L 16 R 559/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 400/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 559/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 R 11/07 BH
Datum
Kategorie
Urteil
I. In Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 23. Juli 2003 sowie der Bescheide der Beklagten vom 11. Mai 2001 und 2. August 2001, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2001 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab 1. Juli 2005 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auf Dauer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu bezahlen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung aus der deutschen Rentenversicherung.

Die 1949 geborene Klägerin ist serbische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in ihrer Heimat. Sie stellte am 19.03.1997 beim dortigen Versicherungsträger Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Der Versicherungsträger bestätigte Beitragszeiten zwischen dem 06.04.1970 und dem 31.12.1996 für insgesamt 19 Jahre, 3 Monate und 14 Tage. Im Antrag machte die Klägerin keine Angaben zur Berufsausbildung.

Mit dem Rentenantrag wurde ein Untersuchungsbericht vom 10.06.1997 übersandt, in dem die jugoslawischen Ärzte das Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Näherin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit weniger als zwei Stunden beurteilten. Es wurden ein schlechter Gesundheits- und Ernährungszustand der Klägerin sowie die Folgen einer sechs Jahre zurückliegenden Bandscheibenoperation beschrieben. Im psychischen Befund sei auffälliges Benehmen, eine vernachlässigte äußere Erscheinung und ein trauriger Gesichtsausdruck festzustellen. Sie sei weinerlich depressiv verlangsamt, intellektuell gehemmt mit verminderter Aufmerksamkeit. Es wurden depressive und hypochondrische Ideen, eine Willens- und Antriebsminderung sowie Selbstmordgedanken bestätigt. Vorgelegt wurden Unterlagen über die Behandlungen in einer neuropsychiatrischen Klinik.

Zahlreichen Vorladungen zu einer Untersuchung in der Bundesrepublik ist die Klägerin teils entschuldigt, teils unentschuldigt nicht gefolgt. Atteste des behandelnden Facharztes vom Juni und Juli 2000 bestätigten eine Reiseunfähigkeit, während Dr. S. von der Ärztlichen Gutachterstelle der Beklagten feststellte, dass nach den vorliegenden Unterlagen die Versicherte in der Lage gewesen wäre, mit dem Bus zur Untersuchung zu erscheinen. Zumindest mit einer Begleitperson sei die Klägerin reisefähig gewesen.

Mit Schreiben vom 20.03.2001 informierte die Beklagte die Klägerin, dass beabsichtigt sei, die begehrte Leistung abzulehnen, da sie teilweise unentschuldigt ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

Mit Bescheid vom 11.05.2001 lehnte die Beklagte gemäß § 66 SGB I wegen fehlender Mitwirkung die Rentengewährung ab. Die angeordnete Untersuchung in R. stelle keine unzumutbare Härte dar, da nach Feststellung des medizinischen Sachverständigen die Klägerin in der Lage sei, zur Untersuchung zu erscheinen.

Die Klägerin übersandte daraufhin weitere ärztliche Unterlagen zur Reisefähigkeit, die nach Auffassung des Medizinischen Dienstes der Beklagten aber keine abweichende Beurteilung zulassen.

Mit Bescheid vom 02.08.2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in der Sache ab, da nicht nachgewiesen sei, dass Erwerbsminderung vorliege.

Mit Schreiben vom 10.07.2001 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.05.2001 ein. Sie habe durch mehrere Berichte und Befunde dargelegt, dass sie nicht reisefähig sei. Die Untersuchung solle daher in Jugoslawien durchgeführt werden.

Die Beklagte belehrte sie im Schreiben vom 27.09.2001 darüber, dass mit Bescheid vom 02.08.2001 der Rentenantrag endgültig abgelehnt worden sei. Dieser Bescheid sei Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gemäß § 86 Abs. 1 SGG geworden. Über die Rechtslage wurde die Klägerin aufgeklärt und aufgefordert, den Widerspruch zurückzunehmen.

Die Auswertung weiterer medizinischer Unterlagen durch Dr. D. ergab keine neuen Gesichtspunkte. Es verbleibe dabei, dass die Klägerin zumindest mit Begleitperson reisefähig sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei nicht nachgewiesen, ob Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. teilweise oder volle Erwerbsminderung vorliege. Es habe nicht ermittelt werden können, wie sich die Krankheiten oder Behinderungen auf die Leistungsfähigkeit auswirkten. Nach den vorgelegten Unterlagen sei weder eine abschließende Beurteilung möglich noch sei nachgewiesen, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Untersuchung anreisen konnte.

Dagegen richtet sich die beim Sozialgericht Landshut eingegangene Klage. Die Klägerin verwies erneut auf ihre Reiseunfähigkeit und legte ein ärztliches Attest vor.

Zur beruflichen Tätigkeit gab sie an, als Maschinennäherin 1968 bis 1969 in der Bundesrepubklik gearbeitet zu haben und von 1971 bis 1978 als Arbeiterin sowie als Maschinennäherin tätig gewesen zu sein.

Auf Veranlassung des Sozialgerichts wertete Dr. M. , Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin, die vorhandenen Unterlagen nach Aktenlage aus und kam im Gutachten vom 17.09.2002 zum Ergebnis, dass bei der Klägerin eine depressive Störung bestehe, die in unterschiedlicher Ausprägung vorgelegen habe. Von Juni 1997 bis Februar 1998 habe eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen bestanden, seit März 1998 liege eine mittelgradige depressive Episode vor. Die Klägerin könne zwar nicht mehr als Maschinennäherin tätig sein, sie könne aber körperlich leichte Arbeiten abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen ohne besondere Anforderung an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck, ohne Nachtschicht sowie ohne schweres Heben und Tragen von Lasten noch verrichten. Die Leistungsfähigkeit sei von Juni 1997 bis Februar 1998 auf zwei bis unter drei Stunden täglich gesunken, während ab März 1998 ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden habe. Von Juni 1997 bis Februar 1998 sei auch das Umstellungsvermögen der Klägerin eingeschränkt gewesen, während für die übrigen Zeiträume nur eine leichtgradige Einschränkung festzustellen sei. Daher habe sie sich wieder auf Anlerntätigkeiten umstellen können. Im Übrigen seien die ärztlichen Atteste nicht ausreichend, um eine Reiseunfähigkeit nachzuweisen.

Über die Notwendigkeit der Untersuchung und der Übernahme der Kosten belehrt, teilte die Klägerin mit, es sei ihr wegen der langen Fahrt nicht möglich anzureisen. Sie könne nur in B. untersucht werden. Ärztliche Atteste legte sie vor, u.a. einen Entlassungsschein für die Zeit vom 21.08.2002 bis 04.09.2002 über eine Behandlung wegen Depressionen.

In den ergänzenden Stellungnahmen vom 19.04.2003, 07.05.2003 und 17.07.2003 führte Dr. M. aus, dass im Zeitraum Februar bis Mai 1997 zwei stationäre Behandlungen wegen endogener Depression bzw. schwerer depressiver Episode notwendig gewesen seien und die Klägerin daher in der Zeit bis Februar 1998 lediglich zwei bis unter drei Stunden täglich habe arbeiten können. Dies ergebe sich auch aus dem Gutachten der Invalidenkommission B. vom 10.06.1997. Aufgrund des rekonstruierbaren Krankheitsverlaufs sei deshalb von Februar 1997 bis Februar 1998 ein eingeschränktes Leistungsvermögen, ab März 1998 aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen anzunehmen.

Die neusten Befunde, wie z.B. der Entlassungsbericht vom Januar 2003, zeigten nämlich, dass es sich nicht mehr um eine schwere depressive Störung handle.

Mit Urteil vom 23.07.2003 verpflichtete das Sozialgericht Landshut unter Aufhebung des Bescheides vom 11.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2001 die Beklagte, der Klägerin befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 01.09.1997 bis 28.02.1998 und 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu bezahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung stützte sich das Sozialgericht auf das Gutachten von Dr. M. und die ergänzenden Stellungnahmen dazu. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens sei im Zeitraum Februar 1997 bis Februar 1998 nachgewiesen, während ab März 1998 wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass eine Untersuchung der Klägerin weiterführende Ergebnisse gebracht hätte, die Klägerin sei aber dazu nicht bereit gewesen und müsse sich die Folgen dieser Weigerung zurechnen lassen, da eine Reiseunfähigkeit nicht habe festgestellt werden können.

Dagegen richtet sich die Berufung, die am 16.10.2003 beim Bayerischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin trug vor, sie sei nicht nur auf eine bestimmte Zeit, sondern auf Dauer erwerbsunfähig und könne nicht zur Untersuchung anreisen. Vorgelegt wurde ein Bericht über eine stationäre Untersuchung bzw. Behandlung vom 03.02.2004 bis 03.03.2004 wegen Verschlechterung des Gesundheitszustands. Als Diagnose wurde eine Somatisierungsstörung genannt. Weitere Berichte über frühere Behandlungen und Kontrolluntersuchungen übersandt die Klägerin ebenfalls.

Auf Veranlassung des Senats führte der Arzt für Psychiatrie Dr. S. eine Begutachtung mit Untersuchung der Klägerin in B. durch. Im Gutachten vom 17.08.2005 diagnostizierte Dr. S.: 1. anhaltende somatoforme Schmerzstörung, gegenwärtig hochgra dige Ausprägung, charakterisiert durch depressive Verstim mung, sozialer Rückzug sowie Freud- und Interesselosigkeit. 2. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode. 3. Zustand nach Operation eines Diskusprolaps L4 bis L 5 im Jahre 1991. 4. Beidseits ausgeprägte Cervikobrachialgie und Lumboischal gie. 5. Rezidivierender Schwindel und Kopfschmerzen. 6. Histrionische Persönlichkeitsstörung. 7. Benzodiazepinabusus. Dr. S. bestätigte für die Zeit vom Februar 1997 bis Februar 1998 eine stationär behandlungsbedürftige depressive Erkrankung, die zu einer Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden täglich geführt habe. Für die Zeit ab Februar 1998 nahm er ein Leistungsvermögen von weniger als vier Stunden an. Die Klägerin könne keine mittelschweren und schweren Arbeiten verrichten, keine einförmigen Haltungen und keine vornübergeneigte Zwangshaltung einnehmen sowie nicht über Kopf und nicht verbunden mit Heben und Tragen von Lasten über 10 Kilo arbeiten. Es sollte auch kein ständiges Bücken erfolgen, keine Akkordarbeit und keine Arbeit an schnelllaufenden Maschinen oder Fließbandarbeit verrichtet werden. Sie sollte auch keiner Eigen- oder Fremdgefährdung unterliegen, also nicht auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr oder mit besonderen Anforderungen an die Konzentration und die Ausdauer arbeiten müssen. Arbeiten mit Publikumsverkehr oder im Schichtbetrieb mit besonderer Verantwortung seien ausgeschlossen. Dieser Zustand bestehe auf Dauer. Die Klägerin könne sich auch auf andere Tätigkeiten nicht mehr umstellen. Sie sei auch nicht in der Lage, zur Untersuchung in die Bundesrepublik zu reisen. In der langen Verfahrensdauer seien phasenweise gewisse Änderungen des Gesundheitszustands eingetreten. Dem Gutachten von Dr. M. sei insoweit nicht zuzustimmen, als sich die Beurteilung des Krankheitsbildes ausschließlich auf die psychiatrische Symptomatik konzentriere und die anderen Gesundheitsstörungen ausklammere.

Im Schriftsatz vom 07.09.2005 beantragte die Beklagte, unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. L. , Dr. S. nochmals zur Frage der Verschlechterung der Leistungsfähigkeit zu hören, denn Dr. S. gehe selbst im Mai 2005 von einem Befund aus, der eine leichte depressive Episode darstelle und begründe nicht ausreichend, worin er die Verschlechterung sehe. Nicht nachvollziehbar sei, warum bereits seit Februar 1998 keine Tätigkeit mehr möglich sei.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.05.2006 räumt Dr. S. ein, dass ein variabler Verlauf des vorliegenden Krankheitsbildes mit sowohl leichten, mässiggradig ausgeprägten psychiatrischen Krankheitsphasen als auch schweren Phasen vorliege. Dieses könne den Berichten der jeweiligen Jahre entnommen werden. Zum Zeitpunkt der Begutachtung 2005 habe eine zeitliche Leistungsfähigkeit in relevantem Ausmaß nicht mehr vorgelegen. Ab diesem Zeitpunkt sei die Klägerin zu keinerlei Tätigkeiten mehr in der Lage gewesen. Außerdem sei bis Februar das Leistungsvermögen eingeschränkt gewesen und habe weniger als drei Stunden täglich betragen. Bei seiner Untersuchung am 27.06.2005 sei eine Verschlechterung festzustellen gewesen, es habe auch eine weitere Verstärkung der orthopädischen Symptomatik stattgefunden, wie die entsprechenden neuro-chirurgischen Befunde zeigten. Prinzipiell bestehe mit der Leistungsbewertung durch Dr. M. im Gutachten vom April 2002 und September 2002 zum größten Teil Übereinstimmung, seither, also in den letzten vier Jahren, sei aber eine Verschlechterung eingetreten.

Mit Schriftsatz vom 25.07.2006 hat die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Dr. L. vom 21.07.2006 eine Erwerbsminderung der Klägerin ab Juni 2005 anerkannt und ein entsprechendes Angebot unterbreitet.

Der Klägerin wurde das Vergleichsangebot der Beklagten mit einem erklärenden Schreiben übersandt und darauf hingewiesen, dass ein früherer Beginn der Rente nur schwer zu begründen sei. Die Klägerin nahm das Angebot nicht an, sondern hielt an ihrem Anspruch auf durchgehende Rentenleistung fest.

Die Klägerin begehrt sinngemäß,

in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 23.07.2003 ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 28.02.1998 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte begehrt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit Leistungen beantragt werden, die über das im Schriftsatz vom 25.07.2006 abgegebene Teilanerkenntnis hinaus gehen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und erweist sich teilweise als begründet.

Nicht Streitgegenstand ist der Rentenanspruch der Klägerin für die Zeit vom 01.09.1997 bis 28.02.1998, da das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23.07.2003 von der Beklagten nicht mit der Berufung angefochten wurde. Soweit die Klägerin aufgrund der Antragstellung bereits ab März 1997 die Rentenleistung begehrt, wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Landshut im Urteil vom 23.07.2003 Bezug genommen. Das Sozialgericht hat sich dabei zu Recht auf das Gutachten von Dr. M. gestützt, das für eine vorübergehende Zeit, nämlich von Februar 1997 bis Februar 1998, von einer Leistungseinschränkung ausgegangen ist. Dem Sozialgericht ist auch insoweit zu folgen, als ab März 1998 wieder volle Erwerbsfähigkeit gegeben war.

Entgegen der Auffassung der Beklagten beträgt das Leistungsvermögen der Klägerin ab dem Untersuchungszeitpunkt am 27.06.2005 nur mehr weniger als drei Stunden, so dass ihr über das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 25.07.2006 hinaus ab 01.07.2005 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auf Dauer Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches VI (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (§§ 43, 44 SGB VI a.F.), da der Antrag bereits im Jahre 1997 gestellt wurde, und, soweit Rente für den Zeitraum nach dem 01.01.2001 begehrt wird, nach der ab 01.01.2001 geltenden Fassung der §§ 43, 241 SGB VI (§ 300 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI).

Nach § 43 n.F. SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser (voller) Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise (voll) erwerbsgemindert sind und 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise (voll) erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs(drei) Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 und 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und den besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Da der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als derjenige der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, folgt aus der Verneinung einer teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ohne weiteres das Fehlen einer vollen Erwerbsminderung. Die bis 31.12.2000 geltenden Bestimmungen der §§ 43, 44 a.F. SGB VI unterscheiden sich von der neuen Bestimmung durch die Definition der zeitlichen Leistungsfähigkeit von acht Stunden täglich.

Die Klägerin erfüllt zwar die allgemeine Wartezeit der §§ 50, Abs. 1 Satz 1 und 51 Abs. 1 SGB VI und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Drei-Fünftel-Belegung bei Antragstellung, da sie den letzten Beitrag in ihrer Heimat im Dezember 1996 entrichtet hat. Aufgrund des im Verhältnis zur Republik Jugoslawien bzw. Republik Serbien weiterhin anwendbaren deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen (DJSV vom 12.10.1968 (BGBl 1969 II S. 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 (BGBl 1975 II S. 390)), das aufgrund der Bekanntmachung vom 20.03.1997 (BGBl II S. 961) weiterhin Anwendung findet, zumal Serbien als Nachfolgestaat der Republik Jugoslawien zu betrachten ist), können die im Heimatland von Januar 1984 bis Dezember 1996 ununterbrochen monatlich entrichteten Beiträge nach Art. 25 DJSV angerechnet werden. Für den Zeitraum ab 01.03.1998 bis zum Eintritt der Leistungsminderung im Juni 2005 gelten die Anwartschaftsvoraussetzungen gemäß § 241 Abs. 2 S. 2 i.V.m. §§ 197, 198 SGB VI als erfüllt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten, wie sie im Teilanerkenntnis zum Ausdruck kommt, ist nach Auffassung des Senats aber seit der Untersuchung von Dr. S. im Juni 2005 nachgewiesen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin so verschlechtert hat, dass das Leistungsvermögen nur mehr weniger wie drei Stunden beträgt. Dieses Ergebnis wird durch das in diesem Punkt überzeugende Gutachten von Dr. S. begründet, der die Verlaufsbeurteilung vor allem in seiner ergänzenden Stellungnahme überzeugend darlegt und begründet. An dieser zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens bestehen nach Auffassung des Senats keine Zweifel, denn Dr. L. hat in seiner Stellungnahme vom 21.07.2006 für seine abweichende Beurteilung keine Begründung gegeben. Der Zustand, den Dr. S. bei der Klägerin beschreibt, ist durch die von ihm selbst durchgeführte Untersuchung nachgewiesen und rechtfertigt seine Beurteilung, dass zu dem Zeitpunkt der Begutachtung keinerlei Einsatzfähigkeit aufgrund der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen mehr möglich ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten kam der Senat daher zum Ergebnis, dass ab 01.07.2005 der Klägerin Rente auf Dauer zusteht, zumal auch Dr. L. davon ausgeht, dass in Anbetracht der Symptomatik mit einer Besserung des Leistungsvermögens nicht gerechnet werden kann.

Soweit die Klägerin für den Zeitraum ab 01.03.1998 bis 01.07.2005 Rentenleistungen begehrt, hat die Berufung keinen Erfolg. Bereits das Sozialgericht hat, gestützt auf das Gutachten von Dr. M. , dargelegt, dass ab 01.03.1998 bei der Klägerin wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen werden konnte. Auch die Begutachtung durch Dr. S. und die Auswertung aller von 1979 bis 2005 vorliegenden Untersuchungsberichte aus Jugoslawien rechtfertigen keine andere Beurteilung. Wie Dr. M. hat auch Dr. S. einen schwankenden Verlauf der Erkrankung beschrieben, der zwischen leicht ausgeprägten Phasen (z.B. in den Jahren 2002, 2003, 2004 und 2005 ) und mäßiggradig ausgeprägten psychiatrischen Krankheitsphasen (z.B. 1997, 2001, 2002 und 2004) und Phasen schwerer Erkrankung (z.B. 1998, 1999 und 2000) variierte. Diese Verlaufsbetrachtung rechtfertigt es nicht, für den gesamten Zeitraum Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin anzunehmen, vielmehr handelt es sich jeweils um Phasen einer Arbeitsunfähigkeit, die behandelbar und vorübergehend waren. Vor 01.07.2005 war somit ein Dauerzustand nicht nachzuweisen. Erst die ab der Untersuchung durch Dr. S. im Juli 2005 bewiesene Verschlechterung des Gesundheitszustands zeigt mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen vorliegen. Bereits Dr. M. hat zutreffend dargestellt, dass die aus der Heimat vorgelegten Befunde nicht ausreichten, um ohne Untersuchung der Klägerin die Leistungsbeurteilung zu erstellen. Auch Dr. S. betonte mehrfach, dass das variabl verlaufende psychiatrische Krankheitsbild in den Jahren vor 2005 beträchtliche Schwankungen aufgewiesen hat und erst bei seiner Untersuchung eine Verstärkung der orthopädischen und neuro-chirurgischen Beschwerden bestätigt werden konnte. Dabei geht der Umstand, dass die Klägerin nicht untersucht werden konnte, zu ihren Lasten, denn für die Zeit von März 1998 bis Juni 2005 ist nicht bewiesen, dass sie durchgehend reiseunfähig war. Mit Ausnahme der Zeiten der behandlungsbedürftigen Arbeitsunfähigkeit waren durchaus Zeiträume denkbar, in denen die Klägerin zur Untersuchung hätte anreisen können. Für diese Reiseunfähigkeit ist die Klägerin beweispflichtig. Die Nichterweislichkeit der zeitlichen Leistungsminderung in der Zeit ab 01.03.1998 muss daher zu ihren Lasten gehen.

Denn auch im sozialgerichtlichen Verfahren gelten die Regeln der objektiven Beweislast. Das bedeutet, dass jeder die objektive Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. Jens Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer Sozialgerichtsgesetz § 118 Anm. 3).

Weitere Aufklärungsmöglichkeiten hat der Senat nicht gesehen, die vorhandenen ärztlichen Unterlagen aus der Heimat der Klägerin wurden allesamt ausgewertet, waren ebenso wie nicht aussagekräftig genug, eine abschließende Beurteilung zu ermöglichen. Bereits im Verwaltungsverfahren wurde auch von Dr. M. die Notwendigkeit einer Untersuchung der Klägerin betont, die an der Behauptung der Klägerin nicht reisefähig zu sein, jedoch scheiterte. Für den Senat steht somit fest, dass für die Zeit zwischen 01.03.1998 und 01.07.2005 nicht nachgewiesen ist, dass die Klägerin durchgehend erwerbsunfähig bzw. erwerbsgemindert war. Aufgrund der Untersuchung von Dr. S. steht aber fest, dass ab 01.07.2005 die Voraussetzungen für den Bezug der Dauerrente wegen Erwerbsminderung erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf den Erwägungen, dass die Klägerin mit ihrem Begehren teilweise obsiegt hat, soweit sie allerdings über die von der Beklagten bereits angebotenen Kosten hinaus die Erstattung beantragt, entspricht dies nicht dem Ergebnis des Prozesses (§§ 183, 193 SGG).

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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