L 20 R 420/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 4066/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 420/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.03.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für den Zeitraum vom 01.01.1996 bis 31.01.2000 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X.

Die 1940 geborene und inzwischen am 22.03.2006 verstorbene Versicherte war im März 1992 aus der ehemaligen UdSSR in die Bundesrepublik zugezogen; sie war Inhaberin des Vertriebenenausweises A. Nach ihren eigenen Angaben und ausweislich des Arbeitsbuches hatte sie in der Sowjetunion von 1956 bis 1960 als Melkerin gearbeitet, vom 01.02. bis 10.08.1961 eine Ausbildung zur Verkäuferin absolviert und in diesem Beruf - abgesehen von einer kurzen Unterbrechung im Jahre 1971 - bis zu ihrer Ausreise gearbeitet. In Deutschland war die Versicherte nicht erwerbstätig gewesen. Seit 01.02.2000 hatte sie Altersrente für Frauen bezogen.

Am 19.09.1994 hatte sie bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit beantragt. Die Beklagte hatte diesen Antrag mit Bescheid vom 24.11.1994 und Widerspruchsbescheid vom 27.02.1995 abgelehnt, da die Versicherte nicht berufs- oder erwerbsunfähig sei; sie sei vielmehr in der Lage gewesen, in ihrem Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin vollschichtig tätig zu sein. Der damaligen Leistungsbeurteilung hatten zugrunde gelegen: Entlassungsbericht der O.-Klinik in Bad K. (stationärer Aufenthalt dort vom 28.06. bis 26.07.1994) mit den Diagnosen: Mamma-CA rechts, Gonarthrose beidseits, Adipositas. In dem anschließend geführten Klageverfahren (SG Würzburg Az: S 5 An 55/95) wurde ein weiterer Entlassungsbericht der Reha-Klinik G. in R. vom 23.07.1996 vorgelegt (Entlassung der Klägerin als arbeitsunfähig). Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.O. hatte das Gutachten vom 10.07.1997 erstattet, in dem er die Klägerin noch für vollschichtig einsatzfähig gehalten hatte für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Stellung ohne besondere nervliche Belastung. Die damals durch den VdK vertretene Klägerin hat die Klage am 02.09.1997 zurückgenommen.

Mit Bescheid vom 03.12.1999 wurde der Klägerin Altersrente für Frauen ab 01.02.2000 bewilligt; die Rente wurde mit Bescheid vom 14.08.2000 neu festgestellt.

Am 17.10.2000 stellte die Versicherte durch ihren Bevollmächtigten Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 SGB X mit dem Ziel, Rente wegen EU/BU bereits ab 01.01.1996 zu erhalten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beklagte in einer internen Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 17.09.1996 immerhin BU anerkannt habe und dass in den vorliegenden Unterlagen doch die Überforderung der Versicherten bei einer Erwerbstätigkeit aufgrund eines depressiven Syndroms belegt sei. Mit Bescheid vom 21.11.2000 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sei von der Beklagten zu keiner Zeit festgestellt oder anerkannt worden; der Klägerin sei vielmehr im Jahre 1997 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen attestiert worden. Die damalige Klage sei im September 1997 zurückgenommen worden. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2001 zurück. Bei der Rentenablehnung im November 1994 sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Die Versicherte genieße nach wie vor keinen Berufsschutz, so dass eine konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit entbehrlich sei. Sie könne aber beispielsweise Tätigkeiten als einfache Pförtnerin verrichten. Es habe schon Berufsunfähigkeit zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

Gegen diese Entscheidung hat die Versicherte am 12.03.2001 Klage beim SG Würzburg erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, sie habe sich in 30 Jahren Verkaufstätigkeit das Niveau einer Facharbeiterin erworben, so dass eine Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in Betracht komme.

Das SG hat Befundberichte von dem Orthopäden Dr.B. , dem Neurologen Dr.E. , der Allgemeinärztin Dr.R. und dem Nervenarzt Dr.S. zum Verfahren beigenommen, des Weiteren ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 04.10.1999, erstellt zur Frage der Pflegebedürftigkeit der Versicherten. Auf Veranlassung des SG hat die Ärztin für Psychiatrie und öffentliches Gesundheitswesen Dr.B. das Gutachten vom 27.12.2004 erstattet nach ambulanter Untersuchung der Klägerin. Es sollte die Frage nach Erkrankungen und Leistungsvermögen der Klägerin für die Zeit vor dem 01.02.2000 beantwortet werden. Die Sachverständige hat folgende Diagnosen gestellt: Brustamputation rechts bei Mamma-CA im März 1994, rezidivierendes Lymphödem des rechten Armes, Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, Funktionsbehinderung der Kniegelenke bei Gonarthrose beidseits, Krampfaderleiden beider Beine mit Beinödemen, psychovegetatives Syndrom mit Somatisierung. Sie hat die Klägerin für den vorgenannten Zeitraum noch für fähig erachtet, in Vollschicht leichte Arbeiten in wechselndeer Stellung in geschlossenen Räumen zu verrichten, ohne besondere nervliche Belastung. Mit Urteil vom 23.03.2005 hat das SG die Klage - gerichtet auf Gewährung von Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU für die Zeit vom 01.01.1996 bis 31.01.2000 - abgewiesen. Die Klägerin sei in dem genannten Zeitraum nicht erwerbs- oder berufsunfähig gewesen. Sie habe vielmehr in Vollschicht noch zumutbare Verweisungstätigkeiten ausüben können. Das Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr.B. sei insoweit für das Gericht überzeugend. Die Sachverständige habe alle bis dahin vorliegenden ärztlichen Unterlagen (Entlassungsberichte, Gutachten des MDK, sonstige Arztbefunde) berücksichtigt und ausgewertet. Das depressive Zustandsbild habe sich (erst) seit der Diagnose eines Lungencarcinoms mit Lebermetastasen im Juli 2004 im Vergleich zu der Zeit vor dem 01.02.2000 stark verschlechtert. Auch die Aussagen des MDK-Gutachtens vom 04.10.1999 über die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin vermöchten keine andere Einschätzung ihrer damaligen Leistungsfähigkeit zu begründen, zumal dieses Gutachten nicht von einem Arzt, insbesondere keinem Facharzt für psychische Erkrankungen, erstellt worden sei. Aufgrund der festgestellten Einschränkungen sei der Klägerin eine Tätigkeit als Verkäuferin im Zeitraum von 1996 bis 2000 nicht mehr zumutbar gewesen. Sie sei jedoch, insbesondere wegen ihrer Ausbildung in der Sowjetunion von weniger als 7 Monaten, als angelernte Angestellte im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG einzuordnen. Selbst eine angelernte Arbeiterin des oberen Bereiches - d.h. mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren - sei aber auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, mit Ausnahme von ganz einfachen Tätigkeiten. Für die Klägerin käme als zumutbare Verweisungstätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum insbesondere die Arbeit einer Pförtnerin in Betracht (einfache Tagespförtnerin). Eine Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides vom 24.11.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.02.1995 sei deshalb nicht festzustellen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 13.06.2005 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Versicherten. Diese hat weiterhin Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU für die Zeit ab 01.01.1996 verlangt. Sie hat sich im Wesentlichen darauf berufen, dass ihr ab 1999 Pflegegeld nach Stufe 1 bewilligt worden sei, welches weiterhin gewährt werde. Sie hat dazu den Bescheid der Pflegekasse vom 20.10.1999 vorgelegt mit Bewilligung von Pflegegeld ab 01.07.1999. Es könne nicht sein, dass die Versicherte einerseits als pflegebedürftig angesehen werde, andererseits aber nicht erwerbs- oder berufsunfähig sein solle. Der Klägerin ist mitgeteilt worden, dass eine weitere Begutachtung von Amts wegen nicht beabsichtigt sei. Laut Mitteilung ihres Bevollmächtigten ist die Klägerin am 22.03.2006 verstorben. Der Rechtsstreit soll durch den Witwer C. D. weitergeführt werden.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat den Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt.

Die Beklagte hat beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten des SG Würzburg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel der Klägerin, jetzt ihres Rechtsnachfolgers erweist sich als nicht begründet. Die Entscheidung des SG, dass der Bescheid der Beklagten vom 24.11.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.02.1995 nicht rechtswidrig war, ist nach der Überzeugung des Senats zutreffend. Sowohl hinsichtlich der medizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit wie auch hinsichtlich des Berufsbildes der Versicherten kann auf die ausführlichen Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden, die sich wiederum auf die Begutachtung durch Dr.B. stützen; von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs 2 SGG abgesehen. Wenn der Bevollmächtigte der Klägerin auf die vermeintlichen Widersprüche in der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit und der Erwerbsfähigkeit hinweist, hat auch dazu das SG zutreffende Ausführungen gemacht. Es kommt jedoch nach Auffassung des Senats weniger darauf an, von wem das MDK-Gutachten erstellt worden ist; vielmehr ist von Bedeutung, dass dieses Gutachten nicht unter rentenrechtlichen Gesichtspunkten und der entsprechenden Fragestellung erstellt worden ist. Abgesehen davon, dass sich dieses Gutachten nur auf die Zeit ab Juli 1999 beziehen kann, darf aus dem festgestellten Pflegebedarf kein unmittelbarer Rückschluss auf eine noch bestehende berufliche Leistungsfähigkeit der Versicherten gezogen werden.

Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen mit der Folge, dass außergerichtliche Kosten unter den Beteiligten nicht zu erstatten sind.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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