L 5 KR 272/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 KR 1576/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 272/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 41/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Beitragsbemessung bei Versorgungsbezüge ab 01.01.2004.

Der 1927 geborene Kläger ist seit 1972 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Seit 01.07.2003 bezieht er aus der gesetzlichen Rentenversicherung Altersruhegeld in Höhe von 866,80 EUR. Daneben erhält er aus der Pensionskasse der B. eine Rente in Höhe von 996,64 EUR sowie eine B.-Betriebsrente, mit der zusammen seine Bezüge insgesamt über der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Im Jahr 2003 entrichtete er an die Beklagte inklusive des Beitrags für die Pflegeversicherung 345,68 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 19.12.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 01.01.2004 werde der Beitrag für die Krankenversicherung auf 477,78 EUR, inklusive Pflegeversicherung auf 537,06 EUR angehoben. Den Widerspruch wies sie am 13.10.2004 mit der Begründung zurück, statt der Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes sei ab 01.01.2004 auf Versorgungsbezüge der volle allgemeine Beitragssatz anzuwenden. Dies u.a. deshalb, weil die Gesundheitsausgaben für Rentner nur zu 43 % durch deren Beitragszahlung gedeckt würden. Das Gesetz diene nach seiner Intention der Belastungsbegrenzung der Aktiven.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Neuregelung sei verfassungswidrig. Es liege kein Grund für eine Schlechterstellung von Versorgungsbezügen gegenüber gesetzlichen Renten vor, die nur mit dem halben Beitragssatz zur Beitragsentrichtung herangezogen würden. Zudem fordere der Gesetzgeber, privat Vorsorge zu treffen. Die doppelte Verbeitragung von Einkommen, einmal während des aktiven Berufslebens und dann erneut im Alter sei rechtswidrig. Die 55 %-ige Erhöhung des Beitrags sei maßlos, nichtig und strafbar, nachdem eine Rückkehr in die Privatversicherung auch unmöglich sei. Der Gesetzgeber habe keine Übergangsregelung getroffen. Der Krankenkasse hätte es oblegen, Rückstellungen zu bilden. 1972 sei er mit der Aussicht auf günstige Beiträge im Alter abgeworben worden.

Das Sozialgericht München hat die Klage am 26.07.2006 unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung abgewiesen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Neuregelung bestünden nicht.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat erneut die ungleiche Behandlung von gesetzlichen Renten und Versorgungsbezügen sowie einen Verstoß gegen Art.3 Grundgesetz moniert, die Missachtung des Vertrauensschutzes beklagt und geltend gemacht, die vom Sozialgericht zitierten Bundessozialgerichtsurteile beträfen seinen Fall nicht.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.07.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 19.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2004 zu verurteilen, Beiträge aus den Bezügen der B. nicht zum vollen Beitragssatz zu erheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akte des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.07.2006 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2004. Die Beitragsbemessung der Beklagten ist rechtmäßig. Die gesetzliche Neuregelung ab 01.01.2004, Versorgungsbezüge mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz zur Beitragsentrichtung heranzuziehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind gemäß § 223 Abs.1 SGB V grundsätzlich für jeden Tag der Mitgliedschaft zu zahlen. Für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ordnet § 240 Abs.1 Satz 1 SGB V an, dass die Satzung die Beitragsbemessung regelt. Dabei ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes und sind mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Satz 1 SGB V). Diese Vorgaben erfüllt die Satzung der beklagten Krankenkasse insoweit, als nach § 12 Abs.2 der Satzung als beitragspflichtige Einnahmen alle Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung heranzuziehen sind. Damit sind gemäß § 229 Abs.1 Satz 1 Nr.5 SGB V für die Beitragsbemessung zwingend die Renten der betrieblichen Altersversorgung heranzuziehen, wie dies in der Vergangenheit auch geschehen ist. Sowohl die Rente aus der Pensionskasse als auch die B.-Betriebsrente werden zur Altersversorgung erzielt und sind im Zusammenhang mit einer früheren beruflichen Tätigkeit erworben worden. Gegen die Qualifizierung als Rente der betrieblichen Altersversorgung spricht nicht, dass der Kläger auch Selbstzahlungen an die Pensionskasse leistete (s. BSG, Urteil vom 30.03.1995 in SozR 3-2500 § 229 Nr.7).

Die Beitragsbemessung der Versorgungsbezüge des Klägers beruht auf § 240 Abs.2 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 248 Satz 1 SGB V in der Fassung des Art.1 Nr.144 Buchst.a D Buchst.bb, Nr.148 Buchst.a GMG vom 14.11.2003 (Bundesgesetzblatt I 2190 - § 248 Satz 1 SGB V neue Fassung). Danach gilt seit dem 01.01.2004 auch bei freiwilligen Mitgliedern für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der jeweils am 01.07. geltende allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse für das folgende Kalenderjahr. Die rechnerisch zutreffende Erfassung wird vom Kläger nicht moniert. Er wendet sich lediglich gegen die Neufeststellung der Beklagten gemäß § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X, weil sie seines Erachtens verfassungswidrig ist.

Das Bundessozialgericht hat sich mit Urteil vom 10.05.2006 (B 12 KR 6/05 R) ausführlich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der strittigen Beitragsanhebung auseinandergesetzt. In diesem entschiedenen Fall war der Kläger ein freiwillig Versicherter, der sich gegen eine Verdoppelung seiner Krankenversicherungsbeiträge (von monatlich etwa 240,00 EUR auf 493,94 EUR) wegen der Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes wehrte. Die vom Kläger jetzt vorgetragenen Argumente für die Verfassungswidrigkeit der Regelung sind vom Bundessozialgericht umfassend geprüft und verworfen worden (Urteil vom 24.08.2005, B 12 KR 29/04 R).

Der Kläger trägt vor, seine Versorgungsbezüge seien ebenso wie die gesetzliche Rente aus Beiträgen von seiner Seite und seitens des Arbeitgebers finanziert worden und müssten deshalb bei der Beitragsberechnung gleich behandelt werden. Freiwillig Versicherte sind aber grundsätzlich hinsichtlich aller Einnahmearten selbst Schuldner der Beitragsforderungen der Kassen und bleiben mit den hieraus erwachsenden wirtschaftlichen Folgen endgültig belastet (§ 250 Abs.2, § 252 Satz 11 SGB V). Zwar erhalten freiwillig versicherte Rentner nach Maßgabe des § 106 SGB VI Anspruch auf einen Zuschuss des Rentenversicherungsträgers, durch den sie wirtschaftlich im Allgemeinen zur Hälfte von den Beiträgen aus ihrer Rente entlastet werden. Indes gibt es, so das Bundessozialgericht, bei freiwillig Versicherten keinen Grundsatz der Zuschussgewährung in Höhe des halben Beitrages sowenig wie einen Grundsatz hälftiger Beteiligung Dritter an der Beitragstragung bzw. der Begrenzung der Beitragslast auf den sich nach dem halben Beitragssatz ergebenden Betrag bei Pflichtversicherten. Bei Versicherungspflichtigen waren die Beiträge aus Versorgungsbezügen immer schon allein zu tragen (§ 381 Abs.2 RVO und § 250 Abs.1 Nr.1 SGB V). Bei den Versorgungsbezügen sah der Gesetzgeber keine Berechtigung, neben den Versicherungspflichtigen selbst einen anderen Vermögensträger, wie etwa die Zahlstelle der Versorgungsbezüge zur Beitragstragung heranzuziehen.

Das Bundessozialgericht hat auch ausgeführt, dass die gesetzliche Neuregelung ab 01.01.2004 nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt. Zwar ist das Vertrauen der Versicherten, insbesondere der älteren Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, auf den Fortbestand einer günstigen Rechtslage in der Regel hoch einzuschätzen. Der Ausschluss der Bestandsrentner von der Erhöhung der Beitragslast hätte jedoch eine langdauernde Ungleichbehandlung zwischen Gruppen von Rentnern zur Folge gehabt und die angestrebte Erhöhung der Einnahmen erst in vielen Jahren tatsächlich wirksam werden lassen. Hatte der Gesetzgeber bisher ausnahmsweise auch bei bestimmten freiwillig Versicherten die Beitragserhebung aus Versorgungsbezügen auf den halben Beitragssatz beschränkt, so war er nicht gehalten, diese Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den anderen Einkunftsarten für die Zukunft beizubehalten. Dass es für diese Änderung sachliche Gründe gibt, hat das Bundessozialgericht umfangreich dargelegt. Verfassungsrechtliche Zweifel sind daher nicht angebracht.

Dass die Belastung aufgrund eines höheren Anteils der Versorgung am individuellen Alterseinkommen größer ist, ja sogar mehr als die Hälfte des bisherigen Beitrags ausmachen kann, ist hinzunehmen. Denn bei der Ordnung von Massenerscheinungen - so das Bundessozialgericht - können typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Insofern ist zu berücksichtigen, dass gerade in den Fällen, in denen die individuellen Versorgungsbezüge gegenüber der gesetzlichen Rente besonders hoch sind, die frühere hälftige Beitragslast auf Versorgungsbezüge gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz besonders problematisch war.

Der Kläger kann auch nicht einwenden, er habe durch Beitragszahlungen während seiner Erwerbsphase das bisherige Finanzierungssystem der Krankenversicherung der Rentner finanziell mitgetragen. Die Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft auf Dauer ist nicht nur mit dem Erwerb von Chancen, sondern auch mit gemeinsamer Risikotragung verbunden (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 16.07.1985, 1 BvL 5/80, BVerfGE 69, 272 ff.). Im umlagefinanzierten System der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es keinen Transfer von beitragsrechtlichen Positionen in die Zukunft. Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung haben keinen Anspruch auf gleichbleibende Bedingungen, denn diese werden durch die Leistungsfähigkeit des Solidarsystems insgesamt vorgegeben und unterliegen ständigen Schwankungen.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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