L 11 B 466/06 AY ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AY 4/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 466/06 AY ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.06.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt P. , B. , im Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Taschengeld nach § 3 Abs 1 Satz 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Die Antragsteller (ASt) sind iranische Staatsangehörige, deren Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt worden sind. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts Bayreuth (SG) waren sie nicht bereit, die für die Beschaffung der Heimreisescheine notwendigen Formblätter auszufüllen. Ein Passersatzdokument konnte deshalb durch die iranische Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausgestellt werden. Die Kläger sind auch nicht freiwillig ausgereist, obwohl eine freiwillige Ausreise möglich gewesen sei.

Der Asylfolgeantrag der ASt vom 20.11.2002 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) vom 03.12.2002 abgelehnt. Die dort enthaltene Abschiebungsandrohung ist seit dem 24.01.2003 vollziehbar. Am 05.05.2004 teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit, dass auch der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und der Antrag auf Änderung der Entscheidung zu § 53 Ausländergesetz (a.F.) unanfechtbar abgelehnt worden sei und ein Abschiebeverbot nach § 60 Absätze 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz nicht vorläge. Diese Entscheidung hat das Verwaltungsgericht B. mit Urteil vom 18.12.2003 bestätigt. Die ASt sind mithin seit dem 25.03.2004 vollziehbar zur Ausreise verpflichtet.

Mit Schreiben vom 27.10.2005 und vom 31.01.2006 forderte die Antragsgegnerin (Ag) die ASt gemäß § 15 Abs 2 Asylverfahrensgesetz iVm § 48 Abs 1 Aufenthaltsgesetz erneut auf, bei ihrer Botschaft Reisepässe zu beantragen oder die Passbeschaffung dem Ausländeramt nachzuweisen, sowie die ausgestellten Reisepässe dem Ausländeramt vorzulegen. Trotz Fristsetzung sind die ASt auch dieser Aufforderung nicht nachgekommen.

Die Ag bewilligte ihnen mit Bescheid vom 07.05.2003 ab dem 01.06.2003 Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG, im Wesentlichen durch Sachleistungen. Gleichzeitig schränkte sie nach § 1 a Nr 2 AsylbLG den Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens gemäß § 3 Abs 1 Satz 4 AsylbLG (= Taschengeld) ein. Zur Begründung gab die Ag an, die ASt seien zur freiwilligen Ausreise verpflichtet. Die Ausreise in den Iran sei auch möglich. Gleichwohl kämen die ASt der behördlichen Aufforderung nicht nach.

Die ASt beantragten am 24.03.2006 unter Hinweis auf einen weiteren Asylfolgeantrag vom 22.02.2006 die Auszahlung des Taschengeldes. Das lehnte die Ag mit Bescheid vom 12.04.2006 ab. Über den hier eingelegten Widerspruch ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

Mit Beschluss vom 02.06.2006 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Den ASt stehe bereits kein Anordnungsgrund zur Seite.

Hiergegen haben die ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Die Sache sei eilbedürftig. Die Einbehaltung des Taschengeldes verstoße gegen die Menschenwürde. Sie erhielten auch keine Gutscheine für Kleidung. Die Voraussetzungen des § 1 a Nr 2 AsylbLG lägen nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützen - voraus. Die Angaben hierzu haben die Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86 b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 aaO).

Das SG hat zutreffend festgestellt, dass die ASt einen Anordnungsgrund für die Auszahlung von Taschengeld im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht im oben angegebenen Sinne glaubhaft gemacht haben. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der gegenwärtige und notwendige Bedarf eines Beziehers von Leistungen nach dem AsylbLG durch die Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG hinreichend gedeckt ist (vgl dazu zuletzt Beschluss vom 24.04.2006 Az: L 11 B 722/05 AY PKH). Diese Leistungen übersteigen ersichtlich das, was zum Lebensunterhalt unerlässlich ist, also unabweisbar geboten ist, wie ein Vergleich mit § 1 a AsylbLG zeigt (siehe dazu Beschlüsse des Senats vom 12.01.2006 Az: L 11 B 498/05 AS ER und vom 28.06.2005 L 11 B 212/05 AY ER mwN). Der geltend gemachte Taschengeldanspruch wird insbesondere nicht vom verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum erfasst (Linhardt/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 1 a AsylbLG RdNr 25; BayVGH vom 14.09.1999 FEVS 52, 263).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12.05.2005 (Breithaupt 2005, 803) einen solchen Abschlag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber den ansich begehrten Leistungen ausdrücklich für zulässig erklärt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Ag die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG dahin gekürzt hat, dass er den ASt kein Taschengeld mehr bewilligt. Auch in dieser Höhe ist vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen die Kürzung nicht unverhältnismäßig.

Den ASt ist es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass in ihrem Falle ausnahmsweise zur Frage der Eilbedürftigkeit anders zu entscheiden wäre. Soweit sie im Beschwerdeverfahren geltend machen, ihre Sachleistungen wären zur Deckung des täglichen Bedarfes bzw. zur Aufrechterhaltung der Hygiene nicht zureichend, ist das Taschengeld nicht geeignet, solche angeblichen Defizite in den Grundleistungen auszugleichen. Die ASt haben hier in einem eigenen Verfahren glaubhaft zu machen, dass sie ihr nach dem Asylbewerberleistungsrecht anerkanntes Existensminimum mit den erhaltenen Sachleistungen nicht decken können und sich insoweit gegebenenfalls an die Ag zu wenden, um Aufbesserung der Sachleistung zu erreichen. Das gilt insbesondere auch für schwangerschaftsbedingte Anschaffungen. Die grundsätzliche Entscheidung der Ag, den Bedarf der ASt durch Sachleistungen zu decken, kann nicht über einen angeblichen Taschengeldanspruch umgangen werden.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung von Rechtsanwalt P. , B. , für dieses Beschwerdeverfahren ist abzulehnen.

Aus den oben angeführten Gründen ergibt sich, dass das Beschwerdeverfahren, für das die ASt PKH und Beiordnung von Rechtsanwalt P. , B. , beantragt haben, von Anfang an keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73 a SGG iVm § 114 ff ZPO hatte.

Auf die Frage der Mutwilligkeit und auf die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen für die PKH kommte es nach alledem nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Das Verfahren der PKH ist kostenfrei.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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