Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 KR 212/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 359/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24. Oktober 2005 und der zugrunde liegende Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2003 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin ihren Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung rechtzeitig angezeigt hat.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin als freiwilliges Mitglied zu versichern hat.
Die 1962 geborene Klägerin war bei der Beklagten über ihren am 25.09.2001 verstorbenen Vater familienversichert. Sie ist krank (Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis) und schwerbehindert mit einem GdB von 100.
Deswegen war bereits 1986 Frau H. R. , später verheiratete W. - W. -, vom Vormundschaftsgericht S. zur Pflegerin mit dem Wirkungskreis unter anderem: Vertretung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten bestellt worden. Zum 01.01.1992 wurde die bisherige "Pflegschaft" in eine Betreuung mit unverändertem Wirkungskreis umgewandelt.
Die Klägerin selbst bezieht Unterhaltsleistung vom Bezirk Unterfranken und ist ohne eigenes Einkommen, worüber die Betreuerin regelmäßig vom Bezirk Unterfranken unterrichtet wurde.
So heißt es im Bescheid vom 24.07.1995: "Die Übernahme der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu AOK Bayern - Direktion W. - erfolgt vorbehaltlich der eventuellen Durchführung einer Familienversicherung bei der AOK - Direktion S. -. Die Zahlung der Beiträge wird durch Sammelrechnung direkt mit der AOK - Direktion W. - erfolgen". Am 07.06.2002 beantragte Frau W., sie von ihrem Amt zu entbinden. In der Stellungnahme der Betreuungsstelle der Stadt W. vom 02.07.2002 war dies unter anderem deswegen befürwortet worden, weil die Klägerin ihren Krankenversicherungsschutz verloren habe. Um diesen möglicherweise wiederzuerlangen, benötige es professioneller Kenntnisse durch eine Berufsbetreuerin. Der Wechsel auf die nunmehrige Betreuerin B. K. erfolgte am 16.07.2002. Dazu wurde der Aufgabenkreis erweitert um die "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozial-Leistungsträgern".
Ausweislich der Akten der Beklagten erkundigte sich die neue Betreuerin am 19.08.2002 schriftlich bei der Beklagten nach dem Versichertenstatus der Klägerin, der nach einer Aktennotiz bereits Mitte Januar 2002 Gegenstand eines Telefongespräches zwischen einem Mitarbeiter der AOK S. und Frau W. gewesen war.
Am 30.10.2002 erließ die Beklagte einen Bescheid, wonach eine Pflichtversicherung auf Grund der von der Klägerin regelmäßig im Heim verrichteten Putzarbeit nicht zu begründen sei. Dieser Bescheid blieb unangefochten.
Mit einem weiteren Bescheid vom 02.12.2002 stellte die Beklagte fest, dass es zu einer freiwilligen Versicherung der Klägerin nicht gekommen sei, weil der Beitritt nicht rechtzeitig angezeigt wäre. Auch eine Fristverlängerung komme nicht in Betracht. Diese Auffassung bestätigte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 23.07.2003.
Mit der dagegen am 08.08.2003 erhobenen Klage ist zum einen Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Anzeigefrist beantragt sowie sind Rechte aus einem Herstellungsanspruch geltend gemacht worden, weil die frühere Betreuerin zuvor nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Auch auf Grund der vorherigen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen ihr und der Beklagten habe sie sich darauf verlassen dürfen, dass die AOK sie rechtzeitig auf die Anzeigepflicht hinweisen würde. Es sei "nämlich bereits mindestens einmal ein Wechsel von der Familienversicherung in die freiwillige Versicherung und wieder zurück erfolgt".
Dazu erklärte in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2005 der Beklagtenvertreter, dass im Jahre 1987 ein solcher Wechsel stattgefunden habe, über den jedoch keine Unterlagen mehr vorlägen.
Das Sozialgericht wies mit Urteil vom gleichen Tage die Klage ab und setzte sich zunächst mit dem dann doch bejahten Rechtsschutzinteresse auseinander. Dieses sei deswegen fraglich, weil gegebenenfalls die Sozialhilfe im Krankheitsfall zu leisten habe und von daher der Klägerin der pflichtige Träger gleichgültig sein können. Dass die gesetzlich vorgeschriebene Anzeigefrist versäumt sei, sei unter den Beteiligten unstreitig. Die vormalige Betreuerin, zu deren Aufgabenkreis auch die Verpflichtung zur rechtzeitigen Anzeige des Beitritts zur freiwilligen Versicherung gehört hätte, habe schuldhaft diese nicht fristgerecht abgegeben. Daher komme auch eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht, zumal auch die dafür notwendige Zweiwochenfrist, die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, nicht eingehalten sei. Ein Herstellungsanspruch zu Gunsten der Klägerin scheide aus, es habe keine besondere Situation gegeben, aus der heraus die Beklagte die vormalige Betreuerin hätte auf die Beitrittsmöglichkeiten und die einzuhaltende Frist hinweisen müssen. Letztlich scheide auch das Zustandekommen einer Pflichtversicherung aus. Die von der Klägerin verrichteten Putzarbeiten in ihrem Wohnheim könnten das Zustandekommen eines entsprechenden Versicherungsverhältnisses nicht begründen.
Die dagegen erhobene Berufung wird erneut mit der Pflichtverletzung der Krankenkasse begründet, die die Klägerin hätte beraten müssen auf Grund des engen Verhältnisses zwischen ihr und der vormaligen Betreuerin.
Sinngemäß beantragt die Klägerin, festzustellen, dass sie ihren Beitritt zur freiwilligen Weiterversicherung bei der Beklagten rechtswirksam zum 26.09.2001 angezeigt hat.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Versuch des Senats, über den Psychologischen Dienst des Wohnheimes nähere Umstände über die mögliche Information der damaligen Betreuerin über den Tod des Vaters der Klägerin herauszufinden, blieben ergebnislos. Frau W. erklärte auf schriftliche Befragung, dass sie erst im Januar 2002 anläßlich eines Telefonats mit der Klägerin vom Tode deren Vaters erfahren habe.
Die Beklagte teilte mit, dass von ihr über die nicht zurückgeforderte Krankenkarte noch bis in den Februar 2002 Leistungen erbracht worden seien.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestands auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Würzburg Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass am nötigen Rechtsschutzinteresse der Klägerin kein Zweifel besteht. Die vom Sozialgericht angestellten Überlegungen hinsichtlich der Auffangfunktion der Sozialhilfe gelten nahezu in allen Fällen, wenn wirtschaftlich nicht so gut gestellte Kläger um ihren Versichertenstatus streiten. Von daher hat der Senat bislang in derartigen Fällen immer ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse angenommen, denn in der GKV versichert zu sein ist auch nach der Neuregelung der §§ 48, 52 SGB XII mit dem Erhalt einer Krankenkarte zumindest vom subjektiven Empfinden her eine stärkere Rechtsposition. Auch eine möglicherweise ab 01.01.2005 eingetretene Versicherungspflicht nach § 5 Abs.1 Nr.2a SGB V berührt nicht das bis dahin bestehende Interesse an einer freiwilligen Versicherung in der GKV.
Was den materiellen Inhalt der begehrten Feststellung angeht, folgt der Senat den sozialgerichtlichen Ausführungen nur teilweise und nicht im Ergebnis. Das Sozialgericht hat richtigerweise den § 9 SGB V als maßgebliche Norm auf den vorliegenden Fall angewendet. Die Klägerin war nach dem Tod ihres Vaters, über den sie bis dahin familienversichert war, berechtigt gewesen, der GKV beizutreten (§ 9 Abs.1 Nr.2 SGB V).
Wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollte, hatte sie bzw. ihre Betreuerin dies der Beklagten innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der bisherigen Versicherung anzuzeigen (§ 9 Abs.2 Nr.2 SGB V). Die Form der Anzeige ist nicht vorgeschrieben, kann also auch telefonisch erfolgen. Es handelt sich dabei auch nicht um einen Antrag, wie die Beklagte im angefochtenen Bescheid schreibt. Daher geht der Senat davon aus, dass in dem unstreitig im Januar 2002 geführten Telefonat die Betreuerin deutlich gemacht hat, dass sie den Krankenversicherungsschutz der Klägerin bei der Beklagten aufrechterhalten wissen wollte. In Betracht konnte offensichtlich nur die freiwillige Weiterversicherung kommen, mithin in diesem Gespräch die Kriterien der Anzeige erfüllt wurden.
Die Frage, ob dies innerhalb der Frist des § 9 Abs.2 Nr.2 SGB V geschehen ist, ist zu bejahen. Es bedurfte im vorliegenden Fall nämlich einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten, aus der hervorging, dass die Familienversicherung beendet war, denn "§ 10 SGB V enthält keine des Selbstvollzuges fähige Regelung, sondern bedarf der rechtsstaatsgemäßen Umsetzung durch die Verwaltung. Diese wird ermächtigt und verpflichtet, unter anderem die Anspruchsvoraussetzungen der Familienversicherung zu prüfen sowie bei Verneinung einen entsprechenden, die Familienversicherung ablehnenden Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. hierzu § 289 SGB V). Es liegen keine Anhaltspunkt dafür vor, dass der Gesetzgeber insoweit eine vom Normalfall abweichende Ausnahmeregelung hätte schaffen wollen. Denn nicht der Selbstvollzug des Gesetzes, sondern seine Umsetzung durch Verwaltungsakt unter Anwendung des Rechts auf den jeweiligen Einzelfall prägt auch das Sozialverwaltungsrecht als Recht der sozialen Sicherung ..." (so BSG vom 16.11.1995 - BSGE 77, 86, 91). Die von der Rechtsprechung geforderte Entscheidung hat die Beklagte offensichtlich im besagten Telefonat, das im Einzelnen nicht mehr rekonstruierbar ist getroffen, denn sie hat darin mitgeteilt, dass zu diesem Zeitpunkt kein Versicherungsschutz mehr vorhanden sei, so dass das auch faktisch über dem Tod des vormaligen Mitglieds hinaus durchgeführte Versicherungsverhältnis bis dahin bestehen geblieben ist. Damit ist mit der Beendigung der Familienversicherung zugleich die Anzeige nach § 9 Abs.2 SGB V erfolgt. Der Senat ist entgegen der Ansicht der Beklagten der Auffassung, dass die oben zitierte Entscheidung des BSG vom 16.11.1995 auch auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Sie ist zwar unmittelbar zu Art.59 Gesundheitsreformgesetz ergangen. Dieses eröffnete im Jahre 1989 anlässlich der Einführung des SGB V neben § 9 SGB V eine weitere (befristete) Möglichkeit zum Beitritt, weil der damals neu formulierte § 10 SGB V gegenüber dem bis zum 31.12.1988 geltenden § 205 RVO den familienversicherten Personenkreis deutlich einschränkte. Die vom BSG angestellten Überlegungen zur Wirkung des § 10 SGB V und zum fehlenden Selbstvollzug bzw. der Notwendigkeit seiner verwaltungsmäßigen Umsetzung, haben jedoch generelle Gültigkeit. Wenn auch in der alltäglichen Praxis beim Tode eines Mitglieds gegenüber den bis dahin familienversichert gewesenen Angehörigen meist keine entsprechende Verwaltungsentscheidung der Kasse ergehen mag, und gleichwohl der Wechsel in die freiwillige Versicherung problemlos erfolgt, dann lässt sich das mit "der zeitnahen verwaltungsbehördlichen Feststellung "des Ausscheidens des vormaligen Mitgliedes erklären (vgl. BSG vom 16.11.1995 a.a.O., S.91 o). Von diesen intakten Familienverhältnissen weicht der vorliegende Fall aber deutlich ab. Es kann nämlich mangels konkreter Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, wovon das Sozialgericht und anfänglich auch der Senat bei Erlass seines ablehnenden Prozesskostenhilfebeschlusses ausgegangen waren, dass die Betreuerin zeitnah vom Tode des Vaters, also des Mitgliedes, erfahren hatte. Die Beklagte hatte zwar Frau W. befragt, war aber deren Auskunft nicht gefolgt. Dem Senat gegenüber hatte Frau W. ihre früheren Angaben im Wesentlichen bestätigt, erst im neuen Jahr vom Tode erfahren zu haben. Dass der Senat sie dazu nicht direkt als Zeugin vernommen hat, hat seinen Grund darin, dass es auf den genauen Zeitpunkt des erstmaligen Wissens vom Ableben nur dann ankäme, wenn hier die vom Sozialgericht geprüfte und verneinte Wiedereinsetzung erheblich sein könnte.
An dieser Stelle der Prüfung vom Ende der Familienversicherung geht es allein darum, ob die Beklagte verpflichtet war, für klare Verhältnisse durch Erlass eines feststellenden Bescheides zu sorgen. Ohne die Betreuerin von ihren Pflichten gegenüber der betreuten Klägerin entlasten zu müssen, hatte die Beklagte hier die Aufgabe, das Versicherungsverhältnis klarstellend zu beenden. Wäre dies rechtzeitig geschehen, wäre es dann auch nicht zu den nachgehenden Leistungen mehr gekommen bzw. wenn die Beklagte sich zeitnah um die Aushändigung der Krankenkarte gekümmert hätte (§ 291 Abs.4 in der bis Ende 2003 geltenden Fassung). Ob entgegen BSG vom 16.11.1995 a.a.O. die Feststellung vom Ende der Familienversicherung auch rückwirkend hätte erfolgen können, so das BSG vom 25.01.2006 - B 12 KR 10/04 R - abgedruckt in Beilage Leistungen 2006, S.179, braucht hier nicht geprüft zu werden. Trifft die Krankenkasse aber die hier notwendige Feststellung nicht, kann sie den Beitrittswilligen, vormaligen Familienversicherten nicht den Ablauf einer Frist, die bis dahin nicht zu laufen begonnen hat, entgegenhalten. Im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung ist das von Landessozialgerichten für NRW im Urteil vom 17.11.1998 - L 5 KR 44/97 - und in Thüringen vom 21.02.2005 - L 6 KR 665/03 - nicht anders gesehen worden.
Entbehrlich und allenfalls als Erläuterung zu sehen, sind die Ausführungen des Sozialgerichts hinsichtlich des Zustandekommens einer Pflichtversicherung. Der entsprechende Verwaltungsakt vom 30.10.2002 ist mangels Anfechtung bestandskräftig geworden (§ 77 SGG) und damit ohne ausdrückliche Anfechtung einer Überprüfung durch das Sozialgericht entzogen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin als freiwilliges Mitglied zu versichern hat.
Die 1962 geborene Klägerin war bei der Beklagten über ihren am 25.09.2001 verstorbenen Vater familienversichert. Sie ist krank (Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis) und schwerbehindert mit einem GdB von 100.
Deswegen war bereits 1986 Frau H. R. , später verheiratete W. - W. -, vom Vormundschaftsgericht S. zur Pflegerin mit dem Wirkungskreis unter anderem: Vertretung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten bestellt worden. Zum 01.01.1992 wurde die bisherige "Pflegschaft" in eine Betreuung mit unverändertem Wirkungskreis umgewandelt.
Die Klägerin selbst bezieht Unterhaltsleistung vom Bezirk Unterfranken und ist ohne eigenes Einkommen, worüber die Betreuerin regelmäßig vom Bezirk Unterfranken unterrichtet wurde.
So heißt es im Bescheid vom 24.07.1995: "Die Übernahme der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu AOK Bayern - Direktion W. - erfolgt vorbehaltlich der eventuellen Durchführung einer Familienversicherung bei der AOK - Direktion S. -. Die Zahlung der Beiträge wird durch Sammelrechnung direkt mit der AOK - Direktion W. - erfolgen". Am 07.06.2002 beantragte Frau W., sie von ihrem Amt zu entbinden. In der Stellungnahme der Betreuungsstelle der Stadt W. vom 02.07.2002 war dies unter anderem deswegen befürwortet worden, weil die Klägerin ihren Krankenversicherungsschutz verloren habe. Um diesen möglicherweise wiederzuerlangen, benötige es professioneller Kenntnisse durch eine Berufsbetreuerin. Der Wechsel auf die nunmehrige Betreuerin B. K. erfolgte am 16.07.2002. Dazu wurde der Aufgabenkreis erweitert um die "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozial-Leistungsträgern".
Ausweislich der Akten der Beklagten erkundigte sich die neue Betreuerin am 19.08.2002 schriftlich bei der Beklagten nach dem Versichertenstatus der Klägerin, der nach einer Aktennotiz bereits Mitte Januar 2002 Gegenstand eines Telefongespräches zwischen einem Mitarbeiter der AOK S. und Frau W. gewesen war.
Am 30.10.2002 erließ die Beklagte einen Bescheid, wonach eine Pflichtversicherung auf Grund der von der Klägerin regelmäßig im Heim verrichteten Putzarbeit nicht zu begründen sei. Dieser Bescheid blieb unangefochten.
Mit einem weiteren Bescheid vom 02.12.2002 stellte die Beklagte fest, dass es zu einer freiwilligen Versicherung der Klägerin nicht gekommen sei, weil der Beitritt nicht rechtzeitig angezeigt wäre. Auch eine Fristverlängerung komme nicht in Betracht. Diese Auffassung bestätigte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 23.07.2003.
Mit der dagegen am 08.08.2003 erhobenen Klage ist zum einen Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Anzeigefrist beantragt sowie sind Rechte aus einem Herstellungsanspruch geltend gemacht worden, weil die frühere Betreuerin zuvor nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Auch auf Grund der vorherigen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen ihr und der Beklagten habe sie sich darauf verlassen dürfen, dass die AOK sie rechtzeitig auf die Anzeigepflicht hinweisen würde. Es sei "nämlich bereits mindestens einmal ein Wechsel von der Familienversicherung in die freiwillige Versicherung und wieder zurück erfolgt".
Dazu erklärte in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2005 der Beklagtenvertreter, dass im Jahre 1987 ein solcher Wechsel stattgefunden habe, über den jedoch keine Unterlagen mehr vorlägen.
Das Sozialgericht wies mit Urteil vom gleichen Tage die Klage ab und setzte sich zunächst mit dem dann doch bejahten Rechtsschutzinteresse auseinander. Dieses sei deswegen fraglich, weil gegebenenfalls die Sozialhilfe im Krankheitsfall zu leisten habe und von daher der Klägerin der pflichtige Träger gleichgültig sein können. Dass die gesetzlich vorgeschriebene Anzeigefrist versäumt sei, sei unter den Beteiligten unstreitig. Die vormalige Betreuerin, zu deren Aufgabenkreis auch die Verpflichtung zur rechtzeitigen Anzeige des Beitritts zur freiwilligen Versicherung gehört hätte, habe schuldhaft diese nicht fristgerecht abgegeben. Daher komme auch eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht, zumal auch die dafür notwendige Zweiwochenfrist, die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, nicht eingehalten sei. Ein Herstellungsanspruch zu Gunsten der Klägerin scheide aus, es habe keine besondere Situation gegeben, aus der heraus die Beklagte die vormalige Betreuerin hätte auf die Beitrittsmöglichkeiten und die einzuhaltende Frist hinweisen müssen. Letztlich scheide auch das Zustandekommen einer Pflichtversicherung aus. Die von der Klägerin verrichteten Putzarbeiten in ihrem Wohnheim könnten das Zustandekommen eines entsprechenden Versicherungsverhältnisses nicht begründen.
Die dagegen erhobene Berufung wird erneut mit der Pflichtverletzung der Krankenkasse begründet, die die Klägerin hätte beraten müssen auf Grund des engen Verhältnisses zwischen ihr und der vormaligen Betreuerin.
Sinngemäß beantragt die Klägerin, festzustellen, dass sie ihren Beitritt zur freiwilligen Weiterversicherung bei der Beklagten rechtswirksam zum 26.09.2001 angezeigt hat.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Versuch des Senats, über den Psychologischen Dienst des Wohnheimes nähere Umstände über die mögliche Information der damaligen Betreuerin über den Tod des Vaters der Klägerin herauszufinden, blieben ergebnislos. Frau W. erklärte auf schriftliche Befragung, dass sie erst im Januar 2002 anläßlich eines Telefonats mit der Klägerin vom Tode deren Vaters erfahren habe.
Die Beklagte teilte mit, dass von ihr über die nicht zurückgeforderte Krankenkarte noch bis in den Februar 2002 Leistungen erbracht worden seien.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestands auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Würzburg Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass am nötigen Rechtsschutzinteresse der Klägerin kein Zweifel besteht. Die vom Sozialgericht angestellten Überlegungen hinsichtlich der Auffangfunktion der Sozialhilfe gelten nahezu in allen Fällen, wenn wirtschaftlich nicht so gut gestellte Kläger um ihren Versichertenstatus streiten. Von daher hat der Senat bislang in derartigen Fällen immer ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse angenommen, denn in der GKV versichert zu sein ist auch nach der Neuregelung der §§ 48, 52 SGB XII mit dem Erhalt einer Krankenkarte zumindest vom subjektiven Empfinden her eine stärkere Rechtsposition. Auch eine möglicherweise ab 01.01.2005 eingetretene Versicherungspflicht nach § 5 Abs.1 Nr.2a SGB V berührt nicht das bis dahin bestehende Interesse an einer freiwilligen Versicherung in der GKV.
Was den materiellen Inhalt der begehrten Feststellung angeht, folgt der Senat den sozialgerichtlichen Ausführungen nur teilweise und nicht im Ergebnis. Das Sozialgericht hat richtigerweise den § 9 SGB V als maßgebliche Norm auf den vorliegenden Fall angewendet. Die Klägerin war nach dem Tod ihres Vaters, über den sie bis dahin familienversichert war, berechtigt gewesen, der GKV beizutreten (§ 9 Abs.1 Nr.2 SGB V).
Wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollte, hatte sie bzw. ihre Betreuerin dies der Beklagten innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der bisherigen Versicherung anzuzeigen (§ 9 Abs.2 Nr.2 SGB V). Die Form der Anzeige ist nicht vorgeschrieben, kann also auch telefonisch erfolgen. Es handelt sich dabei auch nicht um einen Antrag, wie die Beklagte im angefochtenen Bescheid schreibt. Daher geht der Senat davon aus, dass in dem unstreitig im Januar 2002 geführten Telefonat die Betreuerin deutlich gemacht hat, dass sie den Krankenversicherungsschutz der Klägerin bei der Beklagten aufrechterhalten wissen wollte. In Betracht konnte offensichtlich nur die freiwillige Weiterversicherung kommen, mithin in diesem Gespräch die Kriterien der Anzeige erfüllt wurden.
Die Frage, ob dies innerhalb der Frist des § 9 Abs.2 Nr.2 SGB V geschehen ist, ist zu bejahen. Es bedurfte im vorliegenden Fall nämlich einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten, aus der hervorging, dass die Familienversicherung beendet war, denn "§ 10 SGB V enthält keine des Selbstvollzuges fähige Regelung, sondern bedarf der rechtsstaatsgemäßen Umsetzung durch die Verwaltung. Diese wird ermächtigt und verpflichtet, unter anderem die Anspruchsvoraussetzungen der Familienversicherung zu prüfen sowie bei Verneinung einen entsprechenden, die Familienversicherung ablehnenden Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. hierzu § 289 SGB V). Es liegen keine Anhaltspunkt dafür vor, dass der Gesetzgeber insoweit eine vom Normalfall abweichende Ausnahmeregelung hätte schaffen wollen. Denn nicht der Selbstvollzug des Gesetzes, sondern seine Umsetzung durch Verwaltungsakt unter Anwendung des Rechts auf den jeweiligen Einzelfall prägt auch das Sozialverwaltungsrecht als Recht der sozialen Sicherung ..." (so BSG vom 16.11.1995 - BSGE 77, 86, 91). Die von der Rechtsprechung geforderte Entscheidung hat die Beklagte offensichtlich im besagten Telefonat, das im Einzelnen nicht mehr rekonstruierbar ist getroffen, denn sie hat darin mitgeteilt, dass zu diesem Zeitpunkt kein Versicherungsschutz mehr vorhanden sei, so dass das auch faktisch über dem Tod des vormaligen Mitglieds hinaus durchgeführte Versicherungsverhältnis bis dahin bestehen geblieben ist. Damit ist mit der Beendigung der Familienversicherung zugleich die Anzeige nach § 9 Abs.2 SGB V erfolgt. Der Senat ist entgegen der Ansicht der Beklagten der Auffassung, dass die oben zitierte Entscheidung des BSG vom 16.11.1995 auch auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Sie ist zwar unmittelbar zu Art.59 Gesundheitsreformgesetz ergangen. Dieses eröffnete im Jahre 1989 anlässlich der Einführung des SGB V neben § 9 SGB V eine weitere (befristete) Möglichkeit zum Beitritt, weil der damals neu formulierte § 10 SGB V gegenüber dem bis zum 31.12.1988 geltenden § 205 RVO den familienversicherten Personenkreis deutlich einschränkte. Die vom BSG angestellten Überlegungen zur Wirkung des § 10 SGB V und zum fehlenden Selbstvollzug bzw. der Notwendigkeit seiner verwaltungsmäßigen Umsetzung, haben jedoch generelle Gültigkeit. Wenn auch in der alltäglichen Praxis beim Tode eines Mitglieds gegenüber den bis dahin familienversichert gewesenen Angehörigen meist keine entsprechende Verwaltungsentscheidung der Kasse ergehen mag, und gleichwohl der Wechsel in die freiwillige Versicherung problemlos erfolgt, dann lässt sich das mit "der zeitnahen verwaltungsbehördlichen Feststellung "des Ausscheidens des vormaligen Mitgliedes erklären (vgl. BSG vom 16.11.1995 a.a.O., S.91 o). Von diesen intakten Familienverhältnissen weicht der vorliegende Fall aber deutlich ab. Es kann nämlich mangels konkreter Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, wovon das Sozialgericht und anfänglich auch der Senat bei Erlass seines ablehnenden Prozesskostenhilfebeschlusses ausgegangen waren, dass die Betreuerin zeitnah vom Tode des Vaters, also des Mitgliedes, erfahren hatte. Die Beklagte hatte zwar Frau W. befragt, war aber deren Auskunft nicht gefolgt. Dem Senat gegenüber hatte Frau W. ihre früheren Angaben im Wesentlichen bestätigt, erst im neuen Jahr vom Tode erfahren zu haben. Dass der Senat sie dazu nicht direkt als Zeugin vernommen hat, hat seinen Grund darin, dass es auf den genauen Zeitpunkt des erstmaligen Wissens vom Ableben nur dann ankäme, wenn hier die vom Sozialgericht geprüfte und verneinte Wiedereinsetzung erheblich sein könnte.
An dieser Stelle der Prüfung vom Ende der Familienversicherung geht es allein darum, ob die Beklagte verpflichtet war, für klare Verhältnisse durch Erlass eines feststellenden Bescheides zu sorgen. Ohne die Betreuerin von ihren Pflichten gegenüber der betreuten Klägerin entlasten zu müssen, hatte die Beklagte hier die Aufgabe, das Versicherungsverhältnis klarstellend zu beenden. Wäre dies rechtzeitig geschehen, wäre es dann auch nicht zu den nachgehenden Leistungen mehr gekommen bzw. wenn die Beklagte sich zeitnah um die Aushändigung der Krankenkarte gekümmert hätte (§ 291 Abs.4 in der bis Ende 2003 geltenden Fassung). Ob entgegen BSG vom 16.11.1995 a.a.O. die Feststellung vom Ende der Familienversicherung auch rückwirkend hätte erfolgen können, so das BSG vom 25.01.2006 - B 12 KR 10/04 R - abgedruckt in Beilage Leistungen 2006, S.179, braucht hier nicht geprüft zu werden. Trifft die Krankenkasse aber die hier notwendige Feststellung nicht, kann sie den Beitrittswilligen, vormaligen Familienversicherten nicht den Ablauf einer Frist, die bis dahin nicht zu laufen begonnen hat, entgegenhalten. Im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung ist das von Landessozialgerichten für NRW im Urteil vom 17.11.1998 - L 5 KR 44/97 - und in Thüringen vom 21.02.2005 - L 6 KR 665/03 - nicht anders gesehen worden.
Entbehrlich und allenfalls als Erläuterung zu sehen, sind die Ausführungen des Sozialgerichts hinsichtlich des Zustandekommens einer Pflichtversicherung. Der entsprechende Verwaltungsakt vom 30.10.2002 ist mangels Anfechtung bestandskräftig geworden (§ 77 SGG) und damit ohne ausdrückliche Anfechtung einer Überprüfung durch das Sozialgericht entzogen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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