L 9 B 491/06 AL ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 179/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 B 491/06 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. April 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist der Widerruf bzw. die Verlängerung einer befristeten Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung streitig.

Die Antragstellerin ist eine im Bereich der gewerbsmäßigen Ar- beitnehmerüberlassung tätige Firma, deren einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin Frau B. H. (H.) ist. Diese hatte die Firma zum 05.10.2004 übernommen. Die Antragstellerin beschäftigt zur Zeit 34 Arbeitnehmer. Der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin ist gestützt auf eine bis zum 23.09.2005 be- fristete Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung, welche die Antragsgegnerin noch der früheren Firmeninhaberin erteilt hatte. Die Übernahme der Antragstellerin durch H. war der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 02.11.2004 angezeigt worden. Mit Schreiben vom 18.01.2005 forderte die Antragsgegnerin im Rahmen der Umschreibung der Erlaubnis verschiedene Unterla- gen von H. an, welche mit Schreiben vom 10.03.2005 übermittelt wurden. Nicht übermittelt wurde jedoch das ebenfalls angeforderte polizeiliche Führungszeugnis. Mit Schreiben vom 01.06. und 20.06.2005 wies H. darauf hin, dass das Führungszeugnis von der zuständigen Behörde direkt an die Antragsgegnerin gesendet werde. Dies geschah in der Folge jedoch nicht.

Am 22.06.2005 beantragte H. für die Antragstellerin die befristete Verlängerung der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. In dem Antragsformular wurde die Frage nach Vorstrafen innerhalb der letzten fünf Jahre mit "nein" angekreuzt. Die Antragsgegnerin zog neben einem Handelsregisterauszug und Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Einzugsstelle und des Unfallversicherungsträgers auch Auskünfte der Finanzämter bei. Mit Datum vom 27.07.2005 bestätigte das Finanzamt für Körperschaften, M. , dass für die Klägerin derzeit ein Steuerrückstand in Höhe von 28.946,72 EUR bestehe. Die Frage, ob der Steuerpflichtige seinen Zahlungsverpflichtungen nachkomme, wurde vom Finanzamt mit "nicht immer pünktlich" beantwortet. Am 04.07.2005 ging bei der Antragsgegnerin das angeforderte Führungszeugnis ein. Hieraus ergab sich eine seit 20.05.2003 rechtskräftige Verurteilung von H. wegen tatmehrheitlichen Betrugs in drei Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 110 Tagessätzen.

Mit Schreiben vom 22.08.2005 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die für die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Zuverlässigkeit in Frage stehe, gab Gelegenheit zur Stellungnahme und kündigte eine Betriebsprüfung für den 31.08.2005 an. Die Antragstellerin legte daraufhin Bescheini- gungen des Finanzamtes M. für Körperschaften sowie des Zentralfinanzamtes M. vom 23.08.2005 vor, nach welchen derzeit keine Steuerrückstände mehr bestünden. Aus den von der Antragsgegnerin in der Folge angeforderten Unterlagen über die strafrechtliche Verurteilung ergab sich, dass H. im Rahmen ihrer vorhergehenden gewerblichen Tätigkeit mit Strafbefehl vom 30.04.2003 wegen vorsätzlicher Bestellung von Waren trotz Zahlungsunfähigkeit in drei Fällen mit einer Schadenshöhe von DM 15.689,00 zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 110 Tages- sätzen a 25,00 EUR verurteilt worden war.

Nachdem am 31.08.2005 eine Betriebsprüfung bei der Antragstel- lerin durchgeführt worden war, widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21.09.2005 die bis zum 23.09.2005 befristete Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung für die Zukunft und lehnte gleichzeitig den Antrag auf befristete Ver- längerung der Erlaubnis vom 22.06.2005 ab. Es fehle H. als neuer Inhaberin und Geschäftsführerin der Antragstellerin an der für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erforderlichen Zuverlässigkeit. Die strafrechtliche Verurteilung von H. sei der Antragsgegnerin erstmals am 04.07.05 zur Kenntnis gelangt. Das begangene Betrugsdelikt begründe erhebliche Zweifel daran, dass künftig die mit der Ausübung der Verleihtätigkeit zu beachtenden Vorschriften in vollem Umfang beachtet werden. Zudem seien anlässlich der Betriebsprüfung weitere Tatsachen festgestellt worden, die die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigen würden. So habe die Antragstellerin weder die seit 01.03.2005 nach dem maßgeblichen Zeitarbeitstarifvertrag geltenden Lohnerhöhungen an die Beschäftigten gezahlt, noch seien für die von der Antragstellerin in großem Umfang beschäftigte Maler die nach der "2. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Maler- und Lackiererhandwerk" seit 01.04.2005 geltenden Mindestlöhne bezahlt worden. Zudem habe die Antragstellerin an Arbeitnehmer auf Baustellen in Westdeutschland den Osttarif bezahlt. Zu guter letzt seien auch die Maler als Facharbeiter nach dem Entgeltrahmentarifvertrag IGZ/DGB sämtlich unterwertig eingruppiert worden. Damit hätten die Arbeitnehmer insbesondere in den unproduktiven Zeiten finanzielle Nachteile erlitten. Aufgrund der fehlenden Zuverlässigkeit der Antragstellerin sei der Widerruf sowie die Versagung der Erlaubnis erforderlich gewesen. Eine weniger einschneidende Maßnahme sei nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht möglich gewesen, da der arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Schutz der Arbeitnehmer Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin habe.

Gegen diese Entscheidung legten die Bevollmächtigten der Antragstellerin am 07.10.2005 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung des Vollzugs des Bescheides. Es könne nicht von mangelnder Zuverlässigkeit ausgegangen werden. Die strafrechtliche Verurteilung könne nicht herangezogen werden, da sie keinen Bezug zur Tätigkeit eines Verleihers aufweist. Die zur Verurteilung führenden Zahlungsrückstände seien nur entstanden, weil H. ihrerseits Forderungsausfälle zu beklagten hatte. Wie sich aus den Bescheinigungen der Finanzämter M. ergebe, bestünden derzeit keine Steuerrückstände. Unbestritten habe die Antragstellerin maßgebliche Tariferhöhungen nicht beachtet. Dies sei jedoch inzwischen korrigiert und die entsprechende Differenz bezahlt worden. Es habe sich lediglich um Nachzahlung in Höhe von EUR 998,30 für insgesamt zwölf Arbeitnehmer und damit um einen geringen Verstoß gehandelt. Es seien organisatorische Vorkehrungen getroffen worden, um solche Versäumnisse in Zukunft zu verhindern. Die Fehleingruppierungen seien erfolgt, da die entsprechenden Arbeitnehmer ihre Gesellenbriefe nicht vorgelegt hätten.

Mit Bescheid vom 21.11.2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs ab, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung bestünden. Nach der gebotenen Abwägung seien vorrangige Interessen der Antragstellerin nicht erkennbar.

Mit Schreiben vom 17.11.2005 übermittelten die Bevollmächtigten der Auftragstellerin Nachweise über die vorgenommenen Nachzah- lungen an die Arbeitnehmer.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2006 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin sei der Widerruf bzw. die Versagung der Erlaubnis zu Recht erfolgt, da unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine positive Prognose hinsichtlich der Zuverlässigkeit von H. nicht getroffen werden könne. Insoweit sei ein strenger Maßstab anzulegen. So bestehe unbeschadet der näheren Umstände eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Betrugsdeliktes. Daneben sei wiederholt gegen Vorschriften insbesondere des Steuerrechts und des Arbeitsrechts verstoßen worden. Zwar seien berichtigte Lohnabrechnungen vorgelegt worden, jedoch keine Nachweise über die tatsächliche Auszahlung an die Arbeitnehmer. Zudem stünde H. in engen wirtschaftlichen Beziehungen mit Herrn W. L., welcher ebenfalls vorbestraft sei und dessen Unzuverlässigkeit im Sinne des AÜG bereits festgestellt sei. Insbesondere würde H. zusammen mit L. die E. Messe- und Ausstellungsbau OHG betreiben, von welcher auch die Geschäftsräume der Antragstellerin angemietet wurden. Im Rahmen der notwendigen Ermessensabwägung stelle sich die getroffene Entscheidung auch als verhältnismäßig dar; die Jahresfrist des § 5 Abs.4 AÜG, wonach der Widerruf einer Erlaubnis nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der rechtfertigenden Umstände zulässig ist, sei eingehalten worden.

Gegen diese Entscheidung erhoben die Bevollmächtigten der An- tragstellerin am 09.02.2006 Klage zum Sozialgericht München und stellten gleichzeitig Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Zur Begründung wurde ergänzend zum Wider- spruchsverfahren vorgetragen, dass nicht nur die entsprechenden Tariferhöhungen nachgezahlt worden seien, sondern auch die Einstufungen durch Änderung der entsprechenden Arbeitsverträge korrigiert worden seien. Weiter bestehe keine geschäftliche Beziehung zwischen H. und L. Die unterstellte wirtschaftliche Verflechtung bestehe allein im Abschluss eines Mietvertrages bezüglich der Geschäftsräume.

Mit Beschluss vom 11.04.2006 lehnte das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Im Rahmen der nach Ermessen aufgrund einer Interessensabwägung zu treffenden Entscheidung sei zu berücksichtigen, dass es gerade im sensiblen Bereich der Arbeitnehmerüberlassung originäre Aufgabe des Arbeitgebers sei, auf Einhaltung der bestehenden Vorschriften zu achten. Die Verstöße gegen tarifliche und arbeitsrechtliche Vorschriften würden, auch bei Unterstellen eines bloßen Versehens, die Unzuverlässigkeit bestätigen. Die Korrektur auf Beanstandung der Antragsgegnerin biete keine Gewähr dafür, dass entsprechende Verstöße künftig ausgeschlossen sind. Auch die rechtskräftige Verurteilung wegen Betruges wirke sich auf die Zuverlässigkeit aus. Die Verurteilung beruhe auf Delikten, die H. in Ausübung ihrer Tätigkeit als Inhaberin und Geschäftsführerin ihrer früheren Firma, der E. OHG, begangen habe. Es bestehe kein Unterschied zwischen dem abgeurteilten Eingehen von Verbindlichkeiten trotz bekannter Zahlungsunfähigkeit und dem Einhalten anderer wesentlicher Zahlungen der Firma wie z.B. Lohnzahlungen. In diesem Zusammenhang sei auch die nicht immer pünktliche Bezahlung von Steuern von Bedeutung.

Gegen diese Entscheidung legten die Bevollmächtigten der Antragstellerin am 06.06.2006 Beschwerde ein. Zur Begründung wird ergänzend vorgetragen, dass H. im Rahmen des Strafverfahrens aufgrund einer vergleichsweisen Regelung EUR 5.000,00 an die Gläubigerin bezahlt habe, woraufhin von deren Seite kein Interesse mehr an der Strafverfolgung bestanden habe. H. sei lediglich aufgrund einer damaligen Erkrankung nicht mehr weiter gegen den Strafbefehl vorgegangen. Die vorübergehende Zahlungsunfähigkeit aufgrund eigenen Forderungsausfalles stütze nicht die Befürchtung, dass die Antragstellerin künftig Vorschriften des Sozialversicherungs-, Steuer- und Arbeitsrechtes nicht beachten werde. Zwar sei die Weiterleitung der Tariferhöhungen an die Arbeitnehmer zum 01.04.2005 übersehen worden, diese Versäumnisse seien jedoch sämtlich korrigiert worden. Auch die von der Antragsgegnerin gerügten Eingruppierungen seien entsprechend deren Wünschen nachgeholt worden. Aufgrund dieser sofortigen Korrekturen seien objektiv Verstöße für die Zukunft nicht mehr zu erwarten.

Die Antragstellerin beantragt:

Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 11.04.2006 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.02.2006 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozial- gerichts München vom 11.04.2006 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verweist insoweit auf den Widerspruchsbescheid sowie die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Sozialgerichts sowie die Akte des Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt, § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beschluss des Sozialgerichts wurde den Bevollmächtigten der Antragstellerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 03.05.2006 zugestellt. Nach § 64 Abs.2 Satz 1 SGG errechnet sich damit ein Fristablauf für den 03.06.2006. Da dieser Tag ein Sonnabend war und es sich bei Montag, dem 05.06.2006 um einen gesetzlichen Feiertag in Bayern handelte, endete die Frist mit Ablauf des 06.06.2006, § 64 Abs.3 SGG. Mit der an diesem Tage durch Telefax eingelegten Be- schwerde wurde die Beschwerdefrist damit gewahrt.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.

Gemäß § 86 a Abs.1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch, wenn eine Erlaubnis nach Art.1 § 1 AÜG aufgehoben oder nicht verlängert wird, § 86 a Abs.4 SGG. Gemäß § 86 b Abs.1 Nr.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Vorschrift ist nicht nur einschlägig, soweit sich die Antragsstellerin vorliegend gegen den Widerruf der bis 23.09.2005 befristeten Erlaubnis wendet, sondern auch soweit die Versagung einer neuen - befristeten - Erlaubnis angegriffen wird. Nach § 2 Abs.4 Satz 3 AÜG verlängert sich nämlich die Erlaubnis ipso jure, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt. Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin ist da- mit alleine auf die Aufhebung der Ablehnung gerichtet. Eine nach § 86 b Abs.2 im Wege der einstweiligen Anordnung zu erreichende Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer neuen Erlaubnis ist nach dieser gesetzlichen Konstellation zur Fortführung der Geschäftstätigkeit der Antragstellerin nicht erforderlich.

Ob die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 86 b Abs.1 Nr.2 SGG anzuordnen ist, entscheidet sich aufgrund einer Abwägung der Interessen der Beteiligten. Grundsätzlich maßgeblich sind danach zunächst die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Bestehen insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung, ist deren Vollziehung in der Regel auszusetzen (Meyer-Ladewig, Rdnr.12 c zu § 86 b SGG). Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht abschätzbar, sind die allgemeinen Interessen der Beteiligten abzuwägen, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können. Hierbei gilt der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten, um so geringer die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und umgekehrt.

Vorliegend bestehen nach Auffassung des Senats keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung der Antragsgegnerin. Im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung kann nicht erkannt werden, dass die Antragstellerin aller Voraussicht nach mit der Klage in der Hauptsache erfolgreich sein wird.

Nach § 5 Abs.1 Nr.3 AÜG kann die Erlaubnis mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Nach § 3 Abs.1 AÜG ist die Erlaubnis oder ihre Verlängerung zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller 1. die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermitt- lung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält; 2. nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen; 3. dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt, es sei denn, der Verleiher gewährt dem zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmer für die Überlassung an einen Entleiher für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen mindestens ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeiternehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat. Letzteres gilt nicht, wenn mit demselben Verleiher bereits ein Leiharbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

Bei dem Begriff der Zuverlässigkeit i.S. der Nr.1 handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum. Die Frage der Zuverlässigkeit ist als Rechts- und Tatfrage gerichtlich voll überprüfbar. Entsprechend dem Schutzzweck des AÜG kommt es im Rahmen des § 3 Abs.1 Nr.1 darauf an, ob die Eigenschaften und Merkmale des Verleihers eine Gefährdung des sozialen Schutzes des Arbeitnehmers befürchten lassen. Die Behörde muss hierbei im Wege einer Prognose überprüfen, ob die ihr zur Beurteilung vorliegenden Tatsachen die Annahme begründen, dass der Antragsteller bei seiner künftigen Verleihertätigkeit die rechtlichen Vorschriften beachten wird (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Beck-Verlag, 5. Auflage 2005, Rdnr.3 zu § 3 AÜG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bei eine isolierten Anfechtungsklage ist hierbei der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (LSG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2002, Az.: L 1 AL 4/01).

Vorliegend bestehen aufgrund der aktenkundigen Umstände gewichtige Zweifel an der Zuverlässigkeit von H. als Inhaberin der Antragstellerin für die Ausübung einer Tätigkeit der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Es handelt sich um Umstände, welche in ihrer Gesamtschau auf eine nicht unerhebliche Sorglosigkeit in vermögensrechtlichen Angelegenheiten hindeuten. § 1 Abs.1 Nr.1 AÜG ist insoweit, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt, nicht abschließend. Vielmehr kann sich die Unzuverlässigkeit auch aus anderen Umständen ergeben, insbesondere aus Vorstrafen und ungeordneten Vermögensverhältnissen (so ausdrücklich BT-Drucksache 6/2303, S.11). Nach den Vorstellungen des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren zum AÜG hätte das Merkmal der "ungeordneten Vermögensverhältnisse" als besonderer Versagungsgrund in das Gesetz aufgenommen werden sollen (vgl. BT-Drucksache 6/2303, Anlage 2 S.20). Die Bundesregierung hielt demgegenüber diese Klarstellung für entbehrlich, da ungeordnete Vermögensverhältnisse bereits die Unzuverlässigkeit nach § 1 Abs.1 Nr.1 begründeten (BT-Drucksache 6/2303 Anlage 3, S.24).

Zu berücksichtigen ist vorliegend insbesondere, dass nach Angabe des Finanzamtes für Körperschaft in M. die Antragtstellerin ihrer Pflicht zur Abführung der Lohnsteuer nicht immer pünktlich nachkommt. Auch der vom Finanzamt mitgeteilte Steuerrückstand ist von der Antragstellerin offensichtlich erst beglichen worden, nachdem die Antragsgegnerin im Hinblick auf diesen Rückstand Zweifel an der Zuverlässigkeit geäußert hatte. Auch die rechtskräftige Vorstrafe wegen Betrugs in drei Fällen ist hierbei zu berücksichtigen. Zwar steht diese Straftat in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Tätlichkeit im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassungen. Es handelt sich jedoch gleichwohl um eine Straftat, welche im Zusammenhang mit der vorangegangenen gewerblichen Tätigkeit von H. steht. Maßgebliche Bedeutung kommt dieser Vorstrafe jedenfalls im Hinblick darauf zu, dass sie von der Antragstellerin in ihrem Antrag auf befristete Verlängerung der Erlaubnis verschwiegen worden ist. Die zulässige, allgemeine Frage nach bestehenden Vorstrafen wurde im entsprechenden Antragsvordruck ausdrücklich mit nein beantwortet. Aufgrund der Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen handelte es sich auch um eine mitteilungspflichtige Vorstrafe. Erst mit Eingang des Führungszeugnisses am 04.07.2005 erlangte die Antragsgegnerin Kenntnis von dieser Vorstrafe. H. als Inhaberin der Antragstellerin hat insoweit bewusst gegen § 7 Abs.2 AÜG verstoßen, wonach der Verleiher der Erlaubnisbehörde auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen hat, die zur Durchführung des Gesetzes erforderlich sind. Diese Auskünfte sind wahrheitsgemäß, vollständig, fristgemäß und unentgeltlich zu erteilen. Gerade auch der Verstoß gegen diese Auskunftspflicht ist grundsätzlich geeignet, die Annahme der Unzuverlässigkeit und den Widerruf der Erlaubnis zur erwerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu rechtfertigen. Insbesondere die wahrheitswidrige oder unvollständige Beantwortung zulässiger Fragen der Erlaubnisbehörde ist grundsätzlich nicht mehr als geringfügig anzusehen (LSG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2002, a.a.O.).

Daneben sprechen auch gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Erlaubnis zusätzlich auf Grundlage des § 3 Abs.1 Nrn.2 und 3 AÜG versagt werden konnte. Die Antragstellerin hatte offenbar ihren Betrieb nicht dergestalt organisiert, dass sie die tarifgerechte Einstufung und Entlohnung sämtlicher Arbeitnehmer sicherstellen konnte. Gerade durch die Organisation des Betriebes muss gewährleistet sein, dass Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern sowie die rechtzeitige und vollständige Auszahlung von Löhnen gesichert sind (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Beck-Verlag, 5. Auflage 2005, Rdnr.16 zu § 3 AÜG). Die entsprechenden Verstöße wurden von Seiten der Antragstellerin eingeräumt. Auch wenn es sich nach deren Auffassung um finanziell untergeordnete Verstöße handelt und durch organisatorische Umstellungen keine Wiederholungsgefahr bestehe, hält der Senat die Verstöße gleichwohl für so gravierend, dass eine Verlängerung der Erlaubnis nicht erteilt werden konnte. So sind auch nach den von der Antragstellerin eingeräumten Versäumnisse alleine im Bereich der Entlohnung insgesamt zwölf Arbeitnehmer betroffen. Dies macht mehr als ein Drittel der Beschäftigten der Antragstellerin aus. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf die besondere soziale Schutzbedürftigkeit entliehener Arbeitnehmer in § 1 Abs.1 Nr.3 AÜG den Verleiher verpflichtet hat, dem Arbeitnehmer für die Zeit der Überlassung die im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Grundsatz der Nichtdiskriminierung). Es oblag damit gerade der Antragstellerin, dafür Sorge zu tragen, dass insbesondere die Einstufung und Entlohnung der betroffenen Arbeitnehmer branchen- und tarifüblich erfolgt. Da die Antragstellerin dieser Verpflichtung nicht von sich aus, sondern erst nach einer Betriebsprüfung, der entsprechenden Monierung durch die Antragsgegnerin sowie der Versagung der Erlaubnis - mithin erst nach erheblichem Druck und der konkreten Gefährdung der Geschäftstätigkeit - nachgekommen ist, kann eine positive Prognose dahingehend, dass vergleichbare Verstöße in Zukunft nicht mehr vorkommen, nach dem aktenkundigen Sachverhalt gerade nicht getroffen werden.

Mangels Erfolgsaussicht in der Hauptsache ist die aufschiebende Wirkung der Klage damit vom Sozialgericht zu Recht abgelehnt worden. Ein derartig übergeordnetes Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, welches die summarisch festgestellte fehlende Erfolgsaussicht überwiegen würde, ist nicht erkennbar. Hierbei wird nicht außer Acht gelassen, dass nach Ablauf der Auslauf- frist des § 2 Abs.4 Satz 4 AÜG die Antragstellerin ihren Geschäftsbetrieb wird einstellen müssen. Auch besteht dadurch die potentielle Gefahr, dass die Arbeitnehmer der Antragstellerin, soweit keine Übernahme durch den Entleiherbetrieb möglich ist, vorübergehend arbeitslos werden können. Aufgrund der aktenkundigen, schwerwiegenden Verstöße der Antragstellerin gegen die Pflichten des AÜG überwiegt jedoch das öffentliche Interesse am Vollzug der angegriffenen Verwaltungsakte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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