L 5 KR 11/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 302/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 11/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 03.12.2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 11.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2004 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Erstattung von Kosten in Höhe von 6.198,73 EUR, die im Zusammenhang mit Maßnahmen der künstlichen Befruchtung entanden sind.

Der 1967 geborenen Klägerin gewährte die Beklagte wegen Infertilität des privat versicherten Ehemanns bislang insgesamt fünf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung. Nach der zweiten Behandlung wurde ein Kind geboren, nach der fünften Behandlung trat eine Eileiterschwangerschaft ein, die beendet werden musste.

Am 01.06.2004 beantragte die Klägerin die Übernahme weiterer Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.06.2004 ab. Im Widerspruchsbescheid vom 27.07.2004 heißt es, ab 01.01.2004 seien nur drei Versuche genehmigungsfähig. Ein erneuter Versuch stehe nur nach der Geburt eines Kindes zu.

Dagegen hat die Klägerin am 26.08.2004 Klage erhoben und beantragt, drei weitere Versuche der künstlichen Befruchtung zu finanzieren. In der mündlichen Verhandlung am 03.12.2004 hat die Beklagte ihre Begründung nicht aufrecht erhalten, Voraussetzung für eine weitere Maßnahme sei die Geburt eines Kindes. Gefordert werde aber eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft, die bei der Klägerin nicht vorgelegen habe, weil sich die Eizelle nicht in die Gebärmutter eingenistet habe. Demgegenüber hat die Klägerin darauf hingewiesen, ihre Schwangerschaft sei hormonell nachgewiesen gewesen. Von der Klinik sei auch embryonales Gewebe entfernt worden. Zwischenzeitlich habe sie zwei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vornehmen lassen.

Das Sozialgericht Regensburg hat die Beklagte mit Urteil vom 03.12.2004 zur anteiligen Erstattung der nach der Ablehnung durchgeführten zwei Behandlungen der Invitrofertilisation (IVF) entsprechend dem Antrag der Klägerin verurteilt. Ziffer 8 Satz 2 der "Richtlinien über künstliche Befruchtung" sei erfüllt, da eine Schwangerschaft eingetreten sei, so dass die Erfolgsaussicht im Sinn des § 27a Ziffer 2 SGB V gegeben sei. Nr.2 Satz 3 der "Richtlinien" befasse sich nicht mit den Erfolgsaussichten der künstlichen Befruchtung, sondern mit den Anspruchsvoraussetzungen und stelle klar, dass auch nach der Geburt eines Kindes grundsätzlich ein Anspruch bestehe.

Gegen dieses am 27.12.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.01.2005 Berufung eingelegt. Entsprechend Ziffer 8 der "Richtlinien über künstliche Befruchtung" habe eine Maßnahme keine Erfolgsaussicht, wenn dreimal keine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten sei. Eine Eileiterschwangerschaft sei nicht mit einer Lebend-, Tod- oder Fehlgeburt gleichzusetzen. Ein neuer Anspruch entstehe ausschließlich nach einer Geburt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 03.12.2004 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 11.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2004 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 03.12.2004 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Regensburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und erweist sich in vollem Umfang als begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 03.12.2004 kann keinen Bestand haben. Zutreffend hat es die Beklagte mit Bescheid vom 11.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2004 abgelehnt, die Kosten für weitere Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung zu übernehmen. Dieser Anspruch scheitert an der fehlenden Erfolgsaussicht. Bei der Klägerin ist es vor ihrer Antragstellung am 01.06.2004 bei dreimaligen Versuchen der künstlichen Befruchtung zu keiner klinisch nachgewiesenen Schwangerschaft gekommen. Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs.3 SGB V). Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSGE 79, 125 ff. m.w.N.). Zwar umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung nach § 27a SGB V im Grundsatz auch Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung, zu denen Maßnahmen der nach der ablehnenden Entscheidung vom 11.06.2004 durchgeführten Invitrofertilisation gehören. Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass bis auf die Ziffer 2 von § 27a Abs.1 SGB V die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Das in § 27a Abs.1 Ziffer 2 SGB V notwendige Maß an Erfolgsaussicht war jedoch nicht gegeben. Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden ist (§ 27a Abs.1 Ziffer 2 SGB V). Unstreitig hat nach der Geburt des Kindes infolge der zweiten Behandlungsmaßnahme eine neue Zählung begonnen und ebenso unstreitig ist, dass die danach liegenden zwei Behandlungsversuche erfolglos geblieben sind. Der dritte Versuch, der mit einer Eileiterschwangerschaft endete, ist ebenso erfolglos geblieben. Wann eine Maßnahme erfolglos geblieben ist, bestimmt § 27a SGB V nicht. Auch die Orientierung an der Zielsetzung des § 27a SGB V, nämlich der Herbeiführung einer Schwangerschaft, führt nicht weiter. Eine Schwangerschaft beginnt nach einer theologischen Lehrmeinung mit der Absicht der Erzeugung menschlichen Lebens, medizinisch/wissenschaftlich mit der Befruchtung, juristisch mit der Nidation, biochemisch mit dem Anstieg des Beta-HCG und klinisch durch weitere Untersuchungen. Die Erfolgsaussichten sind nach anderen Kriterien zu bestimen. Keine Aussicht auf einen Erfolg der künstlichen Befruchtung besteht, wenn dreimalige Versuche keine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft erbracht haben. § 27a Abs.4 SGB V ermächtigt den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 SGB V dazu, in Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27a Abs.1 zu bestimmen. Die Gesetzesbegründung (Regierungsentwurf KOV-Anpassungsgesetz 1990, Bundesrats-Drucksache 65/90 S.37) zählt dazu die medizinische Indikation, aber auch Regelungen, die die notwendige Erfolgsaussicht konkretisieren. In diesen "Richtlinien über künstliche Befruchtung" in der Fassung vom 14.08.1990, zuletzt geändert am 15.11.2005 (Bundesanzeiger Nr.31 S.922), heißt es unter Ziffer 8 Satz 2, eine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe für die jeweilige Behandlungsmaßnahme dann nicht, wenn sie bei der Invitrofertilisation bis zu dreimal vollständig durchgeführt wurde, ohne dass eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist. Zusätzlich hat der Bundesausschuss mit Beschluss vom 16.11.2005 klargestellt, was im Sinne der Richtlinie als erfolgreicher Versuch einer künstlichen Befruchtung gilt, nämlich der klinische Nachweis einer Schwangerschaft, unabhängig davon, ob es nachfolgend zur Geburt eines Kindes gekommen ist (Die Leistungen 1/2006 S.56 ff.). Eine Eileiterschwangerschaft stellt keine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft dar. Unter einer klinisch nachgewiesenen Schwangerschaft wird nach den Ausführungen des Kassenärztlichen Verbandes der Zustand verstanden, der vorliegt, wenn ein sonographischer Nachweis eines in der Gebärmutterhöhle befindlichen Fruchtsackes mit mindestens einem Embryo mit positiver Herzreaktion geführt werden könne. Eine klinische Schwangerschaft liege also vor, wenn vorgenannte Anzeichen mittels Vaginalsonde sonographisch feststellbar seien, was erst ab der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall ist. Davon abzugrenzen sei der biochemische Nachweis des Schwangerschaftshormons, der auch ektope und damit nicht entwicklungsfähige Schwangerschaften mitumfasse (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20.04.2005, L 12 KA 213/04). Diese Begriffsdefinition deckt sich nicht mit der des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V., der allerdings keine eigene Definition der klinisch nachgewiesenen Schwangerschaft nennt. Wenn er in der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme schreibt, eine Fehlgeburt, bei der zuvor mit klinischen Methoden der Eintritt einer Schwangerschaft belegt wurde, oder eine Eileiterschwangerschaft erfüllten eindeutig das Kriterium der "klinisch nachgewiesenen Schwangerschaft" im Sinne der Richtlinien, so wird die Gleichstellung der Eileiterschwangerschaft mit klinisch nachgewiesener Schwangerschaft lediglich postuliert, nicht begründet. Der zur Konkretisierung der Anspruchsvoraussetzungen berufene Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Erläuterung des Erfolgs einer künstlichen Befruchtungsmaßnahme nicht auf den in den Mutterschaftsrichtlinien verwendeten Begriff der Schwangerschaft verwiesen, sondern ihn restriktiv definiert. Dies ist angesichts der unterschiedlichen Zweckrichtungen der Mutterschaftsrichtlinien und § 27a SGB V auch vertretbar. Steht dort das Bedürfnis nach Vorsorge und Überwachung im Extremfall auch direkt im Anschluss an eine Invitrofertilisation im Vordergrund, ist hier die Frage nach einer medizinisch begründeten Erfolgsprognose maßgeblich. Steht aber von vornherein fest, dass die festgestellte Schwangerschaft nicht entwicklungsfähig ist, kann der Maßnahme auch keine Erfolgsaussicht zugemessen werden. Die Fortführung der Leistung gemäß § 27a SGB V erfordert die Feststellung einer bestehenden Schwangerschaft mit der Aussicht auf eine Geburt. Dieses Mindestmaß an klinischem Nachweis erscheint vor allem vor dem Hintergrund geboten, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung generell nur geringe Erfolgschancen haben, die zudem mit jedem Versuch weiter sinken (siehe hierzu BSG, Urteil vom 25.05.2000, SozR 3-2500 § 27a Nr.1). Manifestiert sich das Risiko des Scheiterns bereits zu einem so frühen Zeitpunkt wie mit der möglichen Feststellung der Eileiterschwangerschaft, erscheint es gerechtfertigt, dies den Umständen der Befruchtungsmaßnahme zuzuordnen, die sich so als gescheitert erweist. Weder zum Zeitpunkt des hormonellen Nachweises der Schwangerschaft noch zum Zeitpunkt der Feststellung embryonalen Gewebes war eine positive Prognose möglich. Der dritte Versuch war daher ebenso erfolglos wie die beiden vorangegangenen.

Selbst wenn man die Eileiterschwangerschaft der Klägerin als erfolgreichen Versuch einer künstlichen Befruchtung werten wollte, wäre das Urteil des Sozialgerichts Regensburg nicht haltbar. Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Kosten der nach der Ablehnung durchgeführten zwei Behandlungen der Invitrofertilisation anteilig zu erstatten. Erst nach der Geburt eines Kindes besteht erneut der Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung inklusive der Höchstzahl an erfolglosen Versuchen. Nach der Geburt des Kindes der Klägerin nach dem zweiten Behandlungszyklus hat die Klägerin unstreitig zwei erfolglose Versuche durchgeführt, so dass ihr angesichts des "erfolgreichen" dritten Versuchs lediglich ein zusätzlicher Versuch zuzuerkennen wäre. Dementsprechend sind die "Richtlinien über die künstliche Befruchtung" ab 15.11.2005 auch dahingehend geändert worden, dass kein Anspruch auf weitere Maßnahmen besteht, wenn eine bestimmte Höchstzahl von erfolglosen Versuchen erreicht ist und zwar unabhängig davon, ob die Versuche unmittelbar hintereinander erfolgten. Nr.8 Abs.1 wurde im folgenden Satz ergänzt: Sofern eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist, ohne dass es nachfolgend zur Geburt eines Kindes gekommen ist, wird dieser Behandlungsversuch nicht auf die vorstehende Anzahl angerechnet. Die Klägerin hätte daher allenfalls die Hälfte der im Sommer 2004 entstandenen Kosten (1.105,45 EUR) beanspruchen können.

Aus diesen Gründen war die Berufung erfolgreich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved