L 5 KR 101/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KR 960/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 101/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Beitragspflichtigkeit einer Kapitalleistung aus einer Lebensversicherung.

Der 1939 geborene Kläger, der seit 01.02.1961 Mitglied der Beklagten ist, ist seit 01.04.2002 als Rentner pflichtversichert. Zu seinen Gunsten wurde am 14.04.1982 durch seinen damaligen Arbeitgeber, die Fa. E. , ein Lebensversicherungsvertrag in Höhe von 55.270,00 DM abgeschlossen, der durch die Firma in Anrechnung auf das Gehalt bis 14.02.2001 finanziert wurde.

Am 08.03.2004 unterrichtete die A. Versicherung die Beklagte zu 1 über die einmalige Kapitalzahlung in Höhe von 50.032,40 EUR zum 01.04.2004. Mit Bescheid vom 09.03. 2004 erhöhten die Beklagten ab 01.05.2004 den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung um 63,37 EUR und zur Pflegeversicherung um 7,08 EUR auf der Basis von einem 120tel der Einmalzahlung. Den Widerspruch vom 17.03.2004 wiesen sie mit Bescheiden vom 14.07.2004 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht, da nur die neugegründeten Lebensversicherungen beitragspflichtig sein könnten. Nur neue Verträge unterlägen auch der Besteuerung. Soweit der Kläger die Beiträge selbst getragen habe, seien sie aus bereits besteuerten und verbeitragten Rentenzahlungen geflossen.

Das Sozialgericht München hat die Klage am 07.12.2005 abgewiesen. Als Leistung der betrieblichen Altersversorgung sei die Kapitalzahlung beitragsrechtlicher Versorgensbezug im Sinn des § 229 SGB V, da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Abschluss des Vertrags durch den Arbeitgeber ausreichend und vorliegend auch die Finanzierung durch den Arbeitgeber erfolgt sei. Entsprechend höchstricherlicher Rechtsprechung sei der Zahlbetrag und nicht nur der Ertragsanteil beitragspflichtig. Eine Konkordanz mit dem Steuerrecht sei nicht nötig. Schutzwürdiges Vertrauen genieße der Kläger nicht, da mit der grundsätzlich zulässigen unechten Rückwirkung der Beitragsgerechtigkeit und dem Schutz vor Umgehungsgeschäften Rechnung getragen werde.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, vorliegend sei die Lebensversicherung abgeschlossen worden, um ihm eine Gehaltserhöhung zukommen zu lassen, die anders nicht durchsetzbar gewesen wäre. Eine Sicherung des Alters sei also mit der Versicherung gerade nicht bezweckt gewesen. Die Prämien seien als Bruttolohn abgerechnet worden und sollten keine betriebliche Altersvorsorge sein, sondern Lohnersatz. Die Beiträge seien auch nicht pauschal versteuert worden. Schließlich hätte sich der Kläger die Versicherungsleistung vor dem 01.01. 2004 auszahlen lassen können. Das Bundessozialgericht berücksichtige seines Erachtens den Vertrauensschutz nur ungenügend. Es werde erwogen, Verfassungsbeschwerde einzulegen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.12.2005 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 09.03.2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.07.2004 bezüglich der Beitragserhebung ab 01.05.2004 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.12.2005 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München und der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.12.2005 ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Bescheide der Beklagten vom 09.03.2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.07.2004. Zutreffend haben die Beklagten bei der Beitragsneufeststellung ab 01.05. 2004 den Kapitalbetrag aus der Lebensversicherung zu Gunsten des Klägers zu einem 1/120igstel als Einkommen zugrundegelegt.

Die Kapitalzahlung der A. Versicherungen vom 01.04.2004 ist eine Rente der betrieblichen Altersversorgung und zählt als Versorgungsbezug im Sinn von § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 229 SGB V nach § 237 SGB V zu den beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers. Die Festsetzung des vom Kläger zu tragenden Beitrags aus dem Versorgungsbezug unter Berücksichtigung des allgemeinen Beitragssatzes beruht auf § 248 Satz 1 SGB V i.d.F. des Art. 1 Nr. 148 des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I S. 2190). Die genannten Regelungen sind im Fall des Klägers einschlägig und verfassungskonform. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird unter Berufung auf die ausführlichen Gründe der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts München Abstand genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Keine Zweifel bestehen an dem Charakter des Versicherungsvertrags als Direktversicherung. Zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung im Sinn des § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gehören nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts alle Renten, die entweder von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung oder aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung im Sinn des § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt werden, wenn sie im Zusammenhang mit einer früheren beruflichen Tätigkeit erworben worden sind. Eine Direktversicherung liegt vor, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen ist und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Aus dem zeitlichen Zusammentreffen von Versicherungsfall und Erreichen des Rentenalters - der Kläger war zum Zeitpunkt der Kapitalzahlung zum 01.04.2004 65 Jahre alt, ergibt sich der Versorgungszweck der Direktversicherung. Mit Abschluss des Lebensversicherungsvertrags war gewährleistet, dass die Versicherungsleistungen der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben dienen würde. Der Zweck war die zusätzliche Leistung zur Altersversorgung. Auf die Gründe, die den Arbeitgeber veranlassten, die Versorgung zu versprechen, kommt es hingegen nicht an (BSG, Urteil vom 24.03.1996 in SozR 3-2500 § 229 Nr. 13).

Gegen die Heranziehung des Kapitalbetrags zur Beitragsbemessung kann sich der Kläger auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten wenden. Im Zusammenhang mit der Neuregelung der Beitragsbemessung aus Versorgungsbezügen nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz anstelle des halben Beitragssatzes hat das Bundessozialgericht deutlich gemacht, dass die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung keinen Anspruch auf gleichbleibende Bedingungen haben, weil diese durch die Leistungsfähigkeit des Solidarsystems insgesamt vorgegeben sind und ständigen Schwankungen unterliegen. Zwar sei das Vertrauen der Versicherten auf den Fortbestand einer günstigen Rechtslage in der Regel hoch einzuschätzen. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Rentenbezieher auf Fortbestand der für sie günstigen Beitragsregelung hinsichtlich der Versorgungsbezüge habe aber nicht bestanden (Urteile des BSG vom 24.08.2005, B 12 KR 3/05 R, 5/05 R, 6/05 R, 7/05 R, 10/05 R, 13/05 R, 23/05 R, 25/05 R und 27/05 R).

Richtig ist, dass eine echte Rückwirkung bzw. die Rückwirkung von Rechtsfolgen durch das Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich verboten ist (BVerfGE 13, 261, 227). Eine solche liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 57, 361, 391) bzw. wenn die Rechtsfolgen für einen vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt eintreten sollen und nicht zu einem nach oder mit der Verkündung beginnenden Zeitraum (BVerfGE 72, 200, 242). Regelungen, die nur mit Wirkung für die Zukunft in bestehende Rechtspositionen eingreifen, sind verfassungsrechtlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 95, 94, 68, ständige Rechtsprechung). Vorliegend hat der Kläger zwar die Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber bzw. der Lebensversicherung bereits 1982 abgeschlossen, die Kapitalleistung kam aber erst am 01.04.2004, also nach dem Stichtag der Änderung des § 229 SGB V durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) zur Auszahlung. Deswegen handelt es sich um einen Fall der unechten Rückwirkung, so dass der Kläger grundsätzlich in seinem Vertrauen nicht geschützt wird (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2005, Az.: L 11 KR 4346/05; Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 08.09.2005, Az.: L 4 KR 27/05 und Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 09.05.2006, Az.: L 5 KR 192/05). Der Ausschluss der Bestandsrentner von der Erhöhung der Beitragslast hätte eine langdauernde Ungleichbehandlung zwischen Gruppen von versicherungspflichtigen Rentnern zur Folge gehabt und die angestrebte Erhöhung der Einnahmen erst in vielen Jahren tatsächlich wirksam werden lassen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung aller versicherungspflichtigen Rentner angeordnet hat.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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