L 17 U 76/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 315/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 76/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.01.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung der Berufskrankheit (BK) Nr 2108 nach der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der 1958 geborene Kläger - ein gelernter Schreiner - arbeitete von September 1978 bis Juli 1999 bei der Fa.Z. Fensterbau GmbH in A. als Fenstermonteur. Zu seinen Tätigkeiten gehörten wirbelsäulenbelastende Arbeiten, wie z.B. das Heben und Tragen von Lasten, insbesondere der Transport und Einbau von Fensterteilen. Sein Arbeitsverhältnis beendete er aus gesundheitlichen Gründen zum 31.07.1999.

Über Lendenwirbelsäulen(LWS)-Beschwerden klagte er seit 1996. Nach einer Stellungnahme des Techn. Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten vom 14.11.2000 wurde für die Tätigkeiten von 1979 bis 1999 nach dem MDD-Modell eine Gesamtdosis von 35 x 106 Nh errechnet, womit der Richtwert überschritten war.

Nach Ablehnung des Antrags vom 18.10.1999 auf Anerkennung und Entschädigung der BK Nr 2108 durch die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2000 holte diese im Widerspruchsverfahren ein Gutachten des Orthopäden Dr.H. vom 22.01.2001 ein. Dieser stellte bei dem Kläger generalisierte degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule (BWS) und stärker der LWS nach einer im jugendlichen Alter abgelaufenen sog. osteochondralen Aufbaustörung fest neben einem myogen bedingten Lumbalsyndrom und einem Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1 am 01.03.1999. Danach seien degenerative Veränderungen nur an den üblichen Prädilektionsstellen feststellbar. Diese seien im Wesentlichen schicksalhafter Genese und vor allem nur im Zusammenhang mit den erheblichen Deformierungen der Wirbelkörper infolge einer schicksalhaft abgelaufenen Scheuermann schen Erkrankung der BWS und LWS anzusehen. Es bestünden keine für Überlastungen beachtliche Abnutzungserscheinungen an den typischen Segmenten mit einem entsprechenden Verteilungsmuster. Die Wirbelsäulenveränderungen seien deshalb anlagebedingt. Damit seien die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr 2108 nicht erbracht.

Nach Stellungnahme ihres Beratungsarztes, des Chirurgen Dr.B. , wies die Beklagte mit Bescheid vom 03.08.2001 den Widerspruch zurück.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, die LWS-Erkrankung als BK Nr 2108 anzuerkennen und ab August 1999 mit einer Rente nach einer MdE von 20 vH zu entschädigen. Er hat vorgetragen, dass bei ihm ein über das altersentsprechende Ausmaß hinausgehender lumbaler Bandscheibenschaden vorliege. Dieser sei zeitkonform zur Belastungsexposition eingetreten.

Auf Veranlassung des SG hat die Orthopädin Dr.B. am 14.05.2003 ein Gutachten erstellt. Sie ist hinsichtlich krankhafter Veränderungen der Wirbelsäule von einem LWS-Syndrom mit mäßiger Funktionsstörung bei Abnutzungserscheinungen, begleitendem Bandscheibenvorfall L5/S1 mit inkompletten neurologischen Ausfällen nach Bandscheibenoperation im März 1999 in diesem Segment ausgegangen. Diese Veränderungen seien nicht bandscheibenbedingt i.S. der BK Nr 2108. Der Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 sei im Rahmen degenerativer Veränderungen aufgetreten, die sich primär im Bereich der kleinen Wirbelgelenke infolge der strukturellen Veränderungen entwickelt haben. Sie seien erklärbar durch die Über- und Fehlbelastung im Segment L5/S1 aufgrund der strukturellen Veränderungen, auch im Rahmen der Scheuermann schen Erkrankung im Brust-Lenden-Übergang. Es fänden sich keine Hinweise für äußere Einwirkungen, die zu dieser Erkrankung geführt haben können.

Anschließend hat das SG ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des PD Dr.B. vom 13.08.2004 eingeholt (einschließlich Zusatzgutachten des Nervenarztes Dr.K. vom 22.03.2004, des Orthopäden Dr.S. vom 11.03.2004 sowie des Radiologen PD Dr.R. vom 01.04.2004). PD Dr.B. hat eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in Form eines Bandscheibenvorfalles L5/S1 sowie eine Bandscheibenverschmälerung im selben Segment angenommen. Er hat die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als BK Nr 2108 angesehen. Für den Zusammenhang spreche der vorwiegende Befall der unteren LWS sowie das Fehlen von biomechanisch wirksamen außerberuflich bedingten prädiskotischen Deformitäten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hat er mit 20 vH eingeschätzt.

Die Beklagte hat dem unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr.B. vom 22.11.2004 widersprochen. Beim Kläger liege im untersten LWS-Segment keine belastungsadäquate bandscheibenbedingte Erkrankung vor. Es fehlten an dieser Stelle belastungsadaptive Reaktionen i.S. von Osteochondrosen und Spondylosen. Zudem sei auch nur eine Bandscheibe betroffen. Der Gutachter habe die tiefsitzende Hyperlordosierung mit einem fast horizontal stehenden Sacrum arcuatum nicht entsprechend gewürdigt. Diese führe zu einer Schrägstellung des Segmentes L5/S1 und damit zur erhöhten Wahrscheinlichkeit einer degenerativen Beeinflussung dieser untersten Bandscheibe. Zudem seien auch sog. Prädiskosen zu würdigen. Diese ergeben sich beim Kläger im Rahmen einer allgemeinen Binde- und Stützgewebeschwäche, welche ihre Bestätigung durch die bei ihm bestehenden Senk-Spreiz-Füße und vor allem die bereits operativ behandelte Varikosis finde.

Mit Urteil vom 26.01.2005 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf die Gutachten von Dr.H. und Dr.B. gestützt.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, das SG habe sich nicht ausreichend mit der ausführlichen Begründung des Dr.B. auseinandergesetzt. Insbesondere sei bei der radiologischen Zusatzbegutachtung neben der bandscheibenbedingten Erkrankung im Segment L5/S1 ein medio-linkslateraler Rest- bzw. Rezidivprolaps mit erheblicher Höhenminderung der Bandscheibe L5/S1 sowie eine beginnende Chondrose mit mäßiggradiger Signalminderung L4/L5 gefunden worden. Dieser Tatsache habe das SG keine Beachtung geschenkt.

Nach Beiziehung eines Befundberichtes des Allgemeinarztes Dr.R. vom 22.07.2005, der Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. sowie der einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen hat Prof.Dr.S. am 14.10.2005 ein orthopädisches Gutachten erstellt. Auch er ist von einem degenerativen LWS-Syndrom i.S. eines Wurzelreizsyndroms mit bereits operativ versorgtem Bandscheibenvorfall zwischen dem 5.Lendenwirbelkörper (LWK) und dem Kreuzbein linksseitig mit persistierender radikulärer Schmerzausstrahlung und fehlendem Achillessehnenreflex ausgegangen. Es seien keine Hinweise vorhanden, die mit Wahrscheinlichkeit die Entstehung oder Verschlimmerung des degenerativen Bandscheibenleidens der LWS als berufsbedingte Erkrankung i.S. der BK Nr 2108 rechtfertigen würden.

Der TAD der Beklagten hat mit Schreiben vom 27.01.2006 Stellung genommen zu den sog. Konsensempfehlungen von 2005. Danach sei der Richtwert für die Lebensdosis von 25 x 106 Nh in 10 Jahre nicht erreicht worden. Höhere Tagesschichtdosiswerte als 6000 Nh ließen sich retrospektiv nicht mehr ermitteln. Dies gelte insbesondere für Belastungsspitzen.

Der Kläger hat erwidert, es sei zu wiederholt auftretenden besonders intensiven hohen Belastungsspitzen gekommen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Würzburg vom 26.01.2005 sowie des Bescheides vom 24.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2001 zu verurteilen, eine BK nach Nr 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen und Rente nach einer MdE von 20 vH ab frühest möglichem Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 26.01.2005 zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung W. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach § 9 Abs 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. Nr 2108 der Anlage zur BKV.

Nach § 9 Abs 1 SGB VII sind BKen die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören nach der Nr 2108 auch "bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".

Die Feststellung der BKen setzt also voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, zum anderen das typische Krankheitsbild der BK vorliegt und dieses i.S. der unfallrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit auf die wirbelsäulenbelastende berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl. KassKomm - Ricke - § 9 SGB VII Rdnr 11; Brackmann/ Krasney, Handbuch der Sozialversicherung Band III - Stand 1997 - § 9 SGB VII Rdnrn 21 ff). Schließlich muss die schädigende Tätigkeit aufgegeben sein. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs liegt vor, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. u.a. BSG vom 18.11.1997, SGb 1999, 39). Eine Möglichkeit verdichtet sich zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, § 9 SGB VII, Anm 10.1 mwN). Die Beweislast dafür, dass die Erkrankung der Wirbelsäule durch arbeitskraftbezogene Einwirkung verursacht worden ist, trägt der Versicherte.

Ohne Zweifel erfüllt der Kläger nach den Feststellungen des TAD der Beklagten vom 14.11.2000 die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Feststellung einer BK nach Nr 2108 der Anlage zur BKV. Er war ca. 20 Jahre als Monteur im Fensterbau sowie bei der Sonderfertigung von Wintergärten tätig. Damit war er weit über den erforderlichen Bewertungsrahmen hinaus Arbeitsbelastungen ausgesetzt, die nach dem MDD-Modell zu einer Gesamtdosis von 35 x 106 Nh führten, also den Richtwert erheblich überschritten.

Trotz Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen hat der Kläger aber keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletzterente nach einer BK Nr 2108, da es an der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen der Erkrankung der LWS und der beruflichen Belastung fehlt. Nach den überzeugenden Feststellungen von Prof. Dr.S. , Dr.B. und Dr.H. leidet der Kläger zwar an einer Erkrankung der Wirbelsäule. Es handelt sich dabei um ein degeneratives LWS-Syndrom i.S. eines Wurzelreizsyndroms mit bereits operativ versorgtem Bandscheibenvorfall zwischen dem 5.LWK und dem Kreuzbein linksseitig mit persistierender radikulärer Schmerzausstrahlung und fehlendem Achillessehnenreflex.

Es kann davon ausgegangen werden, dass sich das bandscheibenbedingte Leiden der LWS beim Kläger Ende 1996 in Form eines Wurzelreizsyndroms manifestierte. Auch eine Nervenwurzel war mit einem offensichtlich sensomotorischen Defizit beeinträchtigt. Bis jetzt haben sich bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule nur im Bereich der unteren LWS gezeigt. Hinweise auf eine symptomatische Bandscheibenerkrankung im Bereich der HWS und BWS waren nicht nachweisbar, jedoch im Bereich des Überganges von der Brust- zur Lendenwirbelsäule radiologische Zeichen einer Scheuermann schen Erkrankung. Die bandscheibenbedingten Erkrankungen des Klägers, die sich auf das Bewegungssegment zwischen 5.LWK und Kreuzbein konzentrieren, passen zwar prinzipiell zur BK Nr 2108. Allerdings muss festgehalten werden, dass unabhängig von berufsbedingten Belastungen das Bewegungssegment zwischen 5.LWK und Kreuzbein das am häufigsten von degenerativen Bandscheibenveränderungen betroffene Segment ist. Aus dem detaillierten Befund der Kernspintomografie der LWS vom 10.03.2004 lassen sich Schmorl sche Hernien i.S. eines Morbus Scheuermann für den thorakolumbalen Übergang beschreiben. Weiterhin ist festzuhalten, dass die Bandscheiben zwischen dem 12.Brustwirbel und 4.LWK unauffällig konturiert und strukturiert sind, ohne Höhenminderung und pathologische Vorwölbung. Für das Bewegungssegment zwischen 4.LWK und 5.LWK findet sich ebenfalls keine wesentliche Höhenminderung. Angesichts der bildgebenden Diagnostik vom März 2004 kann also festgehalten werden, dass insbesondere das Bewegungssegment zwischen 5.LWK und Kreuzbein betroffen ist und das darüber liegende Segment nur in geringem Ausmaß. Für berufsbedingte Bandscheibenschäden im Bereich der LWS wären neben einer dominierenden Schädigung im Bereich des untersten Bewegungssegmentes zwischen 5.LWK und Kreuzbein auch degenerative Bandscheibenveränderungen in den darüber liegenden Segmenten zu fordern. Diese sind aber in der im März 2004 durchgeführten Kernspintomografie nicht dokumentiert. Belastungsadaptive Reaktionen sind beim Kläger also radiologisch weder zum Zeitpunkt der Manifestation des degenerativen LWS-Leidens Ende 1996 noch aktuell bei der Begutachtung durch Prof. Dr.S. im Oktober 2005 nachweisbar. Das eindeutige radiologische Fehlen relevanter belastungsadaptiver Reaktionen spricht gegen eine berufsbedingte Bandscheibenschädigung i.S. der BK Nr 2108.

Für den Fragekomplex einer prädiskotischen Deformität bzw. einer fehlstatisch vermehrt bedingten Belastung des lumbosakralen Überganges ist auf eine radiologisch erkennbare Hyperlordosierung im lumbosakralen Übergang zu verweisen. Dies wird in dem radiologischen Zusatzgutachten des PD Dr.R. bestätigt. Bei Bestehen einer lumbosakralen Hyperlordosierung wäre aber zu erwarten gewesen, dass diese auch zu einer vermehrten Belastung der kleinen Wirbelgelenke zwischen 5.LWK und Kreuzbein führt. Bei Durchsicht der Kernspintomografie vom 10.03.2004 ergaben sich jedoch im Facettengelenk zwischen 4. und 5.LWK mäßiggradig arthrotische Deformierungen, in den restlichen Segmenten jedoch nur geringgradige Arthrosezeichen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass belastungsbedingte Reaktionen im Bewegungssegment zwischen 5.LWK und Kreuzbein fehlen.

Zusammenfassend sprechen also gegen die Anerkennung einer BK Nr 2108 vor allem - das Fehlen belastungsadaptiver Reaktionen sowohl im Bandscheibenfach L5/S1 selbst, als auch im Bereich der kleinen Wirbelgelenke; dies angesichts der bekannten lumbosakralen Hyperlordosierung, - ein relativ langes Intervall zwischen dem Beginn wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten und der Manifestation eines Bandscheibenleidens, - die unzureichende Mitbeteiligung der Bewegungssegmente oberhalb des lumbosakralen Überganges.

Auch wenn bei der Gesamtdosis der Arbeitsbelastungen der Richtwert nach dem MDD-Modell überschritten wurde und der rein zeitliche Zusammenhang die Voraussetzung für die Anerkennung der BK Nr 2108 erfüllt, so kann aufgrund der o.g. Argumente die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nicht i.S. der BK Nr 2108 mit Wahrscheinlichkeit als allein oder wesentlich teilverursacht angesehen werden.

Nicht folgen kann der Senat dem Gutachten des PD Dr.B ... Dieser verweist wiederholt auf die Ergebnisse der Konsensus-Arbeitsgruppe des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften und zwar auf die "Med. Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", veröffentlicht in der Zeitschrift Trauma und Berufskrankheit in den Ausgaben 3 und 4/2005. Vorweg ist dabei festzuhalten, dass PD Dr.B. unzureichend die Tatsache diskutiert, dass belastungsadaptive Veränderungen fehlen. In dem sog. Konsensus-Papier werden zwar verschiedene Befundkonstellationen erörtert. Auf die individuelle Situation des Klägers bezogen, liegt die Konstellation B 2 vor. Voraussetzung hierfür ist, dass das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren erfolgen muss. Es muss also eine besonders intensive berufliche Belastung vorliegen, die zu einem besonderen Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen führt. Bei Männern bedeutet dies das Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes ab 6 kN. Hierzu hat aber der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 27.01.2006 ausgeführt, dass der Richtwert für die Lebensdosis von 25 x 106 Nh in 10 Jahren nicht erreicht wird. Nach 10 Jahren ergibt sich lediglich eine Gesamtdosis von 24 x 106 Nh. Jedenfalls lässt sich retrospektiv nicht mehr ermitteln, ob innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums mit sehr hohen Tagesschichtdosiswerten Belastungsspitzen i.S. der Befundkonstellation B 2 vorgelegen haben.

Der Gutachter diskutiert zudem unzureichend die Tatsache, dass i.S. der BK Nr 2108 Veränderungen in den oberhalb von L5/S1 liegenden Bewegungssegmenten zu fordern sind. Lediglich vor dem Bewegungssegment zwischen 4.und 5.LWK sind sie - allerdings nur in geringer Ausprägung - dokumentiert. Gerade in dem Konsensuspapier wird aber gefordert, dass die Begleitspondylose über das Altersausmaß hinausgehen muss und mindestens 2 Segmente betreffen sollte. Dies ist beim Kläger nicht der Fall.

Zu Unrecht geht der Gutachter auch davon aus, dass biomechanisch wirksame außerberuflich bedingte, prädiskotische Deformitäten fehlen. Selbst wenn man PD Dr.B. insoweit folgen wollte, dass eindeutige konkurrierende Ursachen in Form eines Morbus Scheuermann oder einer leichten Skoliose nicht vorliegen, bleibt nach wie vor unberücksichtigt, dass eine lumbosakrale Hyperlordosierung besteht. Diese führt bei entsprechender axialer Belastungssituation der Wirbelsäule beim Tragen schwerer Gegenstände zu einem vermehrten Anpressdruck der kleinen Wirbelgelenke und somit zu nachweisbaren berufsbedingten belastungsadaptiven Reaktionen und Degenerationen, wie Prof. Dr.S. überzeugend ausführt. Diese sind aber in der Kernspintomografie vom März 2004 für die kleinen Wirbelgelenke zwischen 5.LWK und Kreuzbein nicht nachweisbar. In dem Konsensuspapier wird gefordert, dass die Begleitspondylose über das Altersausmaß hinaus gehen muss und mindestens 2 Segmente betreffen soll. Selbst wenn man davon ausgeht, das wesentliche konkurrierende Ursachen beim Kläger nicht erkennbar sind und eine Begleitspondylose fehlt, kann im Rahmen der Konstellation B 2 ein Zusammenhang nur dann als wahrscheinlich angesehen werden, wenn mindestens eines von drei weiteren Kriterien erfüllt ist. Eines dieser Kriterien ist, dass eine Höhenminderung und/ oder Prolaps an mehreren Segmenten, z.B. in mindestens 2 angrenzenden Segmenten vorliegen muss. Aus der Befundung der Kernspintomografie der LWS vom 10.03.2004 ist dieses Kriterium aber eindeutig nicht erfüllt. Lediglich für die Bandscheibe L4/5 ist eine nicht wesentliche Höhenminderung beschrieben mit nur mäßiger Signalminderung.

Nach Auffassung des Senats ist der Sachverhalt in medizinischer Hinsicht hinreichend aufgeklärt. Die Einholung weiterer Gutachten ist nicht erforderlich.

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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