L 10 AL 468/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 313/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 468/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.10.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Leistungssatzes des Arbeitslosengeldes (Alg) ab dem 01.01.2005 streitig.

Der 1943 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.07.2003 bis 30.06.2004 als Diplom-Designer beschäftigt. Mit Bescheid vom 09.07.2004 gewährte die Beklagte dem Kläger Alg ab 01.07.2004 neu unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.173,66 EUR nach der Leistungsgruppe C für eine Anspruchsdauer von 960 Tagen. Der Kläger nahm diese Leistung unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Anspruch.

Mit Bescheid vom 02.01.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Alg ab dem 01.01.2005 auf Tagesbetrag umgerechnet werde. Das Alg werde künftig mit einem festen monatlichen Betrag in Höhe von 1.835,40 EUR gezahlt. Hiergegen wandte der Kläger mit Widerspruch vom 20.01.2005 ein, was die Beklagte eine geringfügige Abweichung nenne, mache in seinem Fall im Jahr einen Minderauszahlungsbetrag von 722 EUR gegenüber dem Bewilligungsbescheid vom 09.07.2004 aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sei das Alg für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, sei dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 134 SGB III). Sei ein Anspruch auf Alg vor dem 01.01.2005 entstanden, so gelte § 133 Abs 1 SGB III mit der Maßgabe, dass als Lohnsteuer die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle des Jahres 2004 zu berücksichtigen sei. Der Gesetzgeber habe ab 01.01.2005 die Leistungsberechnung neu geregelt. Er habe eine einheitliche Pauschale für Sozialversicherungsbeiträge eingeführt und die Neuberechnung der Leistungssätze in § 434j SGB III auch für laufende Leistungsfälle angeordnet. Diese Bestimmung gehe den allgemeinen Regelungen zur Änderung von Leistungsbewilligungen nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor. Vertrauensschutz sei somit nicht einzuräumen. Die Sozialgerichte hätten auch in der Eigentumsgarantie des Art 14 Grundgesetz (GG) keine Veränderungssperre gesehen.

Die am 11.05.2005 hiergegen erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 20.10.2005 abgewiesen. Soweit § 434j Abs 5a SGB III unter Hinweis auf § 133 Abs 1 SGB III bestimme, dass für Ansprüche, die vor dem 01.01.2005 entstanden seien, weiterhin die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle des Jahres 2004 zu berücksichtigen sei, werde damit lediglich bei zuvor festgestellten Leistungen zur Klarstellung dargelegt, dass entscheidend die Lohnsteuertabelle sei, die in dem Jahr gegolten habe, in dem der Anspruch entstanden sei. Auch soweit der Kläger sich dem Grunde nach gegen die Neufeststellung der Leistung wende, die zu einer deutlichen Kürzung führe, vermöge sich das Gericht nicht von einer Verfassungswidrigkeit der Regelung zu überzeugen. Mit den gemäß Art 124 Abs 3 durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl 2003 I S 2848) am 01.01.2005 in Kraft getretenen Änderungen habe der Gesetzgeber die Regelung über die Bemessung des Alg grundlegend geändert. Es sei insofern zu einer starken Vereinfachung der gesetzlichen Grundsätze zur Berechnung des Alg gekommen, als nunmehr eine Berechnung für Kalendertage erfolge und dementsprechend die Leistung zu gewähren sei. Das Alg werde ab dem 01.01.2005 in monatlich gleich bleibender Höhe ausbezahlt. Hierdurch haben verwaltungsaufwändige monatlich wiederkehrende Bearbeitungsvorgänge, z.B. bei der Berücksichtigung von Abzweigungen und Pfändungen, vermieden werden sollen (vgl. BT Drucks 15/1515 S 86). Durch die Übertragung dieses Grundprinzips auch auf das Alg solle zudem der innerhalb eines Kalendermonats stattfindende Wechsel zu einer anderen Sozialleistung erleichtert und die Ermittlung von Erstattungsbeiträgen bei einer Zahlung für volle Kalendermonate vereinfacht werden (vgl. Eicher/Schlegel/Behrend, Kommentar zum SGB III, § 134 Rdnr 5). Die Vereinbarkeit des § 134 SGB III i.V.m. § 434j SGB III mit Art 14 GG sei zu bejahen. Eine solche Vereinfachung bei der Bemessung diene gerade dazu, die Funktionsfähigkeit der ohnedies stark belasteten Verwaltung zu erhalten. Am Beispiel des Klägers, der über höhere Leistungen verfüge, die anhand der Beitragsbemessungsgrenze zu ermitteln gewesen seien, zeige sich, dass die Kürzung gravierend sein könne. Dem Kläger bleibe jedoch in wesentlichen Teilen der zugebilligte Anspruch erhalten. Die Vorschriften verstießen auch nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der Bemessung in laufende Leistungen eingegriffen werde, um die Finanzierung und Erhaltung des Leistungssystems zu gewährleisten (vgl. dazu: BSG SozR 4100 § 111 AFG Nr 12, 13). Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsgebot sei ebenfalls nicht erkennbar, nachdem dem Gesetzgeber zur Verwirklichung einer gerechten Sozialordnung ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe.

Mit der hiergegen am 08.12.2005 eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, dass sein Vertrauensschutz höher zu bewerten sei. Es sei in ein Recht und nicht nur in eine Anwartschaft eingegriffen worden, weil sein Anspruch auf Alg sich bereits zu einem Recht verstärkt habe. Sein Anspruch sei mit einem Leistungsbescheid zugebilligt worden, der ohne Vorbehalt ergangen sei. Es handele sich um eine Kürzung von jährlich 722 EUR, die auch im angegriffenen Urteil als "gravierend" bezeichnet worden sei. Bei seinen wirtschaftlichen Überlegungen und Dispositionen nach dem 01.07.2004 sei er davon ausgegangen, das bewilligte Alg für eine Anspruchsdauer von 960 Tagen in der angegebenen Höhe zu erhalten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.10.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005 zu verurteilen, ihm weiterhin Alg nach der ab dem 01.07.2004 festgestellten Leistungshöhe entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 09.07.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.10.2005 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Absenkung des täglichen Leistungssatzes in Höhe von 62,32 EUR (= 436,24 EUR/Woche) auf 61,18 EUR (= 428,26 EUR/ Woche) stelle lediglich eine tägliche Differenz in Höhe von 1,14 EUR (= 7,98 EUR/Woche) dar. Bezogen auf das gesamte Kalenderjahr 2005 ergebe sich bei Zugrundelegung von 360 Kalendertagen (30 Kalendertage x 12 Monate) eine Verminderung in Höhe von insgesamt 410,40 EUR (360 Kalendertage x 1,14 EUR). Hinsichtlich der monatlichen Auszahlung von Alg verkenne der Kläger, dass der Leistungsanspruch sich nicht um die tatsächlichen 365 Kalendertage des Jahres 2005, sondern lediglich um 360 Kalendertage vermindert habe. Insofern seien 5 Kalendertage mit einem Betragswert in Höhe von 305,90 EUR (5 Kalendertage x 61,18 EUR) nicht zur Auszahlung angewiesen, jedoch könne der Kläger diese 5 Kalendertage in den Folgejahren (2006/200/) länger beziehen.

Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren die Akte der Beklagten und des SG (Az: S 5 AL 313/05) beigezogen. Die Beteiligten haben am 26.04.2007 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Berichterstatterin durch Urteil anstelle des Senats gemäß § 155 Abs 4 SGG erklärt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 26.04.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 20.10.2005 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 02.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005, mit dem die Beklagte die Höhe der dem Kläger gewährten Leistung unter Berücksichtigung der §§ 133, 134 SGB III i.V.m. § 434j Abs 5a SGB III (in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt und des 4.SGB III-Änderungsgesetzes vom 19.11.2004 - BGBl I 2902 (4.SGB III-ÄndG)) festgestellt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg als das ihm zugebilligte (61,18 EUR); die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X teilweise aufgehoben. Dies ergibt sich aus den seit 01.01.2005 geltenden Vorschriften über die Neuregelung des Bemessungsrechts aufgrund des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848), mit denen die Bestimmungen über die Entgelt- und Leistungsberechnungen des Alg im SGB III neu gefasst worden sind. Mit Wirkung ab 01.01.2005 hat das Bemessungsrecht des Alg aus Vereinfachungsgründen (vgl. BT-Drucks 15/1515 S 71) wesentliche Änderungen gegenüber dem früheren Recht erfahren. Insbesondere wurden die Regelungen über die Bestimmung des Bemessungsentgelts (= durchschnittliches Brutto-Entgelt im Bemessungszeitraum), aus dem sich das Leistungsentgelt (= pauschaliertes Mittelentgelt) und danach der prozentuale Leistungssatz des Alg errechnet, stark vereinfacht. Daneben wurde die bisherige Orientierung am Wochenprinzip aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, und zwar angleichend an die übrigen Sozialversicherungszweige, auf Tagesbetrachtungsweise umgestellt. Alg wird mithin seitdem nicht mehr für die Woche, sondern für den Tag berechnet, andererseits jedoch im Monat lediglich gleichbleibend für 30 Tage gezahlt (§ 134 SGB III nF). Schließlich wurde auf die jährliche Anpassung aufgrund der Leistungsentgeltverordnung (§ 136 SGB III aF i.V.m. § 151 Nr 2 SGB III aF), in der pauschalierend das Leistungsentgelt (= um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, vermindertes Bemessungsentgelt) festgelegt wurde, mit Wirkung ab 1.Januar des jeweiligen Jahres verzichtet. An deren Stelle trat eine einmalige (außer bei Steuerklassenänderung bzw. -wechsel) Festlegung des Leistungsentgelts nach § 133 Abs 1 SGB III, in dem als Abzüge vom Bemessungsentgelt eine einheitliche Sozialversicherungspauschale von 21 % und die Steuern vorgesehen sind; deren Höhe ist unmittelbar der Lohnsteuertabelle des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, zu entnehmen (ohne Berücksichtigung von Freibeträgen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, und der Kirchensteuer, aber unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags in Höhe von 5,5 % der Lohnsteuer). Zwar wurde in der Übergangsregelung des § 434j Abs 5 SGB III angeordnet, dass das Bemessungsentgelt nach dem vom 01.01.2005 an geltenden Recht für einen Anspruch auf Alg, der bereits vor dem 01.01.2005 entstanden ist, nur neu festzusetzen ist, soweit dies aufgrund eines Sachverhalts erforderlich ist, der nach dem 31.12.2004 eingetreten ist (vgl. zu den Grundzügen des neuen und alten Bemessungsrechts: Behrend in Eicher/Schlegel/Behrend, SGB III, Vor §§ 129-134, Rz 3 ff, Stand Juni 2005). Jedoch bedarf es für diese Ansprüche auf Alg zum 01.01.2005 der (Neu-)Bestimmung eines täglichen Bemessungsentgeltes, da die SGB III LEntgV 2004 mit dem 01.01.2005 entfallen ist und bis zum 31.12.2004 ein wöchentlich gerundetes Bemessungsentgelt festzusetzen war.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte somit gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X das dem Kläger ab Januar 2005 zustehende Alg zu Recht der neuen - auch für den Kläger geltenden - Rechtslage angepasst. Es ist nicht erkennbar und wird im Übrigen vom Kläger auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte bei der Umrechnung der Leistung auf 30 Tage unter Beachtung der neuen gesetzlichen Grundlagen eine fehlerhafte Berechnung vorgenommen hat. Für Ansprüche, die vor dem 01.01.2005 entstanden sind, ist weiterhin die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle des Jahres 2004 zu berücksichtigen, §§ 434j Abs 5a, 133 Abs 1 SGB III. Damit wird bei zuvor festgestellten Leistungen zur Klarstellung dargelegt, dass entscheidend die Lohnsteuertabelle ist, die in dem Jahr galt, in dem der Anspruch entstanden ist. Spätere Änderungen der Lohnsteuertabelle sind unbeachtlich (vgl. Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, § 434j Rz 11a).

Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die Herabsetzung des Alg nicht gegen Art 14 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot oder gegen das Sozialstaatsgebot. Das Gericht mochte sich von einer Verfassungswidrigkeit der Regelungen nicht zu überzeugen, auch wenn die Neufeststellung der Leistung im Fall des Klägers zu einer nicht unerheblichen Kürzung der Leistung führt. Mit den gemäß Art 124 Abs 3 durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl 2003 I, S 2848) am 01.01.2005 in Kraft getretenen Änderungen hat der Gesetzgeber die Regelung über die Bemessung des Alg grundlegend geändert. Es kam insofern zu einer starken Vereinfachung der gesetzlichen Grundsätze zur Berechnung des Alg, als nunmehr eine Berechnung für Kalendertage erfolgt und dementsprechend die Leistung zu gewähren ist. Das Alg wird also ab dem 01.01.2005 in monatlich gleichbleibender Höhe ausbezahlt. Zutreffend hat das SG insoweit ausgeführt, dass hierdurch verwaltungsaufwendige monatlich wiederkehrende Bearbeitungsvorgänge, z.B. bei der Berücksichtigung von Abzweigungen und Pfändungen, vermieden werden sollen (vgl. BT Drucks 15/1515, S 86). Entsprechende Regelungen zur Zahlung für den vollen Kalendermonat mit 30 Tagen finden sich beispielsweise für die Gewährung des Krankengeldes (§ 47 Abs 1 Sätze 6 und 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch -SGB V-) sowie für das Übergangsgeld, Versorgungskrankengeld und Verletztengeld (§ 45 Abs 8 SGB V). Durch die Übertragung dieses Grundprinzips auch auf das Alg soll zudem der innerhalb eines Kalendermonats stattfindende Wechsel zu einer anderen Sozialleistung erleichtert und die Ermittlung von Erstattungsbeträgen bei einer Zahlung für volle Kalendermonate vereinfacht werden (vgl. Behrend in Eicher/ Schlegel/Behrend, Kommentar zum SGB III, § 134 Rz 5, Stand Juni 2005).

Maßstab für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Absenkung bindend festgestellter Leistungen bei Arbeitslosigkeit ist die Eigentumsgarantie des Art 14 GG (vgl. BVerfGE 72, 9, 18 f = SozR 4100 § 104 Nr 13; BVerfGE 76, 220, 235 = SozR 4100 § 242b Nr 3). Dem Gesetzgeber ist dabei auferlegt, den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu beachten. Dabei unterliegt der Gesetzgeber insoweit Grenzen, als der Eingriff in die Rechtsposition Betroffener durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Eingriff zum Erreichen des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich ist und die Betroffenen dadurch nicht übermäßig und in für sie unzumutbarer Weise belastet werden.

Danach ist - worauf das SG zutreffend hinweist - die Vereinbarkeit des § 134 SGB III i.V.m. § 434j SGB III mit Art 14 GG zu bejahen. Es ist nämlich - wie bereits dargelegt - eindeutiges gesetzgeberisches Ziel dieser Vorschrift, zu einer Verwaltungsvereinfachung zu gelangen, indem die monatlichen Leistungen, die u.U. Pfändungen und Abzweigungen unterliegen, für jeden Monat gleichermaßen in identischer Höhe festgestellt werden können und sich auch keine Unterschiede bei der Bemessung für bestimmte Tage beim Übergang in andere Sozialleistungen wie beispielsweise in den Bezug von Krankengeld ergeben. Eine solche Vereinfachung bei der Bemessung dient dazu, die Funktionsfähigkeit der ohnedies stark belasteten Verwaltung zu erhalten, denn es wird der Übergang und die zeitnahe Feststellung anderer Sozialleistungen erleichtert.

Die Absenkung des täglichen Leistungssatzes in Höhe von 62,32 EUR (= 436,24 EUR/Woche) auf 61,18 EUR (= 428,26 EUR/Woche) stellt zwar täglich eine Differenz in Höhe von 1,14 EUR (= 7,98 EUR/Woche) dar. Die Kürzung ist jedoch nicht derart gravierend, dass dem Kläger nicht in wesentlichen Teilen der zugebilligte Anspruch erhalten bleibt, so dass die Absenkung keine "erdrosselnde Wirkung" hat (s. BSG, Urteil vom 08.02.1996 - 11 RAr 63/95 -; BVerfGE 87, 153, 169).

Bei dieser Sachlage kann letztlich dahinstehen, ob Art 14 GG überhaupt einschlägig ist. Zweifelhaft ist dies deshalb, weil der Kläger im Jahr 2004 den Alg-Anspruch bereits mit der "Belastung" der Umstellung ab 2005 durch das schon im Dezember 2003 verkündete Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erworben hat und ohnedies auch nach altem Recht nicht darauf vertrauen konnte, dass sein Alg-Anspruch ab 01.01.2005 in gleicher Höhe fortbestehen würde. Dies war nämlich nach früherem Recht abhängig von der Entwicklung der gewöhnlich anfallenden Entgeltabzüge, die in der jährlichen Leitungsentgeltverordnung pauschalierend umgesetzt wurde (BSG, Urteil vom 08.02.2007 - B 7a AL 38/06 R).

Die Neuberechnung des Alg verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Dieser Grundsatz ist regelmäßig dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstiger einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfGE 1, 14, 52; 89, 132, 141). Gleiches gilt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72; 93, 386, 397). Der Kläger wird bezüglich des Zeitraums ab 01.01.2005 gegenüber anderen Leistungsempfängern nicht ungleich behandelt. Vielmehr ist sein Begehren auf eine Ungleichbehandlung für die Zeit ab 01.01.2005 gerichtet, für die rechtfertigende Gründe nicht erkennbar sind. Nach dem ab 01.01.2005 geltenden Recht sind die Steuern als Abzüge vom Bemessungsentgelt der Lohnsteuertabelle des Jahres zu entnehmen, in dem der Anspruch als Stammrecht entstanden ist. Der Anspruch des Klägers resultiert ohnedies aus dem Jahr 2004, so dass nach der Systematik des Bemessungsrechts kein Grund ersichtlich ist, die Lohnsteuer eines anderen Jahres zugrunde zu legen.

Das Gericht vermag auch nicht der Auffassung des Klägers zu folgen, die Herabsetzung des Alg verstoße gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 SGG), weil sich sein Anspruch auf Alg bereits zu einem Recht verstärkt habe, sein Anspruch ihm mit einem Leistungsbescheid, der ohne Vorbehalt ergangen sei, zugebilligt worden sei und es sich um eine - gravierende - Kürzung von jährlich 722 EUR handele. Eine unechte Rückwirkung setzt voraus, dass eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 43, 291, 391; 72, 175, 19; 79, 29, 45 f). Regelungen, die eine unechte Rückwirkung zur Folge haben, sind grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Interesse des Einzelnen am Fortbestand des geltenden Rechts das öffentliche Interesse an dem Erlass der Regelung bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfGE 72, 141, 154 f mwN = SozR 2200 § 1265 Nr 78; BVerfGE 97, 378, 389; 101, 239, 263; BVerfG SozR 3-4100 § 242g Nr 2).

Hier kann es sich allenfalls um einen Fall der unechten Rückwirkung handeln, nachdem der zu regelnde Sachverhalt des noch andauernden Bezugs des Alg zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung am 01.01.2005 noch nicht abgeschlossen war. Ob es sich beim vorliegenden Fall - aufgrund der Tatsache, dass das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt bereits im Dezember 2003 verkündet war - überhaupt um einen Fall unechter Rückwirkung handelt - kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der Bemessung in laufende Leistungen in nicht unzumutbarer Art und Weise eingegriffen wird, um die Finanzierung und Erhaltung des Leistungssystems zu gewährleisten (vgl. dazu: BSG SozR 4100 § 111 AFG Nr 12, 13). Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich hier auch nicht um eine Kürzung von jährlich 722 EUR. Mit Schriftsatz vom 31.01.2006 hat die Beklagte zutreffend dargelegt, dass die Absenkung des täglichen Leistungssatzes in Höhe von 62,32 EUR auf 61,18 EUR bezogen auf das gesamte Kalenderjahr 2005 bei Zugrundelegung von 360 Kalendertagen (30 Kalendertage x 12 Monate) eine Verminderung in Höhe von insgesamt 410,40 EUR (360 Kalendertage x 1,14 EUR) und bei 365 Kalendertagen eine Verminderung in Höhe von insgesamt 416,10 EUR (365 Kalendertage x 1,14 EUR) ergibt. Im Jahr 2005 hat sich der Leistungsanspruch des Klägers nicht um die tatsächlichen 365 Kalendertage, sondern lediglich um 360 Kalendertage vermindert. Insoweit wurden 5 Kalendertage mit einem Betragswert in Höhe von 305,90 EUR (5 Kalendertage x 61,18 EUR) nicht zur Auszahlung angewiesen. Jedoch kann der Kläger diese 5 Kalendertage in den Folgejahren (2006/2007) länger beziehen. Durch die Umstellung auf einen gleichbleibenden Monatsbetrag (30/30) vermindert sich lediglich der Jahresauszahlungsanspruch von 22.330,70 EUR (365 Kalendertage x 61,18 EUR) auf 22.024,80 EUR (360 Kalendertage x 61,18 EUR), nicht jedoch der Leistungsanspruch dem Grunde nach.

Aus den dargelegten Gründen scheidet auch eine Verletzung des Sozialstaatsgebots aus. Dem Gesetzgeber steht nämlich zur Verwirklichung einer gerechten Sozialordnung ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 70, 278, 288).

Somit rechtfertigen Gründe der Verwaltungspraktikabilität auch unter Beachtung des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Absenkung des Alg in der vorliegenden Höhe. Dem gesetzgeberischen Ziel, ab 01.01.2005 eine wesentlich einfachere Berechnung des Alg nach einheitlichen Berechnungsprinzipien zu normieren, widerspräche es, wenn auf Jahre hinaus für bestehende Alg-Ansprüche das alte Recht - wenn auch nur im Rahmen einer Vertrauensschutzregelung bzw. in Teilen - gelten würde, für neue Ansprüche jedoch das neue Recht maßgeblich wäre.

Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 20.10.2005 zurückzuweisen. Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 GG sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, denn das Gericht hält die entscheidungserheblichen gesetzlichen Vorschriften nicht für verfassungswidrig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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