Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 228/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 200/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 29/07 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Bescheid der Beklagten vom 14.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2002 und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.03.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, beim Kläger die Hepatitis C-Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalles anzuerkennen und die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 08.06.1999 als Arbeitsunfall streitig.
Der 1970 geborene Kläger war seit 15.10.1998 bei der Firma A. Catering beschäftigt. Seine Tätigkeit umfasste im Verbundkrankenhaus D./F. das Abräumen von Essenstabletts sowie den Transport und das Ausräumen von Essenswaren.
Er stellte sich am 25.04.2001 bei dem Durchgangsarzt Dr.S. vor und gab an, bei dieser Arbeit etwa im Juni 1999 beim Abräumen von Essenstabeletts in eine gebrauchte Kanüle gegriffen und sich dabei an der linken Hand verletzt zu haben. Der Oberarzt des Verbundkrankenhauses und Internist Dr.S. hatte am 30.11.2000 - im Rahmen einer betriebsmedizinischen Untersuchung - bei dem Kläger eine aktive Hepatitis-C-Infektion festgestellt. Er hielt die vom Kläger vorgebrachte Infektionsmöglichkeit durch eine Stichverletzung für medizinisch nachvollziehbar; sie stelle eine typische Infektionssituation dar.
Der behandelnde Internist Dr.F. teilte der Beklagten auf Anfrage mit Schreiben vom 11.08.2001 mit, dass der diskutierte Infektionsweg über eine Injektionskanüle und der Infektionszeitpunkt Juni 1999 als Ursache der bestehenden Hepatitis C plausibel seien. Anamnestisch und klinisch seien keinerlei Hinweise für alternative Infektionswege vorhanden.
Im Gesundheitsausweis des Staatl. Gesundheitsamtes A. vom 23.10.1998 waren für den Kläger keine Hinderungsgründe für die Aufnahme einer Tätigkeit im Krankenhaus enthalten.
Die Zeugin G. , damals Diätassistentin im Krankenhaus, bestätigte mit Schreiben vom 24.08.2001 den Vorgang. Sie sei nicht Augenzeuge des vom Kläger geschilderten Vorfalls gewesen, habe aber Kenntnis durch den Kläger persönlich bekommen. Die Einstichstelle habe sie aufgrund der geringen Größe und der Tatsache, dass der Kläger Handschuhe getragen habe, nicht gesehen. Der Kläger habe die gebrauchte Kanüle zu ihr in das Büro gebracht. Er habe ihr erzählt, dass er sich an dieser Kanüle gestochen habe. Sie sei auf einem gebrauchten Essenstablett gelegen und er hätte sich beim Abräumen dieses Tabletts verletzt. Da die Verletzung nicht akut geblutet habe, sei sie nicht direkt in der Küche versorgt worden. Sie habe den Kläger aber darauf hingewiesen, die Ambulanz aufzusuchen, um sich untersuchen und kundig behandeln zu lassen. Ihr sei aber nicht bekannt, ob der Kläger die Ambulanz oder einen anderen Arzt aufgesucht habe. Der Unfall sei im unreinen Bereich der Krankenhausküche passiert.
Mit Schreiben vom 08.08.2001 teilte der Krankenhausdirektor des Verbundkrankenhauses D. der Beklagten mit, es komme vor, dass Patienten sich als Trainingsmaßnahme selbst Heparin injiziierten und dann die Spritzen aus Unkenntnis auf den Tabletts ablegten. Die Kontamination der Kanüle mit Hepatitis-C-Erregern könne grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, da nicht alle Patienten generell auf Hepatitis C untersucht werden. Jedes Blut sei prinzipiell infektionsverdächtig.
Mit Bescheid vom 14.03.2002 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Vorfalls vom 08.06.1999 ab. Es sei fraglich, ob zwischen der versicherten Tätigkeit, dem behaupteten Unfallereignis und der festgestellten Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Der Zeitpunkt der Infektion lasse sich zeitlich nicht eingrenzen. Der Nachweis, dass die Kanüle mit infizierten Blut behaftet gewesen sei, habe nicht erbracht werden können. Es fehle am konkreten Nachweis der Infektionsquelle und des Infektionszeitpunktes. Dem Krankenhaus D. seien im angeschuldigten Zeitraum keine Hepatits C-Patienten bekannt gewesen (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 01.08.2002).
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt, ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer durch den Vorfall vom 08.06.1999 erlittenen aktiven Hepatitis-C-Infektion zu gewähren. Bei ihm seien Ansteckungsmöglichkeiten außer an der Arbeitstelle ausgeschlossen. Er habe weder Blut gespendet noch habe er sich tätowieren oder piercen lassen. Zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles habe es in D. etwa 10 Hepatitis-C-Neuerkrankungen gegeben. Einige dieser Betroffenen seien kurz vorher im (Verbund)-Krankenhaus behandelt worden. Außerdem seien bei ihm Beweiserleichterungen angebracht.
Mit Schreiben vom 06.11.2003 hat die Zeugin E.E. bestätigt, dass der Kläger sich beim Abräumen von Patiententabletts eine Stichverletzung zugezogen habe. Sie selbst sei damals in der Küchenleitung im Verbundkrankenhaus D. tätig gewesen. Der Kläger habe ihr den Unfall sofort gemeldet. In der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2004 hat die Zeugin C.B. vorgebracht, dass sie selbst bei der gleichen Tätigkeit, die der Kläger zu verrichten hatte, beinahe eine Stichverletzung erlitten habe. Sie habe zweimal eine Nadel auf einem Tablett gefunden. Der Zeuge T.J. , der mit dem Kläger zusammen arbeitete, gab an, dass öfter Spritzen auf den Tabletts gelegen seien. Er schätze, dies sei sechs- bis siebenmal monatlich gewesen.
Mit Urteil vom 09.03.2004 hat das SG Nürnberg die Klage abgewiesen. Es hat einen Anspruch des Klägers sowohl aus dem Gesichtspunkt einer Berufserkrankung als auch eines Arbeitsunfalles verneint.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, bei seiner beruflichen Tätigkeit habe eine erhöhte Infektionsgefährdung bestanden. Er habe Abfallprodukte von Hepatitis-C-Patienten entsorgen müssen - sogar mit deren Blut - und sei mit anderen Anhaftungen in Berührung gekommen. Der Durchseuchungsgrad der Patienten in dem Verbundkrankenhaus D. sei um ein mehrfaches höher als der der durchschnittlichen Bevölkerung gewesen. Der Umgang mit den Hinterlassenschaften der erkrankten Patienten habe deshalb ein spezifisches Infektionsrisiko mit sich gebracht.
Der Senat hat einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.S. vom 26.08.2004 beigezogen. Der stellvertretende Krankenhausdirektor des Verbundkrankenhauses D. hat mit Schreiben vom 14.10.2004 mitgeteilt, dass im Zeitraum Oktober 1998 bis Juli 1999 nachweislich bei zwei Patienten Hepatitis C diagnostiziert worden sei. Es seien aber nicht alle Patienten generell auf Hepatitis C untersucht worden, so dass mit einer gewissen Dunkelziffer zu rechnen sei. Die Allgemeinärztin Dr.M. hat mit Schreiben vom 18.11.2004 mitgeteilt, dass von ihr untersuchte Angehörige des Klägers nicht an Hepatitis-C erkrankt seien.
Der Senat hat den Internisten Dr.S. von Amts wegen gehört (Gutachten vom 31.08.2005 nach Aktenlage). Dieser führte die im November 2000 festgestellte Hepatitis-C-Erkrankung nicht ursächlich auf eine Verletzung durch einen Stich mit einer Kanüle im Juni 1999 zurück. Selbst bei Berücksichtigung von Beweiserleichterungen sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Hepatitis-C-Erkrankung und der Spritzenstichverletzung im Juni 1999 nicht begründet, da nur eine geringe Häufigkeit der Tätigkeit, bei der sich das Risiko einer Verletzung realisieren könne, und kein erhöhtes Infektionspotential der betreffenden Kontaktpersonen vorgelegen hätten. Die indizierten Personen seien nicht nachgewiesen und das Übertragungsereignis sei nicht dokumentiert.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 09.03.2004 sowie des Bescheides vom 14.03.2002 idF des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2002 zu verurteilen, bei ihm eine Hepatitis-C-Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalles anzuerkennen und entsprechende Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 09.03.2004 zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Entgegen der Auffassung des SG ist die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 08.06.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Arbeitsunfall ist nach § 8 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer der in § 2, 3 oder 6 genannten Tätigkeiten erleidet. Unfall ist ein von außen einwirkendes körperlich schädigendes und zeitlich begrenztes Ereignis. Auch eine Infektionskrankheit kann eine Körperschädigung darstellen, welche die Merkmale eines Arbeitsunfalles erfüllt (BSG, Urteil vom 28.08.1990 Az 2 RU 64/89 mwN - juris Recherche). Voraussetzung ist, dass die zur Erkrankung führende Infektion innerhalb einer Arbeitsschicht an einem bestimmten, wenn auch nicht kalendermäßig genau bestimmbaren Tag eingetreten ist (BSGE 15, 112, 113). Für die Annahme des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Unfall (Infektion) und der versicherten Tätigkeit sowie dem Unfall und der Körperschädigung reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus, alle sonstigen Voraussetzungen müssen nachgewiesen sein (BSG vom 28.08.1990 aaO mwN).
Der Senat hält das Unfallgeschehen im Hinblick auf die glaubwürdige Aussage des Klägers und die glaubhaften Bekundungen der Zeugen für nachgewiesen. Danach hat der Kläger im Verbundkrankenhaus D. am 08.06.1999 in der Spülküche des Krankenhauses wegen eines auf einem abzuräumenden Essenstablett liegenden Spritzenaufsatzes eine Verletzung zugezogen, indem er sich mit der ca. 2 cm langen Nadel bis zum Ansatz der Spritze ca. zwei Zentimeter tief in den Außenrand der linken Hand stach.
Vorliegend ist von einem Arbeitsunfall und nicht vom Vorliegen einer Berufskrankheit auszugehen. Das für den Eintritt der Infektion angeschuldigte Ereignis ist innerhalb einer Arbeitsschicht an einem bestimmten Tag eingetreten. Der Kläger benennt eine direkte Infektionsquelle, nämlich die Spitze einer gebrauchten Kanüle (vgl LSG Baden-Württemberg, Breith 1958, 316; LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 28.01.2003 - L 2 U 118/01 - juris Recherche; BSG Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 15/97 - juris-Recherche).
Nach Auffassung des Senats steht die im November 2000 festgestellte Hepatitis-C-Erkrankung im ursächlichen Zusammenhang mit der Verletzung durch die Kanüle im Juni 1999.
Die Infektion hat sich nach der Überzeugung des Senats an der Arbeitsstätte des Klägers ereignet. Der Oberarzt des Verbundkrankenhauses Dr.S. hielt eine Infektion durch eine Stichverletzung mit einer gebrauchten Kanüle für medizinisch nachvollziehbar, er sah den Vorgang als eine typische Infektionssituation an. Nach den Feststellungen des Internisten Dr.F. waren anamnestisch und klinisch keinerlei Hinweise für alternative Infektionswege vorhanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit zwischen der versicherten Tätigkeit und einer Infektionskrankheit nach der Berufskrankheitenverordnung grundsätzlich gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist. Bei diesem Nachweis kann dann in der Regel auch davonausgegangen werden, dass sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen hat (BSG Urteil vom 18.11.1997 aaO mwN). Für die Bejahung der Kausalität bei einer Infektionskrankheit aufgrund eines Unfallereignisses kann nichts anderes gelten.
Der Kläger war bei seiner Tätigkeit im Verbundkrankenhaus auf sonstige Weise, nämlich durch das Herumliegen von Kanülen auf den Essenstabletten, einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Bei dem Kläger begründeten daher die konkreten Umstände seiner Arbeitsbedingungen eine erheblich erhöhte Ansteckungsgefahr im Verhältnis zur Normalbevölkerung.
Um zu verhindern, dass bei Tätigkeiten mit hohem Verletzungsrisiko die überwiegende Zahl der beruflich erworbenen HCV-Infektionen ungerechtfertigterweise nicht zur Anwendung kommt, sind für Berufskrankheiten im Merkblatt zur BK 3101 Beweiserleichterungen angeführt worden. Diese können nach Auffassung des Senats grundsätzlich auch auf Arbeitsunfälle übertragen werden, soweit es um die Frage der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs geht. Es werden im Merkblatt verschiedene Kategorien und Fallgruppen entsprechend dem Gefährdungsniveau angegeben. Das Reinigungspersonal in medizinischen Einrichtungen und damit auch die Essensträger im Krankenhaus werden der Kategorie II zugeordnet (Schönberger/Mehrtens/Valentin Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Auflage, S.784 ff). Nach Fallgruppe IIa (erhöhte Infektionsgefährdung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles), also bei Tätigkeiten, bei denen nicht typischerweise, aber unter bestimmten Umständen ein besonders erhöhtes Infektionsrisiko zu bejahen ist, sind vier entscheidungserhebliche Gesichtspunkte genannt.
Zunächst ist der Nachweis von konkreten Arbeitsbedingungen erforderlich, bei denen ein unmittelbarer Kontakt mit Blut oder anderen als infektiös in Frage kommenden Körperflüssigkeiten möglich ist. Als gefährdend für eine eventuelle Infektion kommen nur solche Tätigkeiten in Betracht, die erfahrungsgemäß mit der konkreten Gefahr von häufigen parenteralen Inokulationsereignissen iS von Verletzungsereignissen, bei denen es zu einer relevanten Blutinokulation kommt, verbunden sind (Schönberger aaO, S.783). Bei Angehörigen der Heil- und Pflegeberufe geschieht dies überwiegend durch Blut und Blutprodukte, insbesondere Nadelstichverletzungen (Injektionsspritzen) und ausgedehntem Haut- und Schleimhautkontakt (Schönberger aaO S.777). Die Inkubationszeit zwischen Infektion und Erkrankung beträgt 15 bis 150 Wochen. Beim Kläger ist die Erkrankung noch innerhalb dieses Zeitraumes entdeckt worden. Etwa 90 % der akuten Erkrankungen verlaufen asymptomatisch, d.h. sie werden vom Patienten nicht bemerkt. Dies war auch bei dem Kläger der Fall. Von Bedeutung ist, dass nur eine äußerst geringe Menge infizierten Materials benötigt wird, nämlich ca 100 Viruspartikel, um eine Infektion in Gang zu setzen, also bereits Spuren frischen Blutes. Zwischen Oktober 1998 und Juli 1999 wurde im Verbundkreiskrankenhaus D. nachweislich bei zwei Patienten Hepatitis C diagnostiziert. Die Klinikleitung hat aber ausdrücklich festgestellt, dass nicht alle Patienten auf Hepatitis C untersucht wurden und mit einer gewissen Dunkelziffer zu rechnen ist.
Zweiter entscheidungserheblicher Gesichtspunkt ist die Häufigkeit der Tätigkeit, bei welchen sich dieses Risiko realisieren kann. Diese ist vorliegend sicherlich als nicht gering anzusehen. Die Zeugen J. und B. haben angegeben, dass sie selbst öfters gebrauchte Nadeln und Spritzen auf Tablettes gesehen haben. Der Zeuge J. ging von 6 - 7 Fällen im Monat aus.
Drittens muss aufgrund der Art der Tätigkeiten ein besonderes Verletzungs- oder Inokulationsrisiko gegeben sein. Dies bejaht der Senat, da der Kläger Essenstabletts abräumen musste, auf denen - häufig verdeckt - gebrauchte Kanülen lagen. Die Gefahr, sich zu stechen, war stets gegeben, wie auch die Zeugin B. ausführte.
Als vierter Gesichtspunkt ist u.a. auf Erkenntnisse über ein erhöhtes Infektionspotential mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten verunreinigten Gegenständen abzustellen. Hierzu liegen konkrete Erkenntnisse vor, da sich Patienten selbst als Trainingsmaßnahme Heparin injiziieren durften und die gebrauchten Spritzen dann auf die wegzutragenden Essenstabletts legten. Durch diese verunreinigten Gegenstände lag stets ein erhöhtes Infektionspotential vor.
Nach der Rechtsprechung des BSG begründet ein Kontakt mit Material durch das ein Hepatitisvirus, wenn er vorhanden gewesen wäre, hätte übertragen werden können, für sich allein noch keine besondere Hepatitisexposition. Die Art der von dem Kläger verrichteten Tätigkeit erlangt für die rechtliche Beurteilung aber dann Bedeutung, wenn davon auszugehen ist, dass ein gewisser Prozentsatz der vom Kläger betreuten Patienten auf der Krankenstation zur fraglichen Inkubationszeit unerkannt an Hepatitis erkrankt war (BSG Urteil vom 30.05.1988 - 2 RK 33/87 - iuris-Recherche). So ist es hier. Zum fraglichen Zeitpunkt war erst im Mai 1999 ein Hepatitis-C-Fall im Krankenhaus entdeckt worden. Außerdem musste von einer gewissen Dunkelziffer an entsprechenden Erkrankungen ausgegangen werden, wie die Verwaltung des Krankenhauses bestätigt hat. Bei dem Kläger lag somit ein wesentlich höheres Infektionsrisiko als bei der Durchschnittsbevölkerung vor.
Der Beurteilung des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr.S. folgt der Senat nicht. Die von Dr.S. für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs vorgenommenen Bewertungen erscheinen dem Senat jedenfalls bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs im Rahmen eines Unfallgeschehens für zu eng. Letztlich ist nicht darauf abzustellen, ob der Kläger den Unfall (die Infektion) auch außerhalb des Betriebs erlitten hätte, sondern darauf, ob es ihm zu derselben Zeit und in derselben Art auch außerhalb des Betriebs wahrscheinlich zugestoßen sein würde. Dies vermag der Senat nicht anzunehmen. Bei dem vorliegenden Sachverhalt und in Verbindung mit der allgemeinen Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass der Kläger die Infektionskrankheit auf der Arbeitsstelle erworben hat. Dass er sich auch außerhalb des Krankenhauses angesteckt hätte, ist wohl möglich. Dies reicht aber nicht aus, die Wahrscheinlichkeit für die Ansteckung auf der Arbeitsstätte in Frage zu stellen.
Nach alledem hat sich der Kläger zur Überzeugung des Senats die Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zugezogen. Das Urteil des SG Nürnberg ist daher aufzuheben. Die Beklagte ist verpflichtet, den Arbeitsunfall des Klägers anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 08.06.1999 als Arbeitsunfall streitig.
Der 1970 geborene Kläger war seit 15.10.1998 bei der Firma A. Catering beschäftigt. Seine Tätigkeit umfasste im Verbundkrankenhaus D./F. das Abräumen von Essenstabletts sowie den Transport und das Ausräumen von Essenswaren.
Er stellte sich am 25.04.2001 bei dem Durchgangsarzt Dr.S. vor und gab an, bei dieser Arbeit etwa im Juni 1999 beim Abräumen von Essenstabeletts in eine gebrauchte Kanüle gegriffen und sich dabei an der linken Hand verletzt zu haben. Der Oberarzt des Verbundkrankenhauses und Internist Dr.S. hatte am 30.11.2000 - im Rahmen einer betriebsmedizinischen Untersuchung - bei dem Kläger eine aktive Hepatitis-C-Infektion festgestellt. Er hielt die vom Kläger vorgebrachte Infektionsmöglichkeit durch eine Stichverletzung für medizinisch nachvollziehbar; sie stelle eine typische Infektionssituation dar.
Der behandelnde Internist Dr.F. teilte der Beklagten auf Anfrage mit Schreiben vom 11.08.2001 mit, dass der diskutierte Infektionsweg über eine Injektionskanüle und der Infektionszeitpunkt Juni 1999 als Ursache der bestehenden Hepatitis C plausibel seien. Anamnestisch und klinisch seien keinerlei Hinweise für alternative Infektionswege vorhanden.
Im Gesundheitsausweis des Staatl. Gesundheitsamtes A. vom 23.10.1998 waren für den Kläger keine Hinderungsgründe für die Aufnahme einer Tätigkeit im Krankenhaus enthalten.
Die Zeugin G. , damals Diätassistentin im Krankenhaus, bestätigte mit Schreiben vom 24.08.2001 den Vorgang. Sie sei nicht Augenzeuge des vom Kläger geschilderten Vorfalls gewesen, habe aber Kenntnis durch den Kläger persönlich bekommen. Die Einstichstelle habe sie aufgrund der geringen Größe und der Tatsache, dass der Kläger Handschuhe getragen habe, nicht gesehen. Der Kläger habe die gebrauchte Kanüle zu ihr in das Büro gebracht. Er habe ihr erzählt, dass er sich an dieser Kanüle gestochen habe. Sie sei auf einem gebrauchten Essenstablett gelegen und er hätte sich beim Abräumen dieses Tabletts verletzt. Da die Verletzung nicht akut geblutet habe, sei sie nicht direkt in der Küche versorgt worden. Sie habe den Kläger aber darauf hingewiesen, die Ambulanz aufzusuchen, um sich untersuchen und kundig behandeln zu lassen. Ihr sei aber nicht bekannt, ob der Kläger die Ambulanz oder einen anderen Arzt aufgesucht habe. Der Unfall sei im unreinen Bereich der Krankenhausküche passiert.
Mit Schreiben vom 08.08.2001 teilte der Krankenhausdirektor des Verbundkrankenhauses D. der Beklagten mit, es komme vor, dass Patienten sich als Trainingsmaßnahme selbst Heparin injiziierten und dann die Spritzen aus Unkenntnis auf den Tabletts ablegten. Die Kontamination der Kanüle mit Hepatitis-C-Erregern könne grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, da nicht alle Patienten generell auf Hepatitis C untersucht werden. Jedes Blut sei prinzipiell infektionsverdächtig.
Mit Bescheid vom 14.03.2002 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Vorfalls vom 08.06.1999 ab. Es sei fraglich, ob zwischen der versicherten Tätigkeit, dem behaupteten Unfallereignis und der festgestellten Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Der Zeitpunkt der Infektion lasse sich zeitlich nicht eingrenzen. Der Nachweis, dass die Kanüle mit infizierten Blut behaftet gewesen sei, habe nicht erbracht werden können. Es fehle am konkreten Nachweis der Infektionsquelle und des Infektionszeitpunktes. Dem Krankenhaus D. seien im angeschuldigten Zeitraum keine Hepatits C-Patienten bekannt gewesen (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 01.08.2002).
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt, ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer durch den Vorfall vom 08.06.1999 erlittenen aktiven Hepatitis-C-Infektion zu gewähren. Bei ihm seien Ansteckungsmöglichkeiten außer an der Arbeitstelle ausgeschlossen. Er habe weder Blut gespendet noch habe er sich tätowieren oder piercen lassen. Zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles habe es in D. etwa 10 Hepatitis-C-Neuerkrankungen gegeben. Einige dieser Betroffenen seien kurz vorher im (Verbund)-Krankenhaus behandelt worden. Außerdem seien bei ihm Beweiserleichterungen angebracht.
Mit Schreiben vom 06.11.2003 hat die Zeugin E.E. bestätigt, dass der Kläger sich beim Abräumen von Patiententabletts eine Stichverletzung zugezogen habe. Sie selbst sei damals in der Küchenleitung im Verbundkrankenhaus D. tätig gewesen. Der Kläger habe ihr den Unfall sofort gemeldet. In der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2004 hat die Zeugin C.B. vorgebracht, dass sie selbst bei der gleichen Tätigkeit, die der Kläger zu verrichten hatte, beinahe eine Stichverletzung erlitten habe. Sie habe zweimal eine Nadel auf einem Tablett gefunden. Der Zeuge T.J. , der mit dem Kläger zusammen arbeitete, gab an, dass öfter Spritzen auf den Tabletts gelegen seien. Er schätze, dies sei sechs- bis siebenmal monatlich gewesen.
Mit Urteil vom 09.03.2004 hat das SG Nürnberg die Klage abgewiesen. Es hat einen Anspruch des Klägers sowohl aus dem Gesichtspunkt einer Berufserkrankung als auch eines Arbeitsunfalles verneint.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, bei seiner beruflichen Tätigkeit habe eine erhöhte Infektionsgefährdung bestanden. Er habe Abfallprodukte von Hepatitis-C-Patienten entsorgen müssen - sogar mit deren Blut - und sei mit anderen Anhaftungen in Berührung gekommen. Der Durchseuchungsgrad der Patienten in dem Verbundkrankenhaus D. sei um ein mehrfaches höher als der der durchschnittlichen Bevölkerung gewesen. Der Umgang mit den Hinterlassenschaften der erkrankten Patienten habe deshalb ein spezifisches Infektionsrisiko mit sich gebracht.
Der Senat hat einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.S. vom 26.08.2004 beigezogen. Der stellvertretende Krankenhausdirektor des Verbundkrankenhauses D. hat mit Schreiben vom 14.10.2004 mitgeteilt, dass im Zeitraum Oktober 1998 bis Juli 1999 nachweislich bei zwei Patienten Hepatitis C diagnostiziert worden sei. Es seien aber nicht alle Patienten generell auf Hepatitis C untersucht worden, so dass mit einer gewissen Dunkelziffer zu rechnen sei. Die Allgemeinärztin Dr.M. hat mit Schreiben vom 18.11.2004 mitgeteilt, dass von ihr untersuchte Angehörige des Klägers nicht an Hepatitis-C erkrankt seien.
Der Senat hat den Internisten Dr.S. von Amts wegen gehört (Gutachten vom 31.08.2005 nach Aktenlage). Dieser führte die im November 2000 festgestellte Hepatitis-C-Erkrankung nicht ursächlich auf eine Verletzung durch einen Stich mit einer Kanüle im Juni 1999 zurück. Selbst bei Berücksichtigung von Beweiserleichterungen sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Hepatitis-C-Erkrankung und der Spritzenstichverletzung im Juni 1999 nicht begründet, da nur eine geringe Häufigkeit der Tätigkeit, bei der sich das Risiko einer Verletzung realisieren könne, und kein erhöhtes Infektionspotential der betreffenden Kontaktpersonen vorgelegen hätten. Die indizierten Personen seien nicht nachgewiesen und das Übertragungsereignis sei nicht dokumentiert.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 09.03.2004 sowie des Bescheides vom 14.03.2002 idF des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2002 zu verurteilen, bei ihm eine Hepatitis-C-Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalles anzuerkennen und entsprechende Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 09.03.2004 zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Entgegen der Auffassung des SG ist die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 08.06.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Arbeitsunfall ist nach § 8 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer der in § 2, 3 oder 6 genannten Tätigkeiten erleidet. Unfall ist ein von außen einwirkendes körperlich schädigendes und zeitlich begrenztes Ereignis. Auch eine Infektionskrankheit kann eine Körperschädigung darstellen, welche die Merkmale eines Arbeitsunfalles erfüllt (BSG, Urteil vom 28.08.1990 Az 2 RU 64/89 mwN - juris Recherche). Voraussetzung ist, dass die zur Erkrankung führende Infektion innerhalb einer Arbeitsschicht an einem bestimmten, wenn auch nicht kalendermäßig genau bestimmbaren Tag eingetreten ist (BSGE 15, 112, 113). Für die Annahme des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Unfall (Infektion) und der versicherten Tätigkeit sowie dem Unfall und der Körperschädigung reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus, alle sonstigen Voraussetzungen müssen nachgewiesen sein (BSG vom 28.08.1990 aaO mwN).
Der Senat hält das Unfallgeschehen im Hinblick auf die glaubwürdige Aussage des Klägers und die glaubhaften Bekundungen der Zeugen für nachgewiesen. Danach hat der Kläger im Verbundkrankenhaus D. am 08.06.1999 in der Spülküche des Krankenhauses wegen eines auf einem abzuräumenden Essenstablett liegenden Spritzenaufsatzes eine Verletzung zugezogen, indem er sich mit der ca. 2 cm langen Nadel bis zum Ansatz der Spritze ca. zwei Zentimeter tief in den Außenrand der linken Hand stach.
Vorliegend ist von einem Arbeitsunfall und nicht vom Vorliegen einer Berufskrankheit auszugehen. Das für den Eintritt der Infektion angeschuldigte Ereignis ist innerhalb einer Arbeitsschicht an einem bestimmten Tag eingetreten. Der Kläger benennt eine direkte Infektionsquelle, nämlich die Spitze einer gebrauchten Kanüle (vgl LSG Baden-Württemberg, Breith 1958, 316; LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 28.01.2003 - L 2 U 118/01 - juris Recherche; BSG Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 15/97 - juris-Recherche).
Nach Auffassung des Senats steht die im November 2000 festgestellte Hepatitis-C-Erkrankung im ursächlichen Zusammenhang mit der Verletzung durch die Kanüle im Juni 1999.
Die Infektion hat sich nach der Überzeugung des Senats an der Arbeitsstätte des Klägers ereignet. Der Oberarzt des Verbundkrankenhauses Dr.S. hielt eine Infektion durch eine Stichverletzung mit einer gebrauchten Kanüle für medizinisch nachvollziehbar, er sah den Vorgang als eine typische Infektionssituation an. Nach den Feststellungen des Internisten Dr.F. waren anamnestisch und klinisch keinerlei Hinweise für alternative Infektionswege vorhanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit zwischen der versicherten Tätigkeit und einer Infektionskrankheit nach der Berufskrankheitenverordnung grundsätzlich gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist. Bei diesem Nachweis kann dann in der Regel auch davonausgegangen werden, dass sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen hat (BSG Urteil vom 18.11.1997 aaO mwN). Für die Bejahung der Kausalität bei einer Infektionskrankheit aufgrund eines Unfallereignisses kann nichts anderes gelten.
Der Kläger war bei seiner Tätigkeit im Verbundkrankenhaus auf sonstige Weise, nämlich durch das Herumliegen von Kanülen auf den Essenstabletten, einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Bei dem Kläger begründeten daher die konkreten Umstände seiner Arbeitsbedingungen eine erheblich erhöhte Ansteckungsgefahr im Verhältnis zur Normalbevölkerung.
Um zu verhindern, dass bei Tätigkeiten mit hohem Verletzungsrisiko die überwiegende Zahl der beruflich erworbenen HCV-Infektionen ungerechtfertigterweise nicht zur Anwendung kommt, sind für Berufskrankheiten im Merkblatt zur BK 3101 Beweiserleichterungen angeführt worden. Diese können nach Auffassung des Senats grundsätzlich auch auf Arbeitsunfälle übertragen werden, soweit es um die Frage der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs geht. Es werden im Merkblatt verschiedene Kategorien und Fallgruppen entsprechend dem Gefährdungsniveau angegeben. Das Reinigungspersonal in medizinischen Einrichtungen und damit auch die Essensträger im Krankenhaus werden der Kategorie II zugeordnet (Schönberger/Mehrtens/Valentin Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Auflage, S.784 ff). Nach Fallgruppe IIa (erhöhte Infektionsgefährdung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles), also bei Tätigkeiten, bei denen nicht typischerweise, aber unter bestimmten Umständen ein besonders erhöhtes Infektionsrisiko zu bejahen ist, sind vier entscheidungserhebliche Gesichtspunkte genannt.
Zunächst ist der Nachweis von konkreten Arbeitsbedingungen erforderlich, bei denen ein unmittelbarer Kontakt mit Blut oder anderen als infektiös in Frage kommenden Körperflüssigkeiten möglich ist. Als gefährdend für eine eventuelle Infektion kommen nur solche Tätigkeiten in Betracht, die erfahrungsgemäß mit der konkreten Gefahr von häufigen parenteralen Inokulationsereignissen iS von Verletzungsereignissen, bei denen es zu einer relevanten Blutinokulation kommt, verbunden sind (Schönberger aaO, S.783). Bei Angehörigen der Heil- und Pflegeberufe geschieht dies überwiegend durch Blut und Blutprodukte, insbesondere Nadelstichverletzungen (Injektionsspritzen) und ausgedehntem Haut- und Schleimhautkontakt (Schönberger aaO S.777). Die Inkubationszeit zwischen Infektion und Erkrankung beträgt 15 bis 150 Wochen. Beim Kläger ist die Erkrankung noch innerhalb dieses Zeitraumes entdeckt worden. Etwa 90 % der akuten Erkrankungen verlaufen asymptomatisch, d.h. sie werden vom Patienten nicht bemerkt. Dies war auch bei dem Kläger der Fall. Von Bedeutung ist, dass nur eine äußerst geringe Menge infizierten Materials benötigt wird, nämlich ca 100 Viruspartikel, um eine Infektion in Gang zu setzen, also bereits Spuren frischen Blutes. Zwischen Oktober 1998 und Juli 1999 wurde im Verbundkreiskrankenhaus D. nachweislich bei zwei Patienten Hepatitis C diagnostiziert. Die Klinikleitung hat aber ausdrücklich festgestellt, dass nicht alle Patienten auf Hepatitis C untersucht wurden und mit einer gewissen Dunkelziffer zu rechnen ist.
Zweiter entscheidungserheblicher Gesichtspunkt ist die Häufigkeit der Tätigkeit, bei welchen sich dieses Risiko realisieren kann. Diese ist vorliegend sicherlich als nicht gering anzusehen. Die Zeugen J. und B. haben angegeben, dass sie selbst öfters gebrauchte Nadeln und Spritzen auf Tablettes gesehen haben. Der Zeuge J. ging von 6 - 7 Fällen im Monat aus.
Drittens muss aufgrund der Art der Tätigkeiten ein besonderes Verletzungs- oder Inokulationsrisiko gegeben sein. Dies bejaht der Senat, da der Kläger Essenstabletts abräumen musste, auf denen - häufig verdeckt - gebrauchte Kanülen lagen. Die Gefahr, sich zu stechen, war stets gegeben, wie auch die Zeugin B. ausführte.
Als vierter Gesichtspunkt ist u.a. auf Erkenntnisse über ein erhöhtes Infektionspotential mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten verunreinigten Gegenständen abzustellen. Hierzu liegen konkrete Erkenntnisse vor, da sich Patienten selbst als Trainingsmaßnahme Heparin injiziieren durften und die gebrauchten Spritzen dann auf die wegzutragenden Essenstabletts legten. Durch diese verunreinigten Gegenstände lag stets ein erhöhtes Infektionspotential vor.
Nach der Rechtsprechung des BSG begründet ein Kontakt mit Material durch das ein Hepatitisvirus, wenn er vorhanden gewesen wäre, hätte übertragen werden können, für sich allein noch keine besondere Hepatitisexposition. Die Art der von dem Kläger verrichteten Tätigkeit erlangt für die rechtliche Beurteilung aber dann Bedeutung, wenn davon auszugehen ist, dass ein gewisser Prozentsatz der vom Kläger betreuten Patienten auf der Krankenstation zur fraglichen Inkubationszeit unerkannt an Hepatitis erkrankt war (BSG Urteil vom 30.05.1988 - 2 RK 33/87 - iuris-Recherche). So ist es hier. Zum fraglichen Zeitpunkt war erst im Mai 1999 ein Hepatitis-C-Fall im Krankenhaus entdeckt worden. Außerdem musste von einer gewissen Dunkelziffer an entsprechenden Erkrankungen ausgegangen werden, wie die Verwaltung des Krankenhauses bestätigt hat. Bei dem Kläger lag somit ein wesentlich höheres Infektionsrisiko als bei der Durchschnittsbevölkerung vor.
Der Beurteilung des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr.S. folgt der Senat nicht. Die von Dr.S. für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs vorgenommenen Bewertungen erscheinen dem Senat jedenfalls bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs im Rahmen eines Unfallgeschehens für zu eng. Letztlich ist nicht darauf abzustellen, ob der Kläger den Unfall (die Infektion) auch außerhalb des Betriebs erlitten hätte, sondern darauf, ob es ihm zu derselben Zeit und in derselben Art auch außerhalb des Betriebs wahrscheinlich zugestoßen sein würde. Dies vermag der Senat nicht anzunehmen. Bei dem vorliegenden Sachverhalt und in Verbindung mit der allgemeinen Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass der Kläger die Infektionskrankheit auf der Arbeitsstelle erworben hat. Dass er sich auch außerhalb des Krankenhauses angesteckt hätte, ist wohl möglich. Dies reicht aber nicht aus, die Wahrscheinlichkeit für die Ansteckung auf der Arbeitsstätte in Frage zu stellen.
Nach alledem hat sich der Kläger zur Überzeugung des Senats die Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zugezogen. Das Urteil des SG Nürnberg ist daher aufzuheben. Die Beklagte ist verpflichtet, den Arbeitsunfall des Klägers anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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