung der Vermittlung auf Dritte (BBZ) sei ein Eingestehen der Unfähigkeit, nämlich die der Beklagten vom Gesetzgeber gestellte Aufgabe, die Betreuung und Vermittlung der Arbeitslosen zu erledigen. Weiter beantrage er, die tatsächlich entfallenden Kosten der Verpflichtung zur regelmäßigen Nutzung des Internets als Zuschuss nach § 16 Abs.2 Satz 1 SGB II zu übernehmen. Im Übrigen beantrage er die tatsächlichen Fahrtkosten nach dem Reisekostengesetz festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht habe es als Aufgabe der Sozialgerichte bezeichnet, die einzelnen Regelungen des SGB II verfassungsrechtlich zu überprüfen. Diesem Anspruch genüge das Urteil nicht, denn es setze sich nicht mit der unter Zwang abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung auseinander. Durch diese sei er aber direkt betroffen und benachteiligt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 01.12.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 aufzuheben und festzustellen, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 11.07.2005 rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Entscheidungsgründen in dem angefochtenen Urteil des SG an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Der Klageantrag des Klägers ist als auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung gerichtet auszulegen und damit als zulässiger Antrag im Sinne des § 55 Abs.1 Nr.1 SGG anzusehen. Denn, wenn wie hier, aus konkretem Anlass über Rechte und Pflichten gestritten wird, deren Bestehen oder Nichtbestehen unmittelbar von der Gültigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages abhängt, ist der Antrag (letztlich) auf Überprüfung eines konkreten Rechtsverhältnisses gerichtet. Eine solche Feststellungsklage (wie hier auf Festellung der Ungültigkeit der Eingliederungsvereinbarung) ist zulässig, weil nur so ein wirksamer Rechtsschutz gewährt werden kann.
In der Sache erweist sich aber der Feststellungsantrag wie auch das Rechtsmittel als unbegründet.
Zu Recht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 01.12.2005 die Klage abgewiesen, da der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20.09.2005 der Sach- und Rechtslage entspricht. Denn der Widerspruch gegen die Eingliederungsvereinbarung war unzulässig.
Denn die Eingliederungsvereinbarung im Sinne von § 15 SGB II stellt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von §§ 53 ff. SGB X dar (so Rixen in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 15 Rdnr.3, Müller in Hauck-Nofftz/Voelzke, § 15 Rndr.11 und Löns in Löns/Herold-Tews, § 15 Rdnr.2). Die Eingliederungvereinbarung konkretisiert das Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Erwerbsfähigen und der Agentur für Arbeit (BT-Drs. 15/1516, S.54) bzw. dem sonst zuständigen Leistungsträger. Es handelt sich um einen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von § 53 Abs.1 Satz 2 SGB X, weil das Rechtsverhältnis auch durch Verwaltungsakt geregelt werden könnte. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, gemäß § 31 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Buchst.a SGB II sanktioniert werden kann, also kein Kontrahierungszwang besteht. Gegen eine Verfassungswidrigkeit spricht, dass der Gesetzgeber ersichtlich der Meinung war, dass eine der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gerecht werdende Steuerung der Eingliederungsleistungen sich besser in Kooperation mit diesem bewerkstelligen lasse. Er bedient sich dazu des Regelungsinstruments des Vertrags, um sicherzustellen, dass Leistungsträger und erwerbsfähiger Hilfebedürftiger einander als "gleichberechtigte Partner" (Ausschussbericht, BT-Drs. 15/1749, S.32 zu § 15) begegnen. Davon erhoffte sich der Gesetzgeber eine passgenauere und situationsangemessenere Steuerung der Eingliederung in Arbeit als durch einen Verwaltungsakt, der trotz der grundsätzlich obligatorischen Anhörung ein einseitiges, nicht auf gleichberechtigte Partnerschaft angelegtes Regelungsinstrument bleibt. Dieses Ziel ist verfassungsrechtlich legitim. Auch das Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) ist nicht verletzt, denn spätestens der "wichtige Grund" im Sinne von § 31 Abs.1 Satz 2 SGB II stellt sicher, dass legitime Gründe für eine Ablehnung der Vereinbarung zur Geltung gebracht werden können.
Insgesamt stellt sich somit die Eingliederungsvereinbarung nicht als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar. Danach ist als Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme anzusehen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Was die vom Kläger beantragte Kostenerstattung anbelangt, so bleibt festzuhalten, dass es dem Kläger durchaus zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Zutreffend weist das SG in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dem Kläger die Möglichkeit verbleibt, gegen einzelne Kostenbescheide Widerspruch bzw. nach erfolglosem Widerspruch Klage zu erheben. Die Möglichkeit einer abstrakten Überprüfung im Sinne eines Normenkontrollverfahrens ist im SGG nicht vorgesehen.
Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 01.12.2005 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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